DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-06-2018 17:30
SXEU31 DWAV 101800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.06.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Gebietsweise schwere Gewitter, mit teils heftigem Starkregen einhergehend.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... Deutschland liegt auf der Vorderseite eines zur Iberischen Halbinsel
abgetropften Höhentroges. Ein flacher Höhenkeil wölbt sich von Italien ausgehend
bis nach Süddeutschland vor. Insgesamt haben wir es somit in der Höhe nur mit
nur einer schwach ausgeprägten West- bis Südwestlichen Strömung zu tun, die
leicht zyklonal geprägt ist. Im Bodendruckfeld ist ebenfalls ein nur äußerst
schwach ausgeprägter Druckgradient vorherrschend. Von daher ist jeglicher
Hebungsantrieb dem Tagesgang, der Orographie oder mesoskaligen Konvergenzen
geschuldet.
In der verbreitet eingeflossenen feucht-labilen Luftmasse, MLCAPE 1000 bis 1500
J/Kg und PPWs um 35 mm, kommt es am Abend und anfangs in der kommenden Nacht in
weiten Teilen Deutschlands noch zu starken, teils auch schweren Gewittern, die
in der zweiten Nachthälfte sich dann deutlich abschwächen werden. Im Nordwesten
Deutschlands ist dagegen nicht mehr mit Schauern oder Gewittern zu rechnen, da
dort zunehmend eine trocknere und stabilere Luftmasse einfließen wird. Und da
der Kurzwellentrog, der den Nordosten Deutschlands am Abend noch beeinflusst
nach Mitternacht nach Schweden abgezogen sein wird, lassen die Schauer und
Gewitter dann auch im Nordosten nach. Somit beruhigt sich die Lage in der
zweiten Nachthälfte zusehends, lediglich im Grenzbereich zu Frankreich können
ausgangs der Nacht erneut Gewitter auftreten, da hier ein Kurzwellentrog
nordwärts in Richtung Benelux geführt wird. Eng begrenzter Starkregen ist hier
wiederum die Hauptgefahr.
Abseits dieser Niederschläge verläuft die zweite Nachthälfte bei wechselnder
Bewölkung aber ruhig, gebietsweise kann sich dichter Nebel bilden.


Montag ... nähert sich der Höhentrog über Südwesteuropa Deutschland an und
verlagert sein Zentrum im Tagesverlauf in den äußersten Westen von Frankreich.
Dabei wird in der Höhe eine markante Kurzwelle um den nach Osten wandernden
Höhenkeil über die Schweiz nach Süddeutschland geführt. Die Mitte und der Norden
verbleiben in einer mäßigen westlichen und schwach zyklonal geprägten
Höhenströmung ohne nennenswerte Hebungsimpulse. Bodennah kommt es im
Einflussbereich des Höhentiefs über Frankreich zur Bildung eines großräumigen
Bodentiefs, das über der Mitte und dem Süden Deutschlands in eine im Vergleich
zu heute besser konturierte Bodentiefdruckrinne übergeht. In dieser bleibt die
feuchte, warme und sehr labile Luftmasse weiterhin wetterbestimmend. Derweilen
strömt trockenere und etwas kühlere Luft in weite Bereiche Norddeutschlands.
Entlang des Übergangsbereichs dieser unterschiedlichen Luftmassen deuten die
Modelle über der Mitte Deutschlands die Bildung einer quasi-stationären und
wellenden Front an, die neben der Bodentiefdruckrinne als niedertrop.
Hebungsmechanismus fungieren sollte. Bezüglich der Zutaten erwarten wir
besonders entlang der westlichen Mittelgebirge und in Süddeutschland MLCAPE von
1000 bis 1500 J/kg bei PPWs um 35 mm. Die deutliche Änderung allerdings ist im
Bereich der Scherung auszumachen, die mit Annäherung der Kurzwelle markant
zunimmt. 0-6 km Scherung von 15 bis 20 m/s und 15 m/s innerhalb der untersten 3
km deuten nun zunehmend auf organisierte Konvektion in Form von Multizellen und
Superzellen hin. Bereits von der Früh weg besteht entlang der wellenden Front
ein Schauer- und Gewitterrisiko (Eifel, Saarland und die Pfalz betreffend). Im
weiteren Tagesverlauf entwickeln sich hier und im gesamten Warmsektor
(Bodentiefdruckrinne) vom Niederrhein über Südhessen bis nach Bayern und
Baden-Württemberg teils schwere Gewitter. Während der diskreten Entstehungsphase
muss mit teils sehr großem Hagel von lokal mehr als 5 cm im Durchmesser und
Sturmböen gerechnet werden. Erneut treten beim Durchzug der Gewitter dank des
sehr hohen Feuchtegehalts punktuell extreme Niederschlagsmengen in kurzer Zeit
von deutlich mehr als 40 l/qm auf. Die Gewitter beginnen im Verlauf des späten
Nachmittags und Abend besonders südlich der Donau zu progressiven Clustern
zusammenzuwachsen, was strichweise die Gefahr schwerer Sturmböen erhöhen würde
(COSMO-D2 mit geringen Wahrscheinlichkeiten von Bft 11 Böen im Zusammenhang mit
solchen Clustern!). Zusammengefasst kann in diesen Bereichen ein robuster
Unwettertag erwartet werden.
Im Norden und Osten verläuft der Tag ruhig mit viel Sonnenschein und trockenen
Bedingungen. Allerdings breiten sich hier die Wolken der Gewitter aus dem Süden
allmählich nordwärts aus und erfassen zum Abend voraussichtlich eine Linie
Hamburg-Berlin. Die Höchstwerte liegen im Nordwesten und Norden bei 18 bis 24
Grad und sonst bei 25 bis 30 Grad, wobei die höchsten Werte im Südosten erwartet
werden. Abseits der Gewitter weht der Nord- bis Nordwestwind schwach, im
äußersten Norden zeitweise böig.


In der Nacht zum Dienstag ändert sich an dieser Wetterzweiteilung wenig. Über
Norddeutschland ziehen dichte Wolkenfelder vorüber und es bleibt trocken. Davon
ausgenommen ist der äußerste Nordwesten (Umfeld der Deutschen Bucht), wo sich im
Verlauf der zweiten Nachthälfte dichte Stratusbewölkung ins Landesinnere
ausdehnt. Dabei sind einzelne schwache Schauer nicht auszuschließen.
Deutlich aktiver geht es weiterhin über der südlichen Mitte und Süddeutschland
zu, wobei aber die Unsicherheiten bezüglich der konvektiven Aktivität dramatisch
zunehmen. Schuld daran sind die Unsicherheiten, wie massiv die Luftmasse durch
die tageszeitliche Konvektion "umgewälzt" wurde, was vor allem ICON zeigt, das
mit Passage der Kurzwelle eingangs der Nacht einen massiven Konvektionscluster
über Bayern nach Nordosten sendet. In dessen Folge wäre die Labilität der
Luftmasse wenigstens vorübergehend vermindert und auch das kompensatorische
Absinken um diesen Cluster herum würde weitere Gewitteraktivität temporär
mindern. Allerdings ist diese Lösung aktuell noch eher eine Außenseiteroption.
Bei den anderen Modellen sorgen weitere schwache Hebungsimpulse wiederholt für
teils kräftige Schauer und Gewitter, die aus der Schweiz heraus nach Nordosten
ziehen. Scherung und Labilität nehmen im Verlauf der Nacht wieder ab, sodass die
Unwettergefahr nach Mitternacht immer geringer werden sollte, dennoch besteht in
der feucht-labilen Luftmasse weiterhin die Gefahr von eng begrenzt heftigem
Starkregen. Abseits der Gewitter weht der Wind im Süden schwach aus West, im
Norden aus Nordwest und frischt über der Deutschen Bucht zeitweise böig auf. Die
Tiefstwerte liegen bei 13 bis 8 Grad im Norden und 17 bis 13 Grad im Süden.
Gebietsweise bildet sich Nebel.


Dienstag ... nimmt der Trog über Frankreich Fahrt nach Osten auf und schwächt
sich gleichzeitig ab. Derweilen zieht ein markanter Randtrog über die Nordsee
nach Dänemark und geht mit dem Trog über Frankreich eine Verbindung ein. Die
Folge ist allgemein fallendes Geopotential über West- und Mitteleuropa.
Niedertroposphärisch bleibt im Süden die Bodentiefdruckrinne wetterbestimmend,
wenngleich sie sich allmählich beginnt aufzufüllen. Die wellende Front über der
Mitte Deutschlands kommt nur zögernd nach Süden voran. Viel Hebung in der Höhe,
schwache hochreichende Scherung um 10 m/s und eine feucht-labile Luftmasse
(MLCAPE um 600 J/kg und PPWs um 35 mm) lassen im Süden erneut kräftige Schauer
und Gewitter entstehen, die mit teils heftigem Starkregen und Hagel einhergehen.
Dank der Höhendivergenz dürfte die Aktivität verbreitet rasch "verclustern" und
zunehmend in konvektiv durchsetzten, anhaltenden Regen übergehen, was den Beginn
einer Dauerregenlage südlich der Donau und besonders am Alpenrand "einläutet".
Die Niederschlagsschwerpunkte werden noch sehr unterschiedlich berechnet, was
von der Entwicklung der Cluster abhängt. Da dies alles aber am Ende der
Kurzfrist beginnt bzw. in die Mittelfrist übergeht und angesichts der noch
vorherrschenden Unsicherheiten wird in der aktuellen Übersicht noch nicht näher
auf das Dauerregenereignis eingegangen.

Über der Mitte und dem Nordosten verläuft der Tag ruhig mit zeitweiligem
Sonnenschein und einem nur geringen Schauerrisiko. Über Schleswig-Holstein sind
einzelne Gewitter mit Annäherung der Kurzwelle nicht auszuschließen. Der
Nordwesten zeigt sich insgesamt bewölkter, da mit einer nordwestlichen Strömung
weiterhin kühle Nordseeluft herangeführt wird, wobei sich die dichte Bewölkung
nur zäh auflöst. Die Höchstwerte liegen dabei im Nordwesten um 19 Grad und sonst
zwischen 21 und 24 Grad. Im Südosten Bayerns kann ein weiterer Sommertag mit
Höchstwerten um 26 Grad erwartet werden. Der Wind weht abseits von Gewitterböen
schwach aus Nordwest.

Mittwoch ... schiebt der Trog von Frankreich her kommend sich nach Mitteleuropa
und Italien vor. Er weist ein Höhentiefzentrum im Bereich des Ligurischen Meeres
auf. Dieser Trog verlagert sich nur langsam ostwärts, das Höhentief wird aber
allmählich abgeschnürt, da sich am südlichen Rand der weit nördlich liegenden
atlantischen Frontalzone ein Keil von Westen Richtung Nordsee schiebt. Dieser
stützt ein Azorenhoch, das einen Keil bis zur Nordsee aufweist. Zudem ist im
Bereich der Britischen Inseln auch WLA wirksam, da diese Region auf der
Vorderseite eines Tiefs südlich Islands liegt. Über Südosteuropa herrscht
dagegen tiefer Luftdruck, so dass sich über Deutschland eine nördliche Strömung
eingestellt hat. Mit dieser hat sich etwas kühlere (in 850 hPa 4 bis 8 Grad)
Meeresluft bis zu den Alpen durchgesetzt. Zu Beginn des Tages fällt an der
Nordseite einer an den Alpen liegenden Front vor allem im Süden und Osten des
Landes noch teils starker Regen, wobei an den Alpen eine Dauerregenlage (siehe
dazu weiter unten mehr) langsam zu Ende geht. Von Nordwesten setzt sich
bewölktes, aber zunehmend trocknes Wetter durch.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle haben die synoptische Entwicklung gut im Griff, wenngleich die
Unsicherheiten mit der Umstrukturierung des Troges am Dienstag zunehmen. Die
Detailfrage liegt in der Lage unzähliger Konvergenzen, die eher kurzfristig
analysiert werden können. Abgesehen davon aber kann man die Prognosegüte der
Modelle gut.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Stefan Külzer