DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-04-2018 17:01
SXEU31 DWAV 031800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 03.04.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
An den Alpen bis Mittwochnachmittag Föhn mit (schweren) Sturmböen auf den
Gipfeln. Zunächst im Westen und Norden Gewitter mit Böen Bft 7 bis 8,
Mittwochnachmittag ab der Mitte ostwärts verlagernd markante Gewitter mit Böen
Bft 8 bis 10 (Bft 11 nicht ausgeschlossen) und kleiner Hagel möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines westeuropäischen
Höhentroges, der sich noch etwas nach Süden, Richtung Iberische Halbinsel,
ausweitet und mit seiner Achse morgens auf den Westen Frankreichs übergreift.
Eingebettet in die vor allem im Süden und Osten des Landes noch antiyzklonal
konturierte und sich etwas aufsteilende südwestliche Höhenströmung überquert ein
Kurzwellentrog im Laufe der Nacht den Nordwesten des Landes. Vorderseitig wird
vor allem aufgrund von PVA auch Hebung generiert und aktuell haben bereits
schauerartige Regenfälle meist leichter Intensität auf den Westen und Norden
übergegriffen. Diese verlagern sich im Laufe der Nacht rasch über den Nordwesten
und Norden des Landes hinweg nordostwärts. Dabei sind weiterhin auch kurze
(Graupel)Gewitter möglich, bei einem Wind in 850 hPa von etwa 40 kn lokal eng
begrenzt begleitet von steifen bis stürmischen Böen (Bft 7 bis 8) aus Südwest.
Diese ziehen aber rasch nordostwärts ab.
Auch im Südwesten gibt es gebietsweise schauerartige Regenfälle, die ebenfalls
mit kurzwelligen Troganteilen in Zusammenhang stehen. Kurze Gewitter sind auch
dort nicht komplett ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich.
Im Bodenfeld greift aktuell die Kaltfront eines sich allmählich Richtung
Britische Inseln verlagernden Tiefs im Laufe der Nacht auf das westliche
Mitteleuropa und streift morgens auch den Westen bzw. Nordwesten des Landes. Mit
der aufsteilenden Höhenströmung kommt sie aber mangels Schubkomponente zunächst
nicht nach Osten voran und verwellt über Frankreich, so dass der Großteil des
Landes im Warmsektor verbleibt.
An den Alpen verstärkt sich der Föhn noch etwas und es gibt auf den Gipfeln
Sturm- und schwere Sturmböen aus südlichen Richtungen. In föhnanfälligen Tälern
kann es steife Böen geben. Ansonsten reicht der Gradient wohl lediglich in den
Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge für warnrelevante Böen (Bft 8 bis 9,
exponiert vielleicht auch mal 10) aus Südwest.
Im übrigen Land verläuft die Nacht ruhig und warnfrei. Frost ist kein Thema und
auch Nebel sollte sich kaum ausbilden.

Mittwoch ... kommt der westeuropäische Trog unter Verkürzung der Wellenlänge
etwas rascher nach Osten voran und greift in der Nacht zum Donnerstag auf das
westliche Mitteleuropa über. Vorlaufend greift abends bzw. in der Nacht zum
Donnerstag ein aus dem Haupttrog herauslaufender kurzwelliger Anteil auf den
Westen Deutschlands über, wobei trogvorderseitig aufgrund von kräftiger PVA
markante Hebungsprozesse über einigen Regionen des Vorhersagegebietes generiert
werden. Nach Lesart des aktuellen ICON-EU-Laufes wären davon vor allem Teile der
Osthälfte, aber auch der Südwesten und - in geringerem Maße - der Nordwesten
betroffen.
Mit der noch etwas aufsteilenden Höhenströmung wird eine noch etwas wärmere, vor
allem aber potenziell instabilere Luftmasse bevorzugt in die mittleren,
östlichen und südöstlichen Landesteile geführt. Die Temperatur in 850 hPa steigt
auf 7 bis 10 Grad, im Alpenvorland aufgrund des Föhns sogar bis auf etwa 12
Grad. Dabei simulieren die hochauflösenden Modelle - mit Differenzen bzgl. der
räumlichen Verteilung - eine ML-Cape von 400 bis 800 J/kg, vereinzelt (Arome,
ICON-EU) auch darüber.
Im Bodenfeld ist vor allem ab den Mittagsstunden und in den höher aufgelösten
Modellen eine markante Konvergenz erkennbar, die sich - beginnend Mittag oder
frühen Nachmittag in den mittleren Landesteilen - rasch nach Osten verlagern
soll. An ihr simulieren die Konvektion zulassenden Modelle (vor allem SuperHD
und AROME, abgeschwächt aber auch COSMO-DE (aktueller Lauf reicht allerdings nur
bis 15 UTC) erwartungsgemäß eine konvektive Linie. Hochreichende Scherung von 20
bis 25 m/s lässt durchaus organisierte Strukturen erwarten, wobei die
Hauptgefahr wohl von den Sturmböen ausgeht. Genügend Einstrahlung vorausgesetzt
ist unter anderem auch aufgrund des nicht zuletzt wegen der niedrigen
Nullgradgrenzen zu erwartenden kleinkörnigen Hagels innerhalb der Linie die
Ausbildung eines markanten Cold Pools denkbar, wobei der thermische Gegensatz
frontogenetisch wirkt. Dann sind auch schwere Sturmböen denkbar und sogar
orkanartige Böen oder Orkanböen lokal eng begrenzt nicht ausgeschlossen.
Schwerpunkte der Gewittertätigkeit lassen sich anhand der aktuellen Modelläufe
aber noch nicht wirklich ausmachen, betroffen dürften in erster Linie zunächst
die mittleren Landesteile (Hessen, Ost-NRW, Thrüingen, Ostniedersachsen), später
dann die Osthälfte (etwa Oberfranken/Oberpfalz bis Vorpommern) sein.
Mit Durchzug der Konvergenz bricht auch der Föhn an den Alpen zusammen. Das geht
im Alpenvorland mit dem Durchzug einer Druckwelle einher, an der sich aufgrund
der trockenen Föhnluft wohl kaum Gewitter bilden dürften (lediglich Arome gibt
Signale dafür), durchaus aber markante Böen (Bft 7 bis 8) aus West auftreten
können.
Der Konvergenz folgt die Kaltfront, die zunächst nur langsam nach Osten
vorankommt, dann im Tagesverlauf Fahrt aufnimmt und schließlich auch die
Konvergenz einholt. Deren genaue Position wird dem Analysedienst morgen wohl
einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Eventuell ist sie gekoppelt an einen zweiten
Schwerpunkt der Schauer- und Gewittertätigkeit, der ab den späten Nachmittags-
und Abendstunden im Südwesten und/oder Nordwesten des Landes zu erwarten ist.
Dort ist zwar die Labilität der Luftmasse deutlich geringer (meist 100 bis 300
J/kg ML-Cape), allerdings wird dort eine recht hohe Low Level Shear (bis über 15
m/s 0 bis 1 km) in Verbindung mit (siehe weiter oben) dynamischer Hebung
simuliert. Die Konvektion fällt dort nicht so hochreichend wie weiter östlich
aus (was die Hagelgefahr verringert), dennoch sind dort aufgrund der markanten
Scherung kleinräumig rotierende Aufwinde ("low topped supercell") vorstellbar,
verbunden mit entsprechend kleinräumig heftigen Windereignissen. Die
Unsicherheiten innerhalb der Modellwelt sind aber auch diesbezüglich noch
ziemlich hoch.
Außerhalb der Gewitter muss zunächst vor allem auf den Alpengipfeln aufgrund des
Föhns mit Böen Bft 8 bis 10 aus Süd gerechnet werden. Auch in den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge kann es Böen Bft 8 bis 9 aus Südwest geben.
Während im Südosten noch für längere Zeit die Sonne scheint und dort die
Temperaturen auf 18 bis 22 Grad steigen (mit Föhn im östlichen Alpenvorland
eventuell sogar noch etwas darüber), bleibt es sonst unter teils dichter
Bewölkung mit 14 bis 18 Grad zwar etwas kühler, aber immer noch mild. Lediglich
ganz im Norden, an den Küsten, werden nicht ganz so hohe Werte erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag zieht der Kurzwellentrog rasch nordostwärts ab, die
Achse des Haupttroges erreicht morgens Benelux. Insgesamt büßen die Tröge
aufgrund von KLA mehr und mehr an Wetterwirksamkeit ein.
Im Bodenfeld kommt die Kaltfront jetzt ebenfalls rasch nach Osten voran, anfangs
kann es aber noch Schauer und Gewitter mit Sturmböen geben. Dahinter kommt es zu
einer deutlichen Wetterberuhigung, der Wind schwächt sich rasch wieder ab
(lediglich auf exponierten Alpen- und Mittelgebirgsgipfeln bleibt es windig mit
einzelnen markanten Böen) und die Wolken lockern auf, teilweise klart es auf.
Örtlich kann sich Nebel bilden. Lediglich Richtung Alpen fallen noch
gebietsweise schauerartige Niederschläge. Der Kaltfront folgt ein Schwall
subpolarer Meeresluft, für Frost wird es aber wohl auch in ungünstigen Lagen
nicht reichen.
Erst mit Annäherung des an den Haupttrog gekoppelten Bodentroges, der morgens
die mittlere Nordsee und die Benelux-Küste erreicht, werden die Wolken im Westen
wieder dichter und es kann dort gebietsweise etwas regnen.

Donnerstag ... überquert der Trog Deutschland bis zum späten Abend von West nach
Ost, dahinter wölbt sich über Westeuropa ein Höhenrücken nach Norden auf.
Der dem Höhentrog etwas vorlaufende Bodentrog überquert das Vorhersagegebiet bis
zum späten Nachmittag ostwärts. Ihm folgt ein Schwall maritimer Polarluft, die
vor allem im Südwesten rasch in den Einflussbereich eines dorthin gerichteten
Hochkeils gelangt.
Unmittelbar vorderseitig des Bodentroges verstärkt sich erneut die Schauer- und
Gewittertätigkeit (ML-Cape meist weniger als 100 J/kg), wobei diese durchaus
auch von Böen Bft 8 bis 9 und Graupel begleitet werden können. In den höchsten
Kammlagen der östlichen Mittelgebirge kann es auch ein paar Schneeflocken geben.
Auch außerhalb der Schauer frischt der Wind mit Durchzug des Bodentroges bzw.
postfrontal aufgrund der Gradientzunahme vorderseitig des heranrückenden
Hochkeiles vorübergehend auf und es gibt auch in den Niederungen gebietsweise
steife, an der Nordsee eventuell stürmische Böen aus West bis Nordwest, auf
exponierten Gipfeln Sturm- oder gar schwere Sturmböen. Erst abends nimmt der
Wind von Westen her wieder ab. Postfrontal klingen die Schauer rasch wieder ab,
mit Durchzug des Höhentroges wird aber vor allem im Nordwesten noch etwas Regen
simuliert.
Mit der postfrontal advehierten maritimen Polarluft sinkt die Temperatur in 850
hPa vorübergehend auf etwa -2 bis -5 Grad. Anfangs zeigt sich vor allem im Osten
und Südosten noch zeitweise die Sonne, nachmittags und abends dann bevorzugt in
der Westhälfte. Die Höchstwerte liegen zwischen 7 und 13 Grad, in der Lausitz
und in Ostbayern können nochmals bis zu 16 oder gar 17 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Freitag tropft der Trog über der Adria bzw. dem Ionischen Meer
ab, der nördliche Troganteil kann sich über Südschweden verstärken und verlagert
sich zur mittleren Ostsee. Rückseitig kommt der Höhenrücken über dem westlichen
Mitteleuropa unter Amplitudenverlust etwas nach Osten voran.
Der Bodenhochkeil verlagert sich im Laufe der Nacht unter Verstärkung nach
Mitteleuropa, wobei sich über dem Südosten des Landes eine eigenständige
Hochdruckparzelle ausbildet.
Somit ziehen die letzten Schauer am späten Abend rasch nach Osten ab und
verbreitet klart es auf. Auch der Wind lässt rasch nach und ist nach Mitternacht
wohl fast nirgendwo mehr warnrelevant. Somit kann es innerhalb der
eingeflossenen trockenen Polarluft rasch auskühlen und es gibt vielerorts
leichten Frost. Örtlich kann sich auch Nebel bilden.

Freitag ... flacht der nach Mitteleuropa gerichtete Höhenrücken vorderseitig
eines Richtung Westeuropa vorstoßenden, sich aber nach Süden ausweitenden
Höhentroges weiter ab, bleibt aber über dem Vorhersagegebiet weiterhin
antizyklonal konturiert.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt nach Polen. Somit dreht die Strömung
niedertroposphärisch wieder auf Südwest, am Boden auf Südost, wobei sich der
Gradient etwas verschärft und der Südostwind auffrischt, was aber wohl nicht für
warnrelevante Böen reicht. Damit wird erneut sehr milde Luft ins
Vorhersagegebiet advehiert, die Temperatur in 850 hPa steigt bis 18 UTC auf
Werte zwischen -2 Grad in Ostvorpommern und knapp 10 Grad im äußersten
Westen/Südwesten.
Der Rest ist schnell erzählt. Nach Nebelauflösung scheint eigentlich verbreitet
die Sonne, am ehesten bilden sich im Nordosten flache Quellwolken, während sich
im Westen wohl die wieder zunehmende WLA in Form hoher Wolkenfelder bemerkbar
macht. Bzgl. der Temperaturen ergibt sich ein deutliches Südwest-Nordost-Gefälle
mit Höchstwerten zwischen um oder knapp unter 10 Grad an der See und um die 20
Grad oder knapp darüber am Oberrhein.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle unterschieden sich im Kurzfristbereich kaum. Die
Unsicherheiten bzgl. der morgigen Gewitterlage wurden im Text angesprochen und
sind nicht außergewöhnlich. Das "worst case"-Szenario würde kleinräumig auch
Windentwicklungen bis in den Unwetterbereich beinhalten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff