DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-06-2018 07:01
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.06.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWz
Heute Kaltfrontpassage mit markanter Abkühlung und vor allem im Norden und Osten
mit stürmischen Böen oder Sturmböen. Im Südosten und im Norden einzelne
Gewitter. Am Freitag und Samstag im Norden, in der Mitte und der Osthälfte
weiterhin windig und kühl, im Südwesten zögernd freundlicher.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... greift bereits am Vormittag ein sich aufgrund von kräftiger KLA
noch etwas amplifizierender Höhentrog von Nordwesten her auf Deutschland über
und leitet einen vor allem temperaturtechnisch markanten Wetterumschwung ein. Am
Freitag, 00 UTC befindet sich dessen Drehzentrum bereits über der mittleren
Ostsee. Ein eingelagerter, stark gekrümmter kurzwelliger Anteil verlagert sich
dabei bis zum Abend von der Nordsee kommend rasch über Norddeutschland hinweg
zur südlichen Ostsee. Vor allem über dem Norden und Osten des Landes, aber
natürlich auch weiter nordöstlich, über Süd- und Mittelskandinavien, wird dabei
auf dessen Vorderseite aufgrund kräftiger PVA dynamische Hebung generiert, die
allerdings wegen der KLA etwas kompensiert wird.
Im Bodenfeld kann sich ein allmählich von Südschweden zur mittleren Ostsee
ziehendes Tiefdruckgebiet aufgrund der Hebung noch etwas vertiefen und erreicht
in der kommenden Nacht mit einem Kerndruck von etwa 990 hPa den Höhepunkt seiner
Entwicklung. Die Kaltfront des Tiefs ist thermisch sehr gut aufgestellt und
verfügt über reichlich Baroklinität. Sie hat aktuell bereits den Nordwesten
Deutschlands erreicht und überquert bis zur kommenden Nacht das gesamte
Vorhersagegebiet südostwärts. Ihr folgt ein Schwall maritimer Polarluft auf
direktem Wege über Skandinavien, so dass sich ein bemerkenswerter
Temperaturgradient aufbaut. Bereits am frühen Nachmittag sinkt die Temperatur in
850 hPa über Sylt auf nahe 0 Grad, während im präfrontalen Bereich über
Südostbayern nochmals 17 Grad erreicht werden. Somit steigen die Temperaturen im
Nordwesten und Norden gegenüber den aktuellen Werten kaum mehr an (14 bis 18
Grad), während in der Mitte nochmals 18 bis 25 Grad und im Süden bzw. Südosten
(bis zur Lausitz) sommerliche 25 bis 30 Grad, in Südostbayern auch über 30 Grad
erreicht werden.
Die oben genannte Hebung führt vor allem über dem Nordosten des Landes im Laufe
des Vormittags zu einer deutlichen Aktivierung der derzeit noch relativ
"schlappen" Kaltfront, so dass sich die aktuell auftretenden, meist leichten
Niederschläge bei ihrer weiterer Ostverlagerung über Norddeutschland hinweg in
den kommenden Stunden weiter intensivieren dürften. Die Mengen bleiben aber
deutlich unterhalb jeglicher Warnrelevanz, im Zeitraum 06 bis 12 UTC werden
lediglich über Vorpommern und Nordbrandenburg gebietsweise um oder knapp über 10
mm simuliert. Gewitter im Bereich der Front sind mangels Labilität eher
unwahrscheinlich, lediglich über Brandenburg gibt es im Laufe des späten
Vormittags und um die Mittagszeit schwache Signale dafür (ML-Cape zwischen 100
und 200 J/kg, einige konvektive Modelle haben dort auch Gewitter "im Programm").

Nach Westen und Süden zu reicht die Hebung kaum mehr aus für nennenswerte
Niederschläge im Frontbereich. Vor allem im Westen, teilweise aber auch in den
mittleren Landesteilen und später im Südwesten/Süden erfolgt die Frontpassage
oft trocken.
Im Fokus der Warntätigkeit steht somit heute zunächst einmal der Wind. Aufgrund
der Kaltluftadvektion kann sich über Westeuropa ein kräftiges Hochdruckgebiet
entwickeln mit einer Kernisobare von 1035 hPa knapp westlich der Britischen
Inseln. Dadurch baut sich über der Nordsee und Mitteleuropa ein veritabler
Druckgradient auf, wodurch der Wind vor allem im Bereich und rückseitig der
Front deutlich zunimmt. Vor allem im Nordosten und Osten des Landes bis in die
Mitte reichend ist die Frontpassage ab dem Vormittag bis zum Nachmittag mit
verbreitet stürmischen Böen (Bft 8) verbunden, vereinzelt auch mit Sturmböen
(Bft 9). Sollte es für konvektive Umlagerungen in Form kräftigerer Schauer oder
vereinzelter Gewitter reichen, kann es auch mal eine schwere Sturmbö (Bft 10)
geben. Der Wind dreht mit Frontpassage von Südwest auf West bis Nordwest. Die
meisten, auch Konvektion zulassenden Modelle belassen es bei Bft 9, ganz
vereinzelt 10. COSMO-D2 simuliert allerdings nach wie vor in Brandenburg und
Ostsachsen vereinzelt auch orkanartige Böen oder gar Orkanböen und auch die
Probabilistik des Modells zeigt gar nicht so geringe Wahrscheinlichkeiten (bis
an die 40% in Südbrandenburg) dafür. Synoptisch erklärbar ist diese nun schon
seit einigen Läufen auftauchende Einzellösung aber nicht wirklich, zumal diese
Böen teilweise auch ohne damit in Verbindung stehende markante Konvektion
simuliert werden.
Nach Westen zu fällt die Windzunahme im Bereich der Front aufgrund des etwas
aufgefächerteren Gradienten schwächer aus. Vor allem entlang und westlich des
Rheins sowie im Südwesten reicht es wohl nur noch für steife Böen.
Postfrontal nimmt der Wind nur kurzzeitig ab (postfrontale Subsidenz), frischt
dann aber aufgrund des nach wie vor scharfen Gradienten von Nordwesten her bald
wieder auf, vor allem im Bereich von in Verbindung mit weiteren kurzwelligen
Troganteilen stehenden durchschwenkenden Schauerstaffeln. Im Küstenbereich gibt
es dabei verbreitet Böen Bft 8, vereinzelt 9, im Binnenland (im Norden, der
Mitte und im Osten des Landes) vor allem an Schauer gekoppelt. Dabei gelangt
zunehmend auch höhenkalte Luft nach Norddeutschland, die Temperatur in 500 hPa
sinkt auf unter -25 Grad, teilweise auf -27 Grad, wodurch sich ein DeltaT
zwischen 850 und 500 hPa von etwa 27/28 K ergibt. Vor allem in Küstennähe reicht
es somit auch für kurze Gewitter, wobei die recht warmen Küstengewässer durch
die Labilitätserhöhung in den untersten Schichten einen zusätzlichen "Kick"
geben. Ob es ab dem späten Nachmittag bis in die Nacht hinein im unmittelbaren
Küstenbereich gebietsweise für Starkregen reicht, ist aber fraglich.
COSMO-DE-EPS zeigt im Zeitraum 21 bis 03 UTC lediglich an der vorpommerschen
Küste geringe Wahrscheinlichkeiten dafür.
In den Südosten Deutschlands gelangt präfrontal nochmals ein Schwall instabiler
Warmluft, ICON-EU simuliert sogar in Südostbayern mehr als 1000 J/kg ML-Cape.
Die Labilität sollte auch für einzelne Gewitter reichen, zumal kaum Deckel mehr
vorhanden ist, ungünstigen Einfluss hat allerdings der bereits im präfrontalen
Bereich rasch auf West bis Südwest drehende Wind und ein durch den schwachen
Leitplankeneffekt bewirktes leichtes Absinken im Alpenvorland. Die meisten
Konvektion zulassenden Modelle simulieren im Laufe des Nachmittags auch
vereinzelte Auslöse im Bereich von der Schwäbischen Alb über das Alpenvorland
bis zum Bayerischen Wald, eventuell auch noch bis nach Oberfranken und zum
Oberpfälzer Wald. Dabei können kleinräumig kleiner Hagel und Starkregen
auftreten. Für unwetterartige Begleiterscheinungen sollte es aber - auch mangels
Scherung und nicht zuletzt aufgrund der wohl gar nicht so geringen
Zuggeschwindigkeit - kaum reichen.

In der kommenden Nacht überquert die in Süddeutschland weitgehend trocken
durchziehende Kaltfront die Alpen, wobei sich dort kurzzeitig eine Stausituation
mit Niederschlägen einstellt. Für mehr als 10 mm reicht es aber auch in
exponierten Staulagen kaum. Die Schneefallgrenze sinkt dabei kurzzeitig
eventuell auf knapp unter 2000 m.
Ansonsten setzt sich die Amplifizierung des Troges nach Süden hin weiter fort,
wobei die Hauptachse des Troges ein wenig nach Osten vorankommt. Das gesamte
Vorhersagegebiet gerät somit nach und nach unterhalb einer nordwestlichen
Höhenströmung, wobei ein darin eingebetteter Kurzwellentrog morgens auf die
Deutsche Bucht übergreift. Dabei wird die Höhenkaltluft über Norddeutschland
weiter regeneriert und kann sich noch etwas nach Süden ausweiten. Somit kommt
die Schauertätigkeit im norddeutschen Binnenland nur kurzzeitig zur Ruhe und der
Wind schwächt sich in der ersten Nachthälfte vorübergehend deutlich ab, während
es im Küstenbereich weitere Schauer oder kurze Gewitter und auch stürmische Böen
aus Nordwest gibt (wie übrigens auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln auch). Im
Vorfeld des sich annähernden KW-Troges ziehen dann allerdings vor allem in der
zweiten Nachthälfte von Nordwesten her rasch erneut Schauer landeinwärts, kurze
Gewitter nicht ausgeschlossen. Der Wind frischt dann erneut aus West bis
Nordwest auf, so dass es vor allem in einem breiten Streifen von der Nordsee bis
zur Lausitz steife, in Schauern ganz vereinzelt auch stürmische Böen geben kann.

Der Südwesten und Süden gelangen dagegen in den Einflussbereich eines vom Hoch
über Westeuropa bis dorthin reichenden Hochkeils. Dort beruhigt sich das Wetter
und der Wind ist nicht mehr warnrelevant. Bei aufgelockerter, gebietsweise auch
geringer Bewölkung gehen die Temperaturen in der eingeflossenen Polarluft
allerdings deutlich zurück, in windschwachen Tälern z.B. der Eifel und der
Schwäbischen Alb ist Bodenfrost nicht ausgeschlossen.

Freitag... schwenkt der Kurzwellentrog über Nord- und Ostdeutschland hinweg
rasch südostwärts. Die Achse des Haupttroges kommt nach Osten voran und befindet
sich abends bereits über dem östlichen Mitteleuropa. Die höhenkälteste Luft
(unter -24 Grad in 500 hPa) über dem Vorhersagegebiet wird dadurch allmählich
nach Osten abgedrängt, kann sich aber auch etwas nach Süden, nach Ostbayern,
ausweiten.
Das Bodentief verlagert sich allmählich von der mittleren Ostsee Richtung
Finnischen Meerbusen und füllt sich ein wenig auf, während das kräftige Hoch
westlich von Irland kaum nach Osten vorankommt, sich allerdings der nach
Südwestdeutschland gerichtete Keil etwas verstärkt. Der scharfe Druckgradient
vor allem über dem Norden und Osten des Vorhersagegebietes bleibt somit
aufrecht, wobei auch ein Bodentrog über Nord- und Ostdeutschland hinweg
südostwärts schwenkt. Somit frischt der Wind im Tagesverlauf wieder auf. Außer
im Südwesten muss erneut vielerorts mit Böen Bft 7, vor allem im Nordseeumfeld
sowie in Schauernähe auch mit stürmischen Böen (Bft 8), auf einzelnen
Mittelgebirgsgipfeln eventuell Bft 9 gerechnet werden, wobei der Wind mit
Trogdurchgang mehr auf Nordwest dreht. Schauer gibt es in erster Linie im Norden
und Osten sowie in den mittleren Landesteilen, wobei vor allem nach Osten zu und
an den Küsten auch kurze Gewitter auftreten können. Warnrelevante Mengen sind
allerdings bei Weitem nicht zu erwarten, zumal die Schauer flott ziehen und die
Polarluft sich durch einen geringen PPW-Wert (meist 13 bis 18 mm) auszeichnet,
auch, wenn sie jetzt wieder einen etwas weiteren Weg über die Nordsee nimmt und
sich niedertroposphärisch bereits ein wenig erwärmt hat (2 bis 5 Grad in 850
hPa). Die höchsten Mengen werden mit etwas mehr als 5 mm in 12 Stunden im
Erzgebirgsstau und in der Greifswalder Bucht simuliert.
Im äußersten Westen und im Südwesten bis ins Alpenvorland reichend reicht es
dagegen kaum mehr für Schauer, dort bleibt es meist trocken.
Während im äußersten Südwesten auch mal länger die Sonne scheint und auch im
Süden sie sich im Tagesverlauf häufiger blicken lässt, überwiegen sonst eher die
Wolken, am Nordrand der östlichen und nördlichen Mittelgebirge bleibt es oft
bedeckt. Dazu gesellen sich herbstliche Höchstwerte zwischen 14 und 18 Grad, in
Staulagen eher darunter, im Südwesten können mit Sonne auch die 20 Grad knapp
erreicht werden.

In der Nacht zum Samstag verbleibt der Vorhersagebereich unterhalb der
nordwestlichen Höhenströmung, wobei vor allem im Nordwesten und Norden
vorderseitig einer darin eingebetteten Kurzwelle, die morgens die nordwestliche
Nordsee erreicht, WLA einsetzt. Die Höhenkaltluft wird somit nach Osten
abgedrängt und die Schauer klingen rasch ab, am ehesten gibt es noch im
Ostseeumfeld und an den Alpen vereinzelte. Die Wolken lockern aber nur
gebietsweise stärker auf, vor allem im Südwesten und Süden. Im Nordwesten werden
sie mit der WLA wieder dichter und im Nordseeumfeld fällt später auch wieder
etwas Regen oder Nieselregen.
Der Wind nimmt im Binnenland wieder rasch ab und ist dort nicht mehr
warnrelevant. An den Küsten gibt es aber nach wie vor stürmische Böen, ebenso
auf exponierten Gipfeln im östlichen Bergland und auf dem Brocken.
Insgesamt steht natürlich wieder eine frische Nacht ins Haus mit oft
einstelligen Tiefstwerten. Vor allem im Südwesten sinken die Temperaturen bei
teils geringer Bewölkung in ungünstigen Lagen sogar auf unter -5 Grad,
Bodenfrost in Extremlagen nicht ausgeschlossen.

Samstag... schwenkt die oben angesprochene Kurzwelle über die Nordsee hinweg
Richtung Nordwestdeutschland, wobei über weiten Teilen des Landes zunehmend WLA
wirksam wird. Im Bodenfeld kommt das Hoch über Westeuropa nur zögernd nach Osten
voran und schwächt sich ein wenig ab, der Schwerpunkt befindet sich abends über
Irland. Aufgrund der nordwestlichen Überströmung kann sich dabei über dem
Skagerrak ein Lee-Trog etablieren, so dass der Gradient vor allem über Nord- und
Ostdeutschland recht scharf ausgeprägt bleibt. Dabei verlagert sich ein
okkludiertes Frontensystem über die nördliche und mittlere Nordsee hinweg bis
zum Abend nach Nordostdeutschland.
Somit frischt der Wind im Tagesverlauf auch im Binnenland Nord- und
Ostdeutschlands vorübergehend etwas auf und es gibt einzelne steife, im
Küstenbereich weiterhin stürmische Böen aus Nordwest. Erst zum späten Nachmittag
und Abend hin nimmt er wieder ab, zumal aufgrund der WLA die Schichtung
zunehmend stabilisiert.
Mit der Warmluftadvektion gelangt zwar etwas mildere Luft ins Vorhersagegebiet
(Temperatur in 850 hPa abends zwischen 3 Grad im Nordwesten und 8 Grad im
äußersten Süden), allerdings ist sie auch feuchter und entsprechend wolkenreich.
Vor allem in einem breiten Streifen vom Nordwesten bis zum Erzgebirge bleibt es
meist stark bewölkt bis bedeckt. Zeit- und gebietsweise fällt etwas Regen oder
Nieselregen, allerdings maximal nur wenige mm in 12 Stunden.
Längere Abschnitte mit Sonnenschein sind dagegen im Südwesten und Süden zu
erwarten, aber auch - durch den Skandenlee - im äußersten Nordosten
(Ostvorpommern). Die Temperaturen steigen kaum an und erreichen etwa 14 bis 19
Grad, im Südwesten mit Sonne bis zu 22 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen zeigen alle vorliegenden Modelle eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung im Kurzfristzeitraum. Die Extremlösung des COSMO-D2 bzgl. der
Windentwicklung an der Kaltfront im Nordosten des Landes wurde im Text
angesprochen und ist rein aus der Synoptik nicht erklärbar, kein anderes,
Konvektion zulassendes Modell simuliert derart hohe Windgeschwindigkeiten.
Somit steht der "Fahrplan", vor allem die Windentwicklung betreffend, für heute
weitgehend fest.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff