DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-06-2018 17:01
SXEU31 DWAV 041800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.06.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin sehr warm. Zunächst lediglich im süddeutschen Bergland und an den
Alpen geringe Gewittergefahr. Ab Mittwoch von Südwesten zunehmende
Gewitterneigung und erneut erhöhte Unwettergefahr durch Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich in 500 hPa - ausgehend von einer Höhenantizyklone mit
Schwerpunkt südlich von Island - ein Höhenrücken bis nach Mitteleuropa.
Flankiert wird dieser Rücken einerseits von einem Höhentief über Südwesteuropa
mit Drehzentrum vor der kantabrischen Küste und einem Sekundärtrog über dem Golf
von Genua, an dessen Nordflanke über Süddeutschland heute etwas Hebung wirksam
wurde, der sich nun aber allmählich nach Süden zurückzieht, andererseits im
Nordosten von einem Langwellentrog über Nord- bzw. Nordosteuropa, der sich über
Skandinavien und Nordwestrussland allmählich nach Süden ausweitet.
Im Laufe der Nacht schwächt sich der Rücken etwas ab und zieht sich mit seiner
Achse ein wenig nach Südwesten zurück, so dass sich über dem Nordosten eine
schwache nordwestliche Höhenströmung einstellt, die aber antizyklonal konturiert
bleibt. Darin eingebettet, kommt die Kaltfront eines Tiefs über Nordwestrussland
allmählich südwärts voran und erreicht in den Frühstunden Nordfriesland bzw. die
vorpommersche Ostseeküste. Mangels Hebung im antizyklonalen Umfeld erweist sie
sich als wenig wetterwirksam und macht sich lediglich anhand tiefer Bewölkung
bemerkbar, aus der es aber kaum regnet bzw. nieselt. Auch im Vorfeld der
Kaltfront dringt tiefe Stratusbewölkung unterhalb einer Inversion in etwa 950
bis 900 hPa von der Nordsee her im Laufe der Nacht wieder weiter landeinwärts,
bis in die mittleren Landesteile vor. Nur gebietsweise bekommt sie über dem
Nordwesten des Landes Lücken, wobei sich dann Bodennebel bilden kann.
Die Gewittertätigkeit über dem äußersten Süden und Südwesten des Landes kommt
tagesgangbedingt und mit Abzug des oben genannten Sekundärtroges im Laufe der
Nacht allmählich zum Erliegen. Je nachdem, ob sich in den Abendstunden noch
kleinere Cluster entwickeln, die eine gewisse Eigendynamik aufweisen können
(COSMO-D2 hat ein derartiges Szenario für den Raum Oberschwaben - Bodensee -
Hochrhein - Südschwarzwald auf der Karte), kann es aber noch bis weit in die
erste Nachthälfte hinein dauern. Bzgl. Starkregen sind dann auch kleinräumig
Unwetter nicht ausgeschlossen.
Ansonsten verläuft die Nacht warn- und wettertechnisch allerdings ruhig.

Dienstag ... schwenkt die Hauptachse des nordosteuropäischen Langwellentroges
über Nordwestrussland allmählich nach Osten, wobei sich der Trog noch etwas nach
Süden ausweitet. Dabei nimmt die nordwestliche Höhenströmung über dem äußersten
Nordosten Deutschlands vorübergehend eine etwas zyklonalere Kontur an und
verschärft sich geringfügig. Der weiterhin über Mitteleuropa hinweg
nordwestwärts bis nach Island reichende Höhenrücken schwächt sich etwas ab,
bleibt aber weiterhin erhalten. Das südwesteuropäische Höhentief zieht sich ein
wenig nach Westen zurück, die dynamischen Hebungsantriebe an dessen
Nordostflanke reichen in etwa bis nach Zentralfrankreich und eventuell noch bis
in die Westschweiz, aber kaum mehr bis in den Südwesten des Vorhersagegebietes,
auch, wenn die Höhenströmung dort ebenfalls leicht zyklonal konturiert bleibt.
Im Bodenfeld kommt die Kaltfront noch etwas nach Südwesten voran und erstreckt
sich abends in etwa von der Deutschen Bucht bis nach Südbrandenburg. Rückseitig
weitet sich ein Keil des Nordmeerhochs über Mittelnorwegen und Südschweden
hinweg bis zur südlichen Ostsee aus. Dabei lockert die dichte tiefe Bewölkung
vor allem postfrontal aufgrund des dort wirksamen Absinkens und des Einsickerns
trockener Festlandsluft rasch auf, aber auch im Bereich bzw. im Vorfeld der
Kaltfront bekommt die Wolkendecke immer mehr Lücken, so dass weiten Teilen
Nordwest- und Norddeutschlands wohl zumindest ein recht sonniger Nachmittag
bevorsteht.
Süddeutschland bleibt hingegen weiterhin im Einflussbereich einer flachen
Tiefdruckrinne, die sich tagesgangbedingt und wohl auch aufgrund geringer Hebung
im Vorfeld der Kaltfront im Tagesverlauf wieder etwas vertiefen kann. Bei
ähnlichen Labilitätsparametern wie am Vortag (500 bis 1000 J/kg ML-Cape,
punktuell darüber, PPW-Werte um 25 mm) können sich im Südwesten, vor allem über
dem Schwarzwald und Umgebung im Tagesverlauf - ausgehend vom Bergland - einzelne
Schauer und Gewitter mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen
entwickeln.
Aufgrund der geringen Zuggeschwindigkeiten kann es lokal eng begrenzt zu
Starkregen kommen. Der Alpenrand bleibt gewittertechnisch möglicherweise außen
vor, da dort von Norden her trockenere Luft einsickert. Insgesamt simulieren die
Konvektion zulassenden Modelle auch eine geringere Aktivität als heute, was wohl
mit der nicht wirklich vorhandenen synoptisch-skaligen Hebung in Zusammenhang
steht.
Mit der Kaltfront sinken die Temperaturen in 850 hPa im Nordosten des Landes auf
knapp unter 10 Grad, während sie sich im Südwesten weiterhin um bzw. knapp über
15 Grad bewegen.
Entsprechend werden im Norden Höchstwerte zwischen 19 und 24 Grad erreicht, mit
auffrischendem Nordostwind an den Küsten auch teilweise darunter, während es in
der Südhälfte bis weit in die mittleren Landesteile reichend mit 24 bis 29,
eventuell knapp 30 Grad sommerlich warm bleibt.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich an der Verteilung der Druckgebilde kaum
etwas. Die Kaltfront kommt kaum mehr nach Südwesten bzw. Westen voran und macht
sich lediglich anhand einzelner lockerer Wolkenfelder bemerkbar. Rückseitig baut
sich eine eigenständige Hochdruckparzelle auf, die von Südschweden bis nach
Nordpolen reicht, so dass der Druck im Nordosten stärker steigt als im
Südwesten, der weiterhin im Einflussbereich der flachen Tiefdruckrinne liegt,
die sich zögerlich etwas auffüllt. Dazwischen stellt sich eine etwas kräftigere
ostsüdöstliche Strömung ein, mit der der Wind vor allem auf einigen
Mittelgebirgsgipfeln - unterstützt durch lokale Low Level Jets - böig
auffrischt. Warnrelevante Böen sind aber nicht zu erwarten.
Im Südwesten kommt die Konvektion im Laufe der Nacht wieder zum Erliegen,
eventuell können aber von der Schweiz her bereits neue Gewitter auf Südbaden und
den Bodenseeraum übergreifen (vielleicht sogar im Rahmen eines MCS), die
Unwettergefahr ist aber auch dann eher als gering einzustufen.
Ansonsten steht aber einer wettertechnisch ruhigen Nacht nichts im Wege.

Mittwoch ... bleibt der inzwischen vom zentralen Mittelmeerraum über
Mitteleuropa bis zur Nordsee reichende Höhenrücken weiterhin erhalten und zeigt
kaum Intensitätsänderung. Der Langwellentrog über Nordosteuropa wird durch einen
von Nordwesten hereinlaufenden Randtrog regeneriert und zieht sich etwas nach
Nordosten zurück, so dass auch über dem Nordosten Deutschlands das Höhenfeld
wieder antizyklonaler konturiert ist. Das Höhentief über der Iberischen
Halbinsel verlagert sein Drehzentrum allmählich nach Südosten und erreicht in
der Nacht zum Donnerstag die Balearen.
An dessen Ostflanke wird ein Randtrog über Südfrankreich allmählich nordwärts
geführt, an dessen Nordflanke wird im Tagesverlauf über Südwest- und
Süddeutschland verstärkt Hebung generiert.
Im Bodenfeld macht sich die Kaltfront über dem Norden und Nordosten Deutschlands
nicht unbedingt anhand kühlerer, sondern vor allem anhand trockenerer
Festlandsluft bemerkbar, die an der Südwestflanke des sich allmählich
abschwächenden und zögernd nach Osten zurückziehenden Hochs über Polen,
Weißrussland und dem Baltikum nach Nord- und Ostdeutschland geführt wird. Somit
steht dort einem sonnigen Tag nichts im Wege.
Anders im Süden und Südwesten: Die dorthin reichende Tiefdruckrinne kann sich
noch ein wenig nach Nordosten ausweiten und somit gewinnt auch die potenziell
instabile Luftmasse vor allem im Westen des Landes weiter nach Norden an Raum.
Nicht zuletzt aufgrund der verstärkt wirksamen synoptisch-skaligen Hebung (wie
oben beschrieben) kann sich - unterstützt durch den Tagesgang und sicherlich
auch durch orographische Effekte - auch im Bodenfeld ein besser ausgeprägtes
konvergentes Windfeld etablieren. Dadurch steigen auch die Feuchte- und
Labilitätsparameter wieder an, ICON-EU simuliert am Nachmittag und Abend
gebietsweise mehr als 1000, vereinzelt um 1500 J/kg ML-Cape bei PPW-Werten bis
30 mm.
Bei schwachem Deckel lebt im Tagesverlauf somit - ausgehend vom Bergland -
erneut die Gewittertätigkeit auf, und zwar deutlich verbreiteter als an den
Vortagen. Betroffen sind dann neben dem Süden auch die südliche Mitte, das
östliche Bergland und eventuell bereits der Westen und Süden NRW`s. Erneut steht
vor allem der Starkregen im Fokus, aufgrund der geringen
Verlagerungsgeschwindigkeit, wiederholtem Anbaus, etc. bis hin zu Unwetter. Auch
kleinräumige Hagelereignisse können Unwetterpotenzial erreichen, sei es aufgrund
der Korngröße (über 2 cm) oder aufgrund größerer Hagelansammlungen. Eventuell
können sich zum Abend hin die meist im mulitzellulären Modus auftretenden
Gewitter auch zu einem oder mehreren Clustern organisieren, wobei dann auch
großflächigere Windereignisse (Sturmböen) möglich sind.
Der Ost- bis Nordostwind frischt vor allem im Norden und Osten böig auf,
allerdings reicht es auch an der Ostseeküste wohl nicht für warnrelevante Böen.
Die Höchsttemperaturen erreichen bei auflandigem Wind an den Küsten kaum 20
Grad, sonst im Norden und Osten Werte zwischen 23 und 28 Grad, im Süden und
Westen 25 bis 30 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der kurzwellige und flache Randtrog
vom Südosten Frankreichs bzw. der Westschweiz nur sehr zögernd nach Norden, an
dessen Nordflanke wird weiterhin - jetzt zunehmend auch aufgrund von PVA - vor
allem über dem Südwesten Deutschlands Hebung generiert.
Auch im Bodenfeld ändert sich nichts Wesentliches, die Tiefdruckrinne über
Südwest- und Süddeutschland bleibt erhalten, die Luftmasse nach wie vor
potenziell instabil mit mäßig hoher MU-Cape und hohen PPW-Werten. Somit dauert
die Gewittertätigkeit im Süden und Südwesten des Landes auch die Nacht über
hinweg weiterhin an, der Durchzug eines oder mehrerer mesoskaliger konvektiver
Systeme (MCS) ist denkbar. Somit bleibt auch die Unwettergefahr aufgrund von
Starkregen (vor allem anfangs auch noch bis hin zu Extremereignissen) latent
hoch. Zudem kann es bevorzugt in der ersten Nachthälfte auch weiterhin
Hagelereignisse geben und Böen Bft 8 bis 10 sind vor allem am Rande von Clustern
ebenfalls möglich.
Der Norden und Osten sowie weite Teile der Mitte verbleiben dagegen im
Einflussbereich der trockenen Festlandsluft. Dort verläuft die Nacht ruhig und
gering bewölkt oder klar. Wie weit die Gewittertätigkeit genau nach Nordosten
vorankommt, bleibt wohl Nowcastingsache.

Donnerstag ... schwenkt das Höhentief über den Balearen allmählich etwas
nordostwärts, ein weiteres Höhentief verlagert sich über den nahen Ostatlantik
allmählich südostwärts Richtung Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel. Der von
Südosteuropa nach Mitteleuropa und bis zur mittleren Nordsee reichende
Höhenrücken ändert sich in Lage und Intensität kaum, lediglich dessen Achse
kommt geringfügig nach Nordosten voran. Dadurch stellt sich über Frankreich,
Benelux und dem Süden bzw. Westen Deutschlands eine schwache südsüdöstliche
Höhenströmung ein, mit der nach wie vor flache kurzwellige Anteile über den
Südwesten und Westen des Landes hinweg nordnordwestwärts geführt werden.
Im Bodenfeld kommt die flache Tiefdruckrinne über Süd- und Westdeutschland ein
wenig nach Nordosten voran, im aktuellen Lauf des ICON-EU erstreckt sie sich am
Nachmittag in etwa von NRW ostsüdostwärts bis nach Sachsen bzw. Ostbayern, die
externen Modelle weisen nur relativ geringe räumliche Differenzen auf. In diesen
Regionen ist auch mit der stärksten Gewitteraktivität zu rechnen mit ähnlichen
Begleiterscheinungen wie am Vortag (bis hin zu Unwetter, bzgl. Starkregen auch
extremes Unwetter), auch die Labilitätsparameter bewegen sich in ähnlicher
Größenordnung. Erneut ist zum späten Nachmittag und Abend hin die Ausbildung
eines oder mehrerer mesoskaliger Systeme denkbar.
In den Norden und Nordosten gelangt an der Südwestflanke des sich weiter nach
Osteuropa zurückziehenden, aber sich wieder etwas verstärkenden
Hochdruckgebietes weiterhin trockene Festlandsluft, dort scheint überwiegend die
Sonne.
Auch im Südwesten bleibt die Unwettergefahr voraussichtlich eher gering. Dorthin
gelangt rückseitig der Rinne von Südwesten her bereits etwas kühlere und
wolkenreiche Luft, wobei sich auch dort natürlich Schauer und Gewitter
entwickeln können.
Während es im Südwesten wohl bereits etwas kühler bleibt, ändert sich sonst an
den Temperaturen nur wenig.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle zeigen im Kurzfristbereich eine ähnliche
Wetterentwicklung. Regional detailliert lassen sich die Schwerpunkte der
Gewittertätigkeit am Mittwoch und am Donnerstag aktuell natürlich noch nicht
herausarbeiten, die Ausgabe von Vorabinformationen ist aber an beiden Tagen wohl
denkbar.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff