DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-07-2018 17:01
SXEU31 DWAV 231800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.07.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Meist sonnig und heiß, verbreitet starke Wärmebelastung. Gewitterneigung nur
gering und weitgehend aufs Bergland beschränkt.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... weitet sich ein von Nordwestafrika bis zur Nordsee bzw. nach
Nordwestdeutschland reichender Höhenrücken weiter ins Vorhersagegebiet aus und
verstärkt sich weiter, dessen Schwerpunkt erreicht morgens den Westen des
Landes. Flankiert wird der Rücken von einem umfangreichen Höhentrog über dem
Nordatlantik mit Drehzentrum bei Irland sowie von einem deutlich flacheren und
mit mehreren Drehzentren ausgestatteten Trog über Ost- bzw. Südosteuropa. Zwar
weitet sich der Höhenrücken im Laufe der Nacht weiter nach Nordosten aus, ein
Kontakt zur umfangreichen Höhenantizyklone über Nordwestrussland wird aber von
einem abtropfenden Randtrog über der mittleren Ostsee, der sich Richtung
Baltikum verlagert und in weiterer Folge vom osteuropäischen Höhentrogkomplex
"eingefangen" wird.
Korrespondierend zum Rücken dominiert auch im Bodenfeld ein antizyklonales
Muster über dem Vorhersagegebiet, der Schwerpunkt des flachen Hochdruckgebietes
verlagert sich im Laufe der Nacht langsam von Ostfrankreich bzw. Westdeutschland
in die Osthälfte des Landes.
Mit dem verstärkten Absinken macht die Abtrocknung der Luftmasse auch in
Süddeutschland weitere Fortschritte und die Konvektion kommt in den Abendstunden
wohl relativ rasch zum Erliegen. Am längsten dürfte es Richtung Alpen dauern.
Somit steht einer warntechnisch ruhigen Nacht nichts mehr im Wege. Vor allem im
Südosten kann sich örtlich Nebel bilden, sonst bleibt es vielerorts gering
bewölkt oder klar. Lediglich über den äußersten Norden und Nordosten ziehen
zeitweise etwas dichtere Wolkenfelder, die wohl den Höhenrücken überlaufender
WLA geschuldet ist. In den meisten Regionen steht noch eine angenehm frische
Nacht ins Haus mit Minima zwischen 17 und 10 Grad, in den bekannten
"Kältelöchern" auch darunter. Etwas milder bleibt es wohl in den Ballungszentren
Westdeutschlands sowie aufgrund des recht warmen Wassers (um 20 Grad
Wassertemperatur) unmittelbar an der See.

Dienstag ... kapselt sich aus dem Rücken ein eigenständiges Höhenhoch ab, das
bis zum Abend seinen Schwerpunkt nach Norddeutschland verlagert. Dabei nimmt es
nun in Form einer schmalen Potenzialbrücke über Südschweden und dem Bottnischen
Meerbusen nun Kontakt auf zum Höhenhoch über Nordwestrussland. Der vom
osteuropäischen Höhentrogkomplex eingefangene Randtrog über der mittleren Ostsee
mutiert zum Kaltlufttropfen und erreicht abends das Baltikum. Der
nordatlantische Höhentrog versucht derweil auf dem europäischen Kontinent einen
Fuß in die Tür zu bekommen, nämlich in Form eines sehr flachen Randtroges, der
sich von der Biskaya nach Frankreich verlagert.
Somit dominiert im Vorhersagegebiet antizyklonaler Einfluss und Absinken,
allerdings setzt aufgrund der Überhitzung des Kontinents und der Annäherung des
flachen Randtroges von Südwesten her schwacher Druckfall ein. Der Schwerpunkt
des nur noch sehr flachen Hochs verlagert sich nach Norddeutschland.
Die Abtrocknung und Erwärmung der Luftmasse setzt sich damit weiter fort, bis
zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa auf etwa 14 bis 18 Grad. Die wärmste
Luftmasse befindet sich dabei über West- bzw. Nordwestdeutschland, wo zudem auch
nahezu keine Quellwolken stören und somit Höchstwerte bis knapp 35 Grad erreicht
werden. Auch sonst steigt die Temperatur verbreitet auf über 30 Grad, lediglich
im Bergland sowie an den Alpen und im Alpenvorland wird es wohl (noch) nicht
ganz so heiß, auch, aufgrund verstärkter Bildung von Quellwolken, die die
Einstrahlung ein wenig hemmen. Zwar ist die Luftmasse vor allem im Süden und in
der Mitte leicht labil geschichtet und es kann auch etwas Cape generiert werden,
für hochreichende Konvektion in Form von Gewittern dürfte es aber kaum reichen.
Lediglich das für seine Grundschichtfeuchteproblematik bekannte GFS gibt ganz im
Osten sowie im Schwarzwald Signale dafür. Komplett ausschließen sollte man ein
kurzes Gewitter - wohl am ehesten an die Orographie gekoppelt, also im
Schwarzwald und im ost- bzw. südostdeutschen Mittelgebirgsraum - nicht, aber im
Vordergrund stehen eindeutig die Trockenheit und die zunehmende Hitze.
Am Rande erwähnt sei noch die Temperatur- und Windentwicklung entlang der Nord-
und Ostseeküste. Mit ablandigem Südostwind wird es dort wohl zunächst rasch
aufheizen, eventuell selbst auf den Ostfriesischen Inseln (auf den
Nordfriesischen wohl eher nicht) auf über 30 Grad. COSMO-D2 simuliert dann aber
ab den Mittags- bzw. frühen Nachmittagsstunden vor allem entlang der
Ostfriesischen Küste eine Winddrehung auf Nordost (also auffrischenden Seewind)
und einen recht deutlichen Temperaturrückgang direkt an der Küste und auf den
Inseln. Etwas landeinwärts entwickelt sich eine Art Küstenkonvergenz, entlang
derer sich Quellwolken entwickeln dürften, für Schauer reicht es aber wohl kaum.


In der Nacht zum Mittwoch schwächt sich das Höhenhoch über Norddeutschland etwas
ab, bleibt aber quasistationär und somit auch wetterbestimmend. Im Bodenfeld
steigt der Druck tagesgangbedingt wieder geringfügig an, eine eigenständige
Hochdruckparzelle ist aber kaum mehr zu erkennen.
Die Nacht verläuft somit gering bewölkt oder klar. Im Südosten und im zentralen
Mittelgebirgsraum kühlt es nochmals auf angenehme Werte zwischen 10 und 15 Grad
ab, sonst bleibt es mit 19 bis 15 Grad recht mild, in einigen Ballungszentren
und an der See wird die 20 Grad örtlich gar nicht mehr unterschritten
(Tropennacht).

Mittwoch ... wird die Potenzialbrücke vorübergehend etwas in die Zange genommen,
erweist sich aber weiterhin als einigermaßen robust und kann sich später wieder
über Westdeutschland etwas verstärken. Der Kaltlufttropfen verlagert sich über
den Westen Polen hinweg südwärts, während ein flacher Randtrog die Britischen
Inseln überquert und abends die westliche Nordsee erreicht. Beide Gebilde
versuchen, in den betroffenen Randgebieten (äußerster Osten und Westen)
zyklonale "Nadelstiche" zu setzen. Mit welchem Erfolg, bleibt abzuwarten.
Im Bodenfeld setzt erneut leichter Druckfall ein und bei genauerem Hinsehen bzw.
Zoomen ins Bodenfeld (am besten, die 1 hPa-Auflösung nutzen!) ist sogar so etwas
wie eine breit angelegte und flache, in etwa über die südliche Mitte
Deutschlands hinweg verlaufende Tiefdruckrinne erkennbar. Die alternde Warm-
bzw. Heißluft kann sich noch geringfügig weiter aufheizen, die Temperaturen in
850 hPa beträgt meist zwischen 15 und 19 Grad. Insgesamt wird die Luftmasse
weiter labilisiert und in der Grundschicht kann sich mehr Feuchte ansammeln, die
PPW-Werte steigen auf etwa 25 bis 30 mm teilweise auch darüber (vor allem an den
Küsten, wohl verursacht durch eine Küstenkonvergenz und im Osten). Die Cape
bleibt aufgrund der recht warmen unteren bzw. mittleren Troposphäre aber nach
wie vor limitiert und überschreitet die 500 J/kg nur punktuell im Nordwesten
sowie im Bergland. Insgesamt ist somit von einer nach wie vor nur geringen
Gewitterwahrscheinlichkeit auszugehen, zumal kein dynamischer Antrieb vorhanden
ist und am ehesten noch die Orographie als Impulsgeber fungieren kann. Somit
simulieren die meisten Modelle auch kaum oder keine Gewitter, am ehesten noch
das "feuchte" GFS. Vereinzelte Gewitter sind aber wohl am ehesten im Schwarzwald
und im östlichen Mittelgebirgsraum nicht ausgeschlossen, ob es auch entlang
einer eventuellen Küstenkonvergenz im Nordwesten zündet (wie es das GFS auf der
Karte hat), ist aber mehr als fraglich. Fakt ist: Wenn ein Gewitter entsteht,
wird es quasi vor Ort verweilen und kaum ziehen, so dass es dann punktuell auch
wieder Starkregen bis in den Unwetterbereich geben kann.
Im Vordergrund stehen aber nach wie vor die Hitze und die Trockenheit. Mit 30
bis 36 Grad wird es noch geringfügig wärmer als am Vortag. Linderung könnte an
den Küsten aber auffrischender Seewind schaffen, ob und vor allem wo das genau
der Fall ist, ist aber aktuell noch schwer abschätzbar.

In der Nacht zum Donnerstag zieht der Kaltlufttropfen weiter nach Ostösterreich
und könnte - zumindest nach Lesart des aktuellen ICON-EU - dem äußersten
Südosten Bayerns schauerartige Niederschläge (bis an die 10 mm im
Berchtesgadener Land an der Grenze zu Österreich) bescheren. Auch der IFS-Lauf
von 00 UTC deutet dort leichte Niederschläge an. Ansonsten verstärkt sich aber
die Potenzialbrücke wieder etwas, erneut kapselt sich ein Höhenhoch über
Nordwestdeutschland ab. Der Randtrog über der Nordsee zieht weiter nordostwärts
nach Skandinavien und verstärkt sich ebenfalls, tangiert aber den
Vorhersagebereich nicht weiter.
Somit steht eine ruhige und abgesehen vom Südosten und eventuell auch Osten, wo
rückseitig des KLT`s noch lockere Wolkenfelder simuliert werden, klare Nacht ins
Haus. An den Temperaturen ändert sich im Großen und Ganzen nur wenig, die
Wahrscheinlichkeit für eine Tropennacht (Minimumtemperatur über 20 Grad) steigt
in den Ballungszentren etwas an.

Donnerstag ... kommt der Kaltlufttropfen über dem Osten Österreichs nur sehr
langsam nach Süden voran. Über dem äußersten Südosten Deutschlands wird die
Luftmasse somit weiter labilisiert und es kann aufgrund der kälteren mittleren
Troposphäre auch mehr ML-Cape generiert werden (Einstrahlung vorausgesetzt).
ICON-EU simuliert im aktuellen Lauf in Nieder- und dem östlichen Oberbayern bis
knapp über 1000 J/kg und bei PPW-Werten um 30 mm entsprechend auch höher
reichende Konvektion im ostbayerischen Alpenraum. Auch der IFS-Lauf von 00 UTC
zeigt entsprechende Signale, sogar noch ausgeweitet auf den gesamten Alpenraum
und den Bayerischen Wald. Im Fokus stehen bei eventuellen Gewittern Hagel und
Starkregen (bis in den Unwetterbereich, also mehr als 25 mm in kurzer Zeit). GFS
belässt den Einfluss des Kaltlufttropfens weiter östlich und simuliert
entsprechend dort kaum Konvektion.
Ansonsten verstärkt sich das Höhenhoch weiter und verlagert seinen Schwerpunkt
bis zum Abend nach Südskandinavien. Das führt zum Aufbau eines Bodenhochs mit
Schwerpunkt vor der norwegischen Küste und auch schwachem Druckanstieg im
Bereich der Vorpommerschen Ostseeküste, während im Südwesten leichter Druckfall
einsetzt. Dadurch frischt der Wind etwas aus Ost bis Nordost auf, warnrelevante
Böen gibt es aber nicht. Ansonsten ändert sich nur wenig an dem sonnigen und
heißen Wetter. Mit geringer Wahrscheinlichkeit reicht es (neben Südostbayern) am
ehesten wohl im Schwarzwald mal für ein Gewitter, sonst dauert die Trockenheit
weiter an. An den Höchstwerten ändert sich nur wenig, lediglich in Südostbayern
bleibt es aufgrund verstärkter Quellbewölkung eventuell etwas kühler.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die bevorstehende Hitzewelle ist unstrittig. Die punktuell auftretenden Gewitter
fallen prognosetechnisch kaum ins Gewicht, das große Thema bleibt die
Trockenheit, die sich weiter verschärft. Ob der äußerste Südosten Bayerns am
Donnerstag vom Kaltlufttropfen tangiert wird, ist noch unsicher.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff