DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-05-2018 08:01
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 22.05.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen HNFz und HNFa (Hoch Nordmeer-Fennoskandien zyklonal
bzw. antizyklonal)

Jeden Tag aufs Neue Gewitter bis in den Unwetterbereich, vor allem durch
Starkregen, vereinzelt auch durch größeren Hagel. Heute besonders im Westen und
Südwesten, am Mittwoch in der Südhälfte, am Donnerstag in der Mitte und im Süden
(etwas mehr als Südhälfte).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... präsentiert sich die Höhenströmung über Mitteleuropa respektive
Deutschland nach wie vor in einem extrem schlaffen Zustand, so dass man in der
Potenzialdarstellung fast schon die 1-zu-1-Auflösung wählen muss, um gewisse
Strukturen zu erkennen. Tut man das, dann findet man eine schmale, von
Frankreich bis zur Nordsee reichende Potenzialrinne sowie weitere kleine
Höhentiefs über Nordpolen und dem Golf von Genua. Dazwischen schiebt sich vom
östlichen Alpenraum bzw. dem nördlichen Balkan her ein flacher Rücken bis nach
Deutschland vor, der für ein leicht antizyklonales Höhensetup sorgt - wie
gesagt, alles bei sehr schwachen Höhenwinden, so dass unter dem Strich keine
nennenswerten dynamischen Impulse erwartet werden können.
Widmen wir uns also ein paar Etagen tiefer, wo die Luftdruckverteilung nun auch
nicht gerade durch imposante Gradienten auffällt. Geprägt ist das Ganze von
einer umfangreichen, quasi ganz Südeuropa überdeckenden Tiefdruckzone mit etwas
unter 1015 hPa, die ihre Fühler bis zu uns austreckt. Ihr gegenüber steht eine
langgestreckte Hochdruckzone, die ausgehend vom Azorenhoch bis zum Europäischen
Nordmeer und von dort weiter bis in den fennoskandischen Raum reicht. Für den
Vorhersageraum bedeutet dieses Konstellation eine schwach östliche
Grundströmung, mit der trockene, kontinental geprägte Luft in weite Teile Nord-
und Ostdeutschlands, zunehmend aber auch in den Südosten gelangt oder schon
gelangt ist. Dort steht einmal mehr ein sonnenscheinreicher und
niederschlagsarmer Tag auf der Karte mit Tageshöchstwerten von 23 bis 27°C,
abzüglich des höheren Berglands und Küstenabschnitten mit beständig auflandigem
Wind, wo es z.T. um einige Grad frischer bleibt.
Synoptisch interessanter geht es im Westen und Südwesten, bedingt auch im Süden
zu, wo die Luft tendenziell feuchter und labiler ist. Mit Hilfe von Einstrahlung
wird MU-CAPE generiert, das in der Spitze Werte von rund 1000 J/kg oder etwas
darüber erreicht. So wird trotz fehlender Dynamik und auch ohne konfluente
Bodenwinde wird vereinzelt schon am Vormittag, ab dem Mittagsessen dann so
richtig die Popcorn-Maschine angeworfen, sprich, erst einzeln, später vermehrt
schießen Schauer- und Gewitterzellen in die Höhe, die mangels ausreichend
Scherung Einzel-, seltener auch mal Multizellencharakter haben. Geburtsort der
Gewitter wird das Bergland sein, das zunehmend Unterstützung durch die
andauernde Einstrahlung ergo das Erreichen der Auslösetemperatur von 20 bis 24°C
erfährt, so dass nicht ausschließlich das Bergland von der Gewitterei betroffen
sein wird. Bei PPWs von 20 bis lokal 30 mm und dem quasistationären Charakter
der Zellen muss in erster Linie von Starkregen bis in den Unwetterbereich
ausgegangen werden, wobei nicht nur das ein- sondern auch das mehrstündige
Kriterium in Betracht zu ziehen ist. Auch Hagel mit Korngrößen von 2-3 cm sollte
zumindest vereinzelt keine ganz große Überraschung sein, während der Wind
aufgrund der strömungsschwachen Rahmenbedingungen trotz inverser V-Struktur in
der Grundschicht eher eine Außenseiterrolle spielen sollte.
Was den Alpenrand und das südliche Vorland angeht, zeigen sich die verschiedenen
Modelle tendenziell eher zurückhaltend mit (starken) Gewittern, vor allem nach
Osten hin, was an dem überlagerten Rücken liegen könnte. Auch in den
Randbereichen zur trockenen Luft hin wie z.B. im Bayerischen Wald, dem
westlichen Thüringen oder dem südwestlichen Niedersachsen, sind einzelne Schauer
oder Gewitter zwar nicht ausgeschlossen, finden aber erschwerte
Entstehungsbedingungen vor.

In der Nacht zum Mittwoch passiert wahrscheinlich das, was häufig passiert bei
ähnlichen Wetterlagen. Dem Tagesgang folgend schwächen sich die konvektiven
Prozesse ab, kommen aber nicht gänzlich zum Erliegen. So offeriert die Numerik
auch in diesem Fall ausreichend Signale dafür, dass es im Westen und Südwesten
zu weiteren Gewittern, später dann teils-gewitterigen (Stark)Regenfällen kommt,
weil die Gewitter vom Abend mehr und mehr verclustern. Als begünstigender
Umstand für das nächtliche Überleben von Gewittern und Regen entpuppt sich die
Tatsache, dass sich der o.e. flache Rücken etwas zurückzieht und im Gegenzug die
westliche Potenzialrinne dichter an den Vorhersageraum heranrückt, wobei etwas
Höhendivergenz ergo Hebung erzeugt wird. Zwar nimmt die Unwettergefahr insgesamt
ab, für einige markante Warnungen wird es aber bis in die zweite Nachthälfte
wohl reichen.

Mittwoch... bleibt die Höhenströmung über Deutschland extrem flau, ja in der
Nordhälfte sogar quasi nicht-existent. Insgesamt steigt der Luftdruck etwas an,
wodurch die Tiefdruckzone bei uns an Kontur verliert und dabei etwas nach Süden
zurückgedrängt wird. Darüber hinaus nimmt der Gradient in der Nordhälfte etwas
zu und mit dem leicht auflebenden, auf Nordost drehenden Wind wird die trockene,
aus dem nordeuropäischen Hoch ausfließende (gemäßigte) Warmluft wieder weit in
den Westen verfrachtet. Weiter südlich - man kann sagen in der Südhälfte - hält
sich hingegen feuchtere und labilere Warmluft (T850 10 bis 13°C), in der sich
mit dem Tagesgang erneut Gewitter entwickeln werden. Da sich die
Rahmenbedingungen (PPW, MU-CAPE, Scherung etc.) gegenüber heute nicht
substanziell ändern werden, muss von einer ähnlichen Intensität der Gewitter
ausgegangen werden, sprich, lokale Unwetter sind am ehesten durch Starkregen
begründet, was etwas größeren Hagel aber nicht ausschließt.
Die Temperatur steigt in der überwiegend sonnigen Nordhälfte verbreitet auf
Werte um 25°C mit den schon bekannten Einschränkungen (Stichwort Seewind), sonst
werden je nach Einstrahlung 20 bis 27°C erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag dann fast schon busines as usual, will heißen, in
der Tendenz sich zwar abschwächende Gewitter, trotzdem im Süden und Südwesten
bis in die zweite Nachthälfte hinein gewittrige Regenfälle mit Starkregengefahr.
Mit Annäherung eines Randtroges von Süden her lebt die Gewittertätigkeit in den
frühen Morgenstunden im Süden eventuell schon wieder auf.

Donnerstag... schwenkt besagter Randtrog noch etwas weiter nach Norden, am Abend
reicht seine Achse (ICON, 500 hPa) von Belgien bis nach Oberfranken. Der dadurch
induzierte Druckfall lässt die Tiefdruckzone nebst potenziell instabiler
Warmluft von Süden her wieder etwas nach Norden ausgreifen, wobei man im
Bodenwindfeld mit etwas Fantasie sogar eine Konvergenz finden kann, die auch
gleich mal in der Vorhersagekarte (T+60h) verortet wurde. Kurzum, die
Rahmenbedingungen für konvektive Umlagerungen verbessern sich gegenüber den
Vortagen etwas bei leichter Verschiebung nach Norden. Trotzdem, im größten Teil
Nord- und Ostdeutschlands dauert das trocken-warme, frühsommerlich geprägte
Wetter mit Temperaturen bis zu 27°C an, was den einen oder anderen, aber nicht
jeden freuen wird. Denn, jeder weitere Tag ohne Niederschlag verschärft die
erhebliche Trockenheit, die dort nun schon seit Wochen vorherrscht. Gebietsweise
sind bisher nicht mal 5% des durchschnittlichen Monatssolls gefallen oder mit
anderen Worten, mehr als klägliche 1 bis 5 mm sind in diesem Mai noch nicht
gefallen. Verstärkt wird die Verdunstung zusätzlich durch den leicht böig
auflebenden Ostwind, der aber nur ganz vereinzelt an der Warnschwelle zur Stärke
7 Bft schnuppern dürfte.
Zur Mitte und nach Süden hin läuft der Hase anders, dort stehen einmal mehr
Schauer und Gewitter auf der Tagesordnung, die aufgrund der besseren
Strömungsbedingungen schon am Morgen und am Vormittag am Start sind. Nach wie
vor gilt die mittlerweile schon im Traum erscheinende Reihenfolge möglicher
Begleitparameter, die da wären (von oben nach unten): Starkregen (=> Unwetter
wahrscheinlich), Hagel (=> vereinzelt Unwetter), Wind/Sturm.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Grunde ist alles gesagt, die großräumige Entwicklung ist unstrittig und wird
von keinem seriösen Modell negiert. Dass im Detail Unterschiede auftreten, vor
allem hinsichtlich der zeit-räumlichen Verteilung der Gewitter und deren
Intensität, ist normal. Dabei findet man als Meteorologe - leider - nicht immer
eine plausible Erklärung, warum das Modell oder die Modelle an der einen Stelle
mal mehr, mal weniger Gewitter produzieren.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann