DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-05-2018 08:30
SXEU31 DWAV 100800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 10.05.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: am ehesten wohl SEz (Südost zyklonal), ab morgen ein bisschen auch TrW
(Trog Westeuropa), obwohl der Trog vielleicht ein Stück zu weit im Westen liegt.


Heute bis in die Nacht hinein gewittrige Regenfälle und teils kräftige Gewitter,
vor allem nach Osten hin Gefahr örtlicher Unwetter. Nachfolgend von Westen her
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung einen veritablen
Höhenrücken über Nordeuropa, dem ein Trog über Westeuropa gegenübersteht.
Während der Rücken wie einzementiert vor Ort bleibt und quasi unantastbar
scheint, schwächelt der Trog auf seinem Weg gen Mitteleuropa etwas. Da kommt der
kleine Kaltlufttropfen, der heute früh über Südwestdeutschland zu finden war,
gerade recht, um dem Trog eine Art Frischzellenkur zu verpassen. Im Klartext,
der Trog nimm den KLT in seine Zirkulation auf, wodurch dieser zu einem Randtrog
wird, der sich ausgerechnet am heutigen Vaddertach mitten über Deutschland
platzieren muss. Zwar sind die dynamischen Prozesse, die mit diesem Trog in
Verbindung stehen, nicht besonders substanziell, weil die vorderseitige PVA
durch KLA teilkompensiert wird, für zyklonale Rahmenbedingungen in der Höhe
reicht es allemal.
Wesentlich "konvektionsgünstiger" präsentiert sich das Setup im bodennahen
Bereich, wo es über eine quasi-meridionale Tiefdruckrinne zu berichten gilt, die
sich ausgehend von einem Sturmtief bei Island weit nach Südosten erstreckt und
dabei schon jetzt mitten über den Vorhersageraum verläuft. Um 03 UTC konnte
dabei über der Deutschen Bucht ein eigenständiges Tief analysiert werden, es ist
aber nicht ausgeschlossen, dass sich im Tagesverlauf weitere lokale Druckminima
(um 1005 hPa) innerhalb der Rinne bilden werden. Fakt ist, dass sich innerhalb
der Rinne eine (oder tagsüber vielleicht auch mehrere) konfluente Windzone
befindet, di aktuell mit einer Konvergenz markiert ist. Knapp westlich konnte
eine Kaltfront gefunden werden, die gestern schon auf den Karten war und der
noch eine Okklusion mit Kaltfrontcharakter folgt. In den nächsten Stunden, wenn
sich das gesamte Muster sehr dezent progressiv ost-nordostwärts verlagert, wird
es wahrscheinlich zu einem Zusammenschluss der Fronten kommen, so dass in der
Analyse dann mit einer Luftmassengrenze nebst vorlaufender Konvergenz(en)
gearbeitet werden dürfte.
Klingt nicht ganz trivial, ist es auch nicht, aber was bedeutet das nun für die
heutige Wetterentwicklung. Los geht es in den westlichen Landesteilen, wo es im
Bereich der noch nicht auf vollen Touren laufenden Konvergenz sowie an der
nachfolgenden Front zu schauerartigen, mit einzelnen Gewittern durchsetzen
Regenfällen kommt. Dabei besteht hauptsächlich die Gefahr von Starkregen (34
mm/h heute früh in Basel lassen grüßen), der nicht zwingend innert kurzer Zeit
fallen muss, sondern sich durchaus auf ein paar Stunden verteilen kann
(6h-Kriterium). In den meisten Fällen dürfte man um Unwetter (>25 mm/h oder >
35mm/6h) zwar herumkommen, ganz vom Tresen können sie aber nicht gewischt
werden. Insbesondere für Teile BWs liefert COSMO-DE-EPS am Vormittag Hinweise
für Summen von mehr als 35mm/6h), so dass die Augen dort besonders geschärft
sein sollten.
Ansonsten wird sich die Konvektion im Tagesverlauf verstärken, weil
Rinne/Konvergenz und Tagesgang immer besser harmonieren. Am Vormittag und Mittag
dürfte das vor allem in einem mittleren, von Nord nach Süd verlaufenden Streifen
der Fall sein, bevor am Nachmittag und Abend - grob gesprochen - die Osthälfte
an der Reihe ist. Dort ist dann auch die Gefahr von Unwettern am größten, das es
zuvor noch mal ordentlich einstrahlen kann, was die Temperatur im gesamten Osten
und Nordosten auf 25 bis 29°C steigen lässt. Dabei wird ein nicht zu
unterschätzendes, auf der anderen Seite aber auch noch nicht wirklich sommerlich
anmutendes Quantum an ML-CAPE generiert (potenziell instabil ist die Warmluft
ohnehin), das punktuell an die 1000-J/kg-Grenze geht, in Bayern aufgrund der
größeren Trockenheit (aktuell einstellige Taupunkte) aber deutlich niedriger ist
als in den "neuen" Bundesländern, wo dann entsprechend auch die
Wahrscheinlichkeit größeren Hagels höher ist. Lange Rede, kurzer Sinn,
vornehmlich (aber nicht ausschließlich) im O und NO muss ab dem Nachmittag mit
kräftigen Gewittern gerechnet werden, die von Hagel, Starkregen (PPWs bis nahe
30 mm) und (schweren) Sturmböen (zwar wenig Höhenströmung, dafür aber trockene
Grundschicht mit inversem V => Downburstgefahr) begleitet sein können. Räumlich
eng begrenzt sind dabei auch Unwetter wahrscheinlich (Starkregen, Hagel). Dass
die wahrscheinlich nicht großflächiger auftreten, ist im Wesentlichen den
"miserablen" Scherungsbedingungen geschuldet, die kaum oder gar keine
organisierte Konvektion respektive langlebige Zellen zulassen. So werden wir uns
- oder konkret, besonders die Spätdienste - mit Einzelzellen, vielleicht auch
mal Multizellen herumschlagen müssen, klassische Nowcast- Gewitterwarnerei as
it´s best.
Zurück noch mal den Blick nach Westen, wo die Kaltfront der Rinne folgt und
dabei noch etwas schauerartigen regen produziert, der aber immer schwächer wird.
Grund ist der jetzt schon zu beobachtende Druckanstieg, der die Front überläuft
und ihr zunehmend die Kraft raubt, nennenswerte Hebungsprozesse am Laufen zu
halten oder gar neu zu entfachen. In Verbindung mit der (leichten) Druckwelle
könnte die Front aber für ein paar Böen der Stärke 7 Bft aus westlichen
Richtungen gut sein, was warntechnisch aber schwer in den Griff zu bekommen sein
dürfte, da das Phänomen sehr wahrscheinlich nicht verbreitet auftritt.
Postfrontal gelangt ein Schwall subpolarer Meeresluft in die Westhälfte, in der
die 850-hPa-Temperatur auf etwas unter 5°C zurückgeht. So verwundert es auch
nicht, dass in den westlichen Landesteilen die Temperatur keine 20°C erreicht
(in den Mittelgebirgen nicht mal 15°C) werden, zumal auch die Wolkendecke erst
spät beginnt aufzulockern.

In der Nacht zum Samstag füllt sich der Trog über Deutschland mehr und mehr auf,
während sich Rinne und Konvergenz allmählich Richtung Polen verabschieden. Damit
verlassen uns auch die anfänglich noch auftretenden Gewitter bzw. schwächen sich
tagesgangbedingt ab, was im äußersten Osten aber durchaus bis nach Mitternacht
dauern kann. Die nachfolgende Kaltfront mach auch noch etwas Boden nach Osten
hin gut, ohne dabei aber nennenswerte Akzente zu setzen (Bewölkung ja,
Regen/Schauer kaum oder gar nicht).
Ansonsten steigt der Druck weiter an, was über Frankreich und Benelux zur
Abschnürung des dorthin gerichteten Azorenhochkeils ergo zur Bildung einer
eigenständigen Hochparzelle führt. Vor allem im Westen lockert die Wolkendecke
auf, was lokal zu flachen Nebelfeldern führt (ob es gebietsweise für dichteren
Nebel reicht, hängt stark vom Auflockerungstermin ab; je früher, desto
wahrscheinlicher "kein Durchblick"). Zudem kühlt die Luft in einigen Senken und
Mulden der westlichen Mittelgebirge auf unter 5°C ab, Bodenfrost ist aber eher
unwahrscheinlich.

Freitag... formiert sich über dem nahen Ostatlantik ein LW-Trog, auf dessen
Vorderseite sich bei uns eine extrem schwache südliche Höhenströmung einstellt.
Von daher macht es auch nicht viel, dass ein darin eingelagerter Sekundärtrog
von Frankreich her nord-nordostwärts über Teile des Vorhersageraums schwenkt,
seine Wirkung verpufft aufgrund der schwachen Höhenwinde. Bodennah gelangen wir
in den Wirkungsradius der o.e. Hochparzelle, die sich peu a peu in unsere
Richtung begibt und dabei für eine weitere Stabilisierung sorgt. Ein
Heilspringer in Sachen "Sonne" wird das Hoch aber nicht werden, dazu befindet
sich unterhalb einer etwa bei 800 hPa positionierten Inversion noch zu viel
Feuchte. Sie wird sich in Form relativ dichter SC-Bewölkung bemerkbar machen,
die weite Teile des Landes überdeckt und wahrscheinlich erst in der zweiten
Tageshälfte so weit angeknabbert wird, dass dabei ernstzunehmende Lücken
gerissen werden. Insgesamt freundlicher sieht es im Westen, also im Zentrum des
Hochs aus, wo die Chancen auf sonnige Abschnitte trotz Quellbewölkung von
vornherein besser sind.
Niederschlagstechnisch steht uns ein weitgehend trockener Tag bevor, denn aus
der SC-Bewölkung dürften es nicht viele Tropfen bis zum Erdboden schaffen. Im
äußersten Osten und Südosten allerdings ist noch etwas Restlabilität gegeben
(der Luftmassenwechsel ist dort nicht so klar vollzogen worden wie weiter
westlich), so dass man sich am Nachmittag über einzelne Schauer nicht wundern
sollte. Gleiches gilt für den Alpenrand, wo sogar ein aus dem inneralpinen Raum
übergreifendes Gewitter nicht ganz auszuschließen ist (wenn tatsächlich, dann
Gefahr von Starkregen).
Temperaturmäßig landen wir bei Tageshöchstwerten von 16 bis 23°C, an der See und
im höheren Bergland z.T. etwas darunter.

In der Nacht zum Samstag tut sich nicht viel, bei leichtem Hochdruckeinfluss
klart es teilweise auf, teils bleibt es bewölkt bei Tiefstwerten von 6 bis 12°C.


Samstag... vergrößert der westlich von uns liegende Trog seine Amplitude,
gleichzeitig schenkt er in seinem Südteil über die Biscaya hinweg gen
Frankreich. Folgerichtig steilt die Höhenströmung bei uns noch etwas auf und
nimmt dabei leicht zu, ohne dass daraus substanzielle Konsequenzen erwachsen.
Allerdings beginnt der Luftdruck wieder zu fallen, was uns an den Rand einer
neuerlichen Tiefdruckrinne über West- und Südwesteuropa bringt, in die eine
Luftmassengrenze eingelagert ist, die uns zunächst aber noch nicht erreicht. Bei
schwacher östlicher Grundströmung erwärmt sich die Luftmasse
niedertroposphärisch wieder, bis zum Abend steigt die 850-hPa-Temperatur im
Süden und der Mitte auf 10 bis 14°C, im Norden auf 7 bis 10°C. Bei tendenziell
heiter bis wolkigen Verhältnissen bleibt das natürlich nicht ohne Folgen für die
2m-Temperatur, die im Süden und Westen gebietsweise die 25°C-Marke erreicht bzw.
um 1-2 Grad überschreitet. Werte unter 20°C werden nur im höheren Bergland sowie
an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind gemessen.
Thema Niederschlag: Durch die niedertroposphärische Erwärmung wird die Luftmasse
wieder labilisiert und bei leichter Feuchteanreicherung besonders nach Osten und
Süden hin etwas CAPE generiert. Dort können sich im Tagesverlauf vornehmlich
über den Bergen Schauer und auch einzelne Gewitter entwickeln, die in Form
langsam ziehender Einzelzellen am ehesten von Starkregen begleitet sind.

In der Nacht zum Sonntag greift die Tiefdruckrinne auf den Südwesten über, was
dort gewittrige (Stark)Regenfälle zur Folge hat. Wie das im Einzelnen ablaufen
wird und ob daraus am Sonntag irgendwo sogar eine warnwürdige Dauerregenlage
erwächst, dazu später mehr. Jetzt reicht´s erstmal.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung wird von allen Modellen ähnlich gesehen. In den
Details ergeben sich insbesondere für heute gewisse Unterschiede (u.a. die
zeit-räumliche Verteilung der Regenfälle und Gewitter und deren Intensität
betreffend), die hier aber nicht alle aufgedröselt werden können. Letztlich hat
der Verfasser versucht, den heutigen Verlauf auf Basis konzeptioneller
Überlegungen einigermaßen plausibel abzubilden. Das Warnmanagement erfolgt der
Wetterlage angemessen in situ. Auf eine Vorabinfo wird aus den genannten Gründen
(vor allem die räumliche Limitierung der Unwetter) weiterhin verzichtet.
Auffallend ist einmal mehr die Schauer- und Gewitterfreudigkeit von GFS, die
z.B. am Samstag den ganzen Westen damit "vollkleistern", während es ICON bis zum
Abend komplett trocken lässt. Der positive Feuchtebias von GFS ist evident, so
dass hier von einer Übertreibung auszugehen ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann