DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-07-2018 10:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.07.2018 um 10.30 UTC



Fortdauer der Blockierungslage, dabei beginnende Hitzewelle mit Trockenheit und
zunächst nur wenigen Gewittern.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 29.07.2018


Man kann es drehen und wenden wie man will, am Ende kommt doch das Gleiche raus
- Hochsommer, nichts als absoluter Hochsommer. Ja und, wird jetzt der eine oder
die andere einwenden, geht halt so weiter wie bisher, ist doch toll. Nun, so
möchte jetzt der Verfasser einwerfen, ob das toll ist oder nicht, ist reine
Ansichtssache und als ein vornehmlich mit klassischen mitteleuropäischen Sommern
(das sind die, wo es öfters mal regnet, stärker bewölkt und nicht so heiß ist)
aufgewachsener Norddeutscher knirscht man schon ein wenig mit den Zähnen, wenn
man sich die Wetterkarten der nächsten Tage genauer unter die Lupe nimmt. Genau
genommen geht es nämlich gar nicht so weiter wie bisher, nein, es wird noch
heißer. Konkret stehen wir in Deutschland vor der bisher heißesten Phase dieses
Sommers, sowohl was die Spitzen der Temperatur als auch deren räumliche
Ausdehnung angeht. Und auch in den Nächten kühlt es nicht mehr so stark ab wie
bisher, so dass die Wärmebelastung deutlich zunehmen und für einige (auch für
Flora und Fauna) zum echten Problem (Stichwort Hitzestress) wird. Hinzu kommt
die Trockenheit, die sich noch verschärfen und sich auch in den Regionen, in
denen es jetzt mal stärker geregnet hat, wieder in den Vordergrund spielen wird.


Stellt sich nun die Frage, welcher Wetterlage wir das Ganze zu verdanken haben.
Da zeigt der Blick auf die Prognosekarten für den kommenden Mittwoch (dem Beginn
der offiziellen Mittelfrist) eine weiterhin stark meridional geprägte
Blockierungslage mit einem abgeschlossenen Höhenhoch über NW-Russland und einem
relativ flachen Rücken über SW-Europa respektive NW-Afrika. Dem gegenüber stehen
Tröge über dem NO-Atlantik und dem östlichen Mitteleuropa bzw. dem nahen
Osteuropa. Deutschland liegt nun genau zwischen diesen vier Stühlen unterhalb
einer vergleichsweise schmalen Potenzialbrücke, die das Höhenhoch im NO mit dem
Rücken im SW verbindet und am Boden eine flache Hochdruckzone (um 1015 hPa)
stützt. Während der atlantische Trogkomplex zumindest anfangs noch weit genug
vom Vorhersageraum entfernt ist, um sich hier in irgendeiner Form in Szene zu
setzen, versucht der östliche Trog immer mal wieder, mit flachen, nach Süden
ablaufenden Randtrögen kleine zyklonale Nadelstiche (=> einzelne Schauer oder
Gewitter) im äußersten Osten und Südosten zu setzen. Ansonsten dürfte es
lediglich im Bergland für einzelne hitzebedingte Überentwicklungen langen.
Von den Ausnahmen zur Regel, die für zumindest bis Freitag landesweit reichlich
Einstrahlung, Hitze und Trockenheit auf der Karte hat. Reicht die Spanne der
850-hPa-Temperatur am Freitag "nur" für etwa 13 bis 18°C, sind es am Freitag 14
(Nordosten) bis lokal 20°C (Südwesten). Unter dem Strich bedeutet das verbreitet
Tageshöchstwerte zwischen 30 und 35°C, in der Spitze vereinzelt auch mal bis
37°C. Selbst auf den Inseln dürfte mit Ausnahme von Rügen und Usedom die
30°C-Marke geknackt werden, sofern sich keine See-Landwindzirkulation einstellt.
Wem dass alles zu viel ist, sollte sich vielleicht einen Ausflug auf
Deutschlands höchsten Berg, der Zugspitze gönnen, wo die Tagesmaxima etwa bei
10°C oder etwas darunter erwartet werden - plus versteht sich. Ach ja, wie
eingangs schon erwähnt, gehen nicht nur die Tagestemperaturen nach oben, auch
die nächtlichen Tiefstwerte pendeln sich auf einem höheren Niveau ein.
Insbesondere in beton- und asphaltlastigen Ballungsräumen wird es zunehmend
schwer, ja sogar unmöglich, die 20°C-Marke zu unterschreiten, was per
definitionem eine Tropennacht bedeutet. Und auch unmittelbar an der Küste sowie
auf den vorgelagerten Inseln machen sich die weiter steigenden
Wassertemperaturen von Nord- und Ostsee an den nächtlichen 2m-Tiefstwerten
bemerkbar (um oder über 20°C).
Am kommenden Wochenende deutet sich eine allmähliche Annäherung des atlantischen
Troges an, während der Osteuropatrog quasistationär bleibt. Folgerichtig wird
die Potenzialrinne regelrecht "eingequetscht" ergo verschlankt, so dass ihre
Wirkung abnimmt und von Westen her zunehmend teils kräftige Gewitter und
schauerartige Regenfälle auf Deutschland übergreifen. Zwar gehen die absoluten
Temperaturen dabei etwas nach unten, dafür wird es durch die höhere Feuchte noch
drückender.

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich zyklonal geprägtes Hochsommerwetter
an mit verstärkter Gewitteraktivität an. Zwar sind die Temperaturspitzen nicht
mehr so hoch wie in der Vorwoche (Rückgang T850 auf 15 bis 10°C), trotzdem
bleibt es sehr warm bis heiß und dazu überwiegend schwül. Na Bravo!


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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS vom ECMF verdient das Prädikat "gut bis sehr gut". So ist
vollkommen unstrittig, dass wir in Deutschland vor der bisher heißesten Phase
dieses Sommers stehen - sowohl was die Spitzen der Temperatur als auch deren
räumliche Ausdehnung angeht. Etwaige Gewitter spielen dabei nur eine Nebenrolle,
sie beschränken sich auf einzelne Überentwicklungen im Bergland und auch von
Polen, Tschechien und Österreich können sich mal ein oder zwei Zellen bis in den
äußersten Osten und Südosten verirren.
Unsicher ist derzeit noch, wie progressiv am nächsten Wochenende die Annäherung
des o.e. Troges vom Atlantik her ausfällt. Zeigte sich der gestrige 00-UTC-Lauf
diesbezüglich noch sehr zurückhaltend, wurde nun in den Offensivmodus
umgeschaltet, was der gesamten Westhälfte am kommenden Sonntag kräftige Gewitter
und schauerartige Regenfälle bescheren würde (dort nach gestriger Lesart
komplett trocken).

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Alle vom Verfasser begutachteten Globalmodelle - namentlich sind das ICON, GFS,
GEM und UKMO - setzen auf heißes Sommerwetter. Dass GFS dabei bis Freitag die
meisten Gewitter simuliert, verwundert nicht angesichts der chronisch zu feucht
simulierten Grundschicht. Zum Wochenende nehmen die Unschärfen insofern etwas
zu, als dass die Annäherung des Troges vom Atlantik her leicht unterschiedlich
simuliert wird. Während sich UKMO nach +144h aus dem Modellvergleich ausklinkt,
setzen ICON und GFS auf eine etwas progressivere Trogverlagerung. Das kanadische
GEM hingegen lässt es gemächlicher angehen und honoriert stattdessen die
Bemühungen des osteuropäischen Troges, seinen Einfluss vorübergehend etwas nach
Westen und somit auch auf unser Vorhersagegebiet auszudehnen.
Unter dem Strich lässt sich auf Basis der deterministischen Vorhersagen
zusammenfassen, dass die Gewitterneigung am kommenden Wochenende allgemein
zunimmt und die zuvor auftretenden hohen Temperaturen etwas gekappt werden.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen sowohl bei IFS als
auch bei GFS bis einschließlich Freitag einen relativ engen und auch ähnlichen
Verlauf. Erst am Wochenende nimmt der Spread bei gleichzeitig sich häufenden
Niederschlagspeaks zu. Dieses Muster passt sehr gut zu den im Zusammenhang mit
dem Modellvergleich und -konsistenz gemachten Aussagen. Auffallend ist, dass im
Osten (Referenz Berlin und Leipzig) eine deutliche Mehrheit der
Ensemblemitglieder die 850-hPa-Temperatur sehr hoch hält (etwa 14 bis 18°C),
während sich in den anderen Regionen ein eher uneinheitliches Bild ergibt.
Wirklich kalt oder kühl wird es aber nirgendwo.
Trotz der zunehmenden Streuung zeigt die Clusterung von Mittwoch bis Mittwoch
(T+72...240h) in den jeweiligen Zeitabschnitten lediglich ein Cluster. Dabei wird
weiterhin auf Blockierung gesetzt.

FAZIT: Der Generalkurs der Prognose steht, auch wenn am nächsten Wochenende die
Gewitter- und Niederschlagsverteilung noch ein paar Fragen offen lässt. Eine
grundlegende Änderung hin zu einem ganz anderen Zirkulationsmuster ist nach wie
vor nicht erkennbar.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Viel Einstrahlung und hohe Temperaturen sorgen in der kommenden Woche dafür,
dass Begriffe wie WÄRMEBELASTUNG oder auch HITZESTRESS ebenso im Ranking häufig
benutzter Substantive nach oben rutschen wie TROCKENHEIT und DÜRRE. Dabei
spielen die von uns Meteorologen im Kontext mit dem Thema "Trockenheit" gerne
mal etwas überbetonten GEWITTER zunächst nur eine Nebenrolle. Das schließt
freilich nicht aus, dass sie dort, wo sie denn mal auftreten (also vereinzelt im
Bergland und vielleicht auch im äußersten Osten und Südosten), durchaus knackig
ausfallen können, vor allem durch Starkregen und Hagel.
Dass die Gewitterneigung am kommenden Wochenende allgemein zunimmt, wurde
bereits erwähnt. Und dass es dabei wahrscheinlich auch zu stärkeren
Entwicklungen bis in den Unwetterbereich kommen wird, ist evident. Allerdings
erscheint es wenig sinnvoll, aufgrund der mehrfach geschilderten Unschärfen
heute schon zu viel über die Gewitterei zu schwadronieren. Schließlich können
wir froh sein, wenn wir die Konvektion des laufenden und/oder des Folgetages
einigermaßen richtig einschätzen können.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann