DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-04-2018 07:01
SXEU31 DWAV 240800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 24.04.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wz
Unbeständig und kühler. Zeitweise windig, vor allem am Mittwoch im Norden und
Nordosten auch Sturmböen bis in tiefe Lagen nicht ausgeschlossen. Mittwoch und
Donnerstag einzelne Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich der Vorhersagebereich unterhalb einer recht glatt
konturierten und im Norden mit einem stärkeren Gradienten als im Süden
ausgestatteten westlichen Höhenströmung. Darin eingebettet, verlagert sich ein
kurzwelliger, sehr flacher Troganteil heute im Tagesverlauf rasch über die
Nordsee und Norddeutschland hinweg zur südlichen Ostsee.
Im Bodenfeld überquert das daran gekoppelte okkludierte Frontensystem eines
Tiefs südwestlich von Island Norddeutschland rasch ostwärts, wobei sich entlang
der Front über Südnorwegen ein Teiltief bildet, das sich bis zum Abend nach
Mittelschweden verlagert. Bis zum Abend erreicht die Front in etwa eine Linie
südliches Emsland - Oderbruch, kommt dann aber aufgrund höhenströmungsparalleler
Exposition nicht mehr weiter nach Süden voran. Dynamische Hebungsprozesse im
Frontbereich sind tagsüber kaum mehr auszumachen, da die wirksame PVA zunehmend
von KLA überlaufen wird. Somit ziehen über die Nordhälfte zwar dichte
Wolkenfelder, Regen fällt aber zunächst nur wenig (meist weniger als 2 mm),
lediglich GFS simuliert Mengen bis 5 mm in 12 Stunden.
Bereits in den Abendstunden verstärken sich die Niederschläge allerdings von
Westen her. Zu dem Zeitpunkt erreicht ein weiterer, markanter ausgeprägter
Kurzwellentrog England. Auf dessen Vorderseite wird kräftige WLA in Gang
gesetzt, die von der Nordsee her auch zunehmend auf Nordwestdeutschland
übergreift. Die damit einhergehenden Hebungsprozesse führen entlang des
langgestreckten, über Norddeutschland und die südliche Nordsee hinweg bis zum
mittleren Ostatlantik verlaufenden Frontensystems zur Ausbildung eines
Wellentiefs, das sich abends über Nordengland befindet. Abends greift die
Warmfront des Tiefs auf Benelux und Nordwestdeutschland über.
Von Warnrelevanz bleibt somit zunächst nur der Wind, der an der Südflanke des
sich bildenden Teiltiefs über Südskandinavien aufgrund der Gradientzunahme im
Tagesverlauf vorübergehend etwas auffrischt. Betroffen davon ist in erster Linie
Norddeutschland, dort kann es vor allem Richtung Küsten steife, in exponierten
Küstenabschnitten und im nördlichen Schleswig-Holstein eventuell auch stürmische
Böen (Bft 7 bis 8) aus Südwest geben. Auf einigen exponierten
Mittelgebirgsgipfeln (Brocken, eventuell Fichtelberg) ist ebenfalls mit
stürmischen Böen, eventuell auch mit Sturmböen (Bft 9) zu rechnen.
Abends nimmt der Wind mit Abzug des Tiefs Richtung Mittelschweden wieder ab.
Die Südhälfte verbleibt hingegen unter Hochdruckeinfluss. Dorthin weitet sich -
nach Abzug einer Kaltfront, die aktuell am ostbayerischen Alpenrand noch für
dichte Wolken und etwas Regen sorgt - ein Azorenhochkeil aus. Somit setzt sich
dort im Tagesverlauf zunehmend die Sonne durch und kann die eingeflossene
Meeresluft kräftig erwärmen. Während es unter den dichten Wolken im Norden mit
Höchstwerten zwischen 11 und 15 Grad recht frisch bleibt, werden in der Mitte
bei aufgelockerter Bewölkung etwa 15 bis 20 Grad erreicht und im Süden
stellenweise bis nahe 25 Grad (südlicher Oberrheingraben.

In der Nacht zum Mittwoch kann sich der Kurzwellentrog noch etwas verstärken und
erreicht morgens die Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Das korrespondierende
Wellentief vertieft sich ebenfalls und zieht zur Deutschen Bucht. ICON-EU bzw.
COSMO-DE simulieren um 06 UTC einen Kerndruck von knapp unter 1000 hPa, GFS
dagegen einen um etwa 4 bis 5 hPa höheren, wobei das Tief in der aktuellen
Simulation etwas rascher vorankommen soll und sich morgens bereits in etwa über
Fehmarn befindet.
Die hauptsächlich aus WLA resultierenden Hebungsprozesse im Bereich der
Warmfront des Tiefs verstärken sich ebenfalls, so dass sich mäßiger Regen auf
weite Teile Norddeutschlands ausweitet. Die simulierten Mengen betragen
vielerorts mehr als 10 mm in 12 Stunden, gebietsweise auch mehr als 15 mm.
Warnrelevante Niederschläge hat allerdings kein Modell auf der Karte.
Bereits im Laufe der zweiten Nachthälfte führt die Annäherung des Tiefs zu einer
Gradientzunahme, so dass der Wind (aufgrund der stabilen Schichtung zunächst
allerdings nur im Bergland) wieder auffrischt. In den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge gibt es stürmische Böen, exponiert Sturmböen aus Südwest. Mit
Übergreifen der Kaltfront in den Frühstunden kann es dann auch im Nordwesten
steife, eventuell stürmische Böen geben.
Im Süden verläuft die Nacht noch ruhig und vor allem Richtung Alpen auch gering
bewölkt, so dass sich örtlich flacher (wohl kaum warnrelevanter) Nebel bilden
kann. Bis auf eine Windzunahme in den Hochlagen ist vom zyklonalen Geschehen
weiter nördlich noch nichts zu spüren.

Mittwoch... verlagert sich der Kurzwellentrog rasch über Norddeutschland und die
südliche Ostsee hinweg Richtung Baltikum. Dahinter bleibt die kräftige
westsüdwestliche Höhenströmung glatt konturiert, wobei ein weiterer kurzwelliger
Anteil abends die Nordsee erreicht.
Das korrespondierende Wellentief zieht unter wenig Intensitätsänderung über
Norddeutschland und polnische Ostseeküste bis zum Abend rasch weiter Richtung
Baltikum. Die Kaltfront überquert das Vorhersagegebiet rasch südostwärts und
erreicht abends bereits die Südhälfte. Eingebettet in die kräftige
westsüdwestliche Höhenströmung und bei markanter hochreichender Scherung (über
30 m/s 0 bis 6 km) nimmt sie im Tagesverlauf mehr und mehr Splitfrontcharakter
an, d.h. es bilden sich zwei oder gar mehrere Schauerstaffeln, die das
Vorhersagegebiet südostwärts überqueren, sich nach Süden zu aber abschwächen, da
kräftige trogrückseitige KLA etwaige Hebungsprozesse zunehmend kompensiert.
Trotz arg limitierter Labilität sind auch einzelne kurze (Graupel)gewitter
möglich, dazu kann es stürmische Böen, vereinzelt auch Sturmböen geben. Ganz
schwache Signale gibt insbesondere GFS auch für einzelne Gewitter im
präfrontalen Bereich an den Alpen, da ziehen die anderen Modelle aber nicht mit.

Bereits präfrontal frischt der Wind über dem Süden und Osten deutlich aus
Südwest auf, dabei gibt es wohl recht verbreitet steife Böen, in exponierten
Lagen bzw. orographisch getriggert (Leitplankeneffekt im Erzgebirgs- und
Alpenvorland) auch stürmische Böen. Auf den Bergen muss mit Sturmböen, auf
exponierten Gipfeln mit schweren Sturmböen gerechnet werden.
Die markanteste Windentwicklung steht allerdings über der Nordhälfte ins Haus.
Vor allem nach Lesart der deutschen Modelle (ICON-EU und COSMO-DE) die die
stärkste Tiefdruckentwicklung auf der Karte haben, aber auch nach ECMWF (von
gestern, 12 UTC) simulieren an der Südwestflanke des Tiefs einen sehr scharf
ausgeprägten Druckgradienten. Unterstützt wird die Entwicklung noch durch einen
ausgeprägten trockenen Oberstrom, der in den aktuellen Prognosetemps bis auf
etwa 900 hPa herunterreichen soll und die durch den Gradienten verursachten Böen
noch verstärken kann. Die heftigste Entwicklung diesbezüglich hat COSMO-DE auf
der Karte, die sogar eine Art Sting-Jet mit Böen Bft 9 bis 11 (die stärksten
Böen ausgerechnet knapp südlich von Berlin) über der Norddeutschen Tiefebene
(beginnend am Vormittag im Weser-Ems-Gebiet und sich bis zum späten Nachmittag
in den Berliner Raum verlagernd) simuliert. COSMO-DE-EPS simuliert die höchsten
Wahrscheinlichkeiten für BFT 9 (bis über 30 %) über dem östlichen Niedersachsen
und dem Norden Sachsen-Anhalts sowie Richtung Küste, gibt aber so gut wie keine
Hinweise auf eventuelle Böen Bft 11. ICON-EU und ECMWF simulieren die
Entwicklung insgesamt etwas schwächer, haben aber zumindest Sturmböen (ICON-EU
ganz vereinzelt auch schwere Sturmböen) auf der Karte, GFS dagegen, die das Tief
insgesamt etwas schwächer zeigen, grade mal stürmische Böen.
Somit ist es natürlich zu früh, um das U-Wort in den Mund zu nehmen und es wäre
auch völlig übertrieben, mit irgendwelchen Vorabinformationen zu agieren. Ein
besonderes Augenmerk sollte auf die Entwicklung aber schon gerichtet sein, zumal
sicherlich auch Bft 9 bis 10 angesichts der vorangeschrittenen Belaubung der
Bäume einiges anrichten können (die Deutsche Bahn weiß ein Lied davon zu
singen...).
Der Rest der (Wetter)geschichte am Mittwoch ist schnell erzählt. Nach Abzug des
Tiefs nimmt der Wind von Westen her rasch wieder ab. Der Nordwesten gelangt am
Nachmittag und Abend mit Annäherung des nächsten Kurzwellentroges zunehmend in
den Einflussbereich höhenkalter Luftmassen (-28 Grad in 500 hPa, -1 Grad in 850
hPa), dort können sich einzelne kurze Schauer entwickeln, für Gewitter dürfte es
aber kaum reichen.
Präfrontal wird noch einmal ein Schwall recht warmer und trockener Luft in die
Südhälfte geführt. Dort steigt die Temperatur auf etwa 20 bis 25 Grad, im
östlichen Alpenvorland eventuell auch darüber. Postfrontal liegen die
Höchstwerte zwischen 11 Grad im Nordwesten und 18 Grad in der Mitte.

In der Nacht zum Donnerstag überquert der Kurzwellentrog von der Nordsee her
Norddeutschland rasch ostwärts, ein weiterer erreicht morgens die Deutsche
Bucht.
Im Bodenfeld überquert die Kaltfront des nach Russland weiterziehenden Tiefs die
Alpen, gefolgt von einem Hochkeil, der sich morgens über Süddeutschland
befindet. Dahinter stellt sich eine mit einem mäßigen Gradienten ausgestattete
westnordwestliche Bodenströmung ein, mit der maritime Polarluft ins
Vorhersagegebiet geführt wird.
Vor allem an den Alpen und im Alpenvorland kann es rückseitig der Kaltfront noch
längere Zeit regnen, wobei auch im Stau der Alpen keine 10 mm in 12 Stunden
simuliert werden. Im Bereich des Hochkeils kommt es vor allem vom nördlichen
Mittelgebirgsraum bis etwa zur Donau zu einer Wetterberuhigung, die Wolken
lockern auf, es bleibt meist trocken und stellenweise kann sich Nebel bilden.
Norddeutschland gerät dagegen zunehmend in den Einflussbereich labil
geschichteter Höhenkaltluft, in 500 hPa sinkt die Temperatur auf -30 Grad oder
knapp darunter, in 850 hPa auf etwa -1 Grad. Dabei lebt bereits in der Nacht die
Schauertätigkeit wieder auf, vereinzelt sind auch kurze Graupelgewitter möglich.

Der Wind schwächt sich allgemein im Laufe der ersten Nachthälfte deutlich ab und
ist wohl nur noch auf exponierten Berggipfeln (und in Gewitternähe)
warnrelevant.

Donnerstag... überquert der Kurzwellentrog vor allem den Norden und die Mitte
Deutschlands von West nach Ost. Dabei kann sich die Höhenkaltluft mit knapp
unter -30 Grad in 500 hPa und -1 Grad in 850 hPa vorübergehend bis etwa zur
Mitte des Landes ausweiten. Im Bodenfeld kann sich vor allem über dem Südwesten
des Landes der Hochkeil etwas verstärken. Im Einflussbereich der labil
geschichteten höhenkalten Meeresluft entwickeln sich über Norddeutschland
zahlreiche Schauer und auch kurze Graupelgewitter, die sich - von Modell zu
Modell noch mit leichten Differenzen ausgestattet simuliert - auch teilweise auf
die mittleren Landesteilen ausweiten können.
Auch an den Alpen und im angrenzenden Alpenvorland gibt es weitere
Niederschläge, da die ehemalige Kaltfront durch eine schwache
Tiefdruckentwicklung über Oberitalien zurückgehalten wird. Simuliert werden
allerdings lediglich in Staulagen mehr als 5 mm in 12 Stunden.
Dazwischen herrscht im Hochkeil kompensatorisches Absinken, von
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz über Südhessen und Nordbayern bis nach
Thüringen und Westsachsen bleibt es sogar meist trocken und zeitweise kommt auch
mal die Sonne durch.
An der Nordflanke des Hochkeils verschärft sich der Druckgradient etwas und
unterstützt durch die turbulente Durchmischung frischt der Wind im Norden und in
der Mitte wieder auf. Dabei gibt es auch außerhalb von Schauern häufig steife
Böen, exponiert bzw. in Gewitternähe auch stürmische Böen, auf Berggipfeln
(außer im Süden) Sturmböen.
In der einströmenden Meereskaltluft bleibt es vor allem im Süden deutlich kälter
als am Vortag. Insgesamt werden Höchstwerte zwischen 12 und 18 Grad erreicht,
die höchsten Werte am Oberrhein.

In der Nacht zum Freitag verstärkt sich der Hochkeil über Süddeutschland weiter,
weitet sich nach Norden aus und verlagert sich ins östliche Mitteleuropa, so
dass die Bodenströmung im Süden und Westen mehr auf Südost dreht. Mit Abzug des
Kurzwellentroges und Annäherung eines flachen Rückens wird die Höhenkaltluft aus
Norddeutschland verdrängt, was zu einer raschen Wetterberuhigung führt. Sowohl
dort als auch am Alpenrand klingen die Niederschläge bereits abends ab und die
Wolken lockern verbreitet auf, teilweise klart es auf. Der Wind schwächt sich ab
und ist nicht mehr warnrelevant, allerdings kann sich häufiger Nebel bilden, vor
allem im Süden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die unterschiedlichen Simulationen, das Wellentief in der kommenden Nacht
betreffend, wurden bereits im Text angesprochen. Die Sting Jet-Variante fahren
lediglich ICON-EU und COSMO-DE, ECMWF und EURO4 zeigen eine etwas abgeschwächte
Version. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die deutschen Modelle derartige
Entwicklungen oft relativ gut im Griff hatten. Noch kann man aber relativ
entspannt "die Füße stillhalten" und noch ein oder zwei Modelläufe ins Land
gehen lassen.
Ansonsten unterscheiden sich die Modelle aber kaum voneinander, am ehesten noch,
was die Ausweitung der Schauer und Gewitter nach Süden, also auch auf die
mittleren Landesteile am Donnerstag angeht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff