DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-03-2018 18:30
SXEU31 DWAV 161800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.03.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Winterliche Ostlage, nur im Süden anfangs noch mild. Verbreitet windig, teils
stürmisch, gebietsweise Schneefall mit der Gefahr von Verwehungen (teils
UNWETTER).

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... hat es Deutschland - da besteht kein Zweifel - mit einer
hochinteressanten Wetterlage zu tun. Das globale Fundament dafür besteht aus
einer Omegakonfiguration im Potenzialfeld, bestehend aus einer abgeschlossenen
Höhenantizyklone über dem Europäischen Nordmeer sowie flankierenden Trögen über
dem nahen Ostatlantik und dem fennoskandischen Raum. Letzterer weitet sich im
Lauf der Nacht über Ost- und Nordsee nach Westen aus, was die Isolation des
Höhenhochs noch verstärkt. Protagonist im bodennahen Druckbereich ist das
kräftige, quasistationäre Hoch IRENÄUS mit Zentrum über Skandinavien (über 1035
hPa), dem tiefer Luftdruck über Süd- und Westeuropa bzw. dem nahen Atlantik
gegenüber steht. Auf der Südflanke des Hochs gelangt von Osten her polare
Kaltluft arktischen Ursprungs in weite Teile des Vorhersageraums, vor allem in
die Nordhälfte, von wo aus sie sich in kleinen Schritten südwärts vorarbeitet.
Allerdings bleibt der Temperaturgradient zwischen Nord und Süd weiterhin sehr
groß, am frühen Samstagmorgen beträgt er in 850 hPa knapp über 15 Grad, was ´ne
echte Hausnummer ist. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass die
850-hPa-Temperatur im äußersten N und NO auf bis zu -16°C zurückgeht, während
südlich der Donau noch die die +1°C aufleuchtet. Eine derartig hochbarokline
Temperaturkonstellation tritt in der Regel nicht ohne Luftmassengrenze auf, so
auch in diesem Fall. Ausgehend von einer Okklusion über dem nahen Ostatlantik
erstreckt sich die Luftmassengrenze (sie trennt die arktische Kaltluft im Norden
von deutlich milderer subpolarer Meeresluft im Süden) zonal über die Mitte
Deutschlands, wobei der stärkste Temperaturgradient sehr gut mit einem
deutlichen Windsprung (O-NO vs. W-SW) korreliert, was die Analyse der Front auch
ohne fremde Hilfe erheblich vereinfacht. Druckanstieg im Norden und leichter
Fall im Süden verschärfen nicht nur den Gradienten innerhalb der nächsten
Stunden, es bedingt auch die langsame Verlagerung der Luftmassengrenze gen
Süden.
Kommen wir zum Wetter, am besten chronologisch von Nord nach Süd. Bedingt durch
die niedertroposphärische Abkühlung kommt es über der (relativ warmen) Ostsee zu
einer merklichen Labilisierung der Grundschicht, die nach ICON etwa bis 750 hPa
hinauf reicht, wo es oberhalb einer signifikanten Inversion sehr trocken ist.
Darunter hingegen kommt immer stärker Konvektion in Gang, die wegen des
niedrigen Temperaturniveaus trotz der vergleichsweise geringen vertikalen
Mächtigkeit ausreicht, Schneeschauer zu produzieren. Unterstützend wirkt dabei
ein zumindest teilweise leicht konfluentes Windfeld (teils bedingt durch den
Küstenverlauf, teils durch Zusammenfließen fast geostrophischer und mehr
ageostrophischer Komponenten). Last but not least bilden sich Schauerstraßen
aus, die auf das Binnenland übergreifen. Nun ist es nicht ganz einfach, schon im
Vorfeld solche engen Korridore genau vorherzusagen, was schon an den leicht
divergierenden Prognosen der verschiedenen Computermodelle deutlich wird. Es
zeichnet sich aber ab, dass das nördliche und mittlere SH sowie Nordvorpommern
die Regionen sind, die am anfälligsten für Schneeschauer sind. Dort kann
durchaus bis oder um 5 cm Neuschnee innert 12 h zusammenkommen. Ob es bis morgen
früh irgendwo schon für warnwürdige Schneeverwehungen reicht, hängt stark davon
ab, wie viel Schneesubstanz tatsächlich zusammenkommt, die Wahrscheinlichkeit
dafür ist aber sehr gering.
Weiter südlich schließt sich die Norddeutsche Tiefebene an, in der wettermäßig
in der kommenden Nacht aber nicht viel passiert. Das im Wesentlichen frontal
induzierte, auf der kalten Seite auftretende Schneefallgebiet, das tagsüber
zumindest den Südteil der Tiefebene traktiert hat, zieht sich unter leichter
Abschwächung etwas nach Süden in die komplette Mitte (die bis Nordbayern reicht)
zurück. Über 12 h können im Harz und im Thüringer Wald noch mal rund 10 mm
Niederschlag fallen, während sonst die Mengen meist zwischen 1 und 7 mm liegen.
Übersetzt in Neuschnee bedeutet das 1 bis 5, lokal bis 10 cm (südliches
Sachsen-Anhalt, Thüringer Becken), der mit der vordringenden Kaltluft mehr und
mehr auch ganz unten liegen bleibt. Im Stau von Harz und Thüringer Wald sind bis
15 cm möglich. Bedingt durch die zunehmende Abtrocknung der wachsenden
Schneedecke und den gleichzeitig auffrischenden Ostwind besteht etwa ab
Mitternacht in freien Lagen des Berglands die Gefahr von Verwehungen (zunächst
wahrscheinlich meist markant, im Harz, wo es am längsten und meisten geschneit
und nicht geregnet respektive getaut hat, oberhalb 400 bis 600 m Unwetter).
Bliebe noch Süddeutschland, wo bei weiterhin unterschiedlichen
Bewölkungsverhältnissen die Schauer des Tages weitgehend zusammenfallen. Dort,
wo es für längere Zeit klar bleibt, kann sich stellenweise Nebel bilden.
Thema Wind: Das Starkwindfeld aus dem Norden weitet sich aufgrund der o.e.
Gradientverschärfung bis in die Mitte aus. Dabei treten verbreitet Böen 7 Bft,
ganz im Norden 8 Bft, an den Küsten 9 Bft, exponiert 10 Bft auf. Auf den Bergen
reicht es außer im Süden je nach Exposition für Böen 8 bis 10 Bft.
Thema Frost: Im Norden und in Teilen der Mitte sinkt die Temperatur in den
leichten bis mäßigen Frostbereich. Im Süden bleibt es abgesehen vom Bergland und
dem Alpenrand frostfrei.

Samstag ... tropft der o.e. Höhentrog über der südwestlichen Nordsee ab und das
resultierende Höhentief zieht in Richtung England. Von dort aus erstreckt sich
ein Randtrog bis nach Frankreich, der ganz langsam ostwärts schwenkt, so dass
seine Vorderseite zunehmend den süddeutschen Raum erfasst. Gleichzeitig wölbt
sich vom Balkan her ein schwacher Rücken in nordwestliche Richtung auf, der
seine Wirkung insbesondere in der Nordhälfte entfaltet.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt (nach wie vor über 1035 hPa) nach
Südskandinavien, während der Luftdruck südlich der Alpen fällt und sich über
Norditalien und der Adria eine eigenständige Tiefdruckzone mit rund 995 hPa
etabliert. In Deutschland kommen wir zur Mittagszeit auf eine Druckdifferenz von
rund 25 hPa zwischen Nord und Süd, was ein echt "fettes Brot" ist. Man muss also
kein großer Prophet sein, um für morgen einen in weiten Teilen Deutschlands sehr
windigen bis stürmischen Tag zu verkaufen. Dabei erreicht der Ostwind in der
Nordhälfte in Böen verbreitet Stärke 7-8 Bft (markante Warnung), im küstennahen
Binnenland sogar 9 Bft. An der Küste selbst stehen Böen 9-10 Bft auf der Karte,
vereinzelt sind ebenso wie auf dem Brocken sogar orkanartige Böen 11 Bft nicht
ausgeschlossen. Nach Süden hin ist der Ostwind nicht ganz so forsch unterwegs,
so dass Teile Bayerns und BWs (außer im Norden und einigen Berglagen) sogar
warnfrei bleiben können.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die Luftmassengrenze und mithin die
Kaltluft weiter Boden nach Süden gutmachen. So dürfte spätestens am Abend die
850-hPa-Temperatur auch im Alpenvorland und in Südbaden auf etwas unter den
Gefrierpunkt gesunken sein, während an der Ostsee weiterhin die -15°C-Isotherme
ihre Kreise zieht. Im Gegensatz zu heute schwächen sich durch die Ausweitung des
Höhenrückens die frontalen Schneefälle in der Mitte bereits in den Morgen- und
Vormittagsstunden merklich ab, so dass dort nicht mehr allzu viel Neuschnee
dazukommt. Dagegen bleibt der "Lake-Effekt" im Küstenbereich aktuell. Von der
Ostsee her kommt es zu weiteren, teils in schmalen Korridoren auftretenden
Schneeschauern, die via das nördliche und mittlere SH bis auf die Nordsee und an
die ostfriesische Küste heran ziehen. Dabei können bis zum Abend noch mal bis 5
cm, lokal auch zwischen 5 und 10 cm Neuschnee zusammenkommen (vor allem SH und
Nordvorpommern). Im Zusammenspiel mit dem stürmischen Ostwind drohen dabei
Schneeverwehungen, die aber mangels Substanz (die Schneemengen dürften nicht
ausreichend sein) sehr wahrscheinlich nicht in den Unwetterbereich gehen,
sondern mit markant abgewarnt werden können.
Apropos Schneeverwehungen, die sind und bleiben freilich auch im zentralen und
nördlichen Mittelgebirgsraum nebst tiefer Lagen ein Thema, auch wenn die
Schneefälle selbst nachlassen bzw. ganz aufhören. Das, was zuvor gefallen ist,
wird aber stark verweht, wobei nun neben dem Harz auch im Thüringer Wald über
Unwetter nachzudenken wäre. Ansonsten sollte man aber überwiegend mit markanten
Warnungen auskommen, weil die Menge an lockerem Schnee nicht ausreicht (vom Wind
oder besser Sturm würde es schon reichen, wobei bei Verwehungen neben
ausreichend Pulverschnee ja grundsätzlich der Mittelwind und nicht die Böen die
eigentlich relevante Größe darstellt).
Zuletzt noch nach Süddeutschland, wo sich das Wetter zunächst relativ lust- und
strukturlos verhält, bevor im Tagesverlauf trogvorderseitig leichte
Hebungsprozesse in Gang kommen. Die Folge sind schauerartige Niederschläge, die
zunächst noch häufig als Regen fallen (außer im Norden), bevor später die
Schneefallgrenze langsam aber sicher sinkt.
Während die Temperatur im Norden (trotz Sonne) und Osten sowie in Teilen der
Mitte meist im leichten Frostbereich verharrt, erreicht sie sonst noch mal
Höchstwerte von +2 bis +8°C.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich wenig an der Großwetterlage. Allerdings
flutet die Kaltluft nun auch den gesamten süddeutschen Raum (Rückgang T850 auf
-5 bis -9°C), so dass die dort aufkommenden Niederschläge (teils trogbedingt,
teils Aufgleiten von Osten her) bis in tiefe Lagen als Schnee fallen.
Akkumuliert über 12 h können dabei in weiten Teilen Bayerns und BWs 1 bis 5,
stellenweis um 10 cm Neuschnee fallen (die Schwerpunkte werden von den Modellen
derzeit noch unterschiedlich gesetzt). Zur Mitte hin fällt hier und da auch noch
etwas Schnee, während es im Norden trocken bleibt. Die Schauer von der Ostsee
verlagern sich durch leichte Winddrehung nach rechts immer weiter nach Norden,
so dass dieser Effekt auf dem absteigenden Aste ist. Besonders im nördlichen SH
könnte es aber noch für ein paar Zentimeter Neuschnee reichen.
Im Blickpunkt des Geschehens bleibt der Ostwind, der zwar tagesgangbedingt etwas
nachlässt (besonders im Binnenland), mitnichten aber den Schlaf des Gerechten
schläft. An der See und in höheren Lagen bleibt es stürmisch, Schneeverwehungen
inclusive.
Es tritt verbreitet leichter, im Norden und Osten sowie in der Mitte vielerorts
auch mäßiger, im Bergland stellenweise sogar strenger Frost auf.

Sonntag ... dauert die Ostlage an, wobei die Strukturen im Bodendruckfeld mit
dem langsam nach Westen auswandernden Hoch und Tiefs bei Sardinien und über dem
Balkan klarer sind als beim Potenzial, wo man nur wenige Isohypsen über dem
Vorhersageraum findet.
Die überwiegend leichten Schneefälle im Süden schwächen sich immer weiter ab, so
dass maximal nur noch wenige Zentimeter dazukommen. Auch dem "Lake-Effekt" und
den Schneeschauern im äußersten Norden geht es jetzt endgültig an den Kragen,
weil im Zuge niedertroposphärischer Erwärmung (Anstieg T850 auf rund -10°C) die
Labilität deutlich abnimmt. So steht etwa nördlich der Mittelgebirgsschwelle ein
locker bewölkter, teils sogar wolkenloser Tag ins Haus, der allerdings durch den
weiterhin ruppigen und eisigen Ostwind etwas getrübt wird. Immerhin reicht es
aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit, dass die Temperatur im Norden
vielerorts zumindest kurzzeitig in den positiven Bereich knapp über 0°C rutscht.

Je weiter man nach Süden kommt, desto dichter die Bewölkung. Sowohl in der Mitte
als auch im Süden muss verbreitet mit einem Eistag gerechnet werden, was man an
einem 18. März auch nicht alle Jahre hat.
Es weht weiterhin mäßiger bis frischer und böiger Ostwind mit Spitzen 7-8 Bft,
Küste (vor allem Nordsee und westliche Ostsee) und einige Hochlagen 8-9 Bft,
Brocken 10 Bft, Tendenz am Nachmittag und Abend allmählich nachlassend.

In der Nacht zum Montag fächert der Gradient weiter auf, so dass abgesehen von
einigen exponierten Hochlagen keine warnrelevanten Böen mehr auftreten. Von
Norden her klart es immer weiter auf, was die Temperatur verbreitet in den
mäßigen, in der Mitte und im Osten gebietsweise auch strengen Frostbereich
treibt. "Nur" leichten Frost gibt es am ehesten noch unmittelbar an der Küste
sowie in Teilen des Oberrhein- und Hochrheintals. Im äußersten Süden fallen hier
und da noch ein paar wenige Flocken.

Montag ... verlagert sich das Bodenhoch zum Seegebiet nordwestlich Schottlands.
Von dort erstreckt sich eine schmale Brücke über die Nordhälfte Deutschlands
hinweg (12 UTC) weit nach Osten bis nach Russland. Sie wird gestützt von einem
Ableger des Nordmeerhöhenhochs, der sich in Form eines Keils von der Nordsee
hereinschiebt. Dadurch weitet sich die Zone mit Sonnenschein noch etwas weiter
nach Süden. Die dichtesten Wolken halten sich im äußersten S, wo auch noch ein
paar Flocken fallen können. Ob dies auch in der östlichen Mitte der Fall ist,
wie von ICON simuliert, ist mehr als fraglich. Fakt ist, dass die
850-hPa-Temperatur mit Durchgang der Divergenzachse im Norden deutlich ansteigt
auf rund -6°C, während in der Mitte und im Süden weiterhin zweistellige Werte
bis zu -13/-14°C auf dem Zettel stehen.
Der Wind dreht im Norden auf westliche bis nördliche Richtungen, im Süden kommt
er weiterhin aus Osten bis Nordosten. Böen der Stärke 7 Bft oder etwas darüber
gibt es nur in einigen exponierten Hochlagen. Im S und SO hält sich vielerorts
leichter Dauerfrost, sonst geht es auf 0 bis +6°C hoch.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Auch wenn die Modelle einen sehr ähnlichen Kurs einschlagen, sind doch einige
Details - vor allem aus warntechnischer Perspektive - nicht ganz einfach zu
bewerten. Insbesondere das Thema "Schneefall und Verwehungen" hat durchaus seine
Tücken, weil nicht immer eindeutig einzuschätzen ist, wie viel lockerer Schnee
wirklich liegt bzw. gefallen ist und in wie weit die Schneedecke durch
vorheriges Tauwetter/Regen nass oder durch nachfolgenden Frost wieder verfestigt
ist.
Man macht aber sicherlich kein Fehler, wenn man den Oberharz mit einer
Unwetterwarnung vor Schneeverwehungen bewarnt. Andernorts hingegen kann man erst
mal Zurückhaltung an den Tag legen (markante Warnung, siehe Text), bevor man
morgen früh noch mal eine Neubewertung der Lage vornimmt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann