DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-06-2018 08:30
SXEU31 DWAV 120800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 12.06.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu BM (Brücke Mitteleuropa)

Heute im Süden noch mal Randale in Form kräftiger Gewitter(cluster) bis hin zu
Unwettern, vor allem durch (extremen) Starkregen. Ab Mittwochfrüh in Dauerregen
am Alpenrand übergehend.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt über Westfrankreich ein abgeschlossenes Höhentief, das bis
heute Abend in den Süden unseres Nachbarlandes zieht. Vorderseitig hat sich ein
flacher Rücken aufgewölbt, der von Südosten her über Süddeutschland bis in den
Westen reicht, von wo aus er aber zusehends abgebaut wird. Ursache ist ein
KW-Trog, der langsam von der Nordsee her nach Nordwestdeutschland schwenkt und
sich dabei mit dem angesprochenen Höhentief verbindet. Klingt kompliziert, ist
es auch, was deutlich wird, wenn man die Diagnosekarten zu der geschilderten
Potenzialverteilung studiert. Dabei stellt man nämlich fest, dass der flache
Rücken kaum Wirkung in Form von nennenswertem Absinken entfacht. Vorderseitig
des "Nordseetroges" hingegen wird zunächst im Westen, später dann im Norden
etwas Hebung generiert, die aber mehr oder weniger verpufft, weil die gehobene
Luftmasse zu stabil und trocken ist. Am meisten Hebung aber wird auf der
diffluenten Vorderseite des Höhentiefs generiert, deren Schwerpunkt sich im
Tagesverlauf mit Verlagerung des Tiefs unter Intensivierung von den mittleren in
die südlichen Landesteile des Vorhersageraums verlagert.
Niedertroposphärisch gestaltet sich die Angelegenheit so, dass wir über der
Mitte eine weitgehend zonal exponierte Luftmassengrenze haben, die sich heute
nur äußerst schleppend nach Süden verlagert. Die Luftmassengrenze trennt relativ
trockene und stabile, von der Nordsee eingeflossene Luft (T850 3 bis 8°C) im
Norden von feuchterer (PPW meist über 30 mm) und potenziell instabiler
Subtropikluft im Süden. In der stabilen Luftmasse hat sich ein Keil etabliert,
der den Fortsatz des momentan sehr üppig ausfallenden Azorenhochs darstellt. Er
kann aber nicht verhindern, dass der Tag in weiten Teilen der Nordhälfte recht
wolkenreich verläuft. Im Westen und Nordwesten wird es dabei nicht wärmer als 14
bis 20°C (in der Eifel vielleicht sogar noch 1-2 Grad kälter), während nach
Osten hin (wo auch die Chancen auf einige Auflockerungen tendenziell besser
stehen) die 20°C-Marke vielfach überschritten wird. An der nordfriesischen Küste
frischt der Nordwestwind mitunter böig auf und erreicht dabei in der Spitze
Stärke 7 Bft.
Zur Mitte hin, also im Bereich der Luftmassengrenze, kommt es mit Unterstützung
der o.e. dynamischen Hebung von Westen her immer wieder zu schauerartigen
Regenfällen, die über mehrere Stunden (3-6 h) an der einen oder anderen Stelle
mehr als 20 mm Regen (markanter Starkregen) bringen können. Am anfälligsten
dafür scheint ein von RP und dem Saarland bis nach Südhessen bzw. Nordbaden
verlaufender Streifen zu sein (C-D2-EPS). Vereinzelt ist sogar das Überschreiten
der Unwetterschwelle ebenso nicht ausgeschlossen ein mögliches eingelagertes
Gewitter. Am Mittag dann nimmt die Starkregengefahr in dieser Region merklich
ab, da sich der Hebungsschwerpunkt nach Süden verlagert.
Dort, also grob gesprochen in weiten Teilen BWs und Bayerns entwickeln sich in
einer dort noch positionierten, nur langsam nach Südosten abwandernden
Tiefdruckrinne Schauer und Gewitter, die aufgrund der am Nachmittag simulierten
großflächigen Höhendivergenz sowie des weitgehend fehlenden Deckels stark
verclustern dürften. Die stärksten Entwicklungen sind dabei entlang sowie
südlich der Donau, aber auch etwas nach Norden ausgreifend, zu erwarten,
weswegen für diese Regionen eine Vorabinfo herausgeben wurde. Das Hauptaugenmerk
liegt auf Starkregen, der zwar binnen kurzer Zeit (1 h oder weniger), z.T. aber
auch über mehrere Stunden akkumuliert fallen kann. C-D2-EPS liefert für das
Allgäu und das Werdenfelser Land sogar Signale für extremen Starkregen (> 60 mm
innert 6 h). Aufgrund reduzierter Einstrahlung liegen die apostrophierten
MU-CAPE-Werte in der Fläche meist unter 700 J/kg, was bei zusätzlich geringer
Scherung die Gefahr größeren Hagels gering hält. Trotzdem, stellenweise dürfte
durchaus etwas mehr CAPE generiert werden, so dass zumindest vereinzelt Hagel
mit Korngrößen von 2-3 cm möglich erscheint. Windtechnisch sollte bei maximal
Stärke 9 Bft Schluss sein. Die Temperatur erreicht im Süden Höchstwerte von 20
bis 25°C, im Südosten Bayerns auch etwas darüber.

In der Nacht zum Mittwoch erfasst der o.e. Höhentrog den gesamten
Vorhersageraum. Die Haupthebung tritt an der Süd- bzw. Südostspitze des
nördlichen Troganteils auf (der südliche, aus dem Höhentief bestehende Teil
liegt südlich der Alpen) und zieht sich bis zum frühen Morgen mehr und mehr in
die Regionen südlich der Donau zurück. Gleiches gilt für die feuchte
Subtropikluft, die durch die langsam von Norden vorrückende Luftmassengrenze
zusehends an die Alpen gedrückt wird. Dort, also etwa südlich der Donau kommt es
die ganze Nacht über in großflächigen Clustern zu schauerartig verstärkten und
gewittrigen Starkregenfällen bis in den (extremen) Unwetterbereich, die
wahrscheinlich noch bis zum Bayerischen Wald ausgreifen. Während anfangs die
Gewittergefahr noch recht hoch ist, nimmt sie im Laufe der Nacht immer weiter ab
und der Regen bekommt zunehmend eine skalige Komponente, auch wenn schauerartige
Verstärkungen sicherlich bis mindestens zum Morgen andauern. Unmittelbar an den
Alpen setzt mit Winddrehung auf nördliche Richtungen Stau ein (zuerst im Westen,
wahrscheinlich tagsüber erst im Osten), wodurch dort eine bis in die Nacht zum
Donnerstag andauernde Dauerregenlage eingeleitet wird.
Weiter nördlich passiert in der Nacht nicht viel. Am erwähnenswertesten
erscheint noch die Tatsache, dass sich der Azorenhochkeil noch etwas verstärkt,
was eine Gradientverschärfung über der Nordsee zur Folge hat (flacher Trog über
Südskandinavien). Folgerichtig legt der N-NW-Wind über der Deutschen Bucht etwas
zu, so dass an der Küste und auf den Inseln Böen 7 Bft, exponiert auch 8 Bft zu
erwarten sind.

Mittwoch... schwenkt der Höhentrog langsam nach Osten und erreicht in den
Abendstunden Polen. Dahinter steigt das Potenzial an und wir gelangen auf die
Vorderseite eines sich von Frankreich bis nach Skandinavien erstreckenden
Höhenrücken. Dieser stützt weiterhin den mittlerweile den gesamten
Vorhersageraum überdeckenden Bodenhochkeil, der aber mitnichten ein Garant für
eitel Sonnenschein ist. Bei wechselnder bis starker Bewölkung bleibt es zwar
weitgehend trocken, mehr als 16 bis 22°C sind aber nicht zu erwarten. An der
Nordsee weht zunächst noch ein frischer Nordwestwind mit Böen 7 Bft, exponiert
8 Bft, Tendenz am Nachmittag und Abend vorübergehend abnehmend.
Am Alpenrand kommt morgen endgültig die Staukomponente zum Tragen, so dass der
bereits in der Nacht eingeleitete Dauerregen nun auch auf den östlichen Teil
erfasst. Von Mittwochfrüh bis Mittwochabend (Osten etwas länger) kommen etwa 30
bis 50 mm, in exponierten Staulagen bis zu 70 mm innert 17 bis 20 h zusammen,
was in der Basis eine markante Warnung erfordert. Die Schneefallgrenze sinkt auf
etwa 2300 m und die Temperatur verharrt am Alpenrand teilweise bei 10°C oder nur
wenig darüber.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der Hochkeil langsam nach Süden,
wodurch die Staukomponente an den Alpen durch Rechtdrehen des Windes auf Nordost
immer schwächer wird bzw. letztlich ganz zum Erliegen kommt. Am längsten regnet
es noch am östlichen Alpenrand, wesentlich mehr als 10 mm innert 12 h sollten
aber nicht mehr zusammenkommen. Ansonsten klart es teilweise auf und die
Temperatur geht vielerorts in den einstelligen Bereich zurück. Über der Nordsee
dreht der Wind auf SW bis S zurück und beginnt wieder aufzufrischen. Ursache ist
die Annäherung eines okkludierenden Frontensystems, das zu einem von den
Faröer-Inseln zur Norwegischen See ziehenden Tiefs gehört.

Donnerstag... wandert der o.e. Höhenrücken unter Verkürzung seiner Wellenlänge
gaaanz langsam südostwärts. Am Abend reicht seine Achse vom Oberrhein bis hoch
zum Oderhaff (500 hPa). Zwar zieht sich der korrespondierende Bodenhochkeil
etwas gen Frankreich zurück, es bleibt aber eine brückenartige Konstellation
übrig, die das Azorenhoch mit einem schwachen Hoch über NW-Russland verbindet.
Beides, Rücken und Brücke, bescheren dem Süden und Osten sowie weiten Teilen der
Mitte einen weitgehend trockenen und heiter bis wolkigen Donnerstag, an dem sich
die eingeflossene Meeresluft diabatisch auf 18 bis 24°C erwärmen kann.
Etwas anders läuft die Sache im Westen und Nordwesten ab, wo sich zunehmend das
sich nähernde okkludieren Frontensystem bemerkbar macht. Es sorgt nicht nur für
mehrschichtige Bewölkung, sondern lässt es zum Nachmittag und Abend hin von der
Nordsee und Benelux her leicht regnen. Apropos Nordsee, dort weht präfrontal
weiterhin ein flotter S-SW-Wind mit Böen 7 bis 8 Bft, wobei einige 7er-Böen auch
Teile des schleswig-holsteinischen Binnenlands erfassen können.

In der Nacht zum Freitag kommen die frontalen Regenfälle aus dem Nordwesten
unter Abschwächung nur noch wenig landeinwärts voran, was einer Wellenbildung an
der Kaltfront geschuldet ist. An der Nordsee schwächt sich der Wind nach
Frontpassage merklich ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Umstellung der Großwetterlage wird von allen Modellen mitgetragen und steht
in ihren Eckpfeilern. Haarig ist allerdings noch mal der heutige Tag im Süden,
wo die anstehenden konvektiven Umlagerungen von den hochauflösenden Modellen mit
Unterschieden im Detail simuliert werden. Warntechnisch bietet sich dabei ein
mehrstufiges Warnmanagement an, das mit einer Vorabinfo startet (ist bereits
raus). Im Tagesverlauf kommen dann die klassischen Nowcastwerkzeuge der
Gewitterwarnung zum Einsatz, bevor in der Nacht - je nach Situation - eine
mehrstündige Gewitterwarnung mit Starkregen (bei hoher Blitzrate) oder eine
mehrstündige Starkregenwarnung mit draufgesetzten Gewitterwarnungen (bei
geringer Blitzrate) herausgegeben werden sollte. Letztlich mündet alles in einer
markanten Dauerregenwarnung für den Alpenrand, die ebenfalls schon heute Abend
ausgegeben werden sollte. Ob diese für exponierte Staulagen später noch auf
Unwetter hochgestuft wird, muss abgewartet werden und sollte nicht zu offensiv
angegangen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann