DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-06-2018 07:30
SXEU31 DWAV 200800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.06.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Markanter Kaltfrontdurchgang am Donnerstag; dabei außer im Südwesten vielerorts
vorübergehend Böen bis Sturmstärke. Im Vorfeld im Südosten Bayerns einzelne
kräftige Gewitter. Freitag windig mit stürmischen Böen an der Nordsee und auf
den Bergen, dabei sehr kühl.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich der Süden Deutschlands im Einflussbereich eines zonal
orientierten Höhenrückens, der sich von der Biskaya bis zur Ukraine erstreckt.
Weiter nördlich erstreckt sich die Frontalzone vom nahen Nordostatlantik über
die Britischen Inseln und das nördliche Mitteleuropa bis weit nach Osteuropa, so
dass sich Norddeutschland unterhalb deren "warmen" Südflanke befindet.
Eingebettet in die Frontalzone verlagert sich ein Höhentrog bis Donnerstag, 00
UTC vom Seegebiet südlich Islands zur südlichen Norwegischen See und weitet sich
nach Süden, Richtung Schottland und Irland, aus. Auf dessen Vorderseite ist das
Geopotenzialfeld aufgrund der Amplifizierung zunehmend diffluent konturiert,
wodurch im Bereich der Britischen Inseln und über der Nordsee aufgrund von PVA
zunehmend Hebung generiert wird. Somit dreht die Höhenströmung über
Norddeutschland allmählich von West auf Südwest und vor allem
niedertroposphärisch kann sich die Advektion sehr warmer Luftmassen noch
verstärken. Bis zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa auf Werte zwischen 11
Grad über der Nordsee und knapp 17 Grad im südlichen Oberrheingraben.
Im Bodenfeld erstreckt sich eine mit dem Rücken korrespondierende Hochdruckzone
über Frankreich und den Süden bzw. der Mitte Deutschlands hinweg bis nach
Osteuropa und bleibt heute noch für weite Teile des Vorhersagegebietes
wetterbestimmend. Lediglich der Norden des Landes bleibt im Einflussbereich
eines Wellentiefs, das sich über die nördliche Nordsee und Südnorwegen hinweg
bis Donnerstag, 00 UTC nach Südschweden verlagert. Die Warmfront überquert
aktuell noch den Nordosten, während die Kaltfront in der ersten Nachthälfte auf
die Deutsche Bucht übergreift. Großartige Niederschläge sind heute tagsüber dort
nicht zu erwarten. Allerdings frischt der Wind im Warmsektor im Tagesverlauf aus
Südwest auf und bevorzugt über der offenen Nordsee sowie in Teilen
Schleswig-Holsteins gibt es einzelne steife Böen (Bft 7, ICON-EU punktuell sogar
Bft 8), am ehesten mittags und am Nachmittag, wenn sich das Bodentief über
Südnorwegen bzw. dem Kattegat befindet und der Gradient am schärfsten ausgeprägt
ist. Zum Abend hin nimmt der Wind dann von Westen her wieder etwas ab.
In den Südwesten und äußersten Süden Deutschlands wird von Südwesten her eine
potenziell instabile Luftmasse geführt, wobei die ML-Cape wohl höchstens
punktuell im Südwesten die 500 J/kg überschreitet. Aufgrund der nieder- und
mitteltroposphärischen WLA und des damit recht ausgeprägten Deckels sollte es
aber auch orographisch getriggert kaum zur Auslöse reichen, zumal kein
synoptisch-skaliger Hebungsantrieb vorhanden ist. Am ehesten kann es in den
Bayerischen Alpen das ein oder andere Gewitter geben, wahrscheinlicher ist aber,
dass sich die konvektive Aktivität auf den inneralpinen Raum beschränkt.
Somit scheint heute, nachdem die vor allem über der Mitte des Landes aktuell
vorhandene, teils hochnebelartige Bewölkung aufgelockert ist, vielerorts, am
längsten wohl im Süden und Westen, die Sonne. Im Norden macht sich anfangs noch
die Warmfront in Form dichter Wolkenfelder bemerkbar, diese lockern aber im
Tagesverlauf ebenfalls auf. Die Höchstwerte liegen im Nordseeumfeld und in
Schleswig-Holstein sowie gebietsweise auch an der Ostsee zwischen 20 und 25
Grad, sonst werden 26 bis 32 Grad erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der jetzt markante und scharf ausgeprägte
Trog über Schottland hinweg zur westlichen Nordsee. Die Kaltfront des sich nur
langsam zur mittleren Ostsee verlagernden Bodentiefs wird zunächst durch eine
Leetiefentwicklung über Südnorwegen eingebremst, nimmt später aber wieder etwas
an Fahrt auf und erreicht morgens den Nordwesten Deutschlands. Da sich die
markantesten trogvorderseitigen Hebungsprozesse weiter westlich bzw.
nordwestlich abspielen, beschränkt sich ihre Wetteraktivität auf schauerartige
Regenfälle meist nur leichter, maximal mäßiger Intensität, die in der zweiten
Nachthälfte auf Schleswig-Holstein und das nordwestliche Niedersachsen
übergreifen. Mehr als 5 mm in 6 Stunden simuliert allerdings kein Modell.
Da das Starkwindfeld gegenüber der Kaltfront ebenfalls etwas nach Nordwesten
zurückhängt, sollte der Wind bis zu den Frühstunden noch keine Rolle spielen.
In der Mitte und im Süden verläuft die Nacht generell störungsfrei und teils
auch gering bewölkt.

Donnerstag... erreicht der weiterhin markant ausgeprägte Trog Skandinavien und
dessen Achse überquert auch das Vorhersagegebiet ostwärts. Damit wird ein
markanter Wetterumschwung eingeleitet. Die Kaltfront überquert Deutschland jetzt
rasch südostwärts und erreicht bereits in der ersten Nachthälfte zum Freitag die
Alpen. Mit Annäherung des Troges, auf dessen Vorderseite weiterhin markante
Hebung simuliert wird, die allerdings durch kräftige KLA etwas kompensiert wird,
nimmt die Wetteraktivität der Front etwas zu und vor allem im Norden und Osten
gibt es mit Frontpassage schauerartige Regenfälle, eventuell auch mal ein kurzes
Gewitter, wobei, die Modelle so gut wie keine Signale dafür geben. Vor allem die
Konvektion zulassenden Modelle zeigen die Front als Splitfront und warntechnisch
steht in erster Linie die Windentwicklung im Fokus. Mit der kräftigen KLA baut
sich nämlich knapp westlich der Britischen Inseln ein kräftiges Hochdruckgebiet
auf, während sich das Bodentief über Süd- bzw. Mittelschweden und der mittleren
Ostsee trogvorderseitig aufgrund von PVA-induzierter Hebung noch etwas vertiefen
kann. Das führt zu einer kräftigen Gradientverschärfung, vor allem im Bereich
und rückseitig der Front. Bereits am frühen Vormittag frischt der Wind im Westen
und Nordwesten deutlich auf und mit Frontpassage werden im Tagesverlauf vor
allem im Norden und Osten recht verbreitet Böen Bft 8 bis 9 simuliert. ICON-EU
und ECMWF simulieren vor allem im norddeutschen Tiefland und in der Osthälfte
punktuell auch Bft 10, die Probabilistik (ICON-EU-EPS bereits von 00 UTC, die
anderen von gestern 12 UTC) zeigt allerdings keine Wahrscheinlichkeiten dafür.
Die konvektiven Modelle simulieren trotz wenig Konvektion ebenfalls häufig
stürmische Böen oder Sturmböen, punktuell auch schwere Sturmböen, die stärksten
Böen meist an der hinteren Front der Splitfront. Eine Extremlösung zeigt das
COSMO-D2 mit schweren Sturmböen bis hin zu orkanartigen Böen (Bft 11!) zunächst
an der hinteren Kaltfront über der Norddeutschen Tiefebene und später an der
vorderen Front über Sachsen und Südbrandenburg. Auch postfrontal bleibt es
aufgrund des Gradienten windig mit stürmischen Böen, an den Küsten auch
Sturmböen.
Weiter nach Süden und Westen fächert der Gradient etwas auf und auch die Front
selbst ist nicht ganz so wetteraktiv. Vor allem in der Mitte und im Westen sowie
im Südwesten bleibt es mit Frontpassage trocken, allerdings frischt der Wind auf
und es gibt ebenfalls Böen Bft 7 bis 8, davon ausgenommen wohl lediglich die
tiefen Regionen Südwestdeutschlands.
Präfrontal gelangt der äußerste Südosten des Landes vorübergehend in den
Einflussbereich potenziell instabiler Luftmassen, so dass sich dort einzelne
Gewitter entwickeln können, am ehesten im Süden und Osten Bayerns. Dynamischer
Hebungsantrieb ist allerdings kaum vorhanden, im Gegenteil: Der präfrontal
einsetzende, nicht allzu ausgeprägte Leitplankeneffekt führt dort eventuell
sogar zu leichtem Absinken und zu einem ungünstigen Windprofil (nahezu keine
Richtungsscherung in den unteren 3 km). Für einzelne Gewitter sollte es dennoch
reichen, bei einer ML-Cape von maximal 500 bis 1000 J/kg und recht flotter
Zuggeschwindigkeit können dabei punktuell Starkregen und kleinkörniger Hagel
auftreten, für mehr sollte es kaum reichen.
Postfrontal gelangen zunehmend höhenkalte Luftmassen nach Norddeutschland. Bis
zum Abend sinkt die Temperatur in 850 hPa auf 1 Grad, in 500 hPa auf -27 Grad.
Die Folge sind teils gewittrige Schauer, die vor allem über dem warmen Nord- und
Ostseewasser (15 bis 18 Grad Wassertemperatur) recht zahlreich und auch
kräftiger ausfallen können. Signale für Starkregen gibt es aber tagsüber (noch)
keine.
Mit der Kaltfront setzt ein markanter Temperaturrückgang ein. Präfrontal steigen
die Werte im Süden und Südosten nochmals auf 25 bis 30 Grad, im Norden und
Westen werden dagegen nur noch 15 bis 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Freitag zieht ein Randtrog nach Südschweden, dessen Achse
verläuft um 06 UTC etwa von Vorpommern bis ins Westmünsterland. Mit ihm kann die
höhenkalte Luft mit -27 Grad in 500 hPa ganz Norddeutschland fluten. Die
Kaltfront überquert die Alpen, mit ihr gelangt niedertroposphärisch maritime
Polarluft auf direktem Wege über Skandinavien bis nach Süddeutschland vor. Die
Temperatur in 850 hPa sinkt auf Werte zwischen 0 und 3 Grad. Rückseitig der
Kaltfront stellt sich vorübergehend eine Stausituation an den Alpen ein, wobei
es dort längere Zeit regnen kann. Dabei werden aber keine warnrelevanten Mengen
simuliert (maximal 10 bis 15 mm in 12 Stunden), zudem sinkt die Schneefallgrenze
wohl vorübergehend auf unter 2000 m.
Im Bereich der Höhenkaltluft über Norddeutschland entwickeln sich einzelne
Schauer, eventuell auch mal ein kurzes Gewitter, die vor allem in den
Küstenregionen aufgrund des Lake-Effektes wiederholt auftreten. Dort kann dabei
auch sechsstündiger Starkregen nicht ausgeschlossen werden, wenngleich nur
geringe Signale dafür in den deterministischen Läufen und in der Probabilistik
auftauchen.
Der Gradient fächert im Verlaufe der Nacht wieder etwas auf und auch
tagesgangbedingt nimmt der Wind wieder ab und ist im Binnenland bzw. in den
Niederungen später vorübergehend nicht mehr warnrelevant. Dem Höhentrog folgt
allerdings auch ein Bodentrog, der in der zweiten Nachthälfte auf den Norden
übergreift. Vor allem an den Küsten gibt es dabei weiterhin stürmische Böen,
eventuell reicht es morgens auch im nord- und ostdeutschen Binnenland wieder für
einzelne Böen Bft 7, vor allem in Schauernähe. Auch auf exponierten
Mittelgebirgsgipfeln muss mit stürmischen Böen, vereinzelt mit Sturmböen
gerechnet werden.
Im Westen und Süden verläuft die Nacht meist ruhig und warnfrei, aber bereits
recht frisch. Bei längerem Aufklaren sinken die Temperaturen vor allem im
zentralen und westlichen Mittelgebirgsraum örtlich auf unter 5 Grad.

Freitag... verlagert sich die Hautachse des Troges ins östliche Mitteleuropa und
das gesamte Vorhersagegebiet befindet sich unterhalb einer kräftigen
nordwestlichen Höhenströmung. Die Höhenkaltluft kann vor allem über der
Osthälfte des Landes weit nach Süden vordringen, verbreitet sinkt die Temperatur
dort in 500 hPa auf unter -24 Grad. Niedertroposphärisch nimmt die maritime
Polarluft im Tagesverlauf allmählich einen etwas weiteren Weg über die Nordsee
und kann sich geringfügig erwärmen. Bis zum Abend steigt die Temperatur in 850
hPa auf etwa 2 bis 5 Grad an. Der Bodentrog folgt dem Höhentrog und überquert
den Norden und Osten Deutschlands bis zum Abend rasch südostwärts. Insgesamt ist
die Luftmasse zwar labil geschichtet, aber zeichnet sich aufgrund ihres
Ursprungs durch ziemlich niedrige PPW-Werte (etwa 12 bis 17 mm, im Nordosten
etwas höher) aus und lediglich über dem Nordosten werden mehrere 100 J/kg
ML-Cape simuliert. Im Südwesten sowie zwischen Main und Alpenvorland wird es
wohl kaum für Schauer reichen, ansonsten entwickeln sich aber Schauer, eventuell
ist auch ein kurzes Gewitter (mit stürmischen Böen oder Sturmböen) dabei, am
ehesten im Norden und Osten. Die häufigsten Schauer und Gewitter sind wohl am
ehesten aufgrund des Lake-Effektes an Nord- und Ostseeküste zu erwarten, mit
geringen Wahrscheinlichkeiten für Starkregen vor allem noch am Vormittag im
Bereich der vorpommerschen Ostseeküste.
Von Warnrelevanz bleibt natürlich auch der Wind. Mit Durchschwenken des
Bodentroges frischt er im Norden und Osten im Tagesverlauf wieder auf und es
gibt bis in die mittleren Landesteile recht verbreitet steife Böen (Bft 7) aus
Nordwest. In Schauernähe sowie an den Küsten muss mit stürmischen Böen, auf
exponierten Gipfeln eventuell auch mit Sturmböen gerechnet werden. Der Süden und
Westen geraten zunehmend in den Einflussbereich eines vom kräftigen
Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt westlich der Britischen Inseln dorthin
reichenden Hochkeiles. Dort weht der Wind schwächer und es reicht in den
Niederungen kaum mehr für warnrelevante Böen.
Vor allem am Nordrand der Mittelgebirge bleibt es überwiegend stark bewölkt bis
bedeckt und auch zwischen den Schauern im Norden und Osten gibt es nur selten
größere Wolkenlücken. Lediglich im Südwesten kann im Bereich des Hochkeils die
Sonne länger scheinen. Im südlichen Oberrheingraben werden somit knapp 20 Grad
erreicht, ansonsten bleibt es aber mit Höchstwerten zwischen 14 und 18 Grad - am
Nordrand der Mittelgebirge auch darunter - für die Jahreszeit zu kühlt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle Modelle zeigen im Kurzfristzeitraum eine ähnliche Wetterentwicklung. Auch
die Geschwindigkeit der Kaltfrontpassage und die an ihr gekoppelten
Niederschläge werden ähnlich simuliert. Unterschiede gibt es allerdings bzgl.
der Windentwicklung mit Frontpassage. Vor allem COSMO-D2 zeigt eine
"Extremlösung" mit einzelnen Böen Bft 11 bis 12 im Norden und Osten
Deutschlands. Kein anderes konvektives Modell hat ähnliche Böen auf der Karte,
so dass diese Lösung erst einmal als unwahrscheinlich erachtet wird. Im Auge
haben sollte man die Entwicklung trotzdem und die kommenden Läufe abwarten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. **