DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-07-2018 18:01
SXEU31 DWAV 021800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 02.07.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Südwesten zunehmende Schauer- und Gewitterneigung, dabei Unwetter, speziell
durch Starkregen, nicht ausgeschlossen. In der Nordhälfte und im Osten Andauer
der extrem trockenen Witterung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland im Einflussbereich zweier Höhentiefs in 500 hPa.
Das erste, deutlich kräftiger ausgeprägte, ist auf russischer Seite des
russisch-baltischen Grenzgebietes zu finden und verlagert sich in der Nacht
etwas nach Norden, ohne seine Lage dabei durchgreifend zu ändern. Das Zweite, im
Kern weniger tief ausgeprägte und in seiner Struktur etwas flacher gehaltene,
liegt nordwestlich der spanischen Provinz Galizien. Das zwischen den beiden
Höhentiefs zu beobachtende kompensatorische Absinken sorgt in weiten Teilen
Deutschlands für praktisch wolkenloses Wetter. Den Nordosten beeinflusst das
kräftigere Höhentief derart, dass die dort stattfindenden Hebungsprozesse zur
Bildung von flachen Quellwolken führen, die an einer knapp unter 700 hPa
liegenden Inversion breitlaufen. Den freundlichen Wettercharakter kann dies
jedoch nur wenig trüben. Im Bodendruckfeld korrespondieren die Höhentiefs
jeweils mit einem Bodentief. Das Erste liegt aktuell an der litauisch-russischen
Grenze und verlagert sich mit dem entsprechenden Höhentief in der Nacht etwas
nach Norden, das zweite, sehr flache, liegt aktuell westlich der Bretagne und
verlagert sich bis zum Morgen kaum. Zwischen beiden schiebt sich ein
Bodenhochkeil von der Nordsee her in den Nordwesten, und in der Nacht bildet das
Bretagne-Tief eine flache Rinne aus, die in der zweiten Nachthälfte in den
Südwesten hereinschwenkt und die auch in 700 hPa als Feuchteband von Frankreich
bis nach Bulgarien gut zu erkennen ist. Interessant ist auch eine genauere
Betrachtung der Luftmassen - zumindest über dem äußersten Südwesten. Während
nämlich der große Rest des Landes unter sehr trockener und stabil geschichteter
Luft liegt, was beides nicht nur zum praktisch wolkenlosen Geschehen, sondern
auch zu perfekten Ausstrahlungsbedingungen in der Nacht beiträgt, so dass erneut
verbreitet mit einstelligen, speziell in den östlichen Mittelgebirgen und im
Osten sogar mit niedrigen einstelligen, und in Bodennähe sogar mit leicht
negativen Temperaturen zu rechnen ist, liegt vom Oberrhein bis zu den Alpen
feuchte und labile geschichtete Luft. In dieser Region simuliert ICON-EU
Cape-Werte von knapp unter 1000 J/kg, die PPW-Werte liegen um 30 mm und die
Lapse-Rates knapp unter -0,65. Bezüglich der CAPE-Werte liegt COSMO-D2 etwa
gleichauf, ICON etwas niedriger und GFS etwas höher. Die Cape-Werte werden von
den eben genannten Modellen ähnlich vorhergesagt. Niedrige Scherungswerte deuten
einen nur geringen Organisationsgrad der Gewitter an, und da die Höhenwinde in
700 hPa zwischen Hoch- und Oberrhein bei 15 bis 20 kn, in Richtung Alpenrand
dann um 25 kn liegen (ICON und Derivate, GSF, EZMW, COSMO-D2 u.a. sehen dies
so), sollten auch die Böen in den Gewittern von überschaubarer Intensität sein.
Damit wird "ocker" in der Warnstrategie meist das Maß der Dinge sein, ein
einzelnes Starkregen-Unwetter kann aber nicht ausgeschlossen werden.

Von einer typischen Abnahme der Gewittertätigkeit in der Nacht ist aber nicht
auszugehen. Zwar gehen die CAPE-Werte zurück, aber in der zweiten Nachthälfte
soll die Gewittertätigkeit wieder etwas aufleben, wobei sich Gewitter von der
Schweiz und Frankreich her in das südliche Baden-Württemberg und an den
Alpenrand schieben, die in Verbindung mit der o. e. Tiefdruckrinne stehen. Sie
sollen bis zum Morgen etwa eine Linie Straßburg - Werdenfelser Land erreichen.
Die 6-stündigen MOS-Wahrscheinlichkeiten für Gewitter liegen bis zum Morgen um
15%, die hochauflösenden Modelle (COSMO-D2, EURO4) zeigen in der Spitze
Regenmengen von etwa 20 mm und damit im markanten Bereich, eine Sichtweise, die
beispielsweise von COSMO-D2-EPS mit Wahrscheinlichkeiten von bis zu 20% für
Starkregen von mehr als 15 mm in 1 Stunde durchaus gestützt wird. Während im
äußersten Südwesten also zumindest lokal etwas Regen fällt, bleibt es im Rest
des Landes trocken mit den oben beschriebenen niedrigen Tiefstwerten.

Dienstag ... ändert sich an der Situation in der Höhe nichts Durchgreifendes.
Das Höhentief über dem Baltikum und Westrussland bleibt auch in der Nacht zu
Mittwoch weitgehend ortsfest, das Höhentief über dem nahen Ostatlantik ändert
seine Lage ebenfalls kaum, es ist zum Morgen lediglich ein Trog, der nach Süden
bis nach Marokko ausgreift. Zwischen diesen beiden nimmt im Laufe des Tages ein
Rücken vom westlichen Mittelmeerraum her Verbindung mit einem flachen Höhenhoch
über Schottland auf. Da beide etwas nach Osten geschoben werden, reicht der
Rücken zum Abend etwa von Sardinien bis zur nördlichen Nordsee, um in der Nacht
in einem Umfeld allgemeiner Aufweichung der Geopotentialgegensätze über Benelux
und Norddeutschland schon wieder abgebaut zu werden. Im Bodendruckfeld ist die
Situation etwas diffus. Das Tief über der Bretagne füllt sich etwas auf, dabei
macht die Rinne am Tage kaum Boden nach Norden gut. Laut ICON verzweigt sie
sich, zum Abend soll ein Ast über die Pfalz hinweg nach Franken ausgreifen, der
zweite soll sich ins Ruhrgebiet erstrecken, wobei die Form des Tiefs insgesamt
diffus bleibt. Eine diffuse Form des Tiefs liefert auch COSMO-D2 (03-UTC-Lauf).
Beide Modelle simulieren in der Nacht zu Mittwoch aber eine Tiefdruckrinne, die
von Südwest nach Nordost über Deutschland verläuft. Laut COSMO-DE liegt ihr
schmalster Bereich über Thüringen, laut ICON im Bereich Hannover - da ist noch
etwas Abstimmungsbedarf zwischen den Modellen vorhanden. Das gilt auch für die
Terminierung, denn GFS (Lauf 06 UTC) simuliert die Tiefdruckrinne schon im
Verlauf des Abends und lässt sie in der Nacht wieder auseinanderreißen. Wie und
wo sich die Rinne entwickelt ist also unklar. Klar ist aber, dass damit die
Luftmassengrenze, die die trocken-stabile Luft im weiten Teilen Deutschlands von
der feucht-labilen Luft im Südwesten trennt, in Richtung Südosten aus der
Tiefdruckrinne hinaus (bzw. die Rinne läuft der Luftmassengrenze voraus), so
dass die konvergenten Bodenstrukturen in Mitteldeutschland mit einer stabilen
und trockenen Luftmasse zusammenfallen, in der eine Gewitterauslösung nicht nur
wegen der Stabilität, sondern auch wegen der fehlenden Feuchte nicht möglich
ist. Die feucht-labile Luft kommt dagegen kaum nach Norden voran. Zum Abend
erreicht sie etwa die Südpfalz, den Neckar und den Inn, in der Nacht auch die
Eifel, so dass dann etwa von der Eifel bis nach Niederbayern Gewitter zumindest
von der Luftmasse her möglich sind.

Die feuchte Luft weist CAPE-Werte von etwa 200 J/kg an ihrer Nordflanke und bis
zu 1200 J/kg im äußersten Südwesten auf und die PPW-Werte liegen um 35 mm (alles
laut ICON-EU). Die anderen Modelle simulieren das ganz ähnlich, GFS sieht etwas
höhere CAPE-Werte bis etwa 1500 J/kg, und bei diesem Modell kommt die
Luftmassengrenze auch etwas weiter nach Norden voran. Allerdings werden bei den
meisten Modellen (u.a. EURO4, COSMO-D2, ICON, GFS) nur vom Schwarzwald bis zu
den Alpen Schauer und Gewitter simuliert und nicht weiter nördlich. Die
Gewitterwahrscheinlichkeit liegt sehr hoch, MOS sieht die entsprechenden Werte
vom Allgäu bis zum Oberrhein gebietsweise bei über 50%, lokal sogar bei über
70%. Wie am Vortag sollte der Schwerpunkt auf Starkregen liegen, die
Scherungswerte sind erneut sehr niedrig. Dass im Südwesten auch Starkregen bis
in den Unwetterbereich möglich ist deuten nicht nur die PPWs an, sondern
beispielsweise auch EURO4 mit lokal über 25 mm in 1 Stunde.

In der Nacht zum Mittwoch soll nach ICON, aber auch nach GFS die größte Schauer-
und Gewitteraktivität in Südbayern herrschen. Ein schwacher Randtrog, der am
Residuum des in Abschwächung begriffenen Höhenrückens abläuft, sorgt noch für
etwas Hebung. In großen Teilen Deutschlands wird es zumindest anfangs wieder
klar sein. Im Laufe der Nacht wird aber auf der Vorderseite des Hochkeils
hochnebelartige Bewölkung von der Nordsee nach Nordwestdeutschland geführt.
Erneut sinken die Tiefstwerte in großen Gebieten der Mitte und des Ostens in den
einstelligen Bereich, und lokal nähern sie sich mehr oder weniger deutlich dem
Gefrierpunkt.

Mittwoch ... und in der Nacht zu Donnerstag wandert das Höhentief über
Nordwestrussland etwas nach Osten, in seine Zirkulation wird allmählich ein
kleines Höhentief über Nordskandinavien einbezogen, so dass der Gesamtkomplex
zunehmend eine Dipolstruktur bekommt. Sein Einfluss auf den Nordosten
Deutschlands nimmt am Tage durch die ostwärtige Verlagerung und eine zunehmend
antizyklonale Höhenströmung ab, in der Nacht dann durch das einbezogenen
kleinräumige Höhentief wieder etwas zu, ohne die Wirkung der Vortage zu
entfalten. Über dem Nordatlantik schwenkt ein Langwellentrog über Island hinweg
nach Osten, er greift aber kaum nach Süden aus und beeinflusst unser Wetter
somit nicht. Kaum verändert in seiner Struktur zeigt sich auch der Trog, der von
den britischen Inseln aus zur Iberischen Halbinsel ausgreift. Er wandert nach
Osten und weist am Donnerstagmorgen von der Themsemündung zu den Pyrenäen, so
dass sich zwischen ihm und dem osteuropäischen Höhentief ein Rücken nach Bayern
schieben kann. Sehr diffus präsentiert sich weiterhin das Bodendruckfeld. Klar
erkennbar ist lediglich das mit dem Nordatlantischen Trog korrespondierende
Tief. Von ihm aus zieht sich anfangs eine Tiefdruckrinne über Irland hinweg nach
Süden, die im Tagesverlauf aber abgebaut wird und in dem flachen Druckgradienten
aufgeht, das sich zwischen Nordwestrussland und den Azoren ausbildet. Zum Morgen
soll der Druck bei den Azoren etwa 1027 hPa betragen, das Tief über
Nordwestrussland hat einen Kerndruck von etwas unter 1000 hPa, das ergibt auf
5000 km einen Druckunterschied von noch nicht einmal 30 hPa. Die Tiefdruckrinne
des Vortages ist zwar noch zu erkennen, sie verläuft von Nordwestpolen über die
Mitte Deutschlands nach Südwesten, allerdings verliert sie sich anfangs über
Frankreich im Nirgendwo. Erst im Tagesverlauf setzt sie sich deutlicher nach
Südwesten bis nach Spanien fort. Über den Alpen wird etwas höherer Luftdruck
simuliert, und da die Luftdruckgegensätze gering sind und für die feucht-labile
Luft die Schubkomponente fehlt, bleibt weiterhin nur der Südwesten in ihrem
Einflussbereich, am Nachmittag etwa bis zu einer Linie Kölner Bucht -
Niederbayern. Und da ändert sich an den Bedingungen nicht viel: PPWs um 30 mm,
CAPE-Werte bis 1500 J/kg, Labilität aber kaum Scherung - der Charakter der zu
erwartenden Gewitter sollte sich nicht grundlegend ändern, weiterhin liegt der
Schwerpunkt auf Starkregen, Böen und (größerer) Hagel drängen sich nicht in den
Vordergrund. Bezüglich der Ausbreitung der Niederschläge nehmen die
Modellunterschiede nunmehr zu. Während die ICON und EZMWF-Niederschläge nur bis
zur Mosel und nach Südbayern vorankommen, erreichen sie laut GFS sogar Thüringen
und Ostbayern.

In Norddeutschland kommt die tiefe Bewölkung dagegen anfangs noch etwas nach
Südosten voran. Im Tagesverlauf wird sie aber am Südrand teilweise ´weggeheizt´
und insgesamt lockert sie etwas auf, vor allem im Bereich der Ostsee. Zwischen
den Wolken im Norden und den Gewittern im Süden zeigen sich allenfalls
mittelhohe oder hohe Wolken, oftmals ist es freundlich oder sogar sonnig und
dabei sommerlich warm.

Donnerstag ... schwenkt - eingebettet in eine recht schwache und leicht
mäandrierende westliche Höhenströmung über Mitteleuropa - ein flacher
Höhenrücken über das östliche Deutschland hinweg weiter ostwärts, schwächt sich
ab und ist in der Nacht zum Freitag an der Südflanke des umfangreichen
Höhentiefs über Nordwestrussland nicht mehr auszumachen. Damit gerät das
Vorhersagegebiet zunehmend in den Einflussbereich des flachen Höhentroges über
dem westlichen Mitteleuropa bzw. Westfrankreich, der sich weiterhin allmählich
ostwärts verlagert und dessen Achse am Freitag, 00 UTC von Vorpommern
südwestwärts bis nach Zentralfrankreich verläuft. Vorderseitig werden in erster
Linie über Süddeutschland Hebungsprozesse wirksam und innerhalb der dort noch
immer lagernden sehr warmen und potenziell instabilen Luftmasse muss im Laufe
des Donnerstags dort recht verbreitet mit konvektiv durchsetzten Niederschlägen
gerechnet werden. Die mäßig hohen Instabilitätsparameter (PPW-Werte über 30 mm,
ML-Cape bis über 1000 J/kg) lassen aufgrund der langsamen
Verlagerungsgeschwindigkeit und des wiederholten Auftretens von Schauern und
Gewittern punktuell auch
Starkregen bis in den Unwetterbereich zu. Im Norden und in der Mitte sind
dagegen zwischen einem Hoch mit Schwerpunkt knapp westlich der Britischen Inseln
und tiefem Luftdruck über Skandinavien mäßig warme bis warme und vor allem
deutlich stabiler geschichtete Luftmassen wetterbestimmend, so dass es dort
weitgehend trocken bleibt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die zu erwartenden Abläufe recht ähnlich, insbesondere
bezüglich der Geopotentialverteilung und der Luftmassen. Bei den am Dienstag zu
erwartenden schwachen Luftdruckgegensätzen zeigen sich im Detail Unterschiede in
den Druckfeldern, die durchaus auch auf die zu erwartenden Gewitterschwerpunkte
im Südwesten Einfluss haben können. Hier lassen sich folglich noch keine genauen
regionalen, vor allem aber keine lokalen Aussagen zur genauen
Gewitterwahrscheinlichkeit und -intensität treffen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas