DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-07-2018 08:01
SXEU31 DWAV 100800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 10.07.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Nz

Vor allem im Norden und der Mitte verbreitet Regen, teils gewittrig.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zieht ein kleinräumiges Tief von Norden her nach Deutschland. Dieses
ist im 500er Geopotentialfeld etwa über Hamburg auszumachen, bis zum Abend soll
das Höhentief bis ins südliche Niedersachsen vorankommen. Die Temperaturen im
Kern des Höhentiefs liegen bei unter -22 Grad, was für eine entsprechend labile
Schichtung sorgt. Auch im Bodendruckfeld ist das Tief auszumachen, wobei es
aktuell etwa im Bereich der Elbmündung zu finden ist. An das Tief ist ein
Frontensystem gekoppelt, wobei die Warmfront nördlich des Tiefkerns und damit
über Dänemark und Norwegen verläuft, wogegen sich die Kaltfront in einem weiten
Bogen über Westpolen, Sachsen und Nordbayern erstreckt. Im Gegensatz zum
Höhentief, das eine eher südliche Zugbahn einschlägt, bewegt sich das Bodentief
in süd-südwestlicher Richtung und erreicht zum Abend das Münsterland.

Mit der Kaltfront und der Lage des Tiefs sind auch die zwei Bereiche des
potentiell stärksten Niederschlages abgesteckt. Mit der Kaltfront sind im Laufe
des Tages Regenfälle verbunden, die sich vor allem von Ober- und Unterfranken
bis an die polnische Grenze und nach Vorpommern erstrecken. Die Schwerpunkte des
Niederschlages sehen die Modelle dabei noch etwas unterschiedlich, EZMW sieht
diesen in einem Streichen von Leipzig nach Berlin, GFS und ICON etwas weiter
östlich im Bereich der Lausitz (GFS) bzw. von der Lausitz bis in den Bereich
Chemnitz (ICON). Weitgehend einig sind sich die Modelle bezüglich der zu
erwartenden Mengen, sie liegen bei etwa 20 mm in 6 Stunden. Dies deutet schon
auf konvektive Verstärkung durch Schauer und möglicherweise auch Gewitter hin,
Unwettergewitter sind bei PPW-Werten um 27 mm in diesem Bereich zwar nicht
ausgeschlossen, sollten aber die Ausnahme bleiben. Am Nachmittag ziehen die
Regenfälle etwas nach Südosten und betreffen dann vor allem den Bereich zwischen
Erzgebirge/Elbsandsteingebirge und der Neiße. Zu diesem Zeitpunkt divergieren
die Globalmodelle auch deutlicher, GFS legt die Schwerpunkte (mit maximal 10
mm/6h) schon ins Böhmische Becken und nach Polen, ICON sieht die Schwerpunkte in
der Lausitz (mit bis zu 30 mm/6h), und EZMW bedenkt den Raum Dresden mit in der
Spitze über 40 mm/6h. Dabei ändert sich bezüglich der PPW-Werte nur wenig,
bemerkenswert ist, dass in diesem Bereich kaum CAPE simuliert wird (z.B. ICON
und GFS bis 100 J/kg ML-Cape).

Der zweite Niederschlagsschwerpunkt liegt im Bereich des Höhen- und Bodentiefs.
Er verlagert sich im Tagesverlauf von Niedersachsen bis nach NRW und Nordhessen.
Auch hier zeigen sich im Detail Unterschiede. So lässt GFS das
Niederschlagsgebiet bis nach Sachsen-Anhalt ausgreifen, während EZMW und ICON
etwas weiter westlich ihre Maxima positionieren. Bezüglich der Mengen ist eine
gewisse Spreizung gegeben, EZMW simuliert für Vor- und Nachmittag in der Spitze
knapp 10 mm/6h, ICON6_Nest dagegen knapp über 20 mm/6h (ebenfalls Vor- und
Nachmittag). Allgemein gilt: Sollten die Niederschläge nicht von Gewittern
begleitet sein, so sind entsprechend Starkregenwarnungen ins Auge zu fassen. Und
vor allem an der Westflanke des zuletzt beschriebenen Gebietes erscheinen
organisierte Gewitter am wahrscheinlichsten, da dort die Scherungswerte
(Deep-Layer 15-30 m/s, Low-Level bis 10 m/s) am höchsten sind. Gleichwohl muss
angemerkt werden, dass die höchsten Scherungswerte nicht mit der höchsten
Labilität zusammenfallen. Apropos Wind: An der West- und Südflanke des Tiefs
frischt der Wind mitunter böig auf, ICON, COSMO-D2 und auch EZMW haben in diesem
Bereich die eine oder andere 7er Böen auf dem Zettel. In die gleiche Kerbe
schlägt auch die Probabilistik mit Wahrscheinlichkeiten von bis zu 50% (PEPS,
COSMO-LEPS) für steife Böen, mehr sollte aber nicht möglich sein.

In der Nacht zu Mittwoch zieht das Höhentief ins Dreiländereck
Hessen/Thüringen/Bayern. Das korrespondierende kleinräumige Tief über dem Westen
kommt noch etwas nach Süden voran, schwächt sich aber ab bzw. füllt sich auf und
ist am Morgen kaum noch auszumachen. Stattdessen zeigt sich ein flaches Tief
über Vorpommern, dessen Warmfront vom Norden Polens auf die Ostsee schwenkt, und
dessen Kaltfront über das Riesengebirge nach Süden verläuft. Dieses Tief
advehiert Warmluft von Osten her in den Norden und Nordosten. Damit kommt es in
diesen Gebieten zu weiteren Niederschlägen. In der ersten Nachthälfte sollte vor
allem der Bereich nordöstlich der Elbe betroffen sein, in der zweiten
Nachthälfte weite Teile des Nordens. Da sowohl die Lage des Tiefs als auch das
Druckfeld und die Frontenlage von den Modellen noch unterschiedlich eingeschätzt
werden, lassen sich auch noch keine genauen Aussagen über die Lage und
Intensität der Niederschläge treffen. So sieht beispielsweise EZMW die
6-stündigen Schwerpunkte in der zweiten Nachthälfte mit über 30 mm im Bereich
Brandenburg/Havel, GFS dagegen in einem zonalen Streifen im nördlichen
Mecklenburg-Vorpommern. Die ICON-Derivate ähneln eher der EZMW-Struktur, wobei
die von ihnen simulierten Regenmengen geringer ausfallen.

Mittwoch... wandert das Höhentief dann nach Nordosten und erreicht abends den
Großraum Berlin, um in der Nacht wieder nach Südosten und damit in die Lausitz
voranzukommen. Da dabei in seinem Kern die Temperatur auf etwa -20 Grad
ansteigt, lässt die Labilität im Bereich des Höhentiefs nach. Am Boden lässt
sich in der flachen Druckverteilung kaum das steuernde Tief ausmachen. Zum
Donnerstagmorgen soll es laut ICON über Sachsen-Anhalt, laut EZMW dagegen über
Nordwestpolen liegen. Einig sind sich die Modelle dahin gehend, dass ein Wolken-
und Niederschlagsband und dieses Tief herumgeführt werden soll, das weite Teile
Norddeutschlands erfasst. Die 12-stündigen Mengen liegen bei den Globalmodellen
um 20 mm, die hochaufgelösten simulieren deutlich mehr, EURO4 in der Spitze weit
über 200 mm. Zwar ist dieser Wert eher ins Reich der Fabel zu stecken,
interessant sind aber die Niederschlagsmuster von EURO4 oder auch von COSMO-D2,
die beide einen sehr schmalen Streifen sehr hoher Niederschlagsmengen andeuten.
Da dieser in Verlagerungsrichtung der Niederschläge, also grob von Nordost nach
Südwest orientiert ist, kann man sich dort in der Tat bei mehreren Zellen, die
linienhaft über immer das gleiche Gebiet ziehen, recht hohe Niederschläge
vorstellen, zumal die PPWs dort Werte von bis zu 35 mm, lokal auch noch mehr,
erreichen. Erneut werden nur recht niedrige CAPE-Werte simuliert (punktuell bis
500 J/kg bei ICON6-Nest und GFS, wobei die Maxima bei ICON und GFS von Nord nach
Süd über dem Osten Deutschlands verlaufen). Die Scherungswerte sind niedriger
als am Vortag, im Low-Level-Niveau liegen sie zwar weiter bei knapp 10 m/s, im
Deep-Layer-Bereich aber nur noch bis max. 20 m/s.

Ein zweiter, weniger stark ausgeprägter Regenschwerpunkt liegt nördlich des
Erzgebirges und des Thüringer Waldes, wobei die Labilität dort deutlicher in
Richtung Gewitter deutet als im Norden. Allgemein bleibt der Gradient recht weit
aufgefächert, allenfalls an der Ostseeküste kann eine auflandige Böe mal die
Stärke 7 Bft erreichen.

In der Nacht zu Donnerstag, wenn das Höhentief (s.o.) nach Südosten wandert,
ändert sich am Rest der synoptischen Situation nicht viel. Die globalen Modelle,
aber auch EURO4, sehen ein zerfransen bzw. zerreißen des am Tage noch kompakten
Niederschlagsgebietes in zwei Teile. Der erste liegt über Mecklenburg, laut EZMW
reicht er auch bis nach Sachsen-Anhalt und ins südliche Niedersachsen, der
zweite ist über Nordbayern/Westsachsen/Südthüringen zu finden. Insbesondere über
dem Nordosten bleibt die Luft mit PPWs von bis zu 37 mm sehr feucht, allerdings
bleiben sowohl die Labilität als auch die CAPE-Werte (in der Nacht nicht
verwunderlich) limitiert.


Donnerstag... zieht das Höhentief nach Zentralpolen ab. Damit liegt Deutschland
vorderseitig eines flachen Höhenrückens, der sich von den Pyrenäen bis zur
Biskaya erstreckt. Das entsprechende, ebenfalls flache Hoch im Bodenfeld ist
über den Britischen Inseln zu erkennen und schiebt allmählich einen Keil nach
Benelux und in den Westen Deutschlands.

Mit dem abwandernden Höhentief ziehen auch die Niederschlagsfelder nach Osten
ab. Am Tage ist vor allem der Osten noch von Regenfällen betroffen. Dabei geht
die Gefahr von Starkregen/starken Gewittern allmählich zurück. So liegen die
PPW-Werte nur noch bei etwa 25 mm, und entsprechend der geringeren Feuchte
liegen auch die Niederschlagsmengen niedriger als an den Vortagen. Am Vormittag
haben ICON und EZMW in Ostmecklenburg und Vorpommern noch 6-stündige Spitzen von
über 30 mm im Programm, am Nachmittag sollen dann aber kaum noch 10 mm fallen.
GFS ist ohnehin schon defensiver mit seinen maximalen Mangen. Zwar werden am
Nachmittag nach ICON6-Nest nochmal CAPE-Werte von bis zu 500 J/kg angedeutet,
allerdings liefert zumindest ICON6-Nest die höchsten CAPE-Werte in einem
Streifen von Main und Mosel bis nach Schleswig-Holstein und damit etwas westlich
der erwarteten Niederschlagsfelder. Mit dem Abziehen des Höhentiefs steigen auch
die Temperaturen in 850 hPa wieder. Liegen diese zu Tagesbeginn noch bei 6 bis 9
Grad, so werden sie ausgangs der Nacht zu Freitag bei 10 bis 12 Grad gesehen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren den heutigen Tag recht ähnlich, für morgen zeigen sich
sowohl bezüglich der Lage des Höhentiefs als auch bezüglich der
Bodendruckfeldkonfiguration schon Unterschiede. Diese machen sich bei der
insgesamt flachen Druckverteilung in einer unterschiedlichen Verteilung der
Niederschlagsfelder und -intensitäten bemerkbar. Diesbezüglich finden sich die
Details im Text.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas