DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-08-2018 08:01
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.08.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von BM (Brücke Mitteleuropa) zu TrW (Trog Westeuropa)

Heute über dem süddeutschen Bergland einzelne, teils kräftige Gewitter. Von
Donnerstag zu Freitag von Nordwesten her Kaltfrontpassage mit deutlichem
Luftmassenwechsel und Temperatursturz. Im Vorfeld schauerartige Regenfälle und
kräftige Gewitter mit lokaler Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... 22. August 2018, nur noch ein Tag, und die berühmten Hundstage, die
der Tradition nach die heißeste Zeit des Jahres markieren (manchmal spielt die
Atmosphäre das Spiel nicht mit, aber in diesem Jahr hat es ganz gut hingehauen)
sind zu Ende. Und tatsächlich, als könnte die Natur den Singularitätenkalender
lesen, geht von Donnerstag zu Freitag die mittlerweile wochen-, ja monatelang
andauernde Sommerperiode mit der Passage von "echten" Kaltfronten in die Knie
und die Witterung nimmt im Laufe des Wochenendes fast schon frühherbstliche Züge
an.

Nun, bevor es soweit ist, setzt sich der Sommer in den meisten Regionen aber
noch mal nachhaltig in Szene, auch wenn die Weichen der bevorstehenden
Umstellung bereits gestellt werden. So macht der schon begonnene Potenzialfall
und die damit verbundene Austrogung über dem nahen Ostatlantik heute weitere
Fortschritte, während der heute früh noch über Deutschland positionierte flache
Höhenrücken langsam nach Osten verduftet. Damit gelangen wir zunehmend unter
eine auf Südwest rückdrehende, zunächst noch weitgehend antizyklonal konturierte
Höhenströmung, mit der sehr warme bis heiße Subtropikluft aus dem Süden des
Landes über die Mitte hinweg weit nach Norden verfrachtet wird. Liegen die
850-hPa-Temperaturen heute Morgen etwa zwischen 10°C (Norden) und 17°C (Süden),
so beträgt die Differenz am Abend 12 bis 19°C, was sich in
Tageshöchsttemperaturen von 28 bis 35°C mit den höchsten Werten in der Südhälfte
niederschlägt. Einzig Richtung See sowie im höheren Bergland wird es - je nach
Windrichtung, die heute nicht einheitlich ist - mit 23 bis 28°C nicht ganz so
mollig.
Dazu scheint verbreitet die Sonne, obwohl bereits landesweiter Druckfall
eingesetzt hat und das bis dato wetterbestimmende Bodenhoch sein Zentrum in
Richtung östliches Mitteleuropa verlagert. Anfängliche SC-Schollen nehmen mit
dem Tagesgang zunehmend Quellwolkencharakter an, gleichwohl kann es besonders
nach Nordwesten hin zeitweise auch mal wolkig sein. Ansonsten sei noch erwähnt,
dass die Subtropikluft in den meisten Landesteilen relativ trocken und auch
leidlich stabil geschichtet ist, einzig im Süden verlagert sich feuchtere und
potenziell instabile Luft aus den Alpen heraus ein Stück nordwärts. Damit nimmt
die Wahrscheinlichkeit orografisch ausgelöster Gewitter gegenüber gestern etwas
zu, wobei das gefährdete Areal einzelner pulsierender Überentwicklung etwa vom
Südschwarzwald über die Schwäbische Alb und das höhere (also das südliche)
Alpenvorland bis zum Alpenrand reicht. Bei PPWs über 30 mm, ML-CAPE von z.T.
über 1000 J/kg (vereinzelt sogar über 1500 J/kg) und schwachen (Höhen)Winden
fallen die Gewitter markant aus (Starkregen bis 25 mm/h, kleinkörniger Hagel,
Böen 7-8 Bft), lokale Unwetter durch heftigen Starkregen (bis 40 mm/h) und
größeren Hagel (2-3 cm; durch mangelnde Organisation der Zellen vor allem in
deren Anfangsstadium) sind aber ebenfalls möglich.

In der Nacht zum Donnerstag nimmt die südwestliche Höhenströmung etwas zu, wobei
sie leicht zu flattern beginnt und ganz flache, mit dem bloßen Auge in den
Potenzialkarten kaum wahrnehmbare Trog-Keil-Strukturen nordostwärts ablaufen.
Genau das kann ein Mitgrund dafür sein, dass die Konvektion im Süden nicht ganz
so schnell zusammenfällt, wie man es allein auf Basis des Tagesgangs erwarten
würde. Geht es nach COSMO-D2, rumst es südlich der Donau sogar die ganze Nacht
und das nicht zu knapp (teils über 80 mm Regen), was von anderen hochauflösenden
Modellen aber nicht gestützt wird.
Darüber hinaus gibt es nicht viel zu berichten, nur so viel, dass im Süden und
Südwesten punktuell noch mal eine Tropennacht (Tmin > 20°C) registriert werden
dürfte, während im nord- und ostdeutschen Binnenland gebietsweise die 15°C-Marke
lüftungsfreundlich unterschritten wird.

Donnerstag... setzt sich die Austrogung über dem nahen Ostatlantik respektive
UK/Irland fort, wobei sich der Trog unter Verkürzung seiner Wellenlänge in
kleinen Schritten dem europäischen Kontinent nähert. Auf seiner Vorderseite
verbleiben wir unter einer südwestlichen Höhenströmung, die im Tagesverlauf
nicht nur stärker, sondern auch immer zyklonaler wird. Der Luftdruck fällt noch
etwas, wobei die Druckverteilung zunächst aber noch extrem gradientschwach und
amorph bleibt, nur mit Mühe ist gegen Mittag im Osten eine schwache
Tiefdruckrinne erkennbar.
Fakt ist, dass mit den gesamttroposphärisch südwestlichen Winden die potenziell
instabile und feuchte Subtropikluft aus dem Süden peu a peu bis in die mittleren
Landesteile vorankommt. Damit vergrößert sich das Gebiet potenzieller Gewitter
gegenüber heute, wobei sich die Modelle aber noch nicht einig sind, welche
Areale genau getroffen werden. So lassen z.B. EURO4 und COSMO-D2 Gewitter bis
zum Abend nur in der östlichen Mitte (Sachsen, Thüringen) zu, während andere
(darunter ICON, IFS, SuperHD) auch die westliche Mitte (RP, Saarland, südliches
NRW) im Visier haben. Fakt ist, dass die höchste Feuchte (spez.
Grundschichtfeuchte bis 13 g/kg, PPW teils über 35 mm) und damit auch die
höchsten ML-CAPE-Werte (je nach Modell lokal bis zu 2000 J/kg) im Süden, also in
großen Teilen Bayerns und BWs auftreten. Dort wird es wahrscheinlich auch am
späten Vormittag schon losgehen mit der Knallerei, wobei mangels ausreichender
Scherung weiterhin von pulsierender und weitgehend vom Bergland getriggerter
Konvektion auszugehen ist. Im weiteren Tagesverlauf kommt dann auch die Mitte
als Geburtsort für einzelne Gewitter in Frage. Diese ziehen aufgrund der
zunehmenden Höhenströmung in Richtung Nordosten und fallen in der Basis markant
aus, was einzelne Unwetter (größerer Hagel und trotz Verlagerung auch
Starkregen) aber nicht ausschließt.
Der Norden bekommt von diesen Entwicklung wenig bis gar nichts mit, dort richtet
sich der Blick eher in Richtung Nordsee, wo die Kaltfront eines kräftigen Tiefs
über der Norwegischen See ante portas steht. Ihre Absicht, deutsches
Hoheitsgebiet früher oder später zu okkupieren, steht außer Frage, allerdings
hat die gute Front zunächst noch mit einem nicht zu vernachlässigenden
Bremsklotz in Form einer breiten und flachen Welle über Südskandinavien zu
kämpfen, die der Progression der Front alles andere als zuträglich ist. So wird
sie wahrscheinlich erst in den Abendstunden auf das nordwestdeutsche Festland
übergreifen, was für weite Teile Norddeutschlands noch mal einen präfrontal
sonnigen, trockenen und heißen Donnerstag bedeutet. Nur zwischen nordwestlichem
Niedersachsen und nördlichem SH nimmt die Bewölkung allmählich zu und später
kann es im Nordseeumfeld etwas regnen, wobei auch ein vereinzeltes Gewitter
nicht ausgeschlossen ist.
Mit Ausnahme des äußersten Nordwestens wird es - zum letzten Mal in diesem
Jahr?? - noch mal verbreitet heiß mit 28 bis 35°C, wobei die höchsten
Temperaturen im Osten (etwa zwischen Lausitz und Berliner Raum) erwartet werden.


In der Nacht zum Freitag kommt die Kaltfront landeinwärts voran und erreicht bis
zum Morgen etwa eine Linie Mecklenburger Bucht-Eifel. Gleichzeitig kommt die
Achse des nachfolgenden Höhentrogs bis zur Nordsee und Nordfrankreich voran,
allerdings zeichnet sich durch einen in die Rückseite vorstoßenden markanten
KW-Trog eine leicht retrograde Entwicklung an.
Wie auch immer, es wird eine relativ unruhige Nacht in Deutschland. So kommt es
vorderseitig der Kaltfront in weiten Teilen des Landes zu Gewittern oder
schauerartigen, teils gewittrigen (Stark)Regenfällen, die durch nach Nordosten
ablaufende KW-Tröge mitangefacht werden. Inwieweit es dabei auch zu Unwettern
(durch Starkregen) kommt, muss abgewartet werden, eine überregionale
Unwetterlage sollte dabei aber nicht herausspringen.
Tatsache ist, dass es auch an der Front selbst zu schauerartig verstärktem Regen
und einzelnen Gewittern kommt, eine kleine Starkregengefahr inclusive,
Unwettergefahr hingegen nahe null.

Freitag... regeneriert sich der Höhentrog westlich von durch die bereits in der
Nacht eingeleitete Speisung mit einem KW-Trog. Die südwestliche Höhenströmung
bleibt zyklonal gekrümmt, nennenswerte dynamische Hebungsprozesse treten aber
nur anfangs noch im Süden vor der Front auf. Ansonsten macht sich die
ausbreitende KLA dämpfend bemerkbar, wobei die von Westen einfließende, durch
die hohe Temperatur der vorgelagerten Meeresgebiete stark erwärmte maritime
Polarluft staffelartig einfließt, was in den Vorhersagekarten durch zwei
Kaltfronten gewürdigt wird (siehe TKBs bis T+60h). Beide gehören zu einem
Tiefkomplex über Skandinavien respektive der Norwegischen See und beide
schwenken im Tagesverlauf südostwärts, wobei sie sich immer weiter annähern.
Dabei kommt es zum vielleicht nicht von allen, aber doch von einigen (oder doch
von vielen?) herbeigesehnten Luftmassenwechsel, der mit einem Temperatursturz
von z.T. über 10 Grad gegenüber dem Vortag verbunden ist. In 850 hPa jedenfalls
geht die Temperatur bis zum Abend auf Werte um 12°C im Chiemgau und 4°C an der
Nordsee zurück. Bezogen auf 2m-Niveau bedeutet das für den äußersten Nordwesten
sowie das westliche Bergland Tagesmaxima von unter 20°C (vereinzelt nur 17°C,
was für einige ein regelrechter Kälteschock bedeutet), während im Süden und
Osten stellenweise immerhin noch mal 25°C angekratzt oder vielleicht sogar knapp
überschritten werden.
Wettermäßig verkleinert sich die Zone mit potenziellen Gewittern und
schauerartigen Regenfällen durch die Verlagerung der Kaltfronten stetig bzw.
wird sukzessive nach Südosten abgedrängt. Dabei besteht nach wie vor die Gefahr
von Starkregen, der bevorzugt Richtung Alpen auch unwetterartig ausfallen kann.
Größerer Hagel sollte nicht das große Thema sein, weil nicht mehr genügend
Einstrahlung zur Erzeugung von ausreichend ML-CAPE zur Verfügung steht.
Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit für (linienartig) organisierte
Konvektion, so dass auch Sturmböen nicht von der Hand zu weisen sind. Rückseitig
der abziehenden Gewitter lockert die Wolkendecke mitunter auf, für den ganz
großen Sonnenschein wird es aber nicht mehr reichen, weil es unterhalb 800 hPa
(Inversion) vermehrt zu Quellwolkenbildung kommt. Richtung Nordsee, wo die
höhenkälteste Luft (T500 etwas unter -20°C) liegt und das Wasser wärmer als die
Luft ist, entwickeln sich einzelne Schauer oder auch kurze Gewitter. Dabei sind
durchaus Böen der Stärke 7-8 Bft möglich, aber auch im Binnenland sind mitunter
Böen 6-7 Bft zu erwarten, was warntechnisch aber schwierig in den Griff zu
bekommen sein wird.

In der Nacht zum Samstag nimmt der Höhentrog einen erneuten Anlauf, auf den
Vorhersageraum überzugreifen. Dabei korrespondiert er mit einem markanten
Bodentrog, der sich ebenfalls von Westen nähert und südlicher Bestandteil des
o.e. nordeuropäischen Tiefkomplexes ist. Dabei setzt im Westen und Nordwesten
schauerartiger Regen ein, über der Nordsee kommt es zu weiteren Gewittern. Nach
Osten und Süden bleibt es größtenteils niederschlagsfrei, lediglich am Alpenrand
regnet es noch für längere Zeit, ohne dass wahrscheinlich Warnschwellen
überschritten werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die bevorstehende Umstellung der Großwetterlage nebst Temperatursturz ist
unstrittig, der Weg dorthin aber noch mit einigen Unwägbarkeiten (vor allem
hinsichtlich der Gewitter) behaftet, die im Text weitgehend angesprochen wurden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann