DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-09-2018 07:30
SXEU31 DWAV 090800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.09.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wa

Im Norden anfangs geringer, am Dienstag kräftigerer Regen mit teils böigem Wind,
im Süden oft freundlich und trocken, nachts neblig.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... ist das Geopotentialfeld in 500 hPa von einer Trogstruktur geprägt,
die sich vom Seegebiet südlich von Grönland nach Osten bzw. Südosten erstreckt.
In diesem Troggebilde lassen sich zwei Achsen, jeweils mit eigenständigen, wenn
auch kleinräumigen Höhentiefs ausmachen, wovon die erste westlich von Irland
nach Süden weist, die zweite dagegen über dem Süden Norwegens nach Südosten und
damit in Richtung zentrale Ostsee verläuft. Im Tagesverlauf verlagert sich
letztere rasch über Südskandinavien nach Norden, während ersterer große Teile
der Britischen Inseln nach Osten überquert und zum Abend den Westausgang des
Ärmelkanals erreicht. Damit kann sich schon ab den Mittagsstunden vor allem über
dem Süden ein flacher Rücken mit recht großer Wellenlänge aufwölben, der dort
vorübergehend für Absinken und insgesamt ruhiges Wetter sorgt. Vorübergehend
deswegen, weil seine Achse am Abend schon von Südtirol in Richtung Nordwestpolen
weist und Deutschland damit praktisch komplett auf seiner Rückseite liegt.

Im Bodendruckfeld korrespondiert mit dem Trog ein steuerndes Zentraltief südlich
von Irland, das im Tagesverlauf nach Nordosten wandert und zwischen Südnorwegen
und Island zu finden sein wird. Es ist mehrkernig und weist eine recht flache
Druckverteilung auf. An dieses Tief ist ein Frontensystem / sind Frontensysteme
gekoppelt. Die Formulierung im Plural deutet darauf hin, dass zumindest aktuell
im Theta-Feld noch zwei Drängungszonen auszumachen sind. Im Tagesverlauf bekommt
das Muster dann einen eher typischen Kalt-Warmfront-Charakter, so dass dann wohl
nur noch ein Frontensystem analysiert werden wird. Unabhängig von der Zahl der
Frontensysteme greift aktuell schon WLA auf den Nordwesten über, was zu
Hebungsprozessen, Wolken und auch zu Regenfällen führt. Während die Wolken bis
in die Mitte ausgreifen, bleiben die Regenfälle auf den Norden beschränkt. Diese
sind insgesamt verhalten, einzig EURO4 bietet lokal im Tagesverlauf mehr als 5
mm Regen an, die Globalmodelle (ICON, GFS, EZMW) aber auch COSMO-D2 sind
diesbezüglich verhaltener. Insofern ist bezüglich des Regen nichts Warnwürdiges
zu erwarten, allerdings ist auf der Südostflanke des Zentraltiefs der Gradient
(noch) recht deutlich ausgebildet. In der Folge ist dort mit Böen bis zur Stärke
Bft 7 zu rechnen, allerdings nur bis in die Mittagsstunden. Dann soll der
Gradient auffächern, so dass der Wind zwar frisch bleibt, aber nicht mehr
jenseits der Warnschwellen liegen wird. Dies sagen einerseits der direkte
Modelloutput von ICON, EZMW und CCOSMO-D2, andererseits aber auch die
Probabilistik (PEPS, COSMO-LEPS, COSMO-D2-EPS). Der Süden liegt derweil unter
einer Hochdruckbrücke, die von den Azoren in einem weiten Bogen über die Alpen
und das Baltikum nach Nordwestrussland reicht. Dies ist ein zusätzliches Indiz
dafür, dass das Wetter im Süden recht freundlich werden wird. Zwar lassen sich
in und an den Alpen lokal CAPE-Werte von etwa 500 J/kg finden (ICON6-NEST), aber
die Luft ist dort speziell oberhalb von 900/850 hPa sehr trocken, was für die
niedrigen CAPE-Werte sorgt. In der unteren Troposphäre ist durchaus Feuchte
vorhanden (PPWs um 15 mm, Taupunkte um 12 Grad), und auch die Labilität ist dort
recht hoch (Lapse-Rates lokal unter -0,65 K/100m), aber man erkennt eine schwach
ausgeprägte Deckelung, und die Hebungsantriebe aus der Höhe könnten sicher
günstiger sein. Somit sind Gewitter im unmittelbaren Alpenumfeld, auch mit
orografischer Unterstützung, nicht gänzlich ausgeschlossen, aber sehr
unwahrscheinlich, und entsprechend reagieren die Modelle auch in den
Pseudo-Synops mit meist 2/8 - 4/8-Bewölkung, aber ohne Niederschläge. Das
Temperaturniveau liegt dabei am Abend in 850 hPa bei etwa 7 Grad im Norden und
14 Grad im Süden, was Höchstwerte von etwa 20 Grad an den Küsten und bis zu 28
Grad im Süden erwarten lässt.

In der Nacht zu Montag greift der Trog von den Britischen Inseln auf den Norden
Deutschlands über, der Rücken über dem Süden verlagert sich dagegen kaum nach
Osten, als Konsequenz daraus zeigen sich im Norden weiterhin viele Wolken,
während es im Süden verbreitet klar ist. Während das Zentraltief etwas nach
Norden zieht und sich auf seiner Westflanke ein neues Tief nähert, greift er
okkludierte Teil seines Frontensystems auf Skandinavien und seine Kaltfront auf
den äußersten Nordwesten über. Damit frischt der Wind wieder etwas auf, ohne in
den warnwürdigen Bereich vorzustoßen, zumindest außerhalb von kräftigeren
Schauern oder kurzen Gewittern, die im unmittelbaren Küstenumfeld mit
diabatischer Unterstützung möglich sind. Der in Nord- und Ostfriesland
aufkommende Regen ist insgesamt schwach, und der Wind unterdrückt die
Nebelbildung, die in der Mitte und dem Süden verbreiteter zu beobachten sein
wird. Die 850er Temperaturen steigen im Vergleich zum Tage etwas an, sie
erreichen dann auch im Norden Werte um 9 Grad.


Montag... schwenkt der Langwellentrog über Dänemark hinweg nach Nordosten,
wodurch Deutschland in den Ausgangsbereich einer Zone mit glatter Höhenströmung
kommt, die weite Teile der mittleren Breiten des Nordatlantiks überdeckt. Dabei
ist die Höhenströmung leicht diffluent, was Hebungsprozesse etwas begünstigt,
was an der Nordsee dazu beiträgt, dass zumindest anfangs weiter einzelne Schauer
oder Gewitter im Frontbereich möglich sind. Das Zentraltief und das in seine
Rückseite hineinlaufende vereinigen sich zu einem (noch größeren) Tiefkomplex,
wobei das Frontensystem des zweiten Tiefs bis zum Abend Irland überdeckt. Das
Frontensystem des ersten Tiefs dagegen kann sich über Deutschland kaum nach
Süden verlagern, es läuft nicht nur gegen die Hochdruckbrücke, sondern auch
gegen das über dem Süden befindlichen hohe Geopotential an. Immerhin schreitet
der Okklusionsprozess voran. Damit zeigt sich das Frontensystem am Abend über
Deutschland nur noch als schmale Schliere im Theta-Feld, die sich von der Pfalz
bis zum Oderbruch erstreckt. Während die Front aufgrund der fehlenden
frontsenkrechten Komponente nur geringe Hebungsdynamik aufweist, kommt es
bjerknesesk postfrontal zu Niederschlägen, die allerdings erneut sehr gering
simuliert werden. Das amerikanische GFS bringt es zumindest hier und da auf mehr
als 1-2 mm in 24 Stunden, EZMW, aber auch ICON sind bezüglich des Niederschlages
noch zurückhaltender. Zwar ist die Front im thermischen Feld gut ausgeprägt
(T850 im Nordwesten um 7, im Südosten bis 13 Grad), aber entsprechend der
fehlenden Hebungsprozesse verliert sie sich im Südwesten in der 700er Feuchte
zusehends. Der Wind weht im Norden lebhaft, aber abgesehen von exponierten
Gipfellagen (Brocken Bft 8) kratzt er die Warnschwelle Bft 7 nur an den Küsten
hier und da mal an (Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 7 an der Nordsee bei
COSMO-Leps bis 30%, bei PEPS bis 50%).

In der Nacht greift ein Langwellentrog über dem zentralen Nordatlantik nach
Süden aus, so dass die Höhenströmung mehr auf Südwest kippt, aber weiterhin
recht gradlinig bleibt. Dadurch wölbt sich ein Rücken von der Iberischen
Halbinsel nach Frankreich auf, der auch weite Teile Deutschlands beeinflusst. Im
Zug des Aufwölbprozesses verstärkt sich die Hochdruckbrücke über
Zentralfrankreich und es bildet sich dort ein eigenständiges Hoch mit einem
Druck von über 1030 hPa. Dieses setzt der ohnehin schwachen, weiter von Südwest
nach Nordost über Deutschland liegenden Front weiter zu und bedeutet über dem
Südwesten ihr Ende. Ansonsten bleibt es im Süden mit 850er Temperaturen von um
die 11 Grad mild, wobei sich erneut Nebel bildet. Im Norden setzt vorderseitig
der Warmfront, die ausgangs der Nacht die Nordsee und Benelux erreicht, WLA ein,
was zu starker Bewölkung und zu leichten Regenfällen führt. Der Gradient
verschärft sich mit Annäherung des Frontensystems, so dass ausgangs der Nacht an
der Nordsee erste Böen Bft 7 nicht ausgeschlossen sind.

Dienstag... verlagert sich der Langwellentrog auf dem Atlantik nach Westen, er
erreicht mit seiner Achse in der Nacht die Azoren. Der Höhenrücken, der von
Südwesteuropa bis nach Deutschlands reicht, verlagert sich nach Osten, so dass
seine Achse ausgangs der Nacht zu Mittwoch von Norditalien über Tschechien nach
Weißrussland reicht. Auf der Nordwestflanke des Rückens bleibt die Höhenströmung
gradlinig, wobei die Isohypsendrängung einen Jet induziert, der den Norden
Deutschlands streift und dessen Maximum über Südnorwegen und Südschweden zu
finden sein sollte. Während das mehrkernige steuernde Zentraltief seine Lage nur
wenig ändert, überquert die Warmfront des Tiefs den Norden von West nach Ost.
Die Kaltfront hingegen wird durch Wellenbildung auf dem nahen Ostatlantik
zurückgehalten, so dass sie auch in der Nacht zu Dienstag allenfalls
Schleswig-Holstein erreicht. Da im Bereich des Warmsektors der Gradient
wieder/weiter anzieht, muss mit steifen Böen bis ins Binnenland und mit
Sturmböen an den Küsten (bei Südwest und damit auflandigem Wind bevorzugt an der
Westküste Schleswig-Holsteins, allerdings sind sich die Modelle bezüglich des
Gradienten und der Windrichtung noch nicht ganz einig) und in exponierten
Gipfellagen (Brocken) gerechnet werden. Die Ensembles deuten in die gleiche
Richtung, COSMO-LEPS und ICON-EU-EPS sehen die Wahrscheinlichkeiten für Böen
Bft7 in Nordfriesland bei 100%, die Wahrscheinlichkeiten für Ben Bft 8 immerhin
bei 70%. In der Nacht zu Mittwoch lässt der Wind im Norden nach, ohne gänzlich
einzuschlafen und mit der Option weiterer warnwürdiger Böen, zumindest der
Stärke 7.

Die erwarteten Regenmengen scheinen am Dienstag den Begriff Niederschlag
wirklich zu verdienen, können doch auf der ICON-Schiene in Nordfriesland bis zu
20 mm in 24 Stunden (bis Mittwochmorgen) zusammenkommen. Diese Mengen sehen EZMW
und GFS zwar skeptisch, aber über 10 mm sollen es auch nach Meinung dieser
beiden werden. Mit der Passage der Warmfront wird in den Norden deutlich wärmere
Luft eingesteuert, während die 850er Temperaturen dort am Morgen noch nahe 5
Grad liegen, steigen sie bis zum Abend auf etwa 12 Grad, im Süden werden es dann
bis zu 15 Grad sein. Damit liegen die Höchstwerte im Süden wieder nahe 30 Grad,
im Norden sollten bei vielen Wolken Maxima um 20 Grad möglich sein. Und nachts
greift das Wetterorchester im Süden wieder das Motiv des Nebels auf.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Kern simulieren die Modelle die Abläufe recht ähnlich. Unterschiede wurden im
Text angesprochen, sie sind aber nicht relevant für die Wrnstrategie.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas