DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-06-2016 21:00
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.06.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute Abend besonders im Westen und Osten Deutschlands teils schwere Gewitter
mit heftigem Starkregen und örtlich mit größerem Hagel - Unwettergefahr!
Östlicher Alpenrand durch weiderholt auftretende Schauer Dauerregengefahr. Sonst
im Osten rasch, im Westen zögernd nachlassende Unwettergefahr. Am Freitag in
großen Teilen Deutschlands erneut erhöhtes Unwetterrisiko.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt das Drehzentrum eines ausgeprägten Höhentiefs über den
zentralen Alpen. In dessen Umfeld rotieren mehrere markante Kurzwellen, über
Niederösterreich nach Tschechien verlagernd gar ein kleinräumiges Höhentief,
entgegen dem Uhrzeigersinn von Südost nach West und beeinflussen Deutschland.
Bodennah weitet sich entlang einer Bodenkonvergenz ein kleinräumiges Bodentief
von Ostdeutschland westwärts aus. Im Zuge dieser Konfiguration strömt weiterhin
sehr feuchte Luft von Polen in den Norden und Nordwesten Deutschlands, wobei die
PPW-Werte von Schleswig-Holstein bis nach Nordrhein-Westfalen bei 35 bis teils
40 mm liegen. Entsprechend eines nur schwach ausgeprägten Geopotentialgradienten
ist die hochreichende Scherung von 0-6 km insgesamt mit 5-10 m/s zwar sehr
schwach ausgeprägt, doch wenn man sich die 1-8 km Scherung von teils mehr als 15
m/s anschaut, dann ist die tendenziell raschere Westverlagerung der Gewitter
über Norddeutschland zu erklären. Hierbei muss in diesen Gebieten bis in die
Abendstunden hinein mit kräftigen Gewittern gerechnet werden, die Starkregen von
15 bis 25 l/qm binnen 1 Stunde bringen können. Lokal ist auch größerer Hagel mit
von der Partie, da besonders von 3-5 km über Grund die Luftmasse etwas trockener
wird. Gebietsweise ist UNWETTERpotential gegeben.
Demgegenüber ist die Scherung über dem Südosten Bayerns und dem Süden Sachsens
hochreichend sehr gering, was sehr langsame, teils auch stationäre Gewitter
bevorzugt. Hier muss mit Starkregen von bis zu 25 l/qm in einer Stunde, teils
auch mehr, gerechnet werden (erhöhte UNWETTERgefahr).
Ein weiterer Schwerpunkt mit UNWETTERpotential ist zum Abend hin über dem Westen
Deutschlands gegeben. Vorderseitig des sich von Osten annähernden Bodentiefs
nimmt die Feuchteflusskonvergenz stetig zu bei PPW-Werten von über 35 mm.
Ageostrophisch bedingt nimmt die Windgeschwindigkeit in den untersten 1-2 km
über Grund etwas zu, was zeitweise nordostwärts anbauende Gewitter mit sehr
hohem Starkregenpotential unterstützt. Es besteht UNWETTERgefahr durch
Starkregen, punktuell kann das Erreichen von stündlichen Niederschlagsmengen von
mehr als 40 l/qm/h (EXTREMES UNWETTER) nicht ausgeschlossen werden. Wie auch in
Sachsen und Bayern muss im Westen Deutschlands zeitweise mit sehr hohen Mengen
an kleinem Hagel gerechnet werden, was hochreichend feuchte und nur mäßig labil
geschichtete Vorhersagesoundings andeuten.
Gewitter sind zwar auch im Südwesten und im Süden möglich. Aufgrund geringerer
Labilität und kaum vorhandenem CAPE sollten konvektive Umlagerungen in diesen
Gebieten jedoch nicht so heftig ausfallen, wodurch Unwetter dort weniger
wahrscheinlich sind. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Norden und
Nordosten 20 bis 25 und sonst je nach Sonnenscheindauer 16 bis 22 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der östliche Kern des o.g.
Höhentiefkomplexes nach Ostsachsen bzw. Nordböhmen. An dessen Nord- und
Westflanke kommt ein kräftigerer Hebungsantrieb zustande; zudem verstärkt sich
die Zufuhr feuchtlabiler Luft aus dem südosteuropäischen Raum. Während die
Schauer- und Gewittertätigkeit im Nordwesten und Westen mit dem Abzug des
flachen Bodentiefs und des Kurzwellentroges in der Höhe weitgehend zum Erliegen
kommen sollte, kehrt im Osten und Süden nicht so recht Ruhe ein; vielmehr lebt
in der Nacht von Osten und Süden her die Konvektion erneut auf. Bei MCLAPE von
500-1000 J/Kg über dem Osten Deutschlands und sehr schwacher Höhenströmung
stehen besonders ausgangs der Nacht erneut langsam ziehende Schauer und Gewitter
im Vordergrund, die Starkregen von 15-25 l/qm/h und Hagel bringen können.
Besonders durch Starkregen (mehr als 25 l/qm/h) besteht in diesen Bereichen eine
latente UNWETTERgefahr. In Richtung Bayerischer Wald nimmt die Labilität zwar
etwas ab, doch auch hier herrscht ein lokales UNWETTERpotential durch Starkregen
dank langsam ziehender Zellen. Über dem Süden und Südwesten können zwar auch
einzelne Schauer auftreten, bei deutlich geringeren PPW-Werten und sehr geringer
Labilität sollten der Starkregen mit 15-25 l/qm jedoch im markanten Bereich
verharren.

Donnerstag ... verlagert der nördliche Kern des Höhentiefkomplexes seine
dipolartige Bewegung fort. Das Drehzentrum befindet sich etwa über den
Zentralalpen; folglich verlagert sich dieser Kern über die Mitte Deutschlands
hinweg nach Südwesten. Das Schwenken dieses Kerns sorgt erneut für Druckfall,
was ein ausgedehntes, flaches Tief zur Folge hat, das sich über den mittleren
Regionen Deutschlands bildet und nach Südwesten ausweitet. Im Zuge dieser
Entwicklung wird aus Polen und Tschechien etwas trockenere Luft in der Höhe
besonders in die Mitte und den Norden Deutschlands geführt, wobei die PPW-Werte
auf 25-30 mm zurückgehen. Die Zufuhr trockenerer Luft geht auch mit einem etwas
stärkeren Temperaturgefälle in 3-5 km über Grund einher, was im Norden und
Nordosten den MLCAPE auf 1000 bis 2000 J/kg ansteigen lässt. In Richtung der
Mittelgebirge nimmt das CAPE etwas ab auf 500 und 1000 J/kg. Mit diesen erhöhten
CAPEwerten nimmt die Hagelgefahr im Norden im Vergleich zu den Vortagen zu, aber
auch mit Starkregen bis 25 l/qm/h und stürmischen Böen muss gerechnet werden.
Besonders im Bereich einer flachen Bodentiefdruckrinne, die sich vom Vogtland
bis ins südliche Niedersachsen erstreckt, werden erneut langsam ziehende
Gewitter inklusive eines hohen Starkregenpotentials erwartet. Erneut muss mit
der Ausgabe von UNWETTERwarnungen besonders in der Mitte und im Norden
Deutschlands gerechnet werden. Am geringsten ist die Wahrscheinlichkeit für
Unwetter noch in den Mittelgebirgen westlich des Rheins und südlich der
westlichen Mittelgebirge; dort ist die Luftmasse etwas trockener, ein wenig
stabiler und auch CAPE erreicht keine nennenswerten Größenordnungen.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 18 bis 24, im Nordosten bis 27 Grad.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der o.g. Höhentiefkern in den Südwesten
Deutschlands, gefolgt von einem weiteren Teiltief, das auf Niederösterreich
übergreift. Letzteres hält die Zufuhr feuchtlabiler Luft aus Südosteuropa
aufrecht. An dessen Nordflanke entwickelt sich erneut ein flaches Tief, das von
Böhmen her auf den Osten Deutschlands übergreift und bis nach Mitteldeutschland
hinein die Gewittertätigkeit (bis hin in den Unwetterbereich (Starkregen)
hinein) aufleben lässt. Ansonsten sollte die Konvektion im Laufe der Nacht
weitgehend zum Erliegen kommen. Dort, wo es zuvor viel geregnet hat, kann sich
Nebel bilden. Die Tiefstwerte liegen bei 16 bis 12 Grad im Norden und bei 13 bis
9 Grad im Süden.
Freitag ... schwenkt auch dieses Teiltief von Böhmen kommend südwestwärts.
Allerdings sind dessen Strukturen nicht mehr so deutlich ausgeprägt wie bei dem
vorangegangenen Ereignis. Von Norden her macht sich allmählich
Geopotentialanstieg bemerkbar, der aus dem blockierenden Hoch über dem
isländischen Raum resultiert. Dennoch bleibt eine flache Tiefdruckrinne, die
sich von Böhmen bis nach Holland erstreckt, bestehen. In deren Bereich steigt
CAPE nochmals bis auf etwa 2000 J/kg; auch der Gehalt an niederschlagbarem
Wasser ist mit 25 bis über 35 mm "unwetterträchtig", aber CAPE wird im
Tagesverlauf zusehends von Norden her gedeckelt, was auf das bodennahe
Einsickern trockenerer Luft von Nordosten her hindeutet. Demzufolge steigt in
diesen Regionen auch das Kondensationsniveau an; die Auslösetemperatur sollte
dann nicht mehr erreicht werden.
Im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Tagen lässt sich der Südwesten nicht
mehr als die Region herausarbeiten, wo die Unwettergefahr geringer ist. Da auch
in diesen Gebieten der Gehalt an niederschlagbarem Wasser deutlich über 20 bis
etwa 30 mm beträgt und CAPE bis etwa 500 J/kg erreicht, sind zumindest die
Voraussetzungen für heftigen Starkregen gegeben. Vielmehr kristallisieren sich
der Küstenbereich und der äußerste Nordosten als die Regionen heraus, wo
konvektiv nicht mehr allzu viel passieren sollte.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 19 bis 25 Grad, wobei eine relativ
ausgeglichene Temperaturverteilung zu erwarten ist.

In der Nacht zum Samstag ändert sich an der Druck- und Geopotentialverteilung
nur wenig. Vielmehr stellt sich eine ausgesprochen gradientschwache Lage ein.
Etwas dynamische Unterstützung ist allenfalls noch von der flachen
Tiefdruckrinne zu erwarten, deren Achse sich in ihrem östlichen Teil etwas nach
Süden, d.h. bis in den Bereich der Mainlinie, verlagert. Folglich würde sich
auch diese Region für die heftigsten Entwicklungen (bis hin zum Unwetter durch
Starkregen) anbieten.
Auch weiter nach Süden hin kommt die Konvektion wahrscheinlich noch nicht so
recht zur Ruhe, auch wenn da die Entwicklungen mangels dynamischen Antriebes
weniger heftig sind.
Von Nordosten her kann sich die trockenere Luft etwas weiter südwestwärts
durchsetzen, so dass nördlich der Mittelgebirge zumindest in der zweiten
Nachthälfte keine konvektiven Umlagerungen mehr auftreten sollten. Dort, wo es
zuvor viel geregnet hat, kann sich Nebel bilden.

Samstag ... ändert sich an der Bodendruck- und Geopotentialverteilung über
Deutschland sehr wenig. Aus heutiger Sicht scheint sich die relativ gesehen
stärkste zyklonal geprägte Höhenströmung über dem Süden Deutschlands zu
etablieren, wobei sich dies auch im Bodendruckfeld in Form einer sich
abschwächenden Tiefdruckrinne manifestiert. Somit dauert das Potential für
heftige, teils auch unwetterartige Gewitter besonders in der Mitte und im Süden
Deutschlands an. Von Norden sickert im Zuge einer geringfügigen
Geopotentialerhöhung und eines sich in Richtung Nordsee ausweitenden Bodenhochs
etwas trockenere Luft in den Norden Deutschlands ein, was besonders das
Unwetterpotential dort stark mindern sollte. Die Tageshöchsttemperaturen liegen
zwischen 23 bis 27 Grad im Nordosten und bei 19 bis 24 Grad im Süden und Westen
Deutschlands.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis einschließlich Freitag gehen die deterministischen Modelle hinsichtlich der
Lage und der zeitlichen Verlagerung der steuernden synoptischen Druckgebilde
relativ einstimmig Hand in Hand. Kleinere Diskrepanzen sind bei den kurzwelligen
Trögen zu erkennen, die jedoch entscheiden sind für die lokale Ausprägung der
Gewitterherde. Eine räumliche Eingrenzung der Regionen mit dem größten
Unwetterpotential ist daher schwierig. Allerdings zeigen alle Modelle bis
einschließlich Samstag ein erhöhtes Unwetterpotential durch punktuell
auftretenden Starkregen und Hagel. Der EFI von EZMW unterstützt die ungewöhnlich
hohe CAPEverteilung über dem Norden Deutschlands (am Donnerstag teils bis 0.8).
Solch hohe CAPEwerte lassen auch eine zunehmende Gefahr von Großhagel erwarten,
auch wenn die geringe Scherung dieses Risiko eher begrenzen sollte. Weiterhin
bieten die Ensemblevorhersagen wiederholt Signale für Starkregen im
Unwetterbereich an.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy, Michael Goethel