DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 060800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Heute im Süden und Westen wieder teils kräftige Gewitter mit Unwettergefahr, am
Dienstag etwas nach Westen und Südwesten zurückziehend.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... Schaut man sich zu Beginn der neuen Woche die Strömungsverhältnisse in
der mittleren bzw. oberen Troposphäre an, so kommt man nicht straight foreward
auf den Gedanken, dass auch am heutigen Montag wieder kräftige und in Teilen
unwetterartige Gewitter bei uns eine Hauptrolle einnehmen. So findet man über
der Nordsee ein umfangreiches abgeschlossenes Höhenhoch, von dem aus sich ein
Keil über den Vorhersageraum hinweg bis zu den Alpen erstreckt. Das
korrespondierende Bodenhoch überdeckt große Teile Nord- und Nordwesteuropas und
weist Schwerpunkte über dem Südrand des Nordmeers sowie über der Ostsee auf. Und
tatsächlich profitieren einige Regionen unseres Landes vom Hoch über der Ostsee,
gelangt doch hinter einer nach Süden vorstoßenden Kaltfront mit schwacher
östlicher Strömung trockenere und stabilere Luft in den Nordosten des Landes.
Bereits heute früh sind die Taupunkte gebietsweise auf deutlich unter 10°C
gesunken, und auch am Nachmittag weist die dortige Luftmasse mit PPWs unter 20
mm und zero ML-CAPE nicht gerade gewitterträchtige Eigenschaften auf, die
Auslösetemperatur steigt auf über 30°C. Kurzum, grob gesprochen die Regionen
zwischen Lausitz und Ostsee dürften heute außen vor sein, was etwaige konvektive
Umlagerungen angeht.
Etas anders sieht es in den übrigen Regionen aus, wo bei nach wie vor schwachen
Luftdruckgegensätzen sowohl Feuchtigkeit als auch Labilität ungleich höher sind
als im Nordosten - immerhin zwei essenzielle Voraussetzungen, damit nennenswerte
Konvektion überhaupt geschaltet werden kann. Stand heute Nachmittag soll das
ML-CAPE-Maximum mit Werten bis 1500 J/kg, örtlich sogar bis knapp 2000 J/kg, in
einem Streifen liegen, der von NO-Bayern über Südhessen bis hinüber nach RP bzw.
das südliche NRW reicht. Dort findet sich auch das höchste PPW mit Werten
zwischen 25 und knapp über 30 mm. Doch nicht nur in diesem Streifen ist eine
latente Gewittergefahr gegeben, grundsätzlich lässt sich eine solche für die
gesamte Südhälfte sowie die Regionen von NRW bis hoch zur Nordsee konstatieren.

Stellt sich freilich noch die Frage nach der noch fehlenden Komponente, der
Hebung. Nun, dynamische Impulse kommen bei der genannten Konstellation des
Geopotenzials eher nicht in Frage, einzig an der Kaltfront könnte es mit
Erreichen der Mittelgebirgsschwelle einen gewissen Antrieb geben. Trotz
allgemein schwacher Strömung gehen ein paar Impulse von konfluenten
Bodenwindstrukturen aus, die sich mit dem Tagesgang ausbilden und vor allem im
NW durch Seewind gefördert werden. Noch wahrscheinlicher sind allerdings die
Orografie, sprich, die Mittelgebirge und die Alpen, sowie die diabatische
Komponente, sprich, das Erreichen der Auslösetemperatur. Die liegt - von Süd
nach Nordwest ansteigend - etwa zwischen 22 und 28°C und sollte vielfach
realistisch erreichbar sein. Immerhin streben wir heute verbreitet einen
Sommertag mit Maxima zwischen 25 und 30°C an, einzig in höheren Lagen, im
äußersten Osten sowie an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind wird es nicht
ganz so warm.
Mangels ausreichend Scherung kommen die meisten Gewitter einmal mehr recht
unorganisiert daher, wobei auf Basis der genannten synoptischen
Rahmenbedingungen Starkregen bis in den Unwetterbereich (> 25 mm/h, lokal auch >
40 mm/h nicht ausgeschlossen) und/oder Hagel der Größenordnung 2-3 cm ganz oben
auf dem Zettel der Begleitelemente stehen. Gleichwohl sind die Gewitter mal
mehr, mal weniger mit einem gewissen Maß an Eigendynamik ausgestattet, so dass
in Einzelfällen auch stürmische Böen oder Sturmböen mit an Bord sein können. Ach
ja, und wie uns mehr die Erfahrung der vergangenen Tage als irgendwelche
konzeptionellen Modelle lehrt, sind trotz lausigster Scherungswerte sogar
vereinzelte Tornados nicht auszuschließen - dann nämlich, wenn starke
Richtungsscherung im untersten Niveau mit Konvektionszellen "günstig"
interagieren.

In der Nacht zum Dienstag schwächt sich der Höhenkeil zwar etwas ab, dafür
springt der Tagesgang in die Bresche des Konvektionshemmers. So lässt die
Gewitteraktivität mehr und mehr nach, auch wenn die einen oder andere Zelle
vielleicht sogar bis in die zweite Nachthälfte noch bewarnt werden muss. Auch
nicht-gewittriger Starkregen ist örtlich noch möglich, allerdings nimmt die
Wahrscheinlichkeit dafür sukzessive ab. Stattdessen bildet sich insbesondere
dort, wo es aufklart und vorher geregnet hat, wieder gebietsweise Nebel.

Dienstag... wölbt sich über dem nahen Ostatlantik respektive Westeuropa ein
neuer Höhenrücken auf, während der Keil über Deutschland weiter abgehobelt wird.
Dabei gelangen wir zunehmend unter eine schwache, leicht antizyklonal
konturierte nordwestliche Höhenströmung, mit der nach wie vor keine großen
dynamischen Sprünge sowohl in die eine als auch in die andere Richtung zu machen
sind. Immerhin fällt der Luftdruck in Bodennähe etwas, so dass weite Teile
Mitteleuropas und somit auch Deutschland von einem "Sumpf" mit einem reduzierten
Bodendruck von rund 1020 hPa beherrscht werden.
So gesehen stellt sich einmal mehr die Frage, wie sich die Luftmasse vor Ort
verhält. Dabei zeichnet sich auf Basis der meisten numerischen Produkte ab, dass
die trockenere und stabilere Luftmasse aus dem Nordosten Boden nach Süden und
Westen hin gutmacht. Die labile und feuchtere Luftmasse zieht sich -
ausgestattet mit ähnlichen Attributen wie heute - in Regionen zurück, die etwa
von den Alpen nebst Vorland über BW und die westlichen Bundesländer hinweg bis
hoch zur Nordsee reichen. Dort ist, bei aller gegebenen Toleranz, die
Wahrscheinlichkeit für Gewitter am größten, wobei auch wieder lokale Unwetter
durch Starkregen und/oder Hagel möglich sind. Kurzes Zwischenfazit: Es handelt
sich um den 12. Tag hintereinander !!, an dem irgendwo in Deutschland schwere
Gewitter, also Unwetter auftreten.
Temperaturmäßig stehen 24 bis 30°C auf der Karte, einzig im höheren Bergland, an
Küstenabschnitten mit Seewind sowie in Teilen Vorpommerns wird es nicht so warm.


In der Nacht zum Mittwoch läuft ein kurzwelliger Höhentrog die Ostabdachung des
o.e. Rückens langsam südostwärts, wobei er auch Teile West- und
Südwestdeutschlands tangiert. Während in den übrigen Landesteilen möglicherweise
noch vorhandene konvektive Prozesse zum Erliegen kommen und sich wieder das eine
oder andere Nebelfeld bildet, muss etwa vom westlichen Alpenrand bis hoch nach
NRW mit schauerartig verstärkten und teils gewittrigen Regenfällen gerechnet
werden. Dabei kann an der einen oder anderen Stelle durchaus das 1- oder
6-stündige Starkregenkriterium gerissen werden, auch wenn die Numerik
diesbezüglich eher zurückhaltend agiert.


Mittwoch... schwenkt besagter KW-Trog nur langsam südostwärts, so dass er
insbesondere in Teilen Süd- und Westdeutschlands ein gewisses Quantum an
dynamischer Hebung liefert. Da sich die feuchte und potenziell instabil
geschichtete Luftmasse wieder ost-nordostwärts ausweitet, muss in einem größeren
Areal als am Dienstag mit intensiven konvektiven Umlagerungen bis in den
Unwetterbereich gerechnet werden. Tendenziell lässt sich aus heutiger Sicht die
Aussage treffen, dass die Wahrscheinlichkeit kräftiger Gewitter nach W und S hin
höher ist als nach Osten hin. Möglicherweise kommt es im SW gebietsweise auch zu
über mehrere Stunden andauernden Starkregen, was vor allem von der ICON-Kette
für Teile des Schwarzwalds signalisiert wird.
Ausklammern von nennenswerter Konvektion lassen sich Teile Nord- und
Nordostdeutschlands. Auf der einen Seite kräftigt sich das Bodenhoch über dem
Nordmeer auf über 1030 hPa, auf der anderen Seite befindet sich über Finnland
ein veritables Frühsommertief. Dazwischen wird mit ageostrophisch nordwestlicher
Strömung trockenere und stabilere Polarluft nach Süden gesteuert, die - quasi in
vorauseilendem Gehorsam - schon vorm Eintreffen der eigentlichen Kaltfront im
Norden des Landes ankommt und dort jegliche Bemühungen der Atmosphäre,
hochreichende Quellbewölkung zu generieren, im wahrsten Sinne des Wortes im Keim
erstickt.
Die Temperatur erreicht im N und NW sowie südlich der Donau Höchstwerte von 19
bis 25°C, sonst 24 bis 28°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Mit Hilfe der Modelle und deren Anschlussprodukte lassen sich im Vorfeld der
erwarteten konvektive Prozesse die Gebiete einigermaßen herausarbeiten, die am
gefährdetsten für Unwetter sind. Das heißt im Umkehrschluss nicht - und allen
Meteorologen und geschulten Leuten ist das auch bewusst -, dass alle
eingefärbten Flächen auch von solchen Gewittern getroffen werden. Andererseits
ist es freilich auch möglich, dass benachbarte, nicht vorbewarnte Regionen
kräftige Gewitter oder sogar einzelne Unwetter abbekommen. Das eigentliche,
operative Warnen vor Gewittern kann nach wie vor nur in situ und somit sehr
kurzfristig erfolgen.
Ansonsten ist alles gesagt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann