DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-08-2018 08:01
SXEU31 DWAV 170800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.08.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu BM (Brücke Mitteleuropa) respektive Wa (West antizyklonal)

Heute von Westen her schleifende Kaltfront mit präfrontalen, teils kräftigen
Gewittern, dabei lokale Unwettergefahr. Am Wochenende Wetterberuhigung, im
Norden leicht wechselhaft, im süddeutschen Bergland einzelne Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... steht Deutschland, genau genommen, stehen Teile Deutschlands vor der
Passage einer Kaltfront, die zu einem Tief (QUERIDA) über dem Europäischen
Nordmeer gehört. Das Tief zieht im Laufe des Tages langsam nordostwärts, wobei
es sich immer weiter auffüllt. Für Nachschub ist aber bereist gesorgt, rückt
doch vom Seegebiet südwestlich Islands ein weiteres Tief (ROSWITHA) nach, das
einen etwas "durchtrainierteren" Eindruck macht als das Vorgängermodell
(niedrigerer Kerndruck), für den Vorhersageraum zunächst aber nur von peripherer
Bedeutung sein wird. Entscheidender ist die Tatsache, dass unmittelbar hinter
der nach Südwesten zurückhängenden Kaltfront ein mit positiver Achse versehener
Höhentrog folgt, der bis zum Abend über Frankreich abtropfen dürfte. Die Lage
der Front zum Höhentrog erklärt deren schleifenden Charakter, liegt sie doch
nahezu strömungsparallel unter der vorderseitigen südwestlichen Höhenströmung,
was einer progressiven Verlagerung extrem hinderlich ist. Zwar wird die sie nach
Norden hin - angeschoben durch das nördliche Residuum des abtropfenden Troges -
peu a peu Boden nach Osten hin gut machen, so dass der Nordwesten in den Genuss
eines echten Luftmassenwechsels kommt (erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs,
Rückgang T850 auf rund 8°C). Nach Süden hingegen wird die Kaltfront auf sich
warten lassen.

Riskiert man einen Blick auf die an der heutigen Entwicklung beteiligten
Luftmassen, so muss man sich vergegenwärtigen, dass die präfrontale warme bis
heiße Luftmasse ihren Ursprung auf dem Atlantik hatte (erste Wochenhälfte) und
vor Ort unter Hochdruckeinfluss modifiziert ("Hausmacherwarmluft"). Das ist
insofern wichtig, als dass diese Luftmasse eben nicht klassischen subtropischen
Ursprungs ist und somit auch nicht über Eigenschaften verfügt (z.B.
Energiegehalt, Stärke der Labilität), die bei einem solchen Setup eine
großräumige Schwergewitterlage erwarten ließen. Keine Frage, die Luft ist
potenziell instabil geschichtet, ihr Feuchtigkeitsgehalt ist allerdings
limitiert (siehe Taupunkte heute früh, häufig unter 15°C, teils einstellig).
Außerdem gilt es, eine zwischen 800 und 750 hPa befindliche Sperrschicht (siehe
00-UTC-Aufstiege) zu durchbrechen, was nicht überall gelingen wird.

Zur Entwicklung: Das frontale, offensichtlich durch Querzirkulation gut
definierte schmale Regenband, das bereits den äußersten Westen und Nordwesten
erreicht hat, wird sich in den nächsten Stunden langsam ost-südostwärts quälen.
Da die Front bereits aktuell von Druckanstieg überlagert ist, was die Aktivität
solcher Gebilde in der Regel nicht gerade fördert, ist davon auszugehen, dass
sich die ohnehin nicht überbordend ausgeprägte Intensität der Regenfälle etwas
abschwächt. Zu achten ist aber auf die unmittelbare Vorderseite des Regenbandes,
wo nicht nur schauerartige Einlagerungen zu beobachten sind, sondern auch
einzelne Gewitter (gelb bis ocker). Allerdings deutet die Numerik an, dass die
Gewitterei nun erst mal in die klassische vormittägliche Depression verfällt und
ihre Aktivität auf eine Minimum runterfährt (entspricht der aktuellen
Beobachtung). Es spricht aber auch Vieles dafür, dass das im weiteren Verlauf
nicht so bleiben wird. So wird es etwa ab Mittag mit Unterstützung des
Tagesgangs und der Orografie präfrontal, aber nicht unmittelbar in der weit
vorlaufenden, im Osten und Südosten befindlichen Tiefdruckrinne (dort ist die
Luft zu trocken) zur Auslöse von konvektiven Umlagerungen kommen. Als Favoriten
für die Geburtsstätte potenzieller Gewitter kommt vornehmlich die Region
"Schwarzwald/Schwäbische Alb" (wo es vom Jura her noch einen kleinen
Feuchteeinschub geben soll; siehe aktuelle Gewitter knapp westlich der Schweiz),
aber auch der zentrale Mittelgebirgsraum in Frage. Allerdings sind auch im Osten
und Nordosten einzelne Überentwicklungen nicht ausgeschlossen. Aufgrund der
Rahmenbedingungen (u.a. wenig Höhenwind, dazu begrenztes CAPE, das kaum mal 1000
J/kg erreicht sowie eine geringe spez. Feuchte in der Grundschicht (um 10 g/kg))
ist die Unwettergefahr eher gering, in der Basis sollten markante Warnungen
(Starkregen, kleinkörniger Hagel, Böen bis 9 Bft) ausreichen. Die Gewitter
ziehen von Südwest nach Nordost, wobei der Südosten (östlicher Alpenrand,
Ostbayern) sehr wahrscheinlich davon verschont bleibt. Gleiches gilt für den
Westen und Nordwesten, wo die Stabilisierung der einsickernden kühleren
Meeresluft greift. Dort werden dann heute auch nur noch Tageshöchstwerte von 20
bis 24°C erreicht, während sonst 25 bis 31°C, im Süden und Osten stellenweise
bis zu 34°C auf der Karte stehen.

In der Nacht zum Samstag wird die Kaltfront nebst Trogrest den gesamten Norden
überqueren, während sie nach Süden weiterhin zurückhängt. Leichter Druckanstieg
sorgt für den Aufbau eines Azorenhochkeils, der sich langsam von der Biscaya und
Frankreich her bis zu uns vorarbeitet. Er kann aber nicht verhindern, dass es im
Frontbereich sowie im unmittelbaren Vorfeld zu weiteren Hebungsprozessen kommt,
die zu schauerartig verstärkten Regenfällen und einzelnen Gewittern führen.
Betroffen ist ein von Südwest (BW, Allgäu, Schwaben) nach Nordost (Vorpommern,
BB) verlaufender Korridor, wobei die Gefahr starker Gewitter tendenziell
abnimmt.
Im Nordwesten klart es postfrontal vielerorts auf, was die Temperatur an der
einen oder anderen Stelle dazu animiert, die 10°C-Marke zu unterschreiten. Über
der Nordsee macht sich die südliche Peripherie des o.e. Tiefs ROSWITHA
bemerkbar, indem der südwestliche Wind etwas auffrischt, ohne aber Warnschwellen
zu erreichen (allenfalls auf Helgoland 7 Bft).

Samstag... setzt die Höhenströmung ihren Hang zur Zonalisierung fort, wobei sich
die Frontalzone knapp nördlich des Vorhersageraums etabliert. Über Deutschland
stellt sich eine entsprechend schwache, relativ glatt konturierte Westströmung
ein, aus der keine nennenswerten dynamischen Prozesse ableitbar sind. Im
Bodendruckfeld dehnt sich der Azorenhochkeil noch etwas weiter nach Osten aus,
was der Kaltfront nicht zuträglich ist. Sie beginnt sich von Südwesten her mehr
und mehr aufzulösen respektive wird nach Polen rausgedrückt. Dafür wird
Norddeutschland von der Warmfront des Tiefs ROSWITHA tangiert, das mittlerweile
die Norwegische See erreicht hat. Sie sorgt insbesondere im Nordwesten für
mehrschichtige, nur wenig transparente Bewölkung, aus der aber nur an und über
der Nordsee ein paar Tropfen Regen oder Nieselregen fallen. Dort frischt auch
der Südwestwind soweit auf, dass die eine oder andere steife Böe 7 Bft
registriert und folglich eine kleine Warnung herausgegeben werden dürfte.
Südöstlich des durch die Warmfront beeinflussten Nordwestens schließt sich ein
von Westdeutschland bis nach MV und BB reichender Streifen an, in dem häufig die
Sonne scheint. Dagegen halten sich noch weiter südöstlich z.T. dichtere Wolken
(Ausnahme vielleicht Ostbayern), die der Neige der Kaltfront geschuldet sind.
Ganz im Süden und Südosten, wo sich noch Reste der potenziell instabilen
Warmluft von heute befinden, können sich - etwas Einstrahlung vorausgesetzt -
aus dem Bergland (Schwarzwald, Alb, Alpen, ostbayerische Mittelgebirge) heraus
einzelne Gewitter entwickeln, deren Mobilität angesichts luschiger
Windverhältnisse nur rudimentär bis gar nicht ausgeprägt ist, was die Gefahr von
Starkregen (PPW um oder etwas über 30 mm) birgt (WU nicht ganz ausgeschlossen).
Hagel und Sturm sollten u.a. mangels Organisation der Gewitter keine prominente
Rolle spielen.
Während im bewölkten Nordwesten temperaturmäßig bei 20 bis 23°C Schluss ist,
werden sonst 24 bis 29°C, im östlichen Bayern örtlich um 30°C erreicht.

In der Nacht zum Sonntag nähert sich von der Nordsee die Kaltfront von ROSWITHA,
wird das Festland sehr wahrscheinlich aber nicht erreichen. Auf alle Fälle
fächert der Gradient auf, so dass der Wind an und über der Nordsee schwächer
wird. Über Nord- und Nordwestdeutschland ziehen dichte Wolken hinweg, aus denen
aber kaum Regen fällt.
Das könnte am Alpenrand zunächst noch anders aussehen, retten sich dort doch
Reste der Gewitter vom Tage in die Nacht hinein. Ob die Schauer oder auch
Gewitter allerdings bis Sonntagmorgen überleben, wie von einigen Modellen
angedeutet, muss abgewartet werden.

Sonntag... beginnt das Potenzial im Süden zu steigen, was sich in Form eines
sich von der Biscaya ostwärts erstreckenden Keils widerspiegelt. Keil ist auch
das Stichwort für die für die bodennahen Sphären, wo sich der berühmte
Azorenhochkeil bemüht, dem Vorhersageraum einen ruhigen Sonntag zu bescheren -
mit Erfolg.
Richtung Küste allerdings macht sich die o.e. schleifende Kaltfront bemerkbar,
die nach Westen hin aber alsbald in die Warmfront eines neuen Tiefs über UK
übergeht. Bei diesem Tief handelt es sich übrigens um keinen Geringeren als den
ehemaligen Tropensturm Ex-ERNESTO, der in der Nacht zum Montag zur Nordsee
zieht. Fakt ist, dass der äußerste Norden einen weitgehend stark bewölkten, aber
vergleichsweise regenarmen Sonntag erleben wird, an dem der Warnstift in der
Federmappe bleiben kann. Erst mit Annäherung von Ex-ERNESTO muss an der Nordsee
ab dem späten Abend mit einer merklichen Windauffrischung (Rückdrehen auf
Süd-Südwest) gerechnet werden, aus der am Ende Böen 7-8 Bft herausspringen
können.
Ansonsten setzt sich in Deutschland vielerorts sonniges oder nur locker
bewölktes Wetter ohne besondere Vorkommnisse durch. Nur vom Südschwarzwald bis
hinüber zum Alpenrand bzw. im Bayerischen Wald, wo die Luftmasse noch immer
nicht ganz koscher ist, besteht eine latente Schauer- und Gewitterneigung. Die
Temperatur steigt bei T850-Werten zwischen 10 und 16°C verbreitet auf 25 bis
31°C, einzig im äußersten Norden wird es mit 20 bis 24°C nicht ganz so warm.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im globalen Maßstab simulieren die verschiedenen Modelle die Entwicklung
ähnlich, der Kurs hin zu einer GWL BM respektive Wa steht. Trotzdem offenbaren
sich gerade in Bezug auf den heutigen Tag nicht ganz unerhebliche Diskrepanzen,
die vor allem die Intensität und die räumliche Verteilung der konvektiven
Umlagerungen betreffen. Grundsätzlich fällt auf, dass die COSMO-Serie
(vornehmlich COSMO-D2) eine sehr defensive Variante (als wenig Gewitter, vor
allem in der Mitte) fährt, während GFS und die GFS-angetriebenen Modelle wie WRF
oder SuperHD deutlich optimistischer aufgestellt sind. Gerade zur Mitte hin, wo
ein leidliches Quantum an Scherung gegeben ist, sind sogar vereinzelte
Superzellen nicht ganz von der Hand zu weisen. Es ist schwer, eines der Modelle
zu favorisieren, zumal auch EURO4 (eher auf der Linie von COSMO) und AROME (viel
in der Mitte, wenig im Südwesten) jeweils etwas anders simulieren. Es sei aber
der Hinweis erlaubt, dass die nächtlichen und morgendlichen Gewitter im Westen
bzw. über Belgien von COSMO-D2 deutlich unterschätzt wurden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann