DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-09-2018 08:01
SXEU31 DWAV 040800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 04.09.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs NEa (Nordost antizyklonal), später TrW (Trog Westeuropa)

Heute von Südost nach West Schauer und Gewitter mit lokalem Starkregen, einzelne
Unwetter nicht ausgeschlossen.
Am Mittwoch im Westen, am Donnerstag dann ostwärts ausgreifende schauerartige
Regenfälle und Gewitter, dabei weiterhin Starkregengefahr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... heißt es Abschied nehmen. - Abschied nehmen von einem treuen
Gesellen, der Teile des Landes (vornehmlich dem Süden und Südosten sowie in der
Mitte) mal mehr, mal weniger mit einem natürlichen Element beschenkt hat, das
mittlerweile den Status seltener Erden zu haben scheint: Regen!
Gemeint ist ein Höhentief (HT), das heute früh von den Alpen kommend bereits
Slowenien erreicht hat und von dort weiter zieht in die Weiten des nördlichen
Balkans. Damit bricht die östliche Höhenströmung über dem Vorhersageraum
komplett zusammen und es setzt Potenzialanstieg ein, der sich am Tagesende in
Form eines schwachen, vom westlichen Mittelmeer über Deutschland bis nach
Südskandinavien reichenden Höhenrückens widerspiegelt. Gleichzeitig eiert ein
weiteres Höhentief von der Irminger See an Island vorbei in Richtung Südosten,
was für uns zunächst nur eine Randnotiz ist, später aber noch Bedeutung erlangen
wird.
Nicht nur in der Höhe gibt sich die Strömung extrem luschig, in Bodennähe
scheint sie noch lustloser zu agieren. So befindet sich Deutschland auch heute
mittemang in einem barischen Sumpf, lediglich im Norden ist - auf der Südflanke
einer vom mittleren Nordatlantik über Skandinavien bis nach Westrussland
reichenden Hochdruckzone - ein Ansatz von Gradient zu erkennen. Er sorgt für
einen schwachen bis mäßigen Nordostwind, mit dem relativ trockene und etwas
weniger warme Luft als gestern (T850 bei 9/10°C) insbesondere in den Nordosten
advehiert wird. Dort scheint ebenso wie im westlichen Norddeutschland und in den
östlichen Landesteilen häufig die Sonne, wobei die Temperatur auf 22 bis 26°C,
weiter im Landesinnern bis zu 28°C, direkt an der Küste bei auflandigem Wind auf
rund 20°C steigt.
Obwohl das HT von dannen zieht und sich ein Rücken aufbaut, bleibt das Wetter
weiter südlich wechselhaft und mitnichten überall trocken. Bereits heute früh
hat es ja z.T. kräftig geregnet in Teilen Bayerns bzw. es regnet noch. Und auch
am Tage kristallisiert sich ein Korridor heraus, in dem die Luftmasse nicht nur
feucht (spez. F. bis zu 12 g/kg, PPW 30 bis 35 mm), sondern zumindest teilweise
auch ausreichend labil geschichtet ist, um leidlich CAPE zu generieren
(gebietsweise bis 500 J/kg, punktuell darüber). Die Überlappung von Labilität
und Feuchte ist dabei etwas "günstiger" als gestern, was den Schluss auf eine
etwas aktivere Gewittertätigkeit zulässt.
Räumlich betrachtet reden wir über einen Korridor, der etwa vom östlichen Bayern
über Franken und Hessen bis nach NRW, vielleicht sogar noch ein Stück weit bis
ins westliche Niedersachsen reicht. Nachdem sich die Regenfälle in Südbayern am
Vormittag abgeschwächt haben, kommt es im genannten Streifen vermehrt zu
schauerartigen Regenfällen und einzelnen unorganisierten Gewittern (kaum oder
keine Scherung), die mangels Strömung fast Stehcharakter und somit eine hohe
latente Gefahr von Starkregen aufweisen, was übrigens auch für den
nicht-gewittrigen Regen gilt. Auch wenn sich Cassandra hier nicht zu stark in
den Vordergrund stellen sollte, kommt der Verfasser nicht umhin, das U-Wort zu
erwähnen, sind doch 25 mm/h oder auch 35 mm in wenigen Stunden ganz schnell mal
zusammengekommen, wenn auch nur räumlich eng begrenzt.
Als Impulsgeber für die benötigten Hebungsprozesse kommen mangels dynamischer
Komponenten vor allem die Orografie sowie die immer noch leicht konfluente
Strömung in der unteren Troposphäre in Frage, auch wenn die
Windgeschwindigkeiten wie erwähnt niedrig sind und die gestern und heute früh
noch leidlich ausgeprägte Tiefdruckrinne immer schwerer zu finden sein wird.
Immerhin konnte in der Anneliese von heute, 06 UTC eine bogenförmig von
Tschechien bis zur Nordsee reichende Hauptkonvergenz analysiert werden, für die
es aber keine Garantie gibt, dass sie so auch am Nachmittag noch gefunden wird.

Bliebe abschließend noch ein Blick auf die Areale südwestlich des Korridors, zu
dem vor allem BW, aber auch Teile Schwabens sowie zumindest das südliche RP
gehören. Dort ist die Luft trockener und auch stabiler, so dass Schauer und
schon gar Gewitter wenig wahrscheinlich sind. Zudem profitiert man von dem sich
aufbauenden Höhenrücken, so dass vor allem an den Grenzen zur CH und F sowie in
Südbaden öfters mal die Sonne zum Zug kommt.
Temperaturmäßig stehen abgesehen vom schon genannten Norden 21 bis 26°C auf der
Karte, im bedeckten Südosten Bayerns keine 20°C.

In der Nacht zum Mittwoch bleiben wir unter dem Rücken liegen und auch
luftdrucktechnisch passiert nichts, so dass wir uns in ruhigem Fahrwasser mit
frühherbstlichem Touch bewegen. Konkret bedeutet das, dass die anfänglich noch
auftretenden Niederschläge und Gewitter immer weniger werden. Besonders in der
Mitte und im Süden bildet sich in der feuchten Grundschicht erneut Nebel, in dem
die Sichtweite gebietsweise auf unter 150 m sinkt.

Mittwoch... schlägt das HT über dem nahen Ostatlantik in den Abendstunden bei
den Färöer-Inseln auf. Der davon ausgehende Trog erreicht UK und den Norden
Frankreichs, wodurch der Rücken bei uns leicht nach Osten weggedrückt wird. Bei
weiterhin extrem schwachen Luftdruckgegensätzen am Boden bleibt er aber für
weite Teile des Landes wetterbestimmend, so dass nach Auflösung von Nebel und
Hochnebel vielerorts die Sonne scheint. Zwar bilden sich mit der Tageserwärmung
aus der Grundschicht heraus einige Quellungen, dieses kommen in der Regel aber
nicht höher als 800 bis 750 hPa, wo sich besonders nach Osten hin eine
Absinkinversion etabliert. Bei 850-hPa-Temperaturen von 9 bis 13°C werden
Tageshöchstwerte von 22 bis 29°C angepeilt, was aus dem leicht herbstlichen
Ambiente am Morgen ganz schnell einen üppigen Spätsommer werden lässt.
Ganz im Westen, der allmählich auf die Vorderseite des Höhentrogs gelangt und wo
sich im Tagesverlauf immer mehr Feuchtigkeit in der ruhenden und leicht labilen
Luftmasse akkumuliert (=> ML-CAPE gebietsweise 500 bis 1000 J/kg, MU-CAPE sogar
noch etwas darüber), können sich ab dem Nachmittag einzelne unorganisierte
Gewitter entwickeln, die aufgrund der nach wie vor geringen Strömung mit
Starkregen (PPW um oder etwas über 30 mm) einhergehen und lokal auch die
Unwetterschwelle reißen können.
Stellt sich abschließend noch die Frage, was aus dem heute noch aktiven Korridor
mit den Schauern und Gewittern wird? Er verlagert sich noch etwas nach Süden,
wobei die Luftmasse immer weiter abtrocknet. Nach zum Teil nur zäher Auflösung
des nächtlichen Nebels und Hochnebels schaffen es weder Tagesgang noch
Orografie, die Konvektion im Süden noch mal so richtig in Gang zu bringen. Zwar
simulieren einige, vor allem externe Modelle noch leichte Niederschläge, für
mehr als ein paar vereinzelte Schauer aus dem Bergland heraus (über dem
Schwarzwald sollte es aber nicht mehr reichen.

In der Nacht zum Donnerstag rückt der Höhentrog noch etwas dichter an den
Vorhersageraum heran. Vorderseitiger Druckfall lässt eine meridional exponierte
Bodenrinne entstehen, die auf die westlichen Landesteile übergreift. Also Folge
davon kommt zu weiteren schauerartigen Regenfällen und Gewittern, die sich nur
langsam nach Osten vorarbeiten. Starkregen bleibt nach wie vor der Parameter,
auf den am meisten zu achten ist.
Im großen Rest des Landes präsentiert sich die Nacht häufig gering bewölkt oder
klar, so das sich wieder einige dichte Nebelfelder bilden können.

Donnerstag... schwenkt der Höhentrog allmählich ost-nordostwärts über
Deutschland hinweg, während das HT im Zentrum des Troges via England zur
westlichen Nordsee zieht. Die Tiefdruckrinne kommt mit eingelagerter Konvergenz
ebenfalls nach Nordosten voran, wobei sich im Nordteil ein flaches Tief bildet,
das am Mittag über der Nordsee liegt. Davon ausgehend erstreckt sich eine
Kaltfront nach Süden, die im Laufe des Nachmittags auf den Westen übergreift.
Die beste Überlappung von Labilität und hoher Feuchte ist zwischen Konvergenz
und Kaltfront gegeben, wo die Modelle entsprechend die stärkste Wetteraktivität
in Form schauerartiger Regenfälle und Gewitter simulieren. Sie breiten sich -
bei nach wie vor geringem Organisationsgrad - im Tagesverlauf langsam ostwärts
aus, sparen bis zum Abend sehr wahrscheinlich aber noch die Regionen zwischen
Erzgebirge und Ostsee sowie das östliche Bayern aus (dort wird vor der Rinne
zunächst noch trockene Luft aus Osten bzw. Südosten angesaugt). Bei PPWs um oder
etwas über 30 mm und einigen hundert Joule/Kilogramm CAPE steht Starkregen
weiterhin ganz oben auf dem Beipackzettel, wegen der etwas zunehmenden
Strömungsgeschwindigkeit nimmt die Unwettergefahr aber etwas ab.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 20 bis 25°C, im Osten, wo es z.T. noch
mal ganztägig einstrahlt, bis zu 27 oder 28°C.

In der Nacht zum Freitag kommen Rinne/Konvergenz sowie die Kaltfront und damit
auch die Niederschläge und Gewitter noch etwas nach Osten voran. Wie weit
tatsächlich, lässt sich heute noch nicht abschließend beantworten, weil die
Modelle leicht divergieren. ICON jedenfalls setzt auf eine vergleichsweise
defensive Variante.
Postfrontal strömt ein Schwall subpolarer Meeresluft in den Westen, in der die
850-hPa-Temperatur auf 8 bis 4°C zurückgeht. Der KLA folgend setzt dort
Druckanstieg ein, der zum Aufbau eines schwachen Azorenhochkeils führt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Grundsätzlich haben die externen Modelle keine großen Einwände gegen die von
ICON oben beschriebene Entwicklung. Gleichwohl bleibt - wie eigentlich fast
immer bei gradientschwachen Lagen - ein Rest an Unsicherheit vor allem
hinsichtlich der Niederschläge und Gewitter. Aber auch da weichen die Modelle
nicht gravierend voneinander ab. Auffallend ist allerdings die Passivität von
COSMO-D2 in Bezug auf die heutigen Schauer und Gewitter, was mit einem gewissen
Argwohn beäugt werden sollte.
Festhalten sollte man an dieser Stelle auf alle Fälle noch mal, dass der an
allen drei Tagen apostrophierte Starkregen in der jeweiligen Region nicht
zwingend an Gewitter gebunden sein muss, sondern auch mal nicht-elektrisch
auftreten kann.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann