DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-08-2018 08:01
SXEU31 DWAV 230800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.08.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa)

Heute vom Süden bis in die Mitte ausgreifend einzelne Gewitter, lokal Unwetter
und bis in die kommende Nacht andauernd. Dann Kaltfrontpassage mit
anschließendem Temperatursturz und Übergang zu wechselhaftem Wetter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland zwischen einem mittlerweile nach Osten
abgezogenen Höhenrücken und einem Trog über dem nahen Ostatlantik respektive
UK/Irland, der sich im Tagesverlauf nicht nur weiter amplifiziert, sondern auch
gaaanz langsam in Richtung Kontinent steuert. Folgerichtig nimmt die anfangs
noch vergleichsweise glatte, nur leicht flatternde südwestliche Höhenströmung
zunehmend zyklonale Konturen an bei gleichzeitiger Zunahme der
Windgeschwindigkeit. Damit ist die Ouvertüre zu der seit Tagen apostrophierten
großen Umstellung geschrieben, jetzt gilt es also noch, den Hauptakt zu spielen,
was aber noch ein kleines bisschen dauert.
Immerhin fällt der Luftdruck landesweit, so dass die Reste der ohnehin nur noch
latent vorhandenen Hochdruckbrücke endgültig von der Bildfläche verschwinden.
Bereits in den Frühanalysen konnte über dem östlichen Landesteil eine Art Rinne
detektiert werden, die dort aufgrund zwar labiler, aber zu trockener Luftmassen
sehr wahrscheinlich nichts ausrichten kann. Da geht der Blick eher schon
Richtung Süden, wo ebenfalls labile, aber ungleich feuchtere Subtropikluft
liegt, die - angefacht durch die gesamttroposphärische Südwestströmung - langsam
Boden in Richtung Mitte gutmacht. Bereits in den frühen Morgenstunden sowie
aktuell konnten bzw. können in Bayern und BW einzelne Hot-Spots beobachtet
werden, die im Laufe des Vormittags, allerspätestens ab den Mittagsstunden eine
Auffrischung bekommen dürften. Als Geburtsort der pulsierenden Konvektion kommt
vornehmlich das Bergland in Frage, da klare synoptische Strukturen nach wie vor
nicht erkennbar sind. Die Rezeptur mit spezifischen Feuchten von bis zu 13 g/kg,
PPWs bis 35 mm (vereinzelt sogar etwas darüber, was aber wohl etwas übertrieben
ist) und ML-CAPE bis rund 1500 J/kg lassen bei langsamer Zuggeschwindigkeit
(Höhenwinde in der unteren Troposphäre nur um 5 Kt) in der Basis markante
Gewitter mit Starkregen, Hagel und Böen 7 Bft erwarten. Lokal eng begrenzt sind
aber auch Unwetter durch Regenmengen von 25 bis 40 mm innert kurzer Zeit,
größerer Hagel (2-3 cm, vor allem im Anfangsstadium) sowie Sturmböen 8-9 Bft
wahrscheinlich.
Vor allem in der zweiten Tageshälfte kann es dann auch in der (südlichen) Mitte
zur Auslöse einzelner Gewitter kommen, auch wenn Feuchte und CAPE nicht an die
Werte rankommen, die im Süden Bayerns und BWs beobachtet werden. Als
potenzielles Areal - die diversen Modelle weichen immer noch leicht voneinander
ab - kommt ein Streifen in Frage, der etwa von Eifel/Saarland bis nach
Oberfranken reicht, vielleicht noch etwas darüber hinaus (Thüringer Wald,
Erzgebirge). Durch den etwas flotteren Höhenwind ziehen die Zellen schneller als
im Süden, die Unwettergefahr ist gering.
Bliebe noch der Norden (oder man kann fast sagen die Nordhälfte), wo heute noch
mal ein sonnenscheinreicher und heißer Augusttag ins Haus steht. Allerdings
liegt über der Nordsee schon die für viele heilsbringende Kaltfront eines
Tiefkomplexes über dem Nordmeer auf der Lauer, die zunächst aber noch dezenten
Abstand zum Festland hält. Grund sind Wellenbildungen, die als Bremse wirken und
der Südostverlagerung zunächst noch im Wege stehen. Gleichwohl dürften im
Tagesverlauf die ersten mehrschichtigen Wolken an der Nordseeküste anlanden und
zum Abend hin zwischen Borkum und Sylt auch schon erste Tropfen bringen.
Temperaturmäßig haut der Sommer heute noch mal ordentlich einen raus mit
Tageshöchstwerten von 28 bis 33°C, im Osten (T850 18-19°C) sogar bis zu 35°C.
Einzig im äußersten Nordwesten wird es je nach Lage mit 21 bis 27°C schon nicht
mehr ganz so heiß.

In der Nacht zum Freitag hat es sich dann ausgewellt an der Kaltfront, so dass
sie von der Nordsee her auf den Vorhersageraum übergreift und bis zum Morgen
etwa eine leicht gekrümmte Linie Mecklenburger Bucht-Eifel erreicht. Im
Schlepptau befindet sich der o.e. Höhentrog, der hinsichtlich seiner
Ostverlagerung aber etwas unentschlossen wirkt, weil er in seinem Westteil durch
einen rückseitig reinlaufenden KW-Trog regeneriert wird. Wie auch immer, mit der
Frontpassage wird ein markanter Luftmassenwechsel eingeleitet, der zunächst
freilich im Nordwesten am spürbarsten ist, wo die 850-hPa-Temperatur auf rund
7°C zurückgeht.
An der Front wird schauerartiger Regen und auch das eine oder andere
eingelagerte Gewitter erwartet, das mit Böen 7-8 Bft, vereinzelt auch mit
Starkregen um 15 mm/h verbunden sein kann. Unruhiger dürfte es aber im
präfrontalen Bereich werden, wo es zu schauerartigen und teils gewittrigen
Regenfällen (durch Verclusterung) bzw. weiteren Gewittern kommt. Ob dabei am
Ende sogar eine organisierte Linie herausspringt, wie von COSMO-D2 für den Osten
simuliert, muss abgewartet werden. Zwar nimmt die Scherung (LLS und DLS) von
Nordwesten her zu, ob das aber schon für eine Linie reicht, ist fraglich. Andere
hochauflösende Modelle jedenfalls zeichnen ein diffuseres Bild. Fakt ist, dass
grundlegend von markanten Gewittern ausgegangen werden sollte (Starkregen,
Sturmböen 8-9 Bft), wobei lokale Unwetter weiterhin nicht ganz ausgeschlossen
werden können.

Freitag... schwenkt die Kaltfront weiter nach Südosten, wodurch die potenziell
instabile Subtropikluft mehr und mehr nach Osten bzw. Südosten abgedrängt wird.
Dabei kommt es zu weiteren Regenfällen und Gewittern, die ähnliche
Qualitätsmerkmale aufweisen wie nachts zuvor und im äußersten Süden und Südosten
bis in die Abendstunden andauern können (dort vor allem Starkregengefahr).
Größerer Hagel ist nicht zu erwarten, da durch fehlende Einstrahlung kein
nennenswerter Energieinput mehr erfolgt, der zum Aufbau höherer CAPE-Werte
benötigt würde.
Rückseitig der (ersten) Kaltfront folgt von der Nordsee noch ein zweites
Exemplar, die das staffelartige Einfließen der erwärmten maritimen Polarluft
dokumentiert. Sie gehört wie ihre Vorgängerin zum großen Tiefkomplex über dem
Nordmeer bzw. Skandinavien und steuert ebenfalls in südöstliche Richtung. Auch
wenn die zuvor eingeflossene kühlere Luftmasse längst nicht mehr die
Eigenschaften der vorgelagerten Subtropikluft hat, reicht es an der zweiten
Kaltfront doch für einzelne Schauer oder auch mal ein Gewitter, das am ehesten
von Böen 7-8 Bft begleitet wird. Auch unabhängig von Konvektion kann der auf
westliche Richtungen drehende Wind mit Frontpassage kurzzeitig mal auffrischen
mit steifen Böen 7 Bft, was warntechnisch aber schwer in den Griff zu bekommen
sein dürfte.
Last but not least sei noch der Höhentrog erwähnt, dessen Regenration über
UK/Irland im Tagesverlauf abgeschlossen wird. Der vordere östliche Teil erreicht
aber die Nordsee, was dort auch mitteltroposphärisch abkühlende Wirkung hat. So
sinkt die 500-hPa-Temperatur auf unter -20°C, was mit 850-hPa-Werten von 4/5°C
und einer extrem warmen Nordsee eine merkliche Labilisierung bewirkt, die
wiederum eine rege Schauer- und Gewittertätigkeit zur Folge hat. Dabei sind
neben Starkregen auch Böen 7-8 Bft zu erwarten. Aufgrund der über Wasser
geringen Scherung und einer recht niedrig vorhergesagten Wolkenbasis (unter 1000
m) sind sogar vereinzelte Wasserhosen (Typ2-Tornados oder waterspouts) nicht
ausgeschlossen.
Ein Wort noch zur Temperatur, die mit dem Luftmassenwechsel (T850 am Abend
zwischen 4/5°C an der Deutschen Bucht und 12°C im Chiemgau) längst nicht mehr an
die Werte der Vortage rankommt und gegenüber heute einen regelrechten Absturz
erlebt. So kommen unter dem Strich nur noch 21 bis 25°C heraus, im äußersten
Nordwesten sogar nur noch 17 bis 20°C.

In der Nacht zum Samstag greifen Trog und höhenkalte Luft noch etwas weiter auf
das nord- und westdeutsche Binnenland über, was dort Schauer und einzelne
Gewitter garantiert, die in unmittelbarer Nordseenähe aufgrund des hohen
latenten Wärmegehalts am kräftigsten ausfallen.
Darüber hinaus kommt es an den Alpen - quasi zwischen den beiden Kaltfronten -
noch zu Regenfällen, die aber aufgrund zunehmender Stabilisierung immer mehr vom
konvektiv auf skalig rutschen. Ein Überschreiten von Warnschwellen deutet sich
dabei zunächst noch nicht an. Zwischen dem Nordwesten und dem äußersten Süden
liegt eine größere Zone, in der es weitgehend trocken bleibt und die Wolkendecke
zumindest teilweise auflockert, wobei die Temperatur gebietsweise in den
einstelligen, aber noch nicht in den frostnahen Bereich zurückgeht.

Samstag... zeigt sich der Höhentrog, der sich bisher geziert, den europäischen
Kontinent so richtig unter seine Fittiche zu nehmen, bewegungsfreudig, sprich,
er greift mehr und mehr auf den Vorhersageraum über. Dabei verkürzt er seine
Wellenlänge, was ihm in seinem Südteil eine zunehmende Schärfe (also jetzt nicht
geschmacklich, sondern eher krümmungstechnisch) mit reichlich Krümmungsvorticity
verleiht. Ansonsten breitet sich mit dem Trog auch die zugehörige höhenkalte
Luft auf weite Teile des Landes aus, bis zum Abend sinkt die 500-hPa-Temperatur
mit Ausnahme des äußersten Ostens und Südostens auf -20 bis -24°C. In Verbindung
mit einem zum Potenzialtrog korrespondierenden, von Westen hereinschwenkenden
Bodentrog (er markiert den südlichen Teil des nordeuropäischen Tiefkomplexes)
stellt sich von Norddeutschland bis in die Mitte ausgreifend wechselhaftes und
ungewohnt kühles Schauerwetter ein, bei dem auch kurze Gewitter und spürbare
Windböen (6-7 Bft, an der Nordsee gerne auch mal ´ne 8 Bft) nicht fehlen dürfen.
Frequentierung und Intensität der Schauer sind im Norden höher als in der Mitte,
insbesondere über und unweit der Nordsee ist durch den diabatischen Effekt und
dem hohen latenten Wärmegehalt mit Starkregen zu rechnen (auch das Thema
"Typ2-Tornados resp. Wasserhosen ist noch nicht vom Tisch).
Im Süden läuft die Sache insofern etwas anders ab, als dass die
trogvorderseitigen Hebungsprozesse (vor allem ausgelöst durch Advektion von
Krümmungsvorticity) ebenfalls Regenfälle induzieren, die aber in stabilerem
Umfeld eher skaligen Charakter haben (wenn auch schauerartige Verstärkungen
möglich sind). Am intensivsten dürfte der Regen in Alpennähe ausfallen (unter
Berücksichtigung weiterer Niederschläge in der Nacht zum Sonntag), wo a) die
Frontenreste aktiviert werden, b) sich allmählich eine Gegenstromlage ausbildet
(W-NW unten vs. S-SW oben) und c) auch noch etwas Stau dazukommt. Bis Sonntag
sind durchaus Mengen von mehr als 30 mm denkbar, was eine markante
Dauerregenwarnung zur Folge hätte. Ganz nebenbei, die Schneefallgrenze sinkt mit
der KLA und der Niederschlagsabkühlung auf unter 2000 m, was etwaige Planungen
für Hochgebirgstouren rigoros über den Haufen wirft.
Die Temperatur erreicht nur noch Höchstwerte von 16 bis 21°C (am mildesten im
Osten), im höheren Bergland sowie bei einsetzendem Dauerregen an den Alpen
darunter.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren im Globalmaßstab sehr ähnlich, im Detail aber mit
Toleranzen, die z.T. nur kurzfristig zu tilgen sind (Stichwort Nowcasting) und
im Text bereits angesprochen wurden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann