DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-07-2018 07:01
SXEU31 DWAV 190800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 19.07.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa)

Heute Funkstille. Am Freitag zunächst im Südwesten, am Samstag bis in die Mitte
ausgreifend Gewitter und schauerartige Regenfälle. Dabei Gefahr von Starkregen
bis hin zu örtlichen Unwettern.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht den Vorhersagemeteorologen ein ruhiger Tag ohne signifikante
Wettererscheinungen ins Haus. Verantwortlich dafür sein die weitgehend
antizyklonal geprägten Strömungsbedingungen sowie die trockene und stabile
Luftmasse, die sich bei uns vorübergehend etabliert hat.
Konkret stellt sich die Ausgangslage so dar, dass Deutschland genau zwischen
zwei Trögen liegt, die naturgemäß durch einen Rücken voneinander getrennt
werden. Trog Numero uno erstreckt sich mit reichlich gekrümmter Achse von
Ostgrönland über UK/Irland bis zum Seegebiet westlich Iberiens, Trog Numero due
überdeckt weite Teile des nahen Osteuropas bis hinunter zur Türkei. Beide
Systeme entpuppen sich heute als nahezu ortsfest, so dass auch der dazwischen
geschaltete, mitten über den Vorhersageraum verlaufende Rücken (der übrigens
auch im Druckfeld für leicht überdurchschnittlichen Luftdruck sorgt) keine
großen Anstalten macht, seinen Platz zu verlassen. Er hält übrigens Tuchfühlung
zum monumentalen Höhenhoch über Nordeuropa, das die Bewegung ebenfalls nicht
erfunden hat.
Greift man nun von der Globalbrille zur Lupe, so erkennt man, dass sowohl auf
der Ost- als auch auf der Westabdachung unseres Rückens kleine Sekundärtröge,
von denen der östliche süd-südostwärts abläuft. Er ist der wirksamere der beiden
Tröge, induziert er doch im äußersten Osten nicht nur stärkere Bewölkung sondern
auch etwas Regen oder Nieselregen, der sich im Laufe des Tages von Vorpommern
und der Uckermark über das östliche BB und die Lausitz bis ins östliche Sachsen
verlagern soll - so zumindest die Lesart der meisten externen Modelle, während
ICON den Regen nach Polen abschiebt. So oder so, viel ist es ohnehin nicht, was
da vom Himmel fällt.
Der westliche Trog "bohrt" sich in den Keil hinein, ohne dabei größeren Schaden
anzurichten. Einzig die heute früh bei 800 hPa verortete Absinkinversion wird
etwas angehoben, ansonsten ist der Treibstoff (also die Luftmasse) viel zu
trocken (Taupunkte teils unter 10°C) und stabil, um damit etwas Substanzielles
anzufangen. So scheint im größten Teil des Landes einmal mehr die Sonne trotz
einiger Quellungen unterhalb der Inversion bzw. einiger hoher Wolkenfelder. Bei
850-hPa-Temperaturen zwischen 7°C in Nordfriesland und bis zu 17°C am Bodensee
stehen im äußersten Norden 20 bis 25°C, sonst 25 bis 30°C, in den
Flussniederungen West- und Südwestdeutschlands vereinzelt bis zu 33°C auf der
Karte.

In der Nacht zum Freitag kommt wenigstens ein bisschen Bewegung in das ganze
System, wenn auch ohne großen Auswirkungen - zumindest bei uns. Der Südteil des
atlantischen Troges rückt etwas dichter an den Kontinent heran, während sich der
Rücken geringfügig nach Osten verlagert. Freitagfrüh verläuft seine Achse
entlang der polnischen Grenze bis nach Bayern reichend (ICON, 500 hPa). Damit
gelangen weite Teile des Vorhersageraums unter eine glatte südwestliche
Höhenströmung, mit der nun wieder zunehmend instabilere und etwas feuchtere Luft
zunächst mal in den Süden und Westen gelangt. Aufgrund der Tageszeit sowie
fehlender anderweitiger Antriebsmechanismen bleibt es bei einigen hohen oder
auch mal mittelhohen Wolkenfeldern, während gleichzeitig in Teilen "Le Bleus"
die Post abgeht. Mit lokal bis zu 18°C bleibt die Nacht im Südwesten relativ
mild, während im Norden und Osten punktuell die 10°C-Marke knapp unterschritten
wird.

Freitag... zeigt sich das gesamte Potenzialmuster weiterhin leicht, aber auch
wirklich nur leicht progressiv. Expressis verbis bedeutet das, dass der Trog bis
zum Abend die Nordsee respektive den Norden und Westen Frankreichs erreicht und
der Rücken endgültig nach Polen abwandert. Für uns bedeutet das eine weiter
aufsteilende südwestliche Höhenströmung, die anfängt zu flattern, will heißen
mit kurzwelligen Trog-Keil-Strukturen durchsetzt ist, die nordostwärts ablaufen
und - teils unterstützt durch schwache WLA - für gewisse Hebungsimpulse sorgen.
Ansonsten gilt es festzuhalten, dass der Luftdruck nur geringfügig fällt und
weiterhin von einem extrem schwachen Gradienten geprägt ist, so dass nicht
sicher ist, ob auf der Mittagsanalyse über Deutschland eine 5-zu-5-Isobare zu
finden sein wird. Fakt ist, dass die Labilisierung der alternden Warmluft
weitere Fortschritte macht und vor allem im Westen und Südwesten die mittlere
Troposphäre mehr und mehr angefeuchtet wird. Das PPW steigt z.T. auf 30 mm oder
darüber, außerdem wird insbesondere vom Schwarzwald über die deutsch-schweizer
Grenzregion bis zum westlichen Alpenrand ML-CAPE von etwa 500 bis 1000 J/kg
generiert (im Westen bleiben die Werte bis zum Abend noch deutlich darunter).
Hinzu kommt noch, dass mit Annäherung des Troges im äußersten Westen und Süden
im Gegensatz zu den anderen Landesteilen die Absinkinversion getilgt wird.
Kurzum, das gesamte Setup für konvektive Umlagerungen wird in den genannten
Gebieten immer günstiger, auch wenn natürlich die dynamische Komponente nach wie
vor recht schwach ausgeprägt ist. So werden sich nach heutigem Stand der Dinge
im Tagesverlauf ausgehend von den Vogesen, vom Schwarzwald und der Schwäbischen
Alb einzelne Gewitter entwickeln, die sich langsam nordostwärts verlagern, wo
sie in ein gewitterungünstiges Umfeld reinlaufen und sich allmählich
abschwächen. Am späten Nachmittag und frühen Abend dürften dann auch von der
Schweiz her und dem Vorarlberg her Gewitter auf deutschen Territorium
übertreten, während der östliche Alpenrand nebst Vorland wahrscheinlich noch
außen vor bleibt. Trotz leichter Verlagerung wird Starkregen der führende
Begleitparameter sein, lokale Unwetter inclusive. Aber auch Hagel von rund 2 cm
Durchmesser bzw. größere Hagelansammlungen sind nicht auszuschließen. Aufgrund
der z.T. noch trockenen Grundschicht (inverses V) sind auch einzelne Downbursts
möglich.
Im Westen ist die Gewitterwahrscheinlichkeit tagsüber geringer als im Südwesten,
dort ist eher mit Schauern oder Gewitterresten aus BeLux bzw. Nordostfrankreich
zu rechnen. Der größte Teil des Vorhersageraums liegt freilich unter einer
trockenen Hitzeglocke mit Einstrahlung satt und Nachmittagstemperaturen von 27
bis 33°C (T850 meist 14 bis 18°C). Lediglich in Teilen Nord- und
Nordostdeutschlands bleibt es mit 22 bis 27°C (T850 10 bis 13°C, an der Küste
teils Seewind) angenehmer (so zumindest die Meinung des Verfassers).

In der Nacht zum Samstag löst sich aus dem Haupttrog über Frankreich ein flacher
Randtrog, der auf den Südwesten zuläuft. Vorderseitig verstärkt sich die
dynamische Hebung, was entgegen dem Tagesgang die Gewitteraktivität im Süden und
Westen aufrecht hält bzw. neu entfacht. Ob es sich dabei um Einzel- und
Multizellen handelt oder durch Verclusterung auch mal gewittriger (Stark)Regen
am Start ist, kann noch nicht abschließend beantwortet werden, weil jedes Modell
die Details etwas anders bewertet. Fakt ist, dass die Hauptgefahr von Starkregen
ausgeht.
Weite Teile Nord- und Ostdeutschlands sowie die östliche Mitte und auch
Ostbayern werden von dieser Entwicklung nicht getroffen, dort bleibt die Nacht
ruhig und trocken.

Samstag... greift der Haupttrog von Westen her zunehmend auf Deutschland über,
zum Tagesende liegt die Achse etwa an der Grenze zu Benelux und Frankreich. Der
Luftdruck fällt noch etwas, wobei bei genauerem Hinsehen (ICON) zwei
Tiefdruckrinnen bilden, von denen die eine im Osten, die andere im Westen zu
finden ist. Ob diese Rinnen tatsächlich so kommen, ist - wie immer bei flacher
Druckverteilung - unsicher.
Sicher dagegen scheint, dass auch der Samstag mitschauerartigen Regenfällen und
Gewittern aufwartet, wobei sich ein deutliches Süd-Nord-Gefälle einstellt. So
wird der Süden am meisten abbekommen, gefolgt von der Mitte, während im Norden
nur eine geringe Schauer- und Gewitterneigung gegeben ist. Auffallend im
Konvektionsfavoriten ist die von Westen her allmählich einsetzende
Stabilisierung (siehe Lapse-Rates, schwacher nordwestlicher Wind) sowie die
geringen ML-CAPE-Werte, die offensichtlich der mangelnden Einstrahlung
geschuldet sind. Von daher steht nicht zuletzt auch wegen der geringen
Verlagerungsgeschwindigkeit Starkregen bis hin zu Unwettern (und möglicherweise
auch mehrstündig) ganz oben auf der Agenda (PPWs über 30 mm).
Den meisten Sonnenschein dürfte es zwischen Erzgebirge und Ostsee geben, wo
gebietsweise auch die 30°C-Marke überschritten wird. Dagegen steht im Süden und
in Teilen Westdeutschlands eine (für viele willkommene) Abkühlung auf unter 25°C
auf dem Programm.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung wird von allen für an dieser Stelle gewöhnlich
begutachteten Modellen mitgetragen. Dass die Details hinsichtlich der am Freitag
im Südwesten einsetzenden und sich am Samstag bis zur Mitte ausbreitenden
Gewitter und Regenfälle dabei noch Unschärfen aufweisen, ist nicht ungewöhnlich.
Handlungsbedarf in puncto Warnmanagement resultiert daraus aktuell nicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann