DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-06-2018 08:01
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.06.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SEz

Weiterhin gewittrig, lokal hohes Unwetterpotential heute noch verbreitet im
Norden, morgen im Nordosten und Süden. Am Sonntag Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegen der Osten und der Norden Deutschlands unter einem Höhenrücken
in 500 hPa, der vom Balkan bis zur Nordsee ausgreift. Diesem steht ein
Langwellentrog gegenüber, der weite Teile Westeuropas überdeckt und von dem
aktuell ein kurzwelliger Anteil von Frankreich her in Richtung Alpen weist.
Dieser ist auf seiner Vorderseite auch für die Hebungsprozesse im Westen des
Vorhersagegebietes verantwortlich, die aktuell und schon in der Nacht zu
heftigen Niederschlägen geführt haben. Der Höhenrücken wird auch im Norden
angeknabbert, dort ist es der kurzwelliger Anteil eines Langwellentroges über
Russland, der auf der Nordostflanke des Rückens nach Südosten und damit Richtung
Polen abläuft. Insgesamt sind die Geopotentialgegensätze aber schwach
ausgeprägt. Ähnlich verhält es sich bodennah, wo ein flaches Tief über dem
Norden und der Mitte Deutschlands den Schwerpunkt einer Tiefdruckrinne bildet,
die sich von den Britischen Inseln bis nach Rumänien und Bulgarien erstreckt und
die im Tagesverlauf etwas nach Norden vorankommt. Die Gebiete höheren
Luftdrucks, die über der Biskaya und über Weißrussland/Russland liegen,
beeinflussen unser Wetter kaum.

In dieser Gesamtkonstellation liegt Deutschland weiterhin unter
gewitterträchtiger Luft, und eine nennenswerte Deckelung ist allenfalls über dem
Nordosten zu erkennen (laut ICON-EU CIN-Werte von über 100 J/kg) In den übrigen
Gebieten ist, wie beschrieben, die Situation in der Höhe zwar wenig dynamisch,
aber in der Gesamtschau unterstützt sie die Hebung eher als dass sie sie
unterdrückt. Will man die Gebiete der schwersten Gewitter eingrenzen, so fällt
zumindest bei ICON-EU ein Streifen ins Auge, der vom Emsland im Westen bis nach
Sachsen und ins südliche Brandenburg reicht und der sich durch hohe PPW-Werte
von bis zu 45 mm (im Emsland) und hohe CAPE-Werte (lokal über 1500 J/kg im
gesamten beschriebenen Streifen) auszeichnet. EZMW (gestriger 12 UTC Lauf)
simuliert in einem ähnlich orientierten Streifen ähnlich hohe CAPE-Werte,
COSMO-D2 unterstützt die Sichtweise in seinen Ensembles, beispielsweise bei
Betrachtung der Niederschlagswahrscheinlichkeiten, wo die Werte für mehr als 15
mm und mehr als 25 mm in jeweils einer Stunde ebenfalls in dem beschriebenen
Streifen am höchsten sind. Bezüglich der CAPE-Werte zeigt sich bei COSMO-D2 aber
eine Doppelstruktur, mit einem Streifen hoher Werte (maximal um 1500 J/kg) vom
Emsland bis zur Lausitz und einem von Hamburg bis nach Vorpommern. Recht ähnlich
ist auch die Sichtweite bei ARPEGE. Dass nicht alle Modelle die Situation
ähnlich einschätzen zeigen die Muster bei GFS. So liegen bei diesem Modell
beispielsweise die höchsten PPW-Werte mit 42 mm zwischen Hamburg und Bremen
sowie nördlich von Berlin, die höchsten CAPE-Werte überdecken ein Gebiet von der
Nordsee bis nach Polen und Tschechien, wobei die Spitzenwerte über 2000 J/kg
liegen. Es kristallisiert sich aber heraus, dass als Bereich für eine
Vorabinformation der beschriebenen Streifen am ehesten in Frage kommt, wobei die
bevorzugten Begleiterscheinungen wieder (auch heftiger oder extrem heftiger)
Starkregen sowie Hagel oder Hagelansammlungen sein werden, erst in zweiter Linie
sind hier einzelne mögliche Sturmböen zu nennen. Um eines aber klar zu sagen:
Auch in den übrigen Gebieten sind einzelne, auch heftige Gewitter möglich! Eine
etwas ruhigere Situation deuten die Modelle allenfalls von der Alb bis zum Inn
und von Oberschwaben bis ins südliche Franken an. Dort ist die Luft insgesamt
trockener.

In der Nacht zu Samstag laufen die beiden Kurzwellentröge ineinander, so dass
der Höhenrücken über Deutschland quasi komplett verschwindet und nur Gebiete
schwach erhöhten Geopotentials über dem westlichen Mittelmeer und dem Balkan
verbleiben, was insgesamt einen nochmals zurück gehenden Geopotentialgradienten
bedeutet. Im Bodendruckfeld wandert das osteuropäische Hoch etwas nach Südosten,
so dass das flache Tief über Norddeutschland Verbindung mit einem Tief über
Nordosteuropa aufnehmen kann. Da andererseits über Frankreich der Druck etwas
steigt, wird der Luftdruckgegensatz über dem Süden und der Mitte Deutschlands
etwas zunehmen, ohne dass er wirklich kräftig wäre. In dieser Gemengelage
frischt der Wind in der Nacht um Nuancen auf, auf exponierten Gipfeln sind
steife Böen nicht gänzlich auszuschließen. Ansonsten klingt die
Gewittertätigkeit zögerlich ab, die geringen Spread-Werte deuten trotz der
kurzen Nacht neblige oder zumindest dunstige Verhältnisse an, was auch MOS mit
Nebelwahrscheinlichkeiten von bis zu 60% andeutet.

Ein Problem bei der Abschätzung der künftigen Wetterentwicklung ist, dass die
Modelle schon die aktuelle Situation nur schlecht abbilden - wie sollen sie dann
die zukünftige Entwicklung fassen? Somit stehen die Prognosen, auch für die
Folgetage, diesbezüglich auf etwas wackligen Füßen.

Samstag... ist im Geopotentialfeld keine durchgreifende Änderung im Vergleich
zum Vortag erkennbar. Das Rückenresiduum über Norditalien greift ein wenig (aber
wirklich nur ein wenig) nach Norden aus, und im Bodendruckfeld sinkt über
Frankreich der Druck wieder, das flache Hoch der Nacht verschwindet und in der
Folge fächert der Gradient wieder auf und der ohnehin nur mäßige Wind lässt
wieder etwas nach. Zwischen dem sich abschwächenden Hoch und dem sich nach
Nordosten verlagernden Tief wird von Nordwesten her etwas trockenere,
insbesondere aber kühlere Luft in der unteren Troposphäre in den Westen und in
große Teile des Nordens gesteuert. Dies sorgt, zumindest laut ICON-EU, für einen
Rückgang der PPW-Werte, vor allem aber in der Deutschen Tiefebene sowie im
Westen für eine signifikante Stabilisierung der Schichtung. Zwar liegen die
PPW-Werte dort immer noch über 30 mm, aber die Lapse-Rates sind mit etwa -0,55
K/100 m deutlich niedriger als am Vortag.

Stattdessen sieht COSMO-EU den Nordosten als besonders gewittergefährdet an, in
dem die schwül-warme Luftmasse der Vortage weiterhin aktiv ist. Dies zeigt sich
auch an den CAPE-Werte, die dort noch bei knapp 1000 J/kg liegen sollen, aber
auch an den PPWs, die Werte von knapp 40 erreichen. Dagegen fällt der Süden
etwas ab, aber auch dort liegen die CAPE-Werte zumindest punktuell immerhin bei
bis zu 800 J/kg, aber die Luftmasse besitzt mit PPWs von bis zu 28 mm einen
deutlich geringeren Anteil an niederschlagbarem Wasser. Vor allem im Westen ist
die Wahrscheinlichkeit für Gewitter gering, im Nordwesten sind Gewitter nicht
wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen.

Und die anderen Modelle? GFS simuliert die höchsten PPW-Werte mit 38 mm
ebenfalls im Nordosten, und auch bezüglich der CAPE-Werte liefert GFS eine
ähnliche Verteilung wie auch ähnliche Spitzenwerte wie ICON-EU. Bei insgesamt
höheren CAPE-Werten zeigt auch COSMO-D2 (03 UTC) eine vergleichbare Verteilung,
so dass sich die beschriebene Situation schon auf ein breiteres Portfolio an
Modellen stützt. Leicht abweichend präsentiert sich EZMW (12 UTC von gestern),
wo die höchsten CAPE-Werte recht lokal im Berliner Raum liegen soll. Bezüglich
der Begleiterscheinungen gibt es nichts Neues zu vermelden. Starkregen, lokal
auch im Unwetter- oder im extremen Unwetterbereich, dazu wieder Hagel, und
vereinzelt auch eine Sturmbö.

In der Nacht zu Sonntag lassen die Schauer und Gewitter erneut zögerlich nach,
lokal kann sich Nebel bilden. Synoptisch ändert sich die Situation erneut nur
unwesentlich, nur über dem Oberrhein deutet sich bei steigendem Geopotential die
Bildung eines neuen Rückens an.

Sonntag... und in der Nacht zu Montag entwickelt sich der angedeutete schwache
Höhenrücken nur sehr zögerlich und auch erfolglos, denn in der Nacht zu Montag
sorgt fallendes Geopotential in diesem Bereich schon wieder für seine Auflösung.
Im Bodendruckfeld schiebt sich von Nordwesten her ein schwacher Hochkeil in die
Mitte Deutschlands, allerdings bleiben die Luftdruckgegensätze weiter insgesamt
schwach.

Der Hochkeil, die in den Norden und Westen eingeflossene trockenere und
stabilere Luft - am Sonntag zeigen nach heutigem Stand nur noch der äußerste
Osten und der Süden ein erhöhtes Gewitterpotential. Da die CAPE-Werte (laut
ICON-EU) nur noch bis auf 500 J/kg, lokal bis 800 J/kg steigen sollen und die
PPW-Werte kaum noch über 25 mm steigen, sollte sich die Mehrzahl der Gewitter
auch im ocker-Bereich bewegen, die Gefahr von Unwetter sinkt im Vergleich zu den
Vortagen deutlich.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren selbst die Abläufe am heutigen Tag nicht einheitlich,
gleichwohl lassen sich deutliche Ähnlichkeiten in den Modellfeldern erkennen.
Unterschiede wie auch Parallelitäten zwischen den verschiedenen Modellen wurden
im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas