DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-08-2018 08:01
SXEU31 DWAV 090800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 09.08.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW z

Heute Schwergewitterlage vor allem durch schwere Sturmböen, vereinzelt
orkanartige Böen an einer Gewitterlinie. Nochmals heiß; am Freitag nach Passage
der Kaltfront angenehmere Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... liegen wir unter einer südwestlichen Höhenströmung zwischen einem
Höhenrücken über dem östlichen Mitteleuropa und einem Langwellentrog mit Achse
über Westeuropa. Der Langwellentrog schwenkt im Tagesverlauf nach Westfrankreich
rein. Auf seiner Vorderseite gibt es über Frankreich massive PVA, die zur
Bildung eines Tiefs über der Mitte Frankreichs geführt hat, das sich nun weiter
kräftigt und nach Norden bis Nordosten zieht. Abends wird es über Benelux
erwartet, nachts überquert es die Deutsche Bucht gen Norden.
Die Zugbahn und die Intensität dieses Tiefs werden von den Modellen noch
unterschiedlich beurteilt, so dass trotz des geringen Prognosehorizonts größere
Unsicherheiten verbleiben.

Auf seiner Vorderseite breitet sich die schwülwarme und instabile Luft wieder
nordwärts aus. Während also die Warmfront Norddeutschland Richtung Küsten
überquert, dringt abends von Westen her die Kaltfront nach Deutschland ein und
beendet mit der postfrontal einströmenden mäßig warmen Meeresluft die
Hitzeperiode. Im Warmsektor deutet sich die Bildung einer Konvergenz an, die uns
ab Mittag beginnend von Westen her überquert und abends den Osten erreicht.
In der südwestlichen bis südlichen Strömung liegen sehr günstige
Rahmenbedingungen für eine Schwergewitterlage vor, die die Ausgabe einer
Vorabinformation nötig macht.

Die Strömung nimmt zu, in 850/700 hPa werden 30 bis 40 Kt, im Nordwesten um 50
Kt erreicht; das ML-CAPE liegt bei 1500, stellenweise sogar bei 2000 J/kg.
Weiterhin ist besonders über dem Westen und Norden Scherung mit im Spiel mit bis
zu 20 m/s in der Schicht 0 bis 6 km und 15 m/s im Bereich 0 bis 1 km. Im
Nordwesten sind die Scherungswerte nochmal erhöht und deuten mit hohen SRH
Werten Tornadopotential an. Das niederschlagbare Wasser wird auf Werte bis zu
über 45 mm taxiert.

Neben dem Starkregen gibt es Hagel und vor allem der Wind rückt bei den
Begleiterscheinungen in den Vordergrund. Da sich besonders an der Konvergenz
organisierte Strukturen bilden dürften in Form einer Gewitterlinie, sind
Sturmböen oder schwere Sturmböen nicht unwahrscheinlich, auch orkanartige Böen
oder gar Orkanböen können nicht ausgeschlossen werden. C D2 signalisiert bis Bft
11, C D2 EPS hat auch geringe Wahrscheinlichkeiten für Bft 12 im Programm.
Auch an der nachfolgenden Kaltfront kann es nochmal Schauer, vielleicht
vereinzelt auch Gewitter geben, diese können mit den vorgelagerten Gewittern
aber mithalten, da die "Luft meist schon raus" ist. Fraglich ist zudem die
Wetteraktivität im Süden, durch Föhneffekte kann diese deutlich herabgesetzt
sein, so dass kaum Gewitter auftreten, sehr wahrscheinlich aber eine Druckwelle
durchgeht, die zu Sturmböen oder schweren Sturmböen führen kann, vereinzelt sind
auch dabei orkanartige Böen möglich.

Auf den Nordwesten und Westen greift nachmittags und abends das Starkwind- bzw.
Sturmfeld an der Südflanke des Tiefs über. Daher sind nach Durchzug der
Kaltfront Böen dort der Stärke 7 bis 8 zu erwarten. Im Bergland sind Sturmböen
möglich.

Die Temperaturen erreichen im Nordwesten und Westen nur noch Werte zwischen 26
und 29 Grad. Im großen Rest wird nochmals ein heißer Tag mit Temperaturen von 30
bis 34 Grad erreicht. Im Südosten sind vereinzelt bis zu 36 Grad möglich. Dazu
ist es häufig schwül mit großer Wärmebelastung.

In der Nacht zu Freitag schwenkt die Front rasch über die Mitte und den Osten
hinweg ostwärts. Lediglich im Süden wird die Front von den Alpen zurückgehalten.


Das Bodentief verlagert sich unter weiterer Intensivierung zum Skagerrak, nach
ICON liegt der Kerndruck am Morgen knapp unter 1000 hPa, im IFS (Lauf von 00
UTC) nochmal 10 hPa niedriger. Auch diesbezüglich sind noch große Fragezeichen
vorhanden.
Auf der Südwestflanke herrscht ein starker Druckgradient mit Sturmfeld, in
dessen Bereich vor allem im Nordwesten und gebietsweise im Norden starke bis
stürmische Böen auftreten, an der See und im Bergland Sturmböen und schwere
Sturmböen. Sollte die Europäer recht behalten, stünden auch orkanartige Böen,
vor allem an der nordfriesischen Küste mit auf der Karte.

Weiterhin gibt es im Norden und Osten zunächst weitere, teils heftige Schauer
und Gewitter. Gegenüber dem Tage lassen die Begleiterscheinungen nur sehr
zögernd nach, so dass weiter mit Unwettern gerechnet werden muss. Im Südosten
fällt an der abziehenden Kaltfront gebietsweise schauerartiger Regen.


Freitag... entfernt sich das Sturmtief über Skandinavien nach Norden, während
der Langwellentrog mit seiner Achse westlich unseres Gebiets verbleibt. Die
Kaltfront hat Deutschland im Wesentlichen überquert, nur an den Alpen wird sie
noch zurück gehalten. Somit strömt mit einer westlichen Strömung von Westen her
nur noch mäßig warme Luft in unser Vorhersagegebiet, die über der Mitte und dem
Süden rasch unter den Einfluss einer Hochdruckzone gelangt, die vom Azorenhoch
zonal über Süddeutschland verläuft.

Die Temperaturen in 850 hPa sinken dabei auf Werte zwischen 11 bis 12 Grad im
Süden und 5 Grad im Nordwesten.
Im Südosten gibt es noch Regenfälle im Bereich der abziehenden Front und der
herannahende Höhentrog macht sich in der zweiten Tageshälfte im Nordwesten mit
Regenschauern und kurzen Gewittern bemerkbar.
Der Südwest- bis Westwind lässt langsam nach, anfangs gibt es an der See noch
Sturmböen, teils schwer und landeinwärts starke bis stürmische Böen. Abends sind
dann lediglich noch an der See einzelne stärkere Böen Bft 7 zu erwarten. Die
Entwicklung des Windes ist unsicher, geknüpft an die Fragezeichen hinter der
Intensität der Zyklogenese.

Zwischen den Bereich mit Niederschlag, erstreckt sich ein breiter Streifen mit
Absinken vom Südwesten in den Nordosten, wo es meist aufgelockert bewölkt,
vorübergehend auch heiter und meist trocken ist.
Die Temperatur steigt meist auf 20 bis 27 Grad mit den höchsten Werten in einem
Streifen vom Oberrhein nach Berlin/Brandenburg.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der Trog mit seiner Achse in den Nordwesten,
gefolgt von einem Bodentrog über der Nordsee. Vor allem über dem Norden wird
daran auch Hebung simuliert, nach Süden hin wird diese durch Kaltluftadvektion
deutlich limitiert. Im Nordwesten werden somit Schauer und einzelne kurze
Gewitter ausgelöst, sonst tut sich nicht so viel und bei aufgelockerter,
gebietsweise geringer Bewölkung ist Durchatmen angesagt, da die Temperatur auf
15 bis 9 Grad zurückgeht. An den Küsten kann der Wind wieder etwas zunehmen, mit
starken Böen an der See, vereinzelt vielleicht auch Bft 8, landeinwärts flaut
der Wind eher ab.


Samstag... schwenkt der Trog über Deutschland ostwärts und überquert mit seiner
Achse abends auch Oder und Neiße. Stromaufwärts hat sich über Großbritannien ein
flacher Keil etabliert, der ein Bodenhoch über der Mitte und dem Süden stützt.
Somit dominiert in weiten Teilen des Landes Absinken und in der Mitte und im
Süden ist mit einem heiteren, teilweise sogar sonnigen Tag zu rechnen.
Aufgrund der eingeflossenen etwas kühleren Luft liegt die T850 jedoch nur bei
Werten zwischen 5 Grad im Nordwesten und 10 Grad an den Alpen. Daher wird nur in
der Mitte und im Süden bei bis zu 26 Grad ein Sommertag erreicht. Nördlich davon
liegen die Tageshöchstwerte bei 18 Grad an der Küste und bis 24 Grad im
Binnenland.

Die Trogpassage sorgt vor allem im Norden für Hebungsantrieb sowie labile
Schichtung und damit für die Auslösung von Schauern und Gewittern. Die Gewitter
sind mit Starkregen und stürmischen Böen verbunden. Sonst, in großen Teilen der
Mitte und im Süden bleibt es niederschlagsfrei.

Warnwürdig ist der Wind. Das betrifft vor allem die Küste und das anschließende
Binnenland, wo es steife Windböen (Bft 7) geben kann. Am Nachmittag schwächt
sich der Wind von Westen her ab und nur noch in Nähe der Ostsee sind dann steife
Böen möglich.

Die Nacht zum Sonntag ist dann in den meisten Landesteilen unter
Hochdruckeinfluss trocken und warnfrei. An der Küste sind einzelne Schauer oder
Gewitter nicht ausgeschlossen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sind schon für den aktuellen Tag uneins, was die Entwicklung angeht.
Weiterhin simuliert IFS eine deutlich kräftigere Zyklogenese, als alle(!)
anderen Modelle; obwohl die Unterschiede geringer sind, als in den Vorläufen.
Das Sturmfeld würde auch unseren Nordwesten betreffen, nach aktueller Lage aber
mit maximal Bft 10, vereinzelt 11 nach IFS, die Vorläufe hatten noch satte Bft
12 im Programm. Über das Warnmanagement diesbezüglich wird nachmittags
entschieden, WU ist auch an der Nordsee aber eher unwahrscheinlich.

Die Konvektion bereitet, wie üblich bei solchen Lagen, Kopfzerbrechen. Hier gibt
es unterschiedliche Varianten im Timing und Ausprägung der Gewitter. Im Süden
könnte auch "nur" eine Druckwelle durchgehen mit stürmisch auffrischendem Wind,
ohne Gewitter. Dies wurde in der Vorabinfo berücksichtigt. Auch sonst sind
Hauptmerkmal der Gewitter heute die teils schweren Sturmböen, deren Impact schon
unwetterartig sein dürfte. Für die nächsten Tage sind die Modellunterschiede
vernachlässigbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner