DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-08-2018 08:01
SXEU31 DWAV 070800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.08.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Sz
Höhepunkt der Hitzewelle. Dabei zunächst nur vereinzelte Gewitter, allerdings
durchaus mit Unwetterpotenzial. Donnerstag von Westen her vermehrt Gewitter und
erhöhte Unwettergefahr.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... erreicht die Hitzewelle ihren Höhepunkt. Somit ist - dies sei
vorweggenommen, nahezu im ganzen Land (Ausnahme vielleicht einzelne
Küstenregionen bei Seewind) mit einer starken bis extremen Wärmebelastung zu
rechnen. Ursächlich für die Hitze ist die beständige Advektion trockenheißer
Subtropikluft aus dem südwesteuropäischen Raum, die mit der Einstrahlung gut bis
"nach unten" gemischt werden kann. Somit sind bei 850 hPa-Temperaturen zwischen
16 Grad an der Ostsee und knapp über 20 Grad in den mittleren Landesteilen
Höchstwerte zwischen 32 und 38 oder gar 39 Grad zu erwarten, die höchsten Werte
wohl in NRW. Etwas "Abkühlung" bringt am ehesten Seewind an den Küsten.
Diese nun schon seit Tagen andauernde Hitzewelle (heute wird an der Station
Frankfurt-Flughafen - und nicht nur dort - der seit 1976 währende Rekord von 16
Tropentagen hintereinander eingestellt) ist einerseits einem markanten
nordostatlantischen Höhentrog mit Drehzentrum bei Island geschuldet, an dessen
Südostflanke sich Deutschland unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung
befindet, andererseits aber auch einem kräftigen Höhenrücken über der Adria bzw.
dem Balkan, der bis in die Osthälfte des Vorhersagegebietes reicht und für eine
leicht antizyklonale Krümmung der Strömung sorgt. Bei genauerem Hinsehen (am
besten die 1:1-Auflösung der 500 hPa-Höhenkarte nutzen) sind allerdings kleine
"Störungen" in Form flacher kurzwelliger Troganteile heute vor allem über
Süddeutschland auszumachen, die von Südwesten her in den Höhenrücken
hineinlaufen. Bessere Hinweise geben noch die Advektionsfelder, in erster Linie
die Vorticityadvektion, bzw. anhand der Prognose der Vertikalbewegung in 500 hPa
der aus der PVA generierte Hebungsantrieb.
Im Bodenfeld wird das bisher wetterbestimmende Hochdruckgebiet über dem
östlichen Mitteleuropa allmählich nach Osten abgedrängt, es setzt also Druckfall
ein, wobei über dem Vorhersagegebiet keine klare Tiefdruckrinne auszumachen ist,
sondern erst über Nordfrankreich und Benelux. Trotzdem wird vor allem in die
Südhälfte des Landes eine energiereiche potenziell instabile Luftmasse geführt,
ICON-EU simuliert dort eine ML-Cape von gebietsweise mehr als 1500 J/kg bei
PPW-Werten von über 30, teilweise über 35 mm. Mangels Deckelung und wohl auch
mit Hilfe eines dieser weiter oben erwähnten Mini-Kurzwellentröge hat es bereits
in den Frühstunden für erste Gewitter entlang der Schwäbischen Alb gereicht.
Diese laufen jetzt aber wohl ins "vormittägliche Minimum", so dass ihnen wohl
keine lange Lebensdauer beschert sein dürfte. Mangels Deckelung könnte es
allerdings bereits ab dem frühen Nachmittagsstunden - eventuell auch schon
mittags - und ausgehend vom Bergland zur Auslöse kommen. Zwar weisen die
Gewitter aufgrund vorhandener schwacher Höhenströmung wohl etwas
Zuggeschwindigkeit auf, dennoch dürften die Unwetterkriterien - vor allem, was
Hagel und Starkregen angeht - lokal eng begrenzt rasch erreicht werden. Im Auge
behalten sollte man auch die Windentwicklung am solchen Zellen. Aufgrund des
hohen Spreads kann es kleinräumig rasch mal Sturmböen oder gar schwere Sturmböen
geben (Mikrobursts). Schwerpunkte der Gewittertätigkeit lassen sich nur schwer
ausmachen, C-D2-EPS simuliert die höchsten Wahrscheinlichkeiten - auch für
Unwetter - im Bereich der Schwäbischen Alb und in Schwarzwaldnähe, SuperHD zeigt
die größte Gewitteraktivität dagegen eher in Bayern, AROME lässt die Gewitter
sehr weit nach Norden, sogar bis nach Hessen und NRW ausgreifen, was aber
aufgrund der niedrigen Taupunkte eher unwahrscheinlich erscheint. Für eine
Vorabinformation ist das Ganze aber noch zu wenig.
Der Norden und Osten dürften auf jeden Fall wohl noch außen vor bleiben.

In der kommenden Nacht sollten sich die Gewitter im Süden und in der Mitte
tagesgangbedingt allmählich auflösen, lediglich EURO4 (von 18 UTC) lässt sie
etwas länger leben und auch bis etwa zum Harz nach Norden ausgreifen, ehe nach
Mitternacht dann auch dort Schluss sein sollte.
Dann aber richtet sich der Blick gen Westen. Dort steht nämlich ausgangs der
Nacht ein markanter Kurzwellentrog ins Haus, der morgens auf Benelux übergreift
und auf dessen Vorderseite aufgrund von PVA schon etwas verbreiteter Hebung
generiert wird. Zudem kann mit Zunahme und Drehung des Höhenwindes mehr
hochreichende Scherung produziert werden, morgens immerhin über 20 m/s (0 bis 6
km). Labilität ist im äußersten Westen/Nordwesten des Landes vor allem
abgekoppelt von der Grundschicht noch genügend vorhanden, dazu MU-Cape über 500
bis an die 1000 J/kg und PPW-Werte über 35 mm. Hinzu kommt, dass sich die
Tiefdruckrinne im Bodenfeld allmählich nach Nordwestdeutschland verlagert, so
dass sich auch die bodennahe Richtungsscherung erhöht, in 0 bis 1 km werden
gebietsweise mehr als 15 m/s simuliert.
Somit können von Benelux her im Laufe der zweiten Nachthälfte eventuell erste
Gewitter auf den Westen/Nordwesten übergreifen, vielleicht in Form eines MCS.
Aufgrund der hohen Labilitätsindices weisen diese auch durchaus
Unwetterpotenzial auf - sei es aufgrund von Starkregen oder eventuell sogar
Hagel - zudem kann es, vor allem im Falle eines linearen MCS und - im
Extremfall, wenn Scherung und Cape gut überlappen - auch eines Bow-Segmentes -
verbreiteter Sturmböen geben.
Vor allem SuperHD lässt ein solches System schon kurz nach Mitternacht auf
Nordrhein-Westfalen übergreifen, C-D2 aber erst am frühen Morgen, AROME gibt
keine Signale für ein derartiges System und EURO4 ähnelt dem C-D2. Sollten sich
die Signale mit den neueren Läufen verdichten, könnte man im weiteren
Tagesverlauf durchaus über eine Vorabinfo nachdenken.
Im übrigen Land verläuft die Nacht nach Abklingen der Gewitter ruhig, allerdings
bleibt es sehr mild bis warm, in vielen Ballungszentren sowie im Lee einiger
Mittelgebirge werden die 20 Grad erneut nicht unterschritten.

Mittwoch... kommt der Kurzwellentrog mit der südsüdwestlichen Höhenströmung nur
langsam nach Osten voran , läuft in den vorgelagerten Rücken, dessen Achse sich
abends vom Balkan über Polen bis zur mittleren Ostsee erstreckt und schwächt
sich allmählich ab. Vorderseitig kann aufgrund von PVA im Tagesverlauf vor allem
im Osten und Süden Deutschlands noch Hebung generiert werden. Rückseitig stellt
sich eine recht glatt konturierte südwestliche Höhenströmung ein, innerhalb
derer keine nennenswerten Hebungssignale auszumachen sind.
Im Bodenfeld kommt die Tiefdruckrinne über dem Norden und die Mitte des Landes
rasch nach Osten voran, hängt aber über Süddeutschland etwas nach Westen zurück.
Der Rinne folgt eine Kaltfront, die nachmittags auf den Nordwesten übergreift.
Somit kann die instabile Luftmasse lediglich aus dem Westen und Nordwesten
verdrängt werden. Im Süden und Westen - bis in die mittleren Landesteile
reichend - werden nochmals 500 bis über 1000 J/kg ML-Cape simuliert bei
PPW-Werten von über 35 mm. Da der Trog in den vorgelagerten Rücken läuft und an
Krümmung einbüßt bzw. sich auch der Höhenwind abschwächt und die Rinne am Boden
dem Trog etwas nach Osten "enteilt", so dass der Wind recht rasch auf West
dreht, kann im Bereich der labilsten Luftmassen kaum mehr Scherung generiert
werden. Somit schwächen sich die Gewitter im Westen/Nordwesten am Vormittag
zunächst mal ab bzw. ziehen nordostwärts ab, ehe es etwa ab mittags im Bereich
der Tiefdruckrinne zunächst vor allem von der Mitte bis in den Nordosten neu
"zündet". Dabei geben die Labilitätsindices erneut punktuell unwetterartige
Entwicklungen her, vor allem in punkto Starkregen, aber auch Hagel. Verbreitete
bzw. organisierte Auslöse wird allerdings von den meisten vorliegenden
konvektiven Modellen nicht simuliert.
Die Gewitter kommen allmählich nach Osten voran und im Laufe des Nachmittags
dürfte es dann auch im Südwesten, wo die Tiefdruckrinne kaum mehr als solche
auszumachen ist und somit das konvergente Windfeld als Trigger fehlt, mit Hilfe
der Orographie losgehen. Vor allem SuperHD zeigt dort sogar die stärksten
Signale. Auch dort ist das Unwetterpotenzial aufgrund der hohen PPW-Werte und
der geringen Zuggeschwindigkeit vor allem in punkto Starkregen hoch.
Der Westen und Nordwesten befinden sich dagegen im Einflussbereich stabilerer
Luftmassen von der Nordsee her. Rückseitig der Tiefdruckrinne kann der Wind
vorübergehend auffrischen, vor allem Richtung Nordsee reicht es eventuell auch
mal für eine Bft 7 oder gar 8 aus Nordwest. Die Temperatur in 850 hPa sinkt dort
auf 14 bis 10 Grad, während sie im Osten nochmals knapp 20 Grad erreicht. So
steht vor allem der Osthälfte erneut ein heißer Tag bevor mit Höchstwerten bis
38 Grad und starker bis extremer Wärmebelastung. In der Mitte und im Süden wird
es ebenfalls heiß mit 29 bis 34 Grad und zudem auch schwül, im Westen bzw.
Nordwesten werden dagegen "nur noch" angenehme 24 bis 30 Grad erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht die Achse des nordostatlantischen
Langwellentroges die Biskaya, wobei um dessen Südflanke ein markanter und scharf
gekrümmter Randtrog geführt wird. Die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet
dreht dadurch etwas mehr auf Süd und mit ihr wird ein flacher Höhenrücken über
Deutschland hinweg nordnordoswärts geführt.
Auch im Bodenfeld steigt der Luftdruck nach Abzug der Rinne vorübergehend an und
ein flacher Hochkeil zieht über die Mitte und den Nordosten des Landes hinweg
nach Osten. Dahinter setzt vor allem über Frankreich vorderseitig der Trogspitze
aufgrund der kräftigen Hebung markanter Druckfall ein.
Somit kommt die der Tiefrinne folgende Kaltfront über der Mitte Deutschlands
nicht mehr nach Südosten voran, sondern geht über in die Warmfront eines Tiefs
über Südwestfrankreich.
Tagesgangbedingt dürfte die Gewittertätigkeit mangels dynamischen
Hebungsantriebs im Laufe der Nacht allmählich zum Erliegen kommen und die Wolken
lockern auf. Vor allem im Norden und Westen kühlt es auf angenehme Werte von
teils unter 15 Grad ab, während es in der Südhälfte und im Osten bis in die
Mitte reichend weiterhin sehr mild bis warm bleibt.

Donnerstag... steht voraussichtlich zum ersten Mal seit längerem eine
großräumigere Unwetterlage ins Haus. Der kurzwellige Randtrog zieht bis zum
Abend nach Südostengland, während der Höhenrücken über Südost- bzw. Osteuropa
allmählich nach Osten abgedrängt wird. Somit stellt sich über dem
Vorhersagegebiet eine kräftige und zyklonal konturierte südsüdwestliche
Höhenströmung ein. Vor allem vorderseitig des Randtroges wird aufgrund von
kräftiger PVA markante Hebung simuliert, die auch auf das Vorhersagegebiet
übergreift. Allerdings gibt es diesbezüglich auch im synoptischen Skale durchaus
noch größere Modelldifferenzen, vor allem zwischen GFS und ICON bzw. IFS. Am
besten darstellbar sind diese Unterschiede noch anhand des Bodendruckfeldes. Wie
weiter oben erwähnt kommt es aufgrund der Hebung zu einer kräftigen
Tiefdruckentwicklung über Südwest- bzw. Zentralfrankreich. Im Tagesverlauf kann
sich das Tief noch weiter vertiefen und soll nach Lesart des ICON-EU bzw. IFS
bis zum Abend nach Benelux ziehen, wobei eine Tiefdruckrinne über den Westen und
Südwesten Deutschlands südsüdostwärts reicht, die abends bereits die mittleren
Landesteile überquert hat. GFS simuliert das Tief dagegen in den Abendstunden
erst über Nordostfrankreich und eine über die Mitte Deutschlands ostwärts
reichende Tiefdruckrinne, GEM fährt dagegen die progressivste Variante mit dem
Bodentief zum 18 UTC-Termin bereits über der Deutschen Bucht, wobei die
Tiefdruckrinne dann bereits die polnische Grenze erreicht.
Welche Version am Ende auch immer eintreffen mag - es wird wohl Regionen im
Vorhersagegebiet geben, wo Cape und Scherung gut überlappen. Nach ICON und IFS
wäre das vor allem der Westen und die Mitte des Landes, nach GEM eher die
Osthälfte, nach GFS der Nordwesten und Westen. ICON-EU simuliert im aktuellen
Lauf außer im Norden - vielerorts eine ML-Cape von über 1500 J/kg, punktuell
auch über 2000 J/kg. Durchaus realistische Werte, denn eventuell reicht es auch
für eine EML (elevated mixed Layer) und einem entsprechenden "Deckel" unter dem
es im Bereich lokaler Konvergenzen zu entsprechenden Feuchteanreicherungen
kommen kann (die klassische "loaded gun"-Situation), was aber aus aktueller
Modellsicht nur schwer zu beurteilen ist.
Auf jeden Fall kommt auch Scherung ins Spiel, vor allem im Westen/Nordwesten
(nahe am Trog) und sowohl hochreichend als auch niedertroposphärisch.
Gebietsweise werden seitens ICON-EU mehr als 20 m/s (0 bis 6 km) bzw. um 15 m/s
(0 bis 1 km) simuliert. Außer Frage stehen die hohen PPW-Werte von teilweise
über 40 mm.
Somit erscheint es als ziemlich sicher, dass es irgendwo Unwetter geben wird -
nur die Regionen lassen sich noch schwer eingrenzen. Begleiterscheinungen
dürften neben Starkregen und Hagel auch Böen Bft 9 bis 12 sein - vor allem bei
organisierten Systemen. Entsprechende Vorabinformationen werden wohl frühestens
morgen Abend folgen.
Zumindest vorübergehend kann noch einmal die heiße Luft weit nach Norden
vordringen, der äußerste Norden und wahrscheinlich auch Nordwesten bleiben aber
außen vor. Im Südosten können dagegen noch einmal die 20 Grad in 850 hPa
überschritten werden. Entsprechend werden in weiten Teilen des Landes die 30
Grad erneut überschritten, von der Lausitz bis nach Ostbayern eventuell auch die
35 Grad. Angenehmer bleibt es mit Höchstwerten zwischen 25 und 30 Grad im
Nordwesten.
In der Nacht zum Freitag kommt die Tiefdruckrinne auch nach Lesart des IFS und
ICON-EU (nach GEM sowieso) rasch nach Osten voran - begleitet von entsprechenden
unwetterartigen Gewittern, die sich im Laufe der Nacht nur langsam abschwächen.
Nach GFS hängt das Ganze noch etwas nach Westen zurück. An der Südflanke des
nach Südskandinavien ziehenden Bodentiefs (nach GFS erreicht es am Freitag, 06
UTC erst den Hamburger Raum) verschärft sich der Druckgradient und es kann
durchaus auch "skalige" Böen Bft 7, im Nordseeumfeld und Schleswig-Holstein auch
Bft 8 geben.
Ansonsten kann die heiße potenziell instabile Luftmasse endgültig aus dem
Vorhersagegebiet verdrängt werden, so dass weiten Teilen des Landes (außer dem
Osten) endlich eine angenehm temperierte Nacht bevorsteht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterentwicklung wird von allen vorliegenden Modellen ähnlich
simuliert. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede im Detail, vor allem am
Donnerstag auch gröbere Differenzen, die im Text besprochen wurden.
Bzgl. der Ausgabe einer eventuellen Vorabinformation für die kommende
Nacht/Mittwochfrüh werden die kommenden Läufe der konvektiven Modelle noch
abgewartet, insbesondere des COSMO-D2 (von 03 UTC), der ausgerechnet heute erst
später gerechnet wurde. Sollten sich die Anzeichen für verbreitet auftretende
Konvektion im Nordwesten verdichten, wäre eine entsprechende Vorabinfo für die
Regionen von der Eifel bis nach Ostfriesland denkbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff