DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 070800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Heute im W und S sowie im NW Gewitter mit lokaler Unwettergefahr. Ab der Nacht
zu Mittwoch im W und S weiterhin Gewittergefahr, aber auch nicht-gewittriger
Starkregen möglich.



Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Dienstag... Aktuell befindet sich Deutschland auf der O-NO-Flanke eines
Höhenrückens, der sich von Island bis nach Frankreich erstreckt. Er verlagert
seine Achse im Tagesverlauf etwas nach Westen, wodurch sich bei uns eine
schwache, antizyklonal konturierte Höhenströmung einstellt. Relevanter als das
sind aber die Druckverteilung am Boden sowie die Qualität der Luftmassen, die
sich im Vorhersageraum befinden. So bleibt es auch heute bei einer
gradientschwachen Druckverteilung mit einem kleinen Hoch über der Ostsee sowie
einem sekundären Maximum im Bereich Nordsee/UK. Dazwischen etabliert sich eine
schwache Rinne, die in den hochaufgelösten Modellen leidlich zu erkennen ist und
etwa von Westdeutschland bis hoch nach Schleswig-Holstein reicht. In der Rinne
kommt es zu einer Konvergenz mit nordwestlichen bis nördlichen Winden von der
Nordsee her vs. östlichen Winden aus dem Ostseehoch heraus - wohlbemerkt alles
bei geringer Strömungsgeschwindigkeit.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass sich die trockene und stabile Luftmasse aus
dem Nordosten etwas west-südwestwärts ausgebreitet hat, was am Rückgang der
Taupunkte respektive der pseudopotenziellen Temperaturen zu erkennen ist. Damit
ist auch das Areal angewachsen, in dem heute sehr wahrscheinlich nix oder kaum
etwas passiert - atmosphärisch-konvektiv. Dazu gehören quasi der gesamte Osten,
die östliche Mitte sowie große Teile Bayerns, wo es heute einen
sonnenscheinreichen und warmen Frühsommertag mit Tageshöchstwerten von 23 bis
28°C gibt.
Anders sieht es weiter westlich aus, wo wir es nach wie vor mit der feuchten und
potenziell instabilen Luftmasse zu tun haben. Am labilsten ist die Luft laut
numerischer Prognose im Bereich des Oberrheingrabens sowie in den
linksrheinischen Gebieten mit bis zu 1,5 kJ/kg, lokal auch noch etwas darüber.
Dazu kommt reichlich PPW, das im Westen z.T. über 30 mm liegt. Ausgehend von den
Mittelgebirgen, aber auch diabatisch (Auslösetemperatur 24 bis 28°C, im
äußersten SW etwas darunter) kommt es zu konvektiven Umlagerungen, die mangels
Scherung und ausreichend Strömung häufig wieder das Aussehen quasistationärer
Einzelzellen haben. Dabei steht lokaler Starkregen bis in den Unwetterbereich
(>25mm/h, vereinzelt sogar extrem >40mm/h nicht ausgeschlossen) wieder ganz oben
auf der Skala potenzieller Begleiterscheinungen, gefolgt von Hagel der
Größenordnung 2-3 cm.
Schauer und Gewitter sind - auch wenn die Labilität nicht so hoch ist wie im SW
- zudem möglich in einem Streifen, der etwa vom Niederrhein und dem Ruhrgebiet
über das Münsterland und Teile Niedersachsens bis nach SH reicht. Als
auslösendes Moment kommt dort die besagte Konvergenzzone in Frage. Ob es auch zu
lokalen Unwettern reicht, ist fraglich aber nicht ausgeschlossen. Im Gegensatz
zu den o.e. Gewittern könnten hier allerdings Sturmböen eine gewichtigere Rolle
spielen, zeigen doch die Prognosesoundings eine inverted V-Struktur mit etwas
abgetrockneter Grundschicht (Stichwort Downburst). Und ganz im Norden sind nach
den Erfahrungen der vergangenen beiden Tage auch vereinzelte Tornados
(landspouts oder auch "Landhosen") nicht ausgeschlossen, zumal die
Rahmenbedingungen ähnlich sind. So ist nach wie vor eine hohe bodennahe
Richtungsscherung im Bereich der Konvergenz gegeben ebenso wie eine
nachmittägliche Überadiabate, die ein vergleichsweise hohes SB-CAPE von z.T.
über 100 J/kg bedingt.

In der Nacht zum Mittwoch bekommen es die westlichen und südwestlichen
Landesteile mit einem kurzwelligen Trog zu tun, der um den Höhenrücken herum
südostwärts schwenkt. Er sorgt nicht nur für leichten Druckfall, er liefert auch
einen dynamischen Hebungsimpuls. So kommt es im W und SW auch in der Nacht zu
weiteren Gewittern oder teils gewittrigen und schauerartig verstärkten (Stark-)
Regenfällen, die auf eine mögliche Verclusterung zurückzuführen sind. Ob dabei
die Unwetterschwelle gerissen wird, wie z.B. von COSMO-EU für den Raum Eifel
gezeigt, ist derzeit noch fraglich. Die Qualität der gehobenen Luftmasse sowie
die langsame Verlagerung des Troges jedenfalls sprechen durchaus dafür,
zumindest örtlich.
In den übrigen Regionen gestaltet sich der nächtliche Wetterablauf
vergleichsweise ruhig, auch wenn nach NO hin noch einzelne Schauer oder Gewitter
auftreten können; hier und da bildet sich Nebel.


Mittwoch... steilt sich über dem nahen Ostatlantik respektive Irland ein neuer
Höhenrücken auf. Gleichzeitig "bohrt" sich besagter KW-Trog noch etwas stärker
in den Rücken hinein, was auf Kosten seiner Südostverlagerung geht. So schwenkt
er im Tagesverlauf nur äußerst schleppend weiter in Richtung Westalpen, so dass
er insbesondere die südwestlichen Landesteile noch längere Zeit mit
Hebungsantrieben versorgt. Darüber hinaus kräftig sich das Hoch am Südrand des
Europäischen Nordmeers auf über 1030 hPa, während gleichzeitig eine Austrogung
über Skandinavien dort für Druckfall sorgt. Zum Mittagstermin liegt ein
995-hPa-Tief über Nordfinnland, flankiert von einem Randtief über der westlichen
Ostsee. Am Rande dieses Randtiefs strömt hinter einer ersten Kaltfront stabile
und trockenere Luft in den Norden und Nordwesten, was dort etwaige konvektive
Prozesse unterbindet.
Anders sieht es weiter südlich vor der Kaltfront aus, wo sich weiterhin die
feuchte und potenziell instabil geschichtete Warmluft befindet und sich sogar
wieder etwas ostwärts ausbreitet. Die Hauptlabilität verlagert sich dabei mehr
und mehr nach Bayern (ML-CAPE bis 1,5 kJ/kg, lokal etwas darüber), so dass dort
am Nachmittag und Abend - orografisch oder diabatisch ausgelöst - die
kräftigsten Gewitter vor allem hinsichtlich Hagel, aber auch Starkregen zu
erwarten sind.
Kritisch bleibt es aber auch im Westen und Südwesten im Bereich des
schleichenden KW-Troges, wo vielleicht weniger kräftige Gewitterzellen als
vielmehr gewittriger oder auch nicht-gewittriger Starkregen in einem größeren
Cluster mit ständigem Neuanbau ein Thema ist. Zwar divergieren die
Modellprognosen in Bezug auf den Niederschlag, seitens COSMO-EU, EURO4 sowieso,
aber auch COSMO-DE-EPS und dem EFI des ECMF gibt es durchaus Hinweise auf
überdurchschnittliche Regenmengen bis in den Unwetterbereich.
Als weitere wetteraktive Zone kristallisiert sich noch der präfrontale Bereich
in Teilen der Mitte und des Ostens heraus. Dort kommt es ebenfalls zu
Hebungsprozessen, allerdings ist die gehobene Luftmasse nicht so labil wie
weiter südlich. Gleichwohl reicht es für einige Schauer oder Gewitter bis in den
markanten Bereich, wobei aufgrund der weiterhin vorhandenen inversen V-Struktur
in der unteren Troposphäre Downbursts bis in den Sturmbereich, vielleicht sogar
in den schweren Sturmbereich möglich sind.

In der Nacht zum Donnerstag zieht der KW-Trog zwar in Richtung Italien ab, dafür
sorgt der Trog über Skandinavien für eine weitere Randtrogbildung über der
Südhälfte des Vorhersageraums. Dieser Randtrog interagiert mit der ebenfalls
nach Süddeutschland vorankommenden Kaltfront, so dass es dort zur weiteren
Hebung der immer noch nicht ausgeräumten, potenziell instabilen Warmluft kommt.
Von den operationellen Modellen reagiert COSMO-EU besonders sensibel auf diese
Prozesse, werden doch in Teilen Bayerns und BWs teils über 100 mm Regen innert 6
Stunden simuliert. Auch wenn diese Mengen übertrieben scheinen und auch sonst
nirgendwo auftauchen, liegt doch zumindest ein ernstzunehmendes Signal für
stärkere Regenfälle vor, die - synoptisch betrachtet - ihre Ursache in einer
möglichen Verclusterung bzw. der Bildung eines MCS haben. Hier gilt es, die
nächste Läufe und am morgigen Mittwoch vor allem die hochaufgelösten Modelle
genaustens zu scannen.

Donnerstag... verbleibt Deutschland unter einer nordwestlichen, leicht zyklonale
gekrümmten Höhenströmung. Auch bodennah haben wir es zwischen dem in Richtung
Karelien ziehenden Tief und einem sich bis nach Nordfrankreich vorstreckenden
Hochkeil mit nordwestlichen Winden zu tun, mit der die kühlere Luft (T850 <
10°C) allmählich bis zu den Alpen vorankommt. Beteiligt an der KLA sind zwei
Kaltfronten, von denen die erste im Tagesverlauf die Alpen erreichen sollte. Sie
sorgt südlich der Donau noch für Regenfälle und Gewitter, die sich mehr und mehr
zu den Alpen zurückziehen. Dort kann es auch länger andauernd regnen, ohne dass
wahrscheinlich Warnschwellen überschritten werden. Die Gewitter sollten dann
maximal nur noch in den markanten Bereich gehen.
Eine zweite Kaltfront zieht über die Norddeutsche Tiefebene hinweg in Richtung
Mitte, wobei einzelne Schauer und Gewitter, teils mit stürmischen Böen,
ausgelöst werden. Abgesetzt davon frischt der nordwestliche Wind an der Nordsee
und an der Unterelbe auf mit Böen bis 7 Bft. Die Tageshöchstwerte liegen nur
noch zwischen 18 und 24°C, am Alpenrand auch darunter.


Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die Entwicklung ähnlich, Unterschiede oder Unschärfen
wurden im Text angesprochen.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann