DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-03-2018 09:30
SXEU31 DWAV 140800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.03.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu HNFz (Hoch Nordmeer Fennoskandien zyklonal)

Heute Zwischenhocheinfluss, danach Aufbau einer Grenzwetterlage mit Kaltluft im
N und milder Luft im S. Dabei von SW aufkommende Niederschläge, teils als
Schnee. Lake-Effekt an der Ostsee noch unsicher. Auffrischender, an der Küste
und in einigen Hochlagen stürmischer Ostwind.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein stark meridional
geprägtes Muster mit zwei sich noch intensivierenden LW-Trögen über dem nahen
Ostatlantik sowie dem östlichen Mittel- bzw. dem nahen Osteuropa. Dazwischen
liegt - ähnlich wie zwischen Eiger und Jungfrau der Mönch - ein Rücken, der sich
aufgrund trogvorderseitiger WLA ebenfalls noch etwas kräftigt und dabei im
Tagesverlauf von Westen her auf Deutschland übergreift. Dabei stützt er eine
meridional exponierte, bis zum Nordpolarmeer reichende Bodenhochdruckzone, die
ein kräftiges Zentraltief (ZSUZSA) westlich von UK/Irland von Tiefs über
NW-Russland (YULIYA) und der Ukraine (namenlos) trennt. Darüber hinaus sorgt das
Hoch dafür, dass die nach Deutschland eingeflossene Meereskaltluft (T850 0 bis
-7°C) zur Ruhe kommt.
So ist die Wettergeschichte für den heutigen Tag nicht nur recht unspektakulär,
sondern auch relativ zügig erzählt. Die anfänglich in der Osthälfte noch
auftretenden, überwiegend leichten Niederschläge (Schneefallgrenze 400 bis 600
m, Richtung Alpen bei 1000 m) lassen mit Abzug eines Sekundärtroges im Laufe des
Vormittags immer weiter nach respektive ziehen in Richtung unserer östlichen
Nachbarn ab. Am Nachmittag sollte dann nur noch vereinzelt etwas
Regen/Nieselregen oder Schnee fallen. Ansonsten trocknet die Luftmasse von W/SW
her allmählich ab, vor allem oberhalb einer sich bei etwa 800 hPa einstellenden
Absinkinversion. Darunter hält sich noch etwas Restfeuchte, trotzdem sollte es
besonders in BW und Schwaben, z.T. aber auch in West- und Nordwestdeutschland
einige sonnige Abschnitte geben. Nach Osten und Südosten hin wird es dagegen
schwer, die kompakte Bewölkung zu knacken.
Der Wind spielt keine prominente Rolle, selbst anfänglich in einigen wenigen
Hochlagen noch auftretende Böen 7-8 Bft lassen immer mehr nach. Erwähnenswert
ist freilich das starke SW-NO-Gefälle der Temperatur. Während in Teilen
Vorpommerns gerade mal +3°C nur schwerlich oder gar nicht überschritten werden,
darf man sich im südlichen Oberrheingraben auf 14 oder gar 15°C freuen.

In der Nacht zum Donnerstag verschärfen sich die thermischen Gegensätze in der
unteren Troposphäre, während sich die Unterschiede im 2m-Niveau gegenüber dem
Tag vorübergehend abbauen. Der Grund dafür liegt in der Abkopplung der flachen
Grundschicht von den Geschehnissen in der unteren Troposphäre, die stark
frontogenetisch geprägt sind. So gelangt vorderseitig des o.e. Trogs bzw.
Zentraltiefs über dem nahen Ostatlantik mit süd-südöstlicher Strömung milde Luft
in den Süden und Westen des Landes, die die 850-hPa-Temperatur auf bis zu +7°C
am Oberrhein ansteigen lässt. In den Norden und Osten hingegen strömt auf der
Südflanke des sich über Nordeuropa kräftigenden Bodenhochs (IRENÄUS) kalte Luft
mit negativen 850-hPa-Temperaturen. Laut ICON stehen morgen früh in Vorpommern
-7 oder sogar -8°C auf der Karte, was eine satte Differenz von bis zu 15 Grad
zwischen Nordosten und Südwesten zur Folge hat. So krass wird es in 2m Höhe
nicht ablaufen, was u.a. an der bereits erwähnten Abkopplung, teils aber auch an
den Bewölkungsverhältnissen (im NO noch viel Gewölkt, aus dem von der Ostsee her
sogar ein paar schwache Schneeschauer fallen können) liegt. Vielerorts geht die
Temperatur in den leichten Frostbereich zwischen 0 und -3°C zurück, besonders in
den westlichen Landesteilen bleibt es aber gebietsweise frostfrei. Dort, wo noch
Restnässe vom Tag vorhanden ist (bevorzugt im O und SO) besteht die Gefahr
gefrierender Nässe (=>offensive sprich sichtbare Warnung), dort, wo es längere
Zeit aufklart, ist Reifglätte möglich (eher defensives Warnmanagement). Nebel
dürfte sich nur vereinzelt bilden.
Da sich die Bodenhochdruckzone langsam nach Osten verlagert, nimmt der Gradient
von Westen her sukzessive zu. Folgerichtig lebt der Ost- bis Südostwind auf, was
aufgrund der stabilen Schichtung insbesondere in den Hochlagen sowie auf und
unmittelbar an der See zur Geltung kommt. So muss auf den Nordseeinseln sowie an
der Ostseeküste SHs mit ersten Böen 7 Bft, auf Helgoland 8 Bft gerechnet werden.
Ähnlich sieht es in exponierten Kamm- und Gipfellagen der westlichen, nördlichen
und zentralen Mittelgebirge aus, während auf einigen Alpengipfeln sogar einzelne
Sturmböen 9 Bft denkbar sind.

Donnerstag... bleibt die omegaähnliche Potenzialverteilung erhalten, wobei sich
zum Tagesende hin die Abspaltung eines eigenständigen Höhenhochs über dem
Europäischen Nordmeer respektive der Nordsee abzeichnet. Von Frankreich her
stößt ein aus dem LW-Trog herauslaufender Sekundärtrog bis in den W und SW vor,
wo er aber jäh durch den zwar schmaler werdenden, gleichwohl aber robust
auftretenden Höhenrücken gestoppt wird. Gleiches gilt übrigens für das
okkludierende Frontensystem des Tiefs über dem nahen Ostatlantik, das durch das
kräftige Nordeuropahoch ausgebremst wird.
So dürften im Laufe des Donnerstags zwar zunehmend hohe, später auch mittelhohe
Wolken von SW her nord-nordostwärts driften, insbesondere in einem diagonalen,
vom Ems- und Münsterland bis hinunter nach Nieder- und Oberbayern reichenden
Streifen dürfte es aber für mehrere Sonnenstunden reichen. Dagegen muss am
Nachmittag und Abend im äußersten W und SW mit etwas Regen oder Nieselregen
gerechnet werden. Wie weit dieser landeinwärts vorankommt, wird von den Modellen
derzeit übrigens noch etwas unterschiedlich gesehen. Während GFS und IFS den
Regen bis zum Abend grob bis zu einer Linie Niederrhein-Bodensee vorankommen
lassen, setzt ICON auf eine stärke Blockierung und belässt es bei wenigen
Tropfen im Grenzbereich zu Luxemburg und Frankreich.
Wechselnd bis stark bewölkt bleibt es trotz allmählicher Abtrocknung von Osten
her in weiten Teilen N- und NO-Deutschlands. Über der Ostsee entwickeln sich ein
paar Schneeschauer, die das deutsche Festland aber kaum treffen werden. Während
die 850-hPa-Temperatur im Süden mit leichter Föhnunterstützung noch etwas
ansteigt (auf bis zu +8°C), geht sie im NO etwas hoch (auf -5°C). Unter dem
Strich bedeutet das aber weiterhin ein veritabler Temperaturgradient, der sich
nun auch auf irdischem Niveau widerspiegelt. So muss man zwischen Uckermark und
Nordfriesland bei 2 bis 5°C weiterhin frieren, während in der gesamten SW-Hälfte
zweistellige Tageshöchstwerte mit bis zu 15°C auf dem Programm stehen.
Ach ja, zu warnen gibt es auch etwas, denn der östliche Wind nimmt weiter an
Fahrt auf, insbesondere im Norden. Dort sind an der Küste Böen bis 9 Bft, im
unmittelbar angrenzenden Binnenland bis 8 Bft, weiter südlich in der
Norddeutschen Tiefebene (vor allem Westteil) bis 7 Bft zu erwarten. Zur Mitte
hin beschränken sich warnwürdige Böen 7-8 Bft auf die Hochlagen sowie einige
freie Lagen, während das Ganze im Süden insgesamt etwas ruhiger abläuft.
Allerdings weht in den Hochlagen der Alpen Südföhn mit Böen bis Stärke 9 Bft.


In der Nacht zum Freitag kommt die Okklusion - eingelagert in eine schmale,
zonal exponierte Rinne - weiter nordostwärts bis etwa zur südlichen Mitte voran
(siehe Vorhersagekarte T+48h), wobei sie zunehmend ihren Okklusionscharakter
verliert und stattdessen die Funktion einer Luftmassengrenze einnimmt, die
kontinentale Kaltluft im Norden von milderer Meeresluft im Süden trennt.
Tatsache ist, dass die frontalen Niederschläge auf die Mitte übergreifen,
möglicherweise sogar noch etwas darüber hinaus (IFS). Auf der kalten Seite des
Niederschlagsgebietes, also im nördlichen und nordöstlichen Bereich kann es
dabei bis in tiefe Lagen schneien, wo der Schnee aber nicht überall liegen
bleibt. In den zentralen Mittelgebirgen könnte es hingegen für ein paar
Zentimeter Neuschnee reichen, während nach Süden hin die Schneefallgrenze bei
1000 m oder sogar noch höher liegt. Leichten Frost gibt es besonders im N und
NO, sonst eher nur im Bergland.
Der Ostwind bleibt im Norden lebhaft unterwegs mit Sturmböen 9 Bft an der Küste
(MOS-Mix bietet vereinzelt sogar 10er-Böen an) und 7-8 Bft im Binnenland. Böen
bis 9 Bft sind auch auf dem Brocken und dem Fichtelberg zu erwarten, während der
Wind im Westen und in den Alpen nachlässt.
Interessanter Randaspekt, der am Freitag noch an Substanz gewinnt: ICON lässt
die Schneeschauer auf der Ostsee nun auch zunehmend wieder auf Teile SHs und MVs
übergreifen, während externe Modelle wie IFS, GFS und auch EURO4 davon nichts
wissen wollen.

Freitag... stellt sich in der Höhe eine klassische Omegaformation ein mit
abgeschlossener Höhenantizyklone über dem Europäischen Nordmeer und der Nordsee.
Sie wird flankiert von Trögen über dem nahen Ostatlantik und NW-Russland, von wo
aus sich aber ein Ausläufer bis nach Norddeutschland erstreckt. Das Hoch über
Skandinavien verstärkt sich noch etwas auf über 1035 hPa, während sich aus der
o.e. Rinne ein eigenständiges Tief löst, das sich im Tagesverlauf gen Rumänien
orientiert. Auf der Südflanke des Hochs gelangt von Osten her relativ trockene
Polarluft arktischen Ursprungs insbesondere in den N und O des Landes,
wohingegen sich im S und SW zunächst noch mildere Luft hält. So sinkt die
850-hPa-Temperatur nordöstlich von Elbe und Havel auf -14/-15°C, was stark an
die Lage von Ende Februar erinnert. Im Süden hingegen bleibt T850 zunächst noch
im leicht positiven Bereich, was sich zum Wochenende aber auch ändern wird.
Getrennt werden die verschiedenen Luftmassen weiterhin von der zonal
orientierten, über der Mitte liegenden Luftmassengrenze, die sich mit
infinitesimal anmutenden Schritten gaaanz langsam südwärts verlagert.
Nördlich der Luftmassengrenze, also grob in der Nordhälfte, weht nach wie vor
ein lebhafter und ruppiger Ostwind mit einzelnen schweren Sturmböen 10 Bft an
der Küste, Sturmböen 9 Bft im küstennahen Binnenland und steifen bis stürmischen
Böen weiter südlich.
Mindestens ebenso interessant wie der Parameter Wind/Sturm" ist die
Niederschlagsentwicklung. So sollen die frontalen Niederschläge gegenüber der
Nacht noch etwas weiter nach Norden ausgreifen (bei ICON nur gering, bei IFS
etwas mehr, nämlich fast bis zur Elbe), wobei der Hauptteil auf der kalten Seite
als Schnee fallen soll. Akkumuliert über 12 h kann gebietsweise bis 10 mm, im
Bergland punktuell (mit Stauunterstützung) auch etwas mehr Niederschlag
zusammenkommen, was übersetzt bis zu 10 cm, lokal bis zu 15 cm Neuschnee
bedeuten würde (gelbe und ocker Warnungen). Wenn das Muster auf Basis
konzeptioneller Überlegungen auch ähnlich ist, so sind Detailprognosen aus
heutiger Sicht noch nicht belastbar, was nicht zuletzt an der unterschiedlichen
Schwerpunktsetzung der verschiedenen Modelle liegt. ICON favorisiert einen
Streifen zwischen Sauerland und Fichtelgebirge, IFS zwischen Emsland und
Oberlausitz, GFS zwischen Westthüringen und Werdenfelser Land (wobei die
Schneefallgrenze im Süden auf jeden Fall höher liegen wir als in der Mitte).
Kurzum, der Freitag wird synoptisch hochinteressant, derzeit müssen wir uns aber
noch mit dem Phänomen der Ungefähren begnügen. Dabei lassen nicht nur die
frontalen Niederschläge einige Fragen offen, auch das Thema "Lake-Effekt" und
"Schneeschauer von der Ostsee" ist noch nicht in trockenen Tüchern. Während ICON
diesen Effekt tagsüber noch etwas verstärkt und eine bis 750 hPa reichende
labile Grundschicht modelliert, setzt IFS bei ähnlichen 850iger-Temperaturen den
Deckel schon bei 850 hPa drauf. Hier reicht die vertikale Mächtigkeit der kalten
Grundschicht offensichtlich nicht, nennenswerte Konvektion in Gang zu bringen,
was übrigens auch auf GFS zutrifft, wo die untere Troposphäre aber ohnehin etwas
wärmer simuliert wird. Sollte der Lake-Effekt am Ende doch greifen und sich
wohlmöglich definierte Schauerstraßen ausbilden, müssten - ebenso wie in einigen
Hochlagen der Mitte - auch Schneeverwehungen ins Kalkül gezogen werden (an der
Küste könnte es zumindest tagsüber noch einen Ticken zu warm und damit der
Schnee - so er denn käme - etwas zu feucht für Verwehungen sein).
Noch ein Wort zum Süden, wo in der wärmeren Luft tatsächlich etwas CAPE
generiert wird, was bei gleichzeitig hohen Lapse-Raten durchaus für einzelne
Gewitter ausreichen könnte. Die Temperaturspanne reicht von rund 0°C im
Ostseeumfeld und bis zu 13°C im Süden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der Aufbau einer Grenzwetterlage mit kontinentaler Kaltluft im N und O und
milderer Luft weiter südlich ist unstrittig. Unsicher sind die Details, vor
allem beim Niederschlag (frontal und Lake-Effekt). Dies wurde im Text bereits
gewürdigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann