DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-07-2018 08:01
SXEU31 DWAV 150800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.07.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Schwierig, aber mit einigen Abstrichen Na (Nord antizyklonal). Vielleicht
sollte man zumindest für den Sommer die Wetterlage SM (Sumpf Mitteleuropa) dem
ehrenwerten GWL-Katalog von Hess und Brezowsky hinzufügen.

Heute im Süden, am Montag auch in Teilen Westdeutschlands und der Mitte
pulsierende Konvektion. Lokale Unwettergefahr durch Starkregen, vereinzelt auch
durch Hagel.
Am Dienstag für den Nordosten noch sehr unsichere Prognose (zwischen
Stark-/Dauerregen und "fast nix" alles möglich).

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich über dem nahen Ostatlantik ein Höhentrog, dem sich im
Süden ein isoliertes Höhentief knapp westlich Iberiens anschließt. Diese
Konstellation hat zur Folge, dass Polar- und Subtropenjet - beide der Jahreszeit
entsprechend ohnehin nur schwach ausgeprägt - weit auseinanderlaufen. Während
der Subtropenjet über das Mittelmeer bzw. knapp nördlich davon zonal von West
nach Ost verläuft, erstreckt sich der trogvorderseitige Ast des Polarjets über
das Nordmeer in nordöstliche Richtung.
Für Mitteleuropa respektive Deutschland bedeutet das, dass man schon fast zur
Lupe greifen muss, um hier ein paar Isohypsen in den Potenzialfeldern zu finden.
Oder um es mit anderen Worten auszudrücken, die Potenzialgegensätze sind ebenso
wie der Druckgradient extrem gering, die Höhenwinde schwach. Trotzdem findet man
über dem Vorhersageraum eine synoptische Struktur in Form eines kleinen
Höhentiefs (es handelt sich im Grunde um einen Kaltlufttropfen), das sich im
Laufe des heutigen Tages extrem pomadig über Norddeutschland westwärts
verlagert. Dabei verpufft die Wirkung dieses Exemplars vollständig, da sich im
Norden eine trockene und stabile Luftmasse befindet (Taupunkte und
Frühtemperatur heute früh z.T. einstellig), mit der keine konvektiv geprägten
Schandtaten oder ähnliches zu machen sind. Kurzum, vom Norden bis in die Mitte
scheint heute verbreitet die Sonne und es bleibt trocken. Nach Osten und
Nordosten hin (dort ist die Luft etwas feuchter als beispielsweise in
Niedersachsen) zeigen sich aber einige Quellwolken am Himmel, die sich entweder
neu bilden (Tagesgang)oder aus dem am Morgen über Teilen MVs und BBs liegenden
stratiformen Wolkenfeld resultieren.
Wenn im Norden also nichts Richtiges zu holen ist - wettermäßig versteht sich -,
müssen wir halt in den Süden gehen, wo sich die Lage etwas anders darstellt. Der
entscheidende Unterschied liegt in der Luftmassenqualität, sprich, die dort
befindliche Warmluft ist nicht nur feuchter, sondern auch potenziell instabiler
als im Norden. So wird im Tagesverlauf vielerorts ein ML-CAPE von über 1000
J/kg, lokal bis zu 1500 J/kg generiert bei PPWs von 25 bis 30 mm. Bereits heute
früh gab es im äußersten Süden und Südwesten die ersten Gewitter, es werden
nicht die letzten gewesen sein. Zwar kommt aus der dynamischen Ecke nur wenig
bis gar nichts - die schwache west-südwestliche Höhenströmung ist sogar leicht
antizyklonal konturiert - aber der Tagesgang (Auslösetemperatur etwa 24 bis
26°C, was für eine frühe Auslöse spricht) und die Orografie werden es schon
richten. So wird es zwischen den letzten morgendlichen und den neuen Gewittern
sehr wahrscheinlich keine lange Pause geben, noch im Laufe des Vormittags dürfte
ausgehend vom Bergland die Konvektion in Gang kommen. Aufgrund relativ geringer
Scherung (etwas Richtungsscherung im unteren Troposphärenbereich ist allerdings
gegeben) dürften wir es im Wesentlichen mit pulsierender Konvektion zu tun
bekommen, bei der sich Einzel-, aber auch mal Multizellen entwickeln. Als
potenzielles Areal für die Gewitter kommen die Gebiete südlich von Main und
Mosel in Frage, was nicht ausschließt, dass nicht auch knapp weiter nördlich mal
´ne Zelle hochschießt. Genau so gilt natürlich, dass im Süden längst nicht alle
von den Gewittern getroffen werden.
Tatsache ist, dass aufgrund der langsamen Verlagerung der Zellen Starkregen ganz
weit oben auf der Agenda der Begleiterscheinungen steht, wobei lokale Unwetter
mit mehr als 25mm/h als sehr wahrscheinlich anzunehmen sind. Aber auch Hagel von
2-3 cm Durchmesser bzw. größere Hagelansammlungen sind nicht ausgeschlossen,
während Wind/Sturm eher das Tabellenende in der Skala signifikanter
Wettererscheinungen einnimmt. Vor allem zur Mitte hin, wo die Prognosesoundings
eine inverse V-Struktur aufweisen, sind durchaus vereinzelte Downbursts denkbar.

Bei 850-hPa-Temperaturen von rund 11°C im Norden und bis zu 16°C im Süden werden
verbreitet 25 bis 30°C, im Westen und Südwesten örtlich auch etwas über 30°C
erreicht. Etwas weniger warm bis 19 bis 24°C wird es im äußersten Norden, in
höheren Lagen sowie unmittelbar an den Alpen.

In der Nacht zum Montag lassen die konvektiven Umlagerungen tagesgangbedingt
vorübergehend nach, gänzlich zum Erliegen kommt das Ganze aber nicht. Grund
dafür ist ein Randtrog, der als Wurmfortsatz des o.e. Höhentiefs von Frankreich
her auf den Süden übergreift und dabei etwas dynamische Hebung induziert. Sie
reicht aus, um Teilen BWs, später auch Bayerns einzelne Gewitter oder - da
verclustert - gebietsweise gewittrigen Regen zu bescheren. Dabei besteht vor
allem die Gefahr von Starkregen, wenn auch wahrscheinlich nicht großflächig und
wohl auch nicht unwetterartig.
Ansonsten verläuft die Nacht ruhig, im Osten und Norden sinkt die Temperatur bei
klarem Himmel an der einen oder anderen Stellen auf etwas unter 10°C.


Montag... scheut das Höhentief aus unerfindlichen Gründen, so zumindest die
Lesart von ICON, den Übertritt zu unseren niederländischen Nachbarn, aber im
Emsland ist es ja auch ganz schön. Über dem Süden etabliert sich im Gegensatz zu
heute eine leicht zyklonal konturierte, schwache westliche Höhenströmung.
Letztlich herrscht in allen Troposphärenschichten ebenso wie im Bodenniveau
weiterhin extreme Flaute. Das wird nicht zuletzt auch dadurch deutlich, dass in
der Mittagkarte (T+36h) gerade mal eine Hauptisobare über Deutschland zu finden
sein wird, nämlich 1015 hPa im Küstenbereich.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass die instabile Warmluft aus dem Süden in
ihrem Westteil Boden nach Norden hin gutmacht, wovon vor allem Hessen, aber auch
RP/Saarland und Teile NRWs "profitieren". Das höchste ML-CAPE mit bis zu 1500
J/kg wird am frühen Vormittag von ICON über Südhessen gesehen, allerdings sollte
man diesbezüglich nicht zu modellgläubig sein. Tatsache ist, dass sich die
Charaktereigenschaften der Luftmasse kaum ändern, so dass die mit dem Tagesgang
erneut auflebende pulsierende Konvektion ähnliche Begleiterscheinungen erwarten
lässt wie heute, sprich, lokaler Starkregen steht ganz oben auf der Karte (bis
hin zu Unwettern). Einmal mehr gilt aber auch, dass längst nicht alle im Süden,
im Westen und in der Mitte von der Konvektion getroffen werden, was typisch ist
für Einzel- und Multizellen.
Im Norden und Osten deutet sich am Rande eines schwachen Hochs über Skandinavien
ein trockener Wochenstart an, an dem häufig die Sonne scheint, auch wenn sich in
der labil geschichteten Grundsicht einige Quellungen bilden. Im Nordosten,
namentlich in MV wird sogar etwas CAPE generiert (punktuell etwas über 500 J/kg)
und auch das PPW steigt auf über 25 mm, trotzdem sollte es tagsüber aufgrund
fehlender Antriebe (Auslösetemperatur etwas zu hoch, schwacher Keil vom
skandinavischen Höhenhoch) noch nicht für Schauer und schon gar nicht für
Gewitter reichen.
Während es im Norden tendenziell etwas wärmer wird als heute, "droht" Teilen
Süddeutschlands ein leichter Temperaturrückgang, was dort der geringeren
Einstrahlung (gebietsweise länger stark bewölkt durch die Reste des nächtlichen
Regen- bzw. Gewitterclusters) geschuldet ist. Auf ganz Deutschland bezogen
bleibt die Spanne aber ähnlich wie heute mit der größten Hitze (etwas über 30°C)
im Westen.

In der Nacht zum Dienstag nehmen die konvektiven Umlagerungen zunehmend ab, was
nach numerischer Vorgabe im äußersten Süden am langsamsten ablaufen soll. Dort
ist ein Übergang in teils gewittrigen Regen denkbar. Ansonsten sei der
Chronistenpflicht halber erwähnt, dass sich unser kleines Höhentief für
Deutschland und nicht für die Niederlande entscheidet, will heißen, es zieht nun
wieder ein bisschen nach Osten, wobei es aber ein zahnloser Tiger ohne
nennenswerte Wetterwirksamkeit bleibt.
Unabhängig davon gilt es aber, unseren Blick in Richtung äußersten Nordosten zu
schärfen, wo sich insbesondere ICON recht fantasiereich zeigt, indem es in
Vorpommern einsetzenden stärkeren Regen simuliert. Als Generator fungieren
offensichtlich ein von Polen vorstoßender, vornehmlich in der unteren
Troposphäre ausgeprägter Randtrog sowie von der südöstlichen und südlichen
Ostsee übergreifende WLA. Gewitter sollen auch dabei sein, allerdings knapp auf
polnischer Seite. Ob es tatsächlich so kommen wird, steht aber noch in den
Sternen, denn die meisten externen Modelle - darunter so renommierte wie das IFS
- belassen den Regenschwerpunkt deutlich weiter im Osten.

Dienstag... wird das kleine Höhentief im Laufe des Tages getilgt, weil von Süden
her das Potenzial etwas steigt und sich ein flacher Höhenrücken aufwölbt.
Auslöser dafür ist die Tatsache, dass der Südteil des Troges über dem nahen
Ostatlantik sich auf den Weg Richtung europäischen Kontinent macht. Am
interessantesten ist die Potenzialverteilung aber im Nordosten, wo in der
mittleren und oberen Troposphäre ein wenn auch schwacher Keil des Höhenhochs
über Skandinavien den Ton angibt, während sich weiter unten (schön zu sehen in
700 hPa) der o.e. Trog sich noch verschärft und zudem Richtung Jütland
ausweitet. Wie gesagt, so sieht ICON die Angelegenheit, und so verwundert es
auch nicht, dass beide Versionen (ICON13 und ICON6) den nächtlichen Starkregen
noch etwas intensivieren und nach Westen ausweiten lassen. ICON6 simuliert in
Vorpommern bei komplett stabilen Schichtungsverhältnissen teils um 40 mm innert
12 h, was angesichts apostrophierter PPWs von über 40 mm nicht unbedingt
verwundert. Die Krux an der Sache ist nun aber die, dass die externen Modelle
weiterhin weit davon entfernt sind, ein solch markantes, punktuell sogar
unwetterartiges Ereignis zu stützen. Okay, IFS und GFS rechnen zwar ebenfalls
Regen im äußersten Osten und Nordosten, die Intensitäten liegen aber deutlich
unter denen von ICON. Zur Ehrenrettung der deutschen Modellkette sei allerdings
erwähnt, dass der gestrige 12-UTC-Lauf von IFS ebenfalls auf Stark- bzw.
Dauerregen im Nordosten gesetzt hat, und zwar noch stärker als ICON. Von daher
dürfte es interessant werden, die nächsten Modellläufe hinsichtlich dieses
(virtuellen) Phänomens auszuwerten.
Kurz noch ein Blick in die übrigen Landesteile, wo sich die potenziell instabile
Warmluft wieder etwas nach Süden zurückzieht. Die größte
Gewitterwahrscheinlichkeit ist in den südlichen Landesteilen von BW und Bayern
gegeben, auch wenn die ML-CAPE-Werte gegenüber den Vortagen etwas zurückgehen.
Bei PPWs um oder etwas über 25 mm geht die Hauptgefahr weiterhin von Starkregen
aus, lokale Unwetter inclusive. Zur Mitte und nach Westen hin können sich zwar
noch einzelne, teils gewittrige Schauer entwickeln, die Gefahr stärkerer
Gewitter nimmt gegenüber Montag aber ab.
Die Tageshöchstwerte liegen meist zwischen 24 und 30°C. Sollte sich im Nordosten
länger andauernder (Stark)Regen einstellen, bliebe es dort natürlich frischer.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Basisfelder werden weitgehend kongruent simuliert, erst zum
Dienstag hin ergeben sich zwischen deutscher Modellkette und externen Modellen
größere Unterschiede (siehe Text). Allerdings muss auch die kurzfristige
Gewitterprognose der konvektionszulassenden Modelle immer wieder auf den
Prüfstand gestellt werden, wie die schlechte Vorhersage für die Gewitter
ausgangs der vergangenen Nacht im Süden und Südwesten zeigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann