DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

02-08-2018 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.08.2018 um 10.30 UTC



Weiterhin hochsommerlich, im Norden am Sonntag aber vorübergehend nicht so heiß.
Anfangs relativ geringe Gewitterneigung, am Mittwoch/Donnerstag mögliche
Kaltfrontpassage mit erhöhter Unwettergefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 09.08.2018


Beim Blick auf die Wetterkarten für den kommenden Sonntag - es handelt sich um
den Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraums - fällt eines ganz besonders
auf: Das dicke fette Hoch über Nord- und Nordosteuropa, seines Zeichens
uneingeschränkte Konstante des diesjährigen Sommer (und über weite Strecken auch
des Frühlings), Hauptakteur der sich immer wieder regenerierenden
Blockierungslage und in hohem Maße mitverantwortlich für Hitze, Trockenheit und
Dürre in weiten Teilen Europas einschließlich Deutschlands ist nicht mehr da.
Weg, einfach verschwunden, nicht mehr am Platz - skandalös. Aha, werden jetzt
einige pfiffige ZeitgenossInnen einwerfen, die Wetterlage stellt sich um und das
war´s dann mit dem Sommer. Doch Vorsicht liebe Anhänger der
Vorhersagemeteorologie vor zu schnellen Schlüssen und Schüssen (Sie wissen
schon, die Preußen schießen bekanntlich nicht so schnell), es gibt auch andere
Großwetterlagenmuster, die uns hochsommerliche Verhältnisse garantieren können,
aber vielleicht steckt in dem Ganzen ja tatsächlich ein Zeichen, wir werden
sehen...
Am Sonntag jedenfalls zeigt die großräumige Potenzialverteilung immerhin mal ein
vergleichsweise zonal geprägtes Bild mit einem von West nach Ost gerichteten
Höhenrücken über Südeuropa und einer mäßig ausgeprägten, nur leicht
mäandrierenden Frontalzone, die vom mittleren Nordatlantik kommend über
Südskandinavien bis in den Westen Russlands reicht. Norddeutschland profitiert
dabei vom Durchgang einer Kaltfront, der relativ stabil abläuft (Wolken, wenig
Regen, keine Gewitter). Rückseitig gelangt eine Portion etwas frischerer
Meeresluft in den Norden, bei der die 10°C-Isotherme in 850 hPa bis etwa zum
Nordrand des Mittelgebirgsraums vorankommt und in Küstennähe sogar die
5°C-Isotherme auftaucht.
Nach Süden hin allerdings bleibt alles beim Alten, sprich, dort halten sich sehr
warme bis heiße und potenziell instabile Luftmassen, in der die Gewitterneigung
aber limitiert ist (vor allem über dem Bergland einzelne Überentwicklungen
möglich).

An den ersten Tagen der neuen Woche - Achtung, aufgepasst - setzt sich der in
Norddeutschland eingeschlagene Abkühlungskurs NICHT fort. Stattdessen kommt es,
ausgehend von einem von Südgrönland südostwärts vorstoßenden Höhentief, über dem
nahen Atlantik zu einer markanten Austrogung, auf dessen Vorderseite sich (frei
nach den Gesetzen des downstream developments) ein Höhenrücken aufwölbt, der
große Teile Mitteleuropas überdeckt. Somit nimmt das gesamte Strömungsmuster
nicht nur wieder eine deutlich meridionalere Struktur an, von Süden her kommt es
bei uns zudem zu einem neuerlichen Vorstoß heißer Subtropikluft. Dabei hilft
auch die Tatsache mit, dass sich aus dem anfänglich bei uns positionierten
Hochkeil (ausgehend von einem umfangreichen Hoch über dem Atlantik) eine eigene
Parzelle löst, die schon am Dienstag nach Osten wandert. Dahinter stellt sich
eine südliche Windkomponente ein, die trotz geringer Strömungsgeschwindigkeit
auch bodennah die Zufuhr subtropischer Luftmassen forciert.
So dauert es nicht lange, bis die 5- und 10°C-Isothermen wieder nach Norden
abschieben und durch höhere Werte ersetzt werden. Spätestens am Mittwoch liegt
ganz Deutschland dann wieder unter der "Hitzeglocke" der 15°C-Isotherme und im
Süden poppen sogar immer mal wieder kleine 20°C-Blasen auf - Abkühlung geht
anders. Die Zone möglicher Gewitter ist zunächst relativ klein und beschränkt
sich im Wesentlichen auf das Bergland Süddeutschlands, bevor sie sich am
Mittwoch bis in die Mitte vorarbeitet.
Interessant könnte es dann ab Donnerstag werden, wenn der Höhentrog und eine
vorgeschaltete Kaltfront (sie gehört zu einem Tiefdrucksystem über UK/Irland und
der Nordsee) dem Vorhersageraum bedrohlich nahe kommen und die
Wahrscheinlichkeit dynamisch induzierter Gewitter deutlich zunimmt (für
Donnerstag simuliert IFS mit Ausnahme des Südostens Regenfälle und Gewitter).
Ob Kaltfront und Trog im erweiterten Mittelfristzeitraum Deutschland tatsächlich
bei uns durchgehen und somit die ganz große Hitze erstmal beenden, bleibt
aufgrund des langen Vorhersagezeitraums noch mit einigen Fragezeichen versehen.
Das Modell jedenfalls scheint großes Interesse an einem solchen Szenario zu
haben. Schaun mer mal...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der heutige 00-UTC-Lauf von IFS (ECMF) weist gegenüber seinen jüngsten
Vorgängerversionen keine substanziellen Unterschiede auf. Somit bleibt nicht nur
das eingeschlagene Vorhersagekonzept weitgehend bestehen, nein, Mensch und Natur
müssen sich - nach einem kleinen, vor allem im Norden wirksamen Dämpfer am
Sonntag - weiterhin mit Hitze, Trockenheit und Dürre herumplagen. Inwieweit der
sich vom Atlantik nähernde Höhentrog nebst Kaltfront ab Mitte der nächsten Woche
daran etwas ändern kann, ist zumindest auf Basis der internen Modellkonsistenz
heute noch nicht abschließend zu beantworten.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Nicht nur IFS, sondern auch andere etablierte Globalmodelle wie ICON, GFS, GEM
oder UKMO setzen mit nur geringen Unschärfen auf die Entwicklung, wie die ober
ausführlich beschrieben wurde. So ist z.B. GFS etwas schneller mit der Kaltfront
zur Hand als IFS, während ICON wiederum etwas langsamer agiert und dafür den
präfrontalen Heißluftvorstoß am intensivsten simuliert (Donnerstag, 00 UTC würde
die 20°C-Isotherme in 850 hPa bis zum Skagerrak! vorankommen). Auch die
Geometrie des nachfolgenden Höhentrogs wird von Modell zu Modell etwas anders
gesehen, an der Kernaussage ändert das aber nichts.
Von daher besitzt die Vorhersage aus rein deterministischer Sicht eine mehr als
solide Grundlage und auch die weiter oben in Frage gestellte Abkühlung in der
zweiten Wochenhälfte bekommt durch den Modellvergleich (vor allem auch durch die
über den Donnerstag hinaus rechnenden GFS und GEM) deutlich mehr Zuspruch.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Nicht nur die verschiedenen Modelle, auch die meisten Ensembles (IFS und GFS)
schlagen einen sehr ähnlichen Kurs ein. Nach der kleinen Temperaturdelle am
Sonntag (im Norden ausgeprägter als im Süden) geht es bis Mittwoch (Westen) bzw.
Donnerstag (Osten) noch mal hoch mit der Temperatur, wobei sich der Haupt- und
Kontrolllauf von IFS eher am oberen Rand der Kurvenschar bewegen. Danach geht
der Fahrstuhl bei etwas zunehmendem Spread und vorübergehend erhöhten
Niederschlagssignalen abwärts, nur ein bis zwei Ensemblelösungen (bei IFS)
halten das hohe Temperaturniveau. Somit wird das o.e. Fragezeichen, das hinter
oder besser über der möglichen Abkühlung steht, immer kleiner. Allerdings bleibt
offen, wie weit die Temperatur nach unten geht. Der Haupt- und Kontrolllauf
gehören diesbezüglich zu den progressivsten Kandidaten.

Interessant ist die Tatsache, dass die IFS-EPS-Clusterung für den Zeitraum
T+120...168 h (Dienstag bis Donnerstag) sechs verschiedene Cluster offeriert, die
sich aber nur in Details unterscheiden. Das großräumige Strömungsmuster ist sehr
ähnlich, sprich, alle Lösungen haben den heranschwenkenden Trog auf der Karte,
auch wenn Geometrie und Timing leicht voneinander abweichen.
Für die Tage von Freitag bis Sonntag (T+192...240 h) reduziert sich die Anzahl der
Cluster auf zwei (34 und 17 Fälle), wobei der Haupt- und Kontrolllauf CL 1
zugeordnet werden. Der für unseren Raum relevante Unterschied liegt darin, dass
bei CL 1 der Trog den Vorhersageraum erfasst, während uns bei CL 2 nur ein
Randtrog erreicht und der Haupttrog über Westeuropa regeneriert wird (=>
tendenziell etwas wärmer als bei CL 1).

FAZIT: Nach einem nochmaligen, nahezu sicheren Hitzevorstoß im Verlauf der
ersten Wochenhälfte deutet Vieles auf einen Temperaturrückgang hin, der
wahrscheinlich nicht ohne Pauken und Trompeten vonstattengeht. Fraglich ist, wie
stark die Abkühlung letztlich ausfallen wird.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


HITZE, TROCKENHEIT und GEWITTER sind nach wie Themen, die uns auch über weite
Strecken der Mittelfrist beschäftigen werden.
Am Sonntag zieht sich die HITZE vorübergehend in den Süden zurück, wobei auch
dort die Höchsttemperatur gegenüber den Vortagen etwas gedrosselt wird. In der
ersten Wochenhälfte erfolgt dann wieder ein Anstieg der Temperatur respektive
ein Vorstoß der heißen Luftmassen bis in die nördlichen Landesteile. Besonders
am Dienstag und Mittwoch sind gebietsweise Tageshöchstwerte um oder etwas über
35°C drin.

Darüber hinaus gilt zu konstatieren, dass die GEWITTERNEIGUNG in der Fläche
zunächst ziemlich gering ist, was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet, dass
es meist trocken bleibt. Einzelne Hitzegewitter beschränken sich auf das
süddeutsche Bergland, am Mittwoch dann auch in der Mitte. Richtig spannend wird
es dann, wenn Trog und Kaltfront ins Geschehen eingreifen und wahrscheinlich für
organisierte Konvektion sorgen. Dann steht - je nach Timing - noch im Laufe des
Mittwochs, vielleicht sogar über zwei Tage (Mittwoch/Donnerstag) eine
Unwetterlage mit allen Schikanaten ins Haus.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS und die MOS-Verfahren, die den Heißluftvorstoß in der nächsten
Woche aber möglicherweise etwas unterschätzen.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann