DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-05-2018 17:30
SXEU31 DWAV 231800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 23.05.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Donnerstag im Westen, Süden und in den mittleren Gebieten, am Freitag von
Benelux nach Nordbayern teils heftige Gewitter mit Unwettern durch Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... ist in Deutschlands Norden hohes geopotential wetterbestimmend,
welches einem Höhenhoch geschuldet ist, das über Schottland und der nördlichen
Nordsee zu finden ist und sich in der Nacht bis über den Süden Norwegens
verlagert. Im übrigen Deutschland herrscht, relativ betrachtet, tiefes
Geopotential, auch wenn die absoluten Werte recht hoch liegen. Dabei zeigt sich
aktuell ein schwach ausgeprägtes Höhentief über dem Norden und Nordwesten
Frankreichs, das sich in der Nacht intensiviert und dessen Kern am Morgen an der
Nordküste der Bretagne liegt. Es ist dabei insofern für unser Wetter
verantwortlich, als von ihm ausgehend ein Trog nach Südwesten weist, an dessen
Vorderseite am Dienstag über dem Süden und der Mitte Deutschlands Hebung
indiziert wird. Doch dazu in der Folge mehr.

Im Bodendruckfeld korrespondiert mit dem Höhenhoch hoher Luftdruck über weiten
Teilen Skandinaviens und auch über dem Norden Deutschlands. Dort herrscht, von
einigen, meist hohen Wolken abgesehen, ruhiges Wetter vor. Über dem Süden
dagegen liegt, am Rande eines großräumigen, aber flachen Tiefs über weiten
Teilen des Südens, feuchte und labil geschichtete Luft. Die Werte des
niederschlagbaren Wassers liegen dabei laut ICON6-Nest in der gesamten Südhälfte
bei 25 bis 30 mm, die CAPE-Werte erreichen laut diesem Modell in der Spitze
Werte von über 1000 J/kg. Bei GFS liegen die CAPE-Werte in ähnlicher
Größenordnung, die ppw-Werte dagegen im Mittel etwas niedriger. Letztendlich ist
eine Diskussion darüber aber auch müßig, sind die entsprechenden Gewitter doch
schon einige Stunden im Gange, und werden auch weit in die Nacht anhalten. Dabei
ist aus der Höhe praktisch keine dynamische Hebung zu erwarten. Die sehr flauen
Höhenwinde und die limitierte Fähigkeit zur Fallböenproduktion lassen an den
Gewitter maximal Böen der Stärke 8 erwarten, und selbst für diese Stärke sollte
es nur vereinzelt reichen. Bei sehr geringer Zuggeschwindigkeit liegt das
Hauptaugenmerk wieder auf dem Starkregen, der mit über 25 l/qm in kurzer Zeit
durchaus wieder im Unwetterbereich liegen kann. Lokal sind Mengen um 40 l/qm
denkbar. Hagel sollte nur in kleinen Größen, kann dafür aber mitunter in großen
Mengen auftreten, was Hagelansammlungen bedeutet. Im Laufe der Nacht nimmt die
Intensität der beschriebenen Begleiterscheinungen natürlich ab, lokale Unwetter
sind aber bis in die erste Nachthälfte denkbar. In der zweiten Nachthälfte soll
dann im Süden die Niederschlagsaktivität wieder zunehmen. Das Problem ist, dass
diese regional recht unterschiedlich angesetzt wird. CSOMO-D2 (12 UTC-Lauf)
simuliert aus der Nacht heraus ein 3-stündiges Niederschlagsmaximum im Bereich
Ansbach, dass die beiden jüngsten Vorläufe noch bei Nürnberg diagnostiziert
haben. COSMO-EU sieht dieses Maximum nördlich von München, und liegt damit etwa
auf der Linie von Arome, während Arpege dieses Niederschlagsmaximum großflächig
zwischen Stuttgart und München verdrahtet. Eine weitere Lösung bietet GFS, wobei
das Maximum ähnlich wie bei Arpege in Schwaben zu finden sein soll. Viele
Lösungen also für ein in Kürze zu erwartendes Phänomen und damit eine
unbefriedigende Prognosesituation.

Im Bereich des Übergangs von hohem zu tiefem Druck, etwa in einem Streifen von
den Niederlanden bis nach Tschechien, ist der Gradient etwas schärfer
ausgeprägt. Damit weht dort der Wind mitunter, im Gegensatz zu den übrigen
Gebieten, auch frisch, aber abgesehen von exponierten Gipfellagen nicht steif
und damit auch nicht warnwürdig. Ebenso verhält es sich im Norden mit dem Nebel,
da die Luft sich als dafür deutlich zu trocken erweist, sollen die Spreads im
Norden in der Nacht doch bei etwa 7 Grad.

Donnerstag ... bleibt über dem Norden Deutschlands der hohe Luftdruck
dominierend. Zwar wird das Hoch an seiner Südflanke, und damit über Deutschland,
ein wenig abgebaut, aber das Wetter bleibt im Norden und Nordosten ruhig. Da
gleichzeitig im Südwesten der Druck fällt, bleibt über der nördlichen Mitte
Deutschlands der Gradient etwas kräftiger ausgeprägt als über dem Rest des
Landes, was dort weiterhin kräftige Böen bedeutet.

In der Höhe (500 hPa ist insgesamt sinkendes Geopotential zu erkennen. Dabei
greift das Höhenhoch von Südskandinavien her im Tagesverlauf etwas in Richtung
Südosten aus, und da auch über Italien das Geopotential etwas steigt, bildet
sich eine schwache Geopotentialbrücke aus. In diese ragt von Westen her ein
schwacher Trog hinein, der, wie oben schon angedeutet, mit dem Höhentief über
Nordwestfrankreich in Verbindung steht. Auf der Vorderseite dieses schwachen
Troges (der im Vergleich zum Vorlauf nochmals schwächer gerechnet wurde) kommt
es zu Hebungsprozessen, in deren Folge der Druck über dem Süden Deutschlands
sinkt. Es verstärk sich somit eine Tiefdruckrinne, die im Tagesverlauf nach
Ansicht der meisten Modelle (ICON, COSMO-D2, GFS) aber kaum nach Norden
vorankommt, aus der allerdings der äußerste Südwesten Deutschlands ausgespart
ist. Bezüglich der Luftmasse ändert sich im Vergleich zu den Vortagen wenig. Die
ppw-Werte liegen bei COSMO-EU etwas höher als am Vortag bei Werten zwischen 27
und 33 mm. Die CAPE-Werte dagegen liegen etwas niedriger als heute, sie
erreichen laut COSMO-EU nicht mehr die 1000 J/kg Schwelle. GFS liegt bei den
ppw-Werte mit COSMO-EU auf Augenhöhe, bezüglich der CAPE-Werte ist GFS etwas
offensiver. Das ist aber nichts gegen COSMO-D2, das sogar CAPE-Werte über 1600
J/kg anbietet. Letztendlich ist die Lage etwas, aber auch wirklich nur etwas
brisanter als am Vortag, die Begleiterscheinungen der erwarteten Gewitter werden
aber wieder nur Starkregen und kleinerer Hagel sein, wobei das Auftreten etwas
großräumiger und der Regen etwas stärker sein könnte.

Nördlich des Troges und der Rinne sehen alle Modelle recht kräftige Hebung,
wobei GFS (auf 06 UTC) den Schwerpunkt von Hebung und Niederschlag am Vormittag
in Baden-Württemberg und am Nachmittag in Ost/Nordostbayern sieht und damit eine
Außenseiterlösung darstellt. Die meisten (hoch) aufgelösten Modelle sehen vor
allem einen Streifen vom Niederrhein und Münsterland bis nach Ostbayern und
Westsachsen betroffen. Dabei simulieren die Modelle oft eine schmale, dafür aber
eine konvektiv sehr aktive Struktur, die in den Modellen leider an
unterschiedlichen Stellen platziert wird. COSMO-D2 und ICON-EU setzten den
Schwerpunkt in einem Streifen vom Südlichen Niedersachsen im Nordwesten bis nach
Westsachsen und Ostbayern im Südosten. Arpege (06 UTS) legt den Schwerpunkt in
einem Streifen vom Ruhrgebiet bis nach Nordbayern. Arpege ist grob gesagt auf
der COSMO-Schiene. Die unterschiedliche Sichtweise der Modelle macht eine exakte
Prognose der betroffenen Gebiete schwierig, was auch für die frühzeitige Ausgabe
einer möglichen Vorabinformation gilt. Gegen letzter spricht vor allem die
Probabilistik, wobei die COSMO-D2 Ensembles in dem angesprochenen Streifen nur
maximal 20% Wahrscheinlichkeit für 1-stündige Regenmengen über 25 l/qm liefern.


In der Nacht zum Freitag schwenkt der Kurzwellentrog, der von dem nach wie vor
an der Westspitze der Bretagne liegenden Höhentief ausgeht, in die Nordsee.
Somit dürfte die Dynamik als Antrieb für die Konvektion ausfallen, so dass die
Gewittertätigkeit alsbald abklingt. Dort, wo es zuvor viel geregnet hat, kann
sich Nebel bilden.

Freitag ... nimmt im 500-hPa-Niveau das Höhenhoch über Skandinavien deutlicher
eine Verbindung mit dem relativ hohen Geopotential über dem Mittelmeer auf, so
dass sich von Nord nach Süd über Deutschland eine Hochdruckbrücke bildet. Dieser
Brücke stehen ein lang gestreckter aber flacher Trog, der von den Britischen
Inseln bis nach Portugal reicht, und ein abgeschlossenes Höhentief über Polen
gegenüber. Das polnische Höhentief ist recht kleinräumig, kommt aber im
Tagesverlauf etwas nach Westen voran um beeinflusst so den Nordosten unseres
Landes. Insgesamt sollte der Geopotentialgewinn der bereits seit Tagen
andauernden Gewitterlage aber eine gewisse Entspannung verschaffen. Dies
insbesondere deshalb, weil sich die Labilität deutlich verringert. Zwar kommt im
Westen die feuchtere Luft etwas nach Norden voran, aber es ist eine leichte
Deckelung vorhanden, und laut COSMO-EU ist auch die verfügbare Energie der
Atmosphäre (CAPE)deutlich niedriger als an den Vortagen. Am feuchtesten ist die
Luft noch in einem Streifen von Benelux nach Nordbayern, und da dieser mit den
höchsten CAPE-Werten koinzidiert, sind dort auch die potentiell stärksten
Gewitter zu erwarten, so sie denn bei geringer Labilität entstehen. Insgesamt
sind Unwetter deutlich weniger wahrscheinlich als am Vortag, aber nicht
auszuschließen.

Im Norden und Nordosten, aber auch in Teilen Südwestdeutschlands, sind längere
sonnige Abschnitte zu erwarten. Gegenüber den Vortagen deutet sich ein leichter
Temperaturanstieg an.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich der o.g. Kaltlufttropfen nach
Südwestpolen. Konvektion sollte hierdurch noch nicht ausgelöst werden, da sich
an der Nordwestflanke dieses Kaltlufttropfens leichte Kaltluftadvektion
abzeichnet. Bei geringen Luftdruckgegensätzen kann sich vor allem im Westen und
Süden, wo es zuvor viel geregnet hat, Nebel bilden.

Samstag ... liegt Deutschland weiter zwischen dem flachen Höhentiefkomplex über
West- und Südwesteuropa und dem kleinen, inzwischen ebenfalls nur schwach
ausgeprägtem Höhentief über Südwestpolen, das bis Tagesende sehr langsam zur
Neiße zieht. Am Boden liegen wir zwischen weiter zwischen der Hochdruckzone über
Südskandinavien und dem flachen Tiefkomplex über Südwesteuropa in einer warmen
östlichen bis südöstlichen Strömung.



Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der großen synoptischen Strukturen sind sich die Modelle weitgehend
einig. Im Detail, insbesondere bezüglich der zu erwartenden konvektiven
Umlagerungen (Gewitter, Niederschläge) zeigen sich schon in der kommenden Nacht
deutliche Unterschiede, die im Text erläutert wurden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas