DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-06-2018 07:30
SXEU31 DWAV 140800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 14.06.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen NEa (Nordost antizyklonal) und BM (Brücke Mitteleuropa)


Endlich mal ´ne ruhige Phase ohne große Kracher. Heute im Nordseeumfeld etwas
Wind, morgen nix und am Samstag eine nur zögernd zunehmende Gewitterneigung
(wahrscheinlich geht es erst in der Nacht zum Sonntag wieder richtig los).
Und nicht vergessen: Heute geht die WM los!

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland unter einem von der Biscaya bis zur
Ostsee reichenden Höhenrücken, der sich heute unter Verkürzung seiner
Wellenlänge geringfügig süd-südostwärts verlagert und dabei einen vom Azorenhoch
bis nach Süd- und Ostdeutschland gerichteten Hochkeil stützt. Geringfügig
deswegen, weil südlich der Alpen ein vom Tyrrhenischen zum Ionischen Meer
ziehendes Höhentief als Bremsklotz fungiert und eine progressivere Verlagerung
verhindert. So wird die Achse des Rückens zum Tagesausklang etwa vom Oberrhein
über das Erzgebirge bis nach Polen reichen (ICON, 500 hPa). Die seit Dienstag
andauernde niedertroposphärische KLA - die eingeflossene Nordseeluft (T850
2-6°C) hat mittlerweile ganz Deutschland geflutet - sowie leichtes Absinken
haben bei 800 hPa eine scharfe Inversion entstehen lassen, unter der die
Grenzschicht vielerorts noch ziemlich feucht ist, während weiter oben eine
deutliche Abtrocknung beobachtet werden kann.
So verwundert es nicht, dass weite Teile der Ost- und Südhälfte heute früh noch
unter einer geschlossenen SC/ST-Decke liegen, die im Tagesverlauf aber immer
mehr Lücken bekommt, so dass besonders in einem von BW über die Mitte bis in die
östlichen Landesteile reichenden Streifen zeitweise die Sonne scheint.
Allerdings reicht schon wenig Einstrahlung aus, um Quellbewölkung zu generieren,
die zwischen Alpenrand und Bayerischem Wald am dichtesten ausfallen dürfte. Dort
sind über den Bergen sogar einzelne Schauer nicht ganz ausgeschlossen, auch wenn
ICON davon nichts wissen will.
Während also weite Teile des Landes einen antizyklonal, wenn auch nicht von
Affenhochglanz geprägten Donnerstag erleben, gestaltet sich der Ablauf im Westen
und Nordwesten deutlich zyklonaler. Zwar fällt der Tagesstart mit überwiegend
aufgelockerter Bewölkung noch relativ freundlich aus (z.T. allerdings recht
frisch, die Tiefstwerte lagen gebietsweise im einstelligen Bereich), was sich in
den nächsten Stunden aber ändern wird. Der Grund dafür liegt darin, dass sich
die relativ glatt über den Ostatlantik verlaufende Frontalzone bis zur Nordsee
und nach Skandinavien vorarbeitet, wo der Höhenwind von West über Südwest bis
auf Süd dreht. Auf der kalten Seite der Frontalzone liegt dicht bei Schottland
ein kleines Sturmtief (ZOEY), das um 03 UTC einen Kerndruck von etwas unter 975
hPa aufwies und im weiteren Verlauf des Tages unter nur noch minimaler
Intensivierung (senkrechte Achsstellung ist quasi erreicht) nord-nordostwärts
zur Norwegischen See zieht. Das zugehörige okkludierende Frontensystem erreicht
Norddeutschland zwar erst in den Abendstunden, macht sich aber bereits vorher
durch zunehmend mehrschichtige Bewölkung (WLA) bemerkbar, aus der ab dem
Nachmittag von der Nordsee und den Niederlanden her leichter Regen einsetzt. Das
Regengebiet kommt bis zum Abend etwa bis zu einer Linie
Ostholstein-Deister-Eifel voran, wobei aber nur geringe Mengen (0-3 mm) zustande
kommen.
So richtet sich der Blick aus der Warnperspektive auf den Wind, der aus
Südwesten kommend vor der Front zunächst an der Nordsee und im unmittelbar
angrenzenden Binnenland, später auch im Bereich der westlichen Ostsee in Böen
Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft erreicht. Die Wahrscheinlichkeit für "echte"
Sturmböen 9 Bft ist eher gering. Ob am Abend im Nordwesten und Norden eine von
der eigentlichen Front abgesetzte Böenlinie (bis 7 Bft) durchgeht, die
offensichtlich einer vorlaufenden Druckwelle geschuldet ist, ist mehr als
fraglich. ICON besitzt diesbezüglich Alleinstellungsmerkmal während andere
Modelle dies Phänomen gar nicht oder nur in abgeschwächter Form im Programm
haben.
Teils advektiv, teils durch Absinken steigt die Temperatur niedertropospärisch
leicht an (T850 am Abend 5-9°C), was sich auch in Metern bemerkbar macht. Dort
werden Höchstwerte von 19 bis 24°C erwartet, während es an der Nordsee sowie am
Alpenrand, dem angrenzenden Vorland und den höheren Mittelgebirgen etwas
frischer bleibt.

In der Nacht zum Freitag kommt die teilokkludierte Kaltfront etwa bis zu einer
Linie Ostvorpommern-Harz-Hunsrück voran, wodurch auch das frontale Regenband
ebenfalls weiter landeinwärts vorankommt. Die Möglichkeiten, sich dabei zu
entfalten, werden zusehends schlechter, weil sich Höhenrücken und Bodenkeil
nicht so einfach vertreiben lassen sondern selbstbewusst dagegenhalten. Von
daher ist eher von einer Intensitätsabnahme der ohnehin nicht monumental
ausfallenden Regenfälle auszugehen.
Während sich im Bereich der Front zumindest aber dichte Bewölkung hält, lockert
diese sowohl prä- als auch postfrontal vielfach auf, gebietsweise wird es sogar
klar. Dabei können sich nicht nur örtliche Nebelfelder bilden, vor allem im
Süden und Südosten wird es mit unter 10°C auch ziemlich frisch.
Mit Abzug des Tiefs fächert der Gradient postfrontal deutlich auf, so dass der
Wind relativ zügig nachlässt.

Freitag... verbleiben Teile Nord- und Nordwestdeutschlands unter einer leicht
zyklonal konturierten südwestlichen Höhenströmung, aus der aber kein
signifikantes Wetter resultiert. Im Gegenteil, in der postfrontal frisch
eingeflossenen erwärmten Meeresluft subpolaren Ursprungs (T850 am Mittag um 7°C)
zeigt sich trotz einiger Quellungen, die bis maximal 750 hPa reichen (leichter
Anstieg der Inversion) häufig die Sonne.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass zur Mitte und nach Süden hin der schmale
Höhenrücken nahezu stationär bleibt. Der korrespondierende Bodenhochkeil mutiert
zu einer schwachen Brücke, die das Azorenhoch mit einem etwas unterernährten
Hoch über Westrussland verbindet und die mitten durch Deutschland verläuft.
"Unterwandert" wird die Brücke von der alternden Okklusion, die zunächst noch
diagonal von Südwest nach Nordost reichend über dem Vorhersageraum liegt, aber
zunehmende Schwierigkeiten bekommt, sich gegen das antizyklonale Umfeld zu
behaupten. Das Wolkenband im unteren Teil der mittleren Troposphäre wird immer
schmaler, die Regenwahrscheinlichkeit immer geringer. Trotzdem bleibt wohl ein
etwa von RP/Saarland und Nordbaden über die Mitte bis zur Oder reichender
Korridor übrig, in dem sich zäh SC-Bewölkung oder dichtere Quellwolken halten
und die Sonnenscheindauer gebietsweise deutlich reduziert ist.
Südöstlich dieses Korridors nimmt die Sonnenscheindauer wieder zu, auch wenn
noch nicht alles astrein ist und sich wieder Quellungen bilden, die sich bei
etwa 750 hPa "die Birne stoßen". Damit sind Schauer auch über dem Bergland so
gut wie ausgeschlossen.
Die niedertroposphärische Erwärmung macht - wenn auch in kleinen Schritten -
Fortschritte. So reicht es am Nachmittag verbreitet für 21 bis 25°C abzüglich
des höheren Berglands sowie Küstenabschnitten, wo der Wind von der See her weht.


In der Nacht zum Samstag schwächt sich die Okklusion noch weiter ab, sonst tut
sich vergleichsweise wenig im Umfeld. Entsprechend verläuft die Nacht ruhig mit
unterschiedlichen Bewölkungsverhältnissen bis hin zu klarem Himmel, dazu einigen
lokalen Nebelfeldern. That´s it!

Samstag... formiert sich innerhalb der Frontalzone über UK/Irland ein relativ
scharfer KW-trog, der bis Tagesende zur Nordsee vorstößt. Folgerichtig wird der
bis dato vor Ort liegende Höhenrücken mehr und mehr nach Südosten abgedrängt und
durch eine zunächst indifferente, später leicht zyklonale Südwestströmung
ersetzt. Bei Schottland taucht in der Mittagszeit ein weiteres Tief auf, das
schwächer ist als sein Vorgänger von heute und noch keinen nennenswerten
Einfluss auf das Wettergeschehen bei uns ausübt. Einzig erwähnenswert ist ein
vorlaufender flacher Bodentrog, der von der Nordsee her den Nordwesten tangiert.
Ob dieser Trog in der Lage sein wird, die tagsüber noch existente
Hochdruckbrücke in der Nacht zum Sonntag zu knacken, muss aktuell noch in Frage
gestellt werden.
Fakt ist, dass tendenziell wieder wärmere und auch potenziell instabilere
(negativer KO-Index) Luft aus dem südwesteuropäischen Raum einsickert, ohne dass
hier schon der ganz große Gewittertreibstoff anzutreffen wäre. Die Lapse-Rates
zeigen noch ausreichend Stabilität und auch CAPE wird nur sehr zurückhaltend
generiert, und wenn doch mal etwas davon vorhanden ist, dann ist es meist
gedeckelt. Kurzum, die Wahrscheinlichkeit für substanzielle konvektive
Umlagerungen am Tage ist eher gering, auch wenn GFS das etwas anders sieht.
Allerdings ist diesem Modell das Prädikat "sehr gewitterfreundlich" zu eigen,
was größtenteils dem chronisch positiven Feuchtebias in der unteren Troposphäre
geschuldet ist. Wenn es doch irgendwo für einen Schauer sogar ein Gewitter
reichen sollte, dann am ehesten im Norden und Nordwesten oder über dem
westlichen Bergland. Ansonsten scheint in weiten Teilen des Landes die Sonne von
einem überwiegend locker bewölkten Himmel. Lediglich im Westen und Nordwesten
ist es tendenziell wolkiger, aber nicht vollständig overcast.
Bei weiter steigenden 850-hPa-Temperaturen (am Nachmittag zwischen 8°C an der
Nordsee und bis zu 14°C am Alpenrand) wird es auch in 2 Meter Höhe wärmer, 22
bis 28°C stehen auf der Karte.

In der Nacht zum Sonntag erreicht der KW-Trog die Deutsche Bucht, wo er
möglicherweise abtropft. Auf alle Fälle werden die Voraussetzungen für
dynamische Hebung insbesondere im Norden deutlich besser als noch am Tage, was
die Modelle durchweg mit einer erhöhten Schauer- und Gewittertätigkeit
honorieren. Dabei ist auch starke und organisierte Konvektion denkbar (weitere
Labilisierung und Anfeuchtung der Luftmasse, ausreichend Scherung), trotzdem ist
es für Details noch etwas zu früh.

Modellvergleich und -einschätzung
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Summa summarum simulieren die Modelle die geschilderte Entwicklung sehr ähnlich.
Hinsichtlich der für heute Abend erwähnten Böenlinie im Norden sollte man die
Sache im klassischen Nowcaststil auf sich zukommen lassen, eine linienhafte
Warnung im Vorfeld erscheint wegen der großen Unsicherheit nicht opportun.
Erfreulich ist die Tatsache, dass die etablierten Globalmodelle in Bezug auf den
am Wochenende auf uns zulaufenden KW-Trog deutlich enger zusammengerückt sind.
Das nähert die Hoffnung, dass schon bald eine verlässlichere Vorhersage für den
ja sehr public-viewing-lastigen Sonntag herausgegeben werden kann.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann