DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-09-2018 08:01
SXEU31 DWAV 070800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.09.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: allmählicher Übergang zu Wa (west antizyklonal)

Heute über der Nordsee einzelne Gewitter, auch im Südosten noch geringe
Gewitterneigung. Zudem an der Nordsee windig. Am Wochenende verbreitet
Hochdruckeinfluss, nur nach Nordwesten hin leicht wechselhaft.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... steht außer Frage, welches das prägende Gebilde auf der
deutschlandnahen Wetterkarte ist. Der Preis geht eindeutig an das hochreichende
Tief YU über der Nordsee, das heute in weiten Teilen des Landes den Ton angibt.
Während das Bodentief mit etwas unter 1010 hPa eher etwas diffus daherkommt,
will heißen, über kein klar definiertes Minimum verfügt, zeigt sich das
Höhentief (HT) sehr deutlich mit einem eindeutigen Drehzentrum. Dieses befindet
sich heute früh über der Doggerbank (westliche Nordsee), von wo aus es bis zum
Tagesende zur Südspitze Jütlands zieht. Der Kernbereich des HTs ist angefüllt
mit höhenkalter Luft, in der die 500-hPa-Temperatur bis etwas unter -25°C
reicht. Bei gleichzeitig +3 oder +4°C in 850 hPa und einer noch immer recht
warmen Nordsee (in Landnähe 18-19°C) mit hohem latenten Wärmegehalt ist für
ausreichend Labilität gesorgt, die in zahlreichen Schauern und einzelnen
Gewittern (mit Böen 7-8 Bft und/oder vereinzeltem Starkregen) münden wird, die
(also zumindest die Gewitter) aber wahrscheinlich nicht besonders weit
landeinwärts ausgreifen werden.
Zurück zum Bodentief, das mit Hilfe zweier Fronten schubweise Meeresluft
subpolaren Ursprungs nach Deutschland führt und sich im Tagesverlauf ganz
langsam nordwärts orientiert. Die erste Kaltfront hat die östlichen Landesteile
erreicht, die sie wohl aber erst am Nachmittag in Richtung Polen verlassen wird.
Dahinter wird ein erster Schwall Meeresluft eingesteuert, in dem T850 auf etwa
10 bis 7°C zurückgeht, die durch den zuvor gefallenen Regen zunächst aber noch
ziemlich feucht ist (aktuelle Taupunkte bei 15/16°C, Pseudopots 45 bis 50°C). So
gesehen könnte man meinen, die Front liege weiter westlich, was aber nicht der
Fall ist. Im Süden hängt die Front nach Westen zurück, was den
Luftmassenaustausch dort erschwert. Insbesondere südlich der Donau halten sich
tagsüber noch Reste der zuvor wetterbestimmenden Warmluft (T850 10°C oder etwas
darüber). Heute Vormittag jedenfalls kommt im Frontbereich zu schauerartigen
Regenfällen, die sich aber zusehends abschwächen. Zwar sollte man sich über
einen vereinzelten Blitz nicht wundern, grundsätzlich ist die Gewitterneigung
mangels ausreichend CAPE und allmählich zunehmender Stabilität der Luftmasse
aber gering.
Das könnte sich später mit Hilfe des Tagesgangs und ein Stück weit auch der
Orografie allerdings noch mal ändern, auch wenn dynamische Hebung nicht zu
erwarten ist (das HT ist zu weit weg, der zugehörige Randtrog schwenkt schon
vorher in Richtung Ostsee). Fakt ist, dass laut Numerik etwa von der Lausitz
über Ostsachsen und das östliche Bayern bis hinunter an den Alpenrand noch mal
etwas CAPE aufgebaut wird (maximal bis 300 J/kg) und zunächst noch ausreichend
Feuchte vorhanden ist (10/11 g/kg spez. F.), um einzelne Gewitter zu generieren.
Bei PPWs um oder etwas über 30 mm steht trotz leichter Mobilität (850-hPa-Wind
10 bis 15 Kt) Starkregen ganz oben auf der Agenda, wobei die Unwettergefahr aber
sehr gering ist. Ohnehin wird das potenzielle konvektive Geschehen ein Wettlauf
mit der Zeit, machen doch Abtrocknung und Stabilisierung im Laufe des
Nachmittags von Westen her immer weitere Fortschritte.
Apropos Westen, hier gilt es die zweite Kaltfront zu erwähnen, die heute
Vormittag von Benelux kommend den Nordwesten erreicht und rückseitig eine
weitere Portion frischer Meeresluft serviert, in der die 850-hPa-Temperatur im
Nordwesten auf unter 5°C sinkt. An der Front kommt es zunächst noch - bandförmig
organisiert - zu schauerartigem Regen, der mit weiterer Verlagerung nach Osten
aber immer schwächer und diffuser wird. Die Ursache dafür könnte darin liegen,
dass die durchaus solide PVA auf der Vorderseite des HTs mehr und mehr durch
kräftige KLA überkompensiert wird. Wie bereits erwähnt, spielt das über der
Nordsee nur eine untergeordnete Rolle, so dass dort konvektiven Umlagerungen
nichts im Wege steht.
Warntechnisch rückt auch der Wind stärker in den Fokus, zumindest an und auf der
der Nordsee sowie im küstennahen Binnenland. Noch im Laufe des Vormittags
frischt der anfangs aus Süd bis Südwest wehende, später auf Südwest bis West
drehende Wind spürbar auf und erreicht in Böen Stärke 7 Bft, besonders auf den
Inseln sowie in Verbindung mit Gewittern auch 8 Bft. Es fällt auf, dass ICON den
Starkwind über Mittag und am Nachmittag relativ weit ins nordwestdeutsche
Binnenland ausgreifen lässt (teils bis NRW), was von den meisten externen
Modellen aber negiert wird. Hier könnte der von ICON relativ forsch simulierte
Wind in 925 hPa eine Rolle spielen, der teilweise bis nach unten gemischt werden
soll, bei den "Externen" aber um 5-10 Kt schwächer ausfällt. Es wird empfohlen,
abseits der Küste warntechnisch eher defensiv zu agieren und die Lage erst mal
zu beobachten.
Bliebe abschließend noch zu erwähnen, dass die Sonne landesweit ziemlich
zurückhaltend agiert und die Temperatur Höchstwerte von 17 bis 24°C erreicht,
wobei es im Westen und Nordwesten tendenziell am kühlsten bleibt.

In der Nacht zum Samstag schwenkt auch die zweite Front nach Osten durch.
Rückseitig breitet sich die (zweite Portion) subpolarer Meeresluft auf weite
Landesteile (T850 3 bis 7°C) aus, lediglich südlich der Donau bleibt es
niedertroposphärisch etwas milder (T850 8-10°C). Die frische Luftmasse ist nicht
nur kühl, sie ist auch relativ trocken (Taupunkte im Westen und Norden sowie in
Teilen der Mitte im einstelligen Bereich), was die Nebelgefahr relativ niedrig
hält. Bei steigendem Luftdruck (Azorenhochkeil) reißt die Wolkendecke zumindest
teilweise auf, so dass die Temperatur in den genannten Gebieten auf unter 10°C,
im westlichen Mittelgebirgsraum lokal auf rund 5°C sinken kann.
Darüber hinaus gilt es zu berichten, dass letzte (gewittrige) Schauer am
Alpenrand alsbald ihren Geist aufgeben. Dagegen bleiben der äußerste Norden,
insbesondere die Nordsee und deren unmittelbares Umfeld im Wirkungsradius des
nur langsam scheidenden Tiefs, was dort noch einzelne Schauer oder kurze
Gewitter zur Folge hat. Zudem bleibt es an der Nordsee windig mit Böen 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft.

Samstag... zieht das hochreichende Tief vor die Südküste Norwegens. Auf seiner
Südflanke arbeitet sich der Ostteil der über den mittleren Nordatlantik
verlaufenden Frontalzone bis nach Mitteleuropa bzw. Deutschland vor, wobei die
anfänglich noch zyklonal konturierte westliche Höhenströmung im Tagesverlauf
immer glatter wird. Darunter spaltet sich aus dem Azorenhochkeil eine
eigenständige Parzelle ab (etwas über 1020 hPa), deren Zentrum zum Mittagessen
mittemang über dem Vorhersagegebiet liegt. Mit Ausnahme des Nordens, wo noch ein
leidlicher Gradient vorhanden ist, kommt die eingeflossene Subpolarluft zur
Ruhe, was verbreitet einen heiter bis wolkigen (vor allem Quellungen, die sich
unterhalb einer zwischen 850 und 750 hPa etablierenden Inversion bilden)
Wettercharakter zur Folge hat.
Etwas mehr Gewölk gibt es im Nordwesten, aus denen aber kaum Regen fällt. Einzig
über der Nordsee kommt es noch zu einigen konvektiven Umlagerungen, von denen
einzelne Ableger auch mal das küstennahe Binnenland (bei SW-Wind vor allem SH)
treffen können. Die Gewittergefahr ist aber gering, und auch die Schauerneigung
dürfte im Tagesverlauf weniger werden, weil mit Abzug des Tiefs (und damit auch
der korrelierenden Höhenkaltluft) die Schichtung sukzessive stabiler wird. Vor
allem an der Nordseeküste und in Teilen SHs weht zunächst noch ein frischer
Südwestwind mit Böen 7 Bft, Tendenz am Nachmittag und Abend vorübergehend
nachlassend.
Temperaturmäßig gibt sich der Nordwesten weiterhin verhalten mit maximal 17 bis
20°C, sonst reicht es für 19 bis 24°C, am Oberrhein lokal vielleicht sogar für
25°C.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich nicht allzu viel. Unterhalb der weiterhin
aus West kommenden Höhenströmung verbleiben weite Teile des Landes unter
Hochdruckeinfluss, was vielerorts einen leicht bewölkten oder gar klaren Himmel
zur Folge hat. Besonders im Süden, wo die alternde Luftmasse etwas feuchter ist,
bildet sich örtlich Nebel.
Schwachstelle im antizyklonalen Konstrukt bleibt der Nordwesten, wo ein
Bodentrog mit eingelagerter Kaltfront die Deutsche Bucht erreicht und dort
wieder für eine zunehmende Schaueraktivität sorgt, von denen einige Exemplare
ins küstennahe Binnenland, insbesondere nach SH reinziehen. Achtung, EURO4
simuliert sogar eine definierte und sehr intensive Schauerstraße, die via
Nordfriesland bis in den Norden SHs reicht und dort bis zu 40 mm innert 12 h
bringen soll. Unabhängig davon lebt der Südwestwind an der Nordsee wieder auf
mit der einen oder anderen steifen Böe 7 Bft.

Sonntag... zieht ein breiter und sehr flacher Höhentrog nach Frankreich, was
stromab bei uns ein infinitesimales Aufwölben der westlichen Höhenströmung zur
Folge hat (vor allem nach Süden hin). Am Boden herrscht weiter
Hochdruckeinfluss, was weiten Teilen des Vorhersageraums einen sonnigen oder nur
locker bewölkten und trockenen Sonntag beschert. Leichtes Absinken lässt die
Temperatur in der unteren Troposphäre stetig ansteigen, am Abend reicht die
Spanne T850 von 7°C im Nordosten bis zu 14°C im Süden. Dort, also grob südlich
der Main-Mosel-Linie erwärmt sich die Luft auf 24 bis 27°C, am Oberrhein gar bis
zu 28°C.
Aber auch in den übrigen Regionen muss man angesichts anvisierter Tagesmaxima
von 21 bis 25°C nicht frieren, einzig an der Nordsee wird das Thermometer
wahrscheinlich etwas weniger anzeigen. Ohnehin bleiben die Nordsee und das
angrenzende Areal stark anfällig für wechselhafte Wetterbedingungen. Zwar wird
die o.e. Kaltfront rückläufig (siehe Vorhersagekarte T+60h), trotzdem kommt es
am Rande einer umfangreichen Tiefdruckzone über Nordwesteuropa von Ostfriesland
bis in den Norden SHs sowie über der Nordsee zu weiteren, meist schauermäßig
gearteten Regenfällen. Dazu weht ein mäßiger bis frischer Südwestwind, der in
Einzelfällen auch mal Stärke 7 Bft erreicht.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die geschilderte Entwicklung im Großen und Ganzen
einvernehmlich. Auf noch vorhandene Unsicherheiten (u.a. heutige Konvektion,
Wind im Nordwesten) wurde im Text hingewiesen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann