DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-06-2018 17:01
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.06.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Mittwoch im Süden heiß, im Norden etwas Wind. Am Donnerstag Kaltfrontpassage
mit teils stark böigem Wind und nachfolgendem, insbesondere am Freitag spürbarem
Temperatursturz.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt der Süden Deutschlands unter einem Höhenrücken in 500 hPa, der
sich von Frankreich über Süddeutschland hinweg bis zum Böhmischen Becken und zum
Riesengebirge erstreckt. Dieser Höhenrücken wird in der Nacht nur unwesentlich
nach Süden gedrückt, seine Dominanz für das Wetter im Süden Deutschlands bleibt
ungebrochen. Nach Norden hin schließt sich an den Rücken die Frontalzone an, die
von den Britischen Inseln über Südskandinavien bis ins Baltikum reicht und die,
wie der Trog, keine wesentlichen Verlagerungstendenzen zeigt. Der Höhenrücken
korrespondiert mit einem Bodenhoch, welches sich von den Azoren über Frankreich
und Deutschland hinweg bis nach Polen erstreckt. Somit liegt das
Vorhersagegebiet fast vollständig unter Hochdruckeinfluss, wobei der Norden von
einem schwachen Tiefausläufer beeinflusst wird. Dieser sorgt in weiten Teilen
des Nordens und auch der Mitte für dichte Bewölkung, allerdings bringen diese
nur hier und da ein paar Tropfen. Die Front selbst wird auch im Nordosten, wie
aktuell schon im Nordwesten, zunehmend rückläufig, d. h. sie geht in eine
Warmfront über, die zu einem kleinräumigen Tief gehört, das in der Nacht von
Irland her auf die nördliche Nordsee zieht. Vorderseitig des Tiefs steigt über
dem Nordosten der Druck etwas und der Gradient fächert auf, während er im
Nordseeumfeld ausgangs der Nacht etwas anzieht. Somit lassen (mögliche) letzte
warnwürdige Böen an der Ostsee am Abend rasch nach, während zum Morgen an der
Nordsee der Wind bis knapp an den warnwürdigen Bereich (Bft 6) auffrischt. In
Nordfriesland, das bei Südwest durch den großen Fetch über die Nordsee
prädestiniert ist für starke Böen, kann auch mal von einer Bft 7 betroffen sein.
Im Süden wird die Nacht unter dem Höhenkeil verbreitet klar, und örtlich kann
sich Dunst oder Nebel bilden (wahrscheinlich nicht warnwürdig). In der Mitte und
Teilen des Nordens halten sich Reste frontaler Bewölkung, es bleibt aber
weitgehend trocken. Bemerkenswert noch, dass sich rückseitig der Welle ein Trog
begleitet von der entsprechenden Kaltluftadvektion zu formieren beginnt, der im
Weiteren für unser Wetter von durchgreifender Bedeutung sein wird.

Mittwoch ... zeigen sich anfangs in den Feldern der Potenzialverteilung kaum
Unterschiede zum Vortag (zonaler Rücken im Süden, warmer Rand der Frontalzone im
Norden). Die Welle zieht bis nach Südschweden, ihre Warmfront streift den
äußersten Norden des Vorhersageraums, was dort für wechselhafte, teils auch
stärkere Bewölkung sorgt, während es im Süden verbreitet sonnig ist. Die
Kaltfront der Welle macht über der Nordsee allmählich Boden nach Süden bzw.
Südosten hin gut, erreicht aber bis zum Abend die Ostfriesische Küste noch
nicht. Mit Passage der Welle verschärft sich im Norden tagsüber der Gradient
weiter und es treten von der Nordsee über das nördliche Schleswig-Holstein bis
an die westliche Ostseeküste 6er bis 7er Böen aus westlichen Richtungen auf,
exponiert sind auch einzelne stürmische Böen nicht ausgeschlossen. Der Höhentrog
amplifiziert sich etwas und greift auf Schottland über (seine Achse erreicht
Schottland aber noch nicht). Der Rücken über Süddeutschland wird dadurch etwas
nach Süden gedrückt bzw. auf seiner Nordflanke abgebaut, die Strömung an seiner
Nordflanke bekommt in der Folge den Hauch eines leicht zyklonalen Touchs. Sie
dreht auch leicht auf Südwest, und auch in der unteren Troposphäre wird im
Warmsektor der Welle zunehmend sehr warme Luft bis nach Norddeutschland gelenkt.
Somit steigen auch die 850er Temperaturen im Süden lokal auf mehr als +16 Grad,
an der Nordsee werden um +11 Grad erwartet. Damit sollten die Höchsttemperaturen
zwischen 26 Grad im Norden und bis zu 32 Grad im Süden liegen. Nur an der See
und in SH bleibt es etwas kühler. Die Schichtung wird dabei im Süden zunehmend
labiler und vor allem im Alpenraum sowie im Schwarzwald kann es bei CAPE Werten
bis zu 900 J/kg (bei ICON-EU, EZMW (Lauf 00 UTC) ist mit Werten um 500 J/kg
etwas defensiver, ICON13 simuliert überhaupt kein CAPE) zu einzelnen orografisch
getriggerten Gewittern kommen.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der markante und scharf ausgeprägte Trog
über Schottland hinweg und greift auf die Nordsee über, seine Achse verläuft
ausgangs der Nacht etwa von Nord nach Süd über der Themsemündung. Auf der
Vorderseite dringt die Kaltfront der zum nördlichen Baltikum ziehenden Welle in
den Norden Deutschlands ein und erreicht zum Morgen etwa eine Linie
Münsterland-Lübecker Bucht. Verbunden mit kräftigerer Hebung kommt im Nordwesten
Regen auf (um 10 mm in 6 Stunden laut ICON/ICON-EU, um 5 mm laut GFS oder EZMW)
und der von Südwest auf Nordwest drehende Wind frischt speziell bei ICON an der
See und mit Frontpassage auch im nordwestlichen Binnenland böig auf. An der See
deutet die Probabilistik dabei teils mit hoher Wahrscheinlichkeit Böen Bft 7 an,
im Binnenland hingegen sind diese deutlich weniger wahrscheinlich. Der Regen
fällt zunächst übrigens auf der kalten Seite der Front, die damit Anacharakter
aufweist.

Donnerstag ... und in der Nacht zu Freitag steht, pünktlich zum astronomischen,
bzw. kalendarischen Sommerbeginn, die markante Umstellung der Großwetterlage ins
Haus. Das bisher zonale Muster mit dem nach Mitteleuropa reichenden
Azorenhochkeil und der über Skandinavien hinweg nach Osten laufenden Frontalzone
wird abgelöst von einer stärker meridional geprägten, zyklonalen Nordwestlage.
Der Trog stößt dabei von der Nordsee kommend bis nach Mitteleuropa vor und
weitet sich deutlich nach Süden aus. In der Nacht zum Freitag überquert die
Achse des Troges die Mitte Deutschlands, zum Morgen liegt sie etwa auf einer
Linie Rügen - Erzgebirge. Die Welle liegt am Morgen über dem nördlichen
Baltikum. Dabei ist zu diesem Zeitpunkt, zumindest laut ICON, der tiefste Druck
etwa am Oslofjord zu erkennen. Dort ist bei nordwestlicher Anströmung im Lee der
Skanden und bei diffluenter Höhenströmung vor dem angesprochenen Höhentrog die
Bildung eines sich rasch kräftigenden Tiefs auszumachen. Von 1005 hPa soll
dessen Druck bis zum Abend auf 999 hPa, und bis zum Freitagmorgen auf 994 hPa
fallen (alles laut ICON). Dabei zieht das Tief an die Südspitze Finnlands, wo es
das steuernde Druckzentrum wird. Der Druckfall sorgt für eine Verschärfung des
Gradienten und für ein Aufleben der Strömung. In der sich Rückseitig des Tiefs
einstellenden Nordströmung bildet sich erneut ein Bodentrog und im weiteren bis
zum Freitagmorgen ein kleinräumiges Tief aus, welches dann mit seiner Position
über Südschweden dafür sorgt, dass die nach Deutschland einströmende Luftmasse
direkt vom Polarmeer kommt. In der Folge liegen die 850er-Temperaturen ausgangs
der Nacht im Norden nur noch knapp über null Grad, im Süden liegen sie noch bei
"kuscheligen" 3 Grad plus. Die Kaltfront selbst hat zu diesem Zeitpunkt die
Alpen schon erreicht bzw. überquert, am Abend sollte sie etwa an der Donau zu
finden sein. Obwohl mit ihr niedertroposphärisch ein markanter Luftmassenwechsel
ins Haus steht und entsprechend ein markanter Temperaturgradient an der Front zu
finden ist, erweist sich die Kaltfront in der Südhälfte als nicht allzu
wetteraktiv, lediglich im Norden oder über der Nordhälfte fällt am Tage längere
Zeit Regen, der laut ICON durchaus in 6 Stunden 10 bis 15 mm Niederschlag
bringen kann, laut ICON-EU sogar bis zu 20 mm. Die anderen Globalmodelle sind
diesbezüglich etwas zurückhaltender, allenfalls GFS geht, bei anderer räumlicher
Verteilung, den Schritt in diese Richtung mit. Im Süden ist die Front von
starker Kaltluftadvektion überlagert, was die Hebungsantriebe an der Front und
aus der PVA heraus kompensiert. Erwähnenswert ist ebenfalls noch, dass sich in
der Kaltluft, vor allem entlang der Küsten von Nord- und Ostsee, über dem recht
warmen Meerwasser (um 18 Grad) ein starker Lake-Effekt einstellen kann, wobei
laut verschiedener Modelle in der Nacht zum Freitag gebietsweise, vor allem an
den Küsten, mehr als 10 mm in 12 Stunden fallen können.

Präfrontal kann es in der potenziell instabilen Luft vor allem in der Lausitz
sowie im Süden und Osten Bayerns einzelne kräftige Gewitter geben. Dabei muss,
zumindest lokal, auch mit Unwettern gerechnet werden, ICON-EU beispielsweise
simuliert CAPE-Werte von über 1000 J/kg, die PPW-Werte liegen bei bis zu 33 mm,
und auch eine gewisse Labilität (unter -0,65 K/100m) wird angedeutet. Hier wird
auch der genaue Zeitpunkt des Eintreffens der Kaltfront eine Rolle spielen, die
möglichen nachmittäglichen Gewittern der Garaus machen dürfte. Unstrittig ist,
dass sich mit Eintreffen der Kaltfront am Alpennordrand dort vorübergehend eine
Stausituation einstellt, die ebenfalls zu recht ergiebigen Niederschlägen führt,
warnrelevant werden diese aber aus jetziger Sicht nicht.

Ein weiterer Punkt ist der Wind. Mit Passage der Kaltfront, die von einer
markanten Druckwelle begleitet ist, frischt der Wind stark auf und es sind
starke bis stürmische Böen zu erwarten. Auch auf ihrer Rückseite bleibt der
Gradient erhöht und es kommt zu weiteren starken Böen, vereinzelt stürmischen
Böen in tiefen Lagen, an der Nordsee und auf exponierten Bergen zu Sturmböen.

Freitag ... hat sich die Großwetterlage komplett auf Nordwest zyklonal
umgestellt. So hat subpolare Meeresluft mit Temperaturen in 850 hPa zwischen 0
und 4 Grad auch die Alpen erreicht (d.h. Tageshöchstwerte verbreitet unter 20
Grad). Die Hauptachse des Troges liegt dabei zwar schon östlich von uns, gerade
über den Norden und Osten des Landes schwenken jedoch noch flache Randtröge
hinweg (T500 hPa unter -25 Grad), die bei einem in Böen starken bis stürmischen
Wind für zahlreiche Schauer und kurze Gewitter sorgen. In den Südwesten schiebt
sich unterdessen ein Keil des Hochs mit Zentrum über Großbritannien (Kerndruck
immerhin nahe 1035 hPa) und sorgt für freundliches und trockenes Wetter.
Interessant wird es in der Nacht zum Samstag, wenn der Wind in der Mitte und im
Süden nachlässt und die Wolken gelegentlich auflockern. Sollte das längere Zeit
der Fall sein, so ist in Mittelgebirgstälern lokal Frost in Bodennähe nicht
ausgeschlossen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Bis zum Donnerstag simulieren die Modelle die Situation recht ähnlich. Danach
gibt es unterschiedliche Sichtweisen, insbesondere zu dem/den Tiefs über
Südskandinavien. Das sich dort entwickelnde Tief lässt GFS beispielsweise bis
Freitagmorgen an die Südostgrenze Finnlands ziehen, im Gegensatz zu ICON,
welches die Südwestspitze als Ziel anvisiert. Bei EZMW (00-UTC-Lauf) bildet sich
dagegen kein neues Tief, sondern das Wellentief selbst vertieft sich durch
dynamische Hebung an der Trogvorderseite. Dabei zieht es nach Mittelfinnland und
ist am Freitagmorgen somit deutlich weiter nördlich anzutreffen als bei den
beiden anderen hier beschriebenen Modellen.

Trotz der Unterschiede sind sich die Modelle bezüglich der rasch über
Deutschland hinweg nach Südosten schwenkenden Kaltfront, bezüglich des
Temperatursturzes und bezüglich des deutlich auflebenden Windes einig.
Unterschiede zeigen sich insbesondere bezüglich der Niederschläge an der Front,
die ICON und seine Derivate etwas höher einschätzen als beispielsweise GFS oder
insbesondere EZMW.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas