DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-03-2018 09:01
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 01.03.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Noch HNFz (Hoch Nordmeer Fennoskandien zyklonal), später in Ws (südliche
Westlage) übergehend

Zunächst noch kalte Ostlage mit verbreitetem Dauerfrost, teils lebhaftem Wind
und an der See Schneeschauern ("Lake-Effekt"). Auch von SW her leichte
Niederschläge, meist als Schnee. Nur zögernd milder.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... dauert die Ostlage weiter an, auch wenn es von Südwesten her erste
zaghafte Versuche gibt, zu Beginn des meteorologischen Frühlings - ja, heute ist
tatsächlich schon der erste März - ein paar erste Duftmarken in diese Richtung
zu setzen. Mit welchem Erfolg, dazu später mehr.
Zunächst mal die Ausgangssituation, die weiterhin von einer zonal exponierten,
sich über weite Teile West- und Kontinentaleuropas erstreckenden Potenzialrinne
geprägt ist. Ausgehend von einem Höhentief knapp westlich von Irland reicht die
Längsachse der Rinne über Norddeutschland hinweg bis zum Schwarzen Meer, wo
knapp nördlich davon (über der Ukraine) ein weiteres Drehzentrum zu finden ist.
Doch damit nicht genug, über dem NO Polens liegt noch ein drittes "Höhenei", das
sich heute auf den Weg nach Westen macht und am Tagesende etwa am Oderhaff
ankommen soll. So monumental die Potenzialrinne auf der einen Seite erscheint,
so brüchig ist sie auf der anderen. Kräftige WLA auf der Vorderseite des bei
Irland positionierten Höhentiefs lässt nämlich aus dem zentralen Mittelmeerraum
einen Höhenrücken erwachsen, der sich in den nächsten Stunden intensiviert,
amplifiziert und sich dabei über die Alpen hinweg bis zur südwestlichen Nordsee
ausweitet. Wenn man so will, splittet der Rücken die Rinne in zwei Teile.
Relevanter allerdings ist die Tatsache, dass er in weiten Teilen des
Vorhersageraums für Absinken sorgt, das die o.e. WLA weitgehend kompensiert, so
dass die daraus resultierenden Hebungsvorgänge zwar mittelhohe und hohe Wolken
produzieren, die sich z.T. bis nach Norddeutschland verirren, sich etwaige
Niederschläge aber sehr in Grenzen halten. So fällt vor allem am Vormittag im
südlichsten BW sowie Richtung Allgäu etwas Schnee, ansonsten verdunsten
respektive sublimieren die in die trockene Grundschicht fallenden Niederschläge
weitgehend.
Apropos trockene Grundschicht, sie verdankt ihre Existenz der weiterhin
andauernden, in weiten Teilen des Landes recht lebhaften Ostströmung, mit der
nach wie vor überwiegend trocken-kalte Festlandsluft advehiert wird. Zwar
schwächt sich das fennoskandische Hoch im Tagesverlauf um rund 20 hPa (von etwas
über 1050 auf gut 1030 hPa) ab, dafür rückt uns das um 00 UTC westlich der
Iberischen Halbinsel analysierte Tief dichter auf die Pelle. Es wird um 24 UTC
knapp westlich von Brest (Bretagne) mit einem Kerndruck von etwas unter 975 hPa
erwartet. Somit bleibt bei uns auch heute ein veritabler Gradient ergo mäßiger
bis frischer und böiger Ostwind erhalten. Warnschwellen werden dabei besonders
im W und NW sowie in Teilen der Mitte erreicht bzw. überschritten mit Böen 7
Bft, in freien Lagen 8 Bft. Steife Böen 7 Bft stehen auch an der Ostsee auf der
Karte, an der Nordsee geht es sogar noch eine Windstärke höher, exponiert
vielleicht sogar bis 9 Bft. Das gilt auch für exponierte Kamm- und Gipfellagen
einiger Mittelgebirge und der Alpen, im Bayerischen Wald setzt sich in
ost-west-orientierten Tälern der Böhmische Wind durch.
Während sich im größten Teil des Vorhersageraums also eine weitgehend
niederschlagsfreie Mischung aus unterschiedlich dichten Wolkenfeldern und
Sonnenschein einstellt, bleibt im äußersten Norden der mittlerweile wohl auch
bei den meteorologisch uninteressiertesten ZeitgenossInnen bekannte
"Lake-Effekt" akut. Man erkennt über dem Norden SHs sehr schön das konvergente
Windfeld (ONO vs. O bzw. OSO), das durch reibungsbedingtes Ausfließen aus dem
Hoch (der ONO-Teil) und weitgehend geostrophischer Anströmung von der Ostsee her
(O-OSO) entsteht und die dortige Schauerstraße am Leben hält. Sie soll tagsüber
einen kleinen Tick nach Süden rücken und dabei noch mal 5 bis 10 cm, räumlich
eng begrenzt um oder etwas über 15 cm Neuschnee bringen. Der zweite Schwerpunkt
mit Schneeschauern wird rund um Rügen erwartet, wobei dort aber "nur" 1 bis 5
cm, lokal um 10 cm zusammenkommen dürften. Nach wie vor bleibt für die gesamte
Ostseeküste und das unmittelbar angrenzende Binnenland die Gefahr von
Schneeverwehungen existent.
Bliebe abschließend noch die Frage nach den Temperaturen, wo ja nun doch etwas
Bewegung in die ganze Angelegenheit kommt. Während die 850-hPa-Temperaur im N
und O auf zweistelligem Kurs bleibt (-10 bis -15°C, Richtung Vorpommern sogar
-17°C), setzt sich im äußersten S und SW hin eine deutliche Milderung auf rund
0°C durch. Davon bleiben freilich auch die 2m-Temperaturen nicht unbeeindruckt,
sie steigen heute trotz andauernder Ostströmung den Rhein entlang, an einigen
Nebenflüssen und punktuell auch am Alpenrand auf leichte Plusgrade, während
sonst aber leichter, im Osten auch mäßiger Dauerfrost den Ton angibt.

In der Nacht zum Freitag tut sich mit Ausnahme der oben schon genannten
Bewegungen nicht viel an der Großwetterlage. Der "Lake-Effekt" entpuppt sich
zwar zäh wie Offenbacher Leder, allerdings bekommt er offensichtlich doch ganz
allmählich Konditionsprobleme. Mit anderen Worten, die weiterhin im nördlichen
SH und rund um Rügen auftretenden Schneeschauer verlieren an Intensität,
zweistellige Neuschneemengen von 10 cm oder mehr werden immer
unwahrscheinlicher. Da auch der Gradient insbesondere im NO immer weiter
aufweicht und somit der Ostwind nachlässt, nimmt auch die Neigung zu
Schneeverwehungen ab, sie treten aber noch auf.
Abnehmen wird der Wind tagesgangbedingt auch in den meisten Niederungen, an der
Nordsee sowie in Kamm- und Gipfellagen einiger Mittelgebirge muss nach wie vor
mit Böen 7-8 Bft, exponiert bis 9 Bft gerechnet werden. Während es besonders im
Norden und Osten vielfach klar bleibt, sind in den übrigen Regionen zumindest
zeitweise hohe oder mittelhohe Wolkenfelder anzutreffen. Für Niederschlag wird
es aller Voraussicht nach aber nicht reichen, da ersten die Grundschicht
ziemlich trocken bleibt und auch der o.e. Höhenrücken weiterhin als
Hebungsdämpfer fungiert. Zwar macht die niedertroposphärische Milderung weitere
Fortschritte - bis zum frühen Morgen steigt die 850-hPa-Temperatur auf +4°C über
dem Oberrheingraben und -14°C im Nordosten -, trotzdem reicht es überall noch zu
Frost (im äußersten SW leicht, sonst mäßig, im klaren O und N sowie teilweise
auch im SO streng).

Freitag... muss sich der o.e. Höhenrücken mehrerer "Angriffe" von verschiedenen
Seiten erwehren, was er - das muss man zugeben - sehr tapfer macht, so dass er
auch am Ende des Tages zumindest in rudimentären Zügen noch erkennbar ist über
dem W und S Deutschlands sowie der Nordsee. Als Aggressoren versucht sich auf
der einen Seite das kleine Höhentief über Polen, das im Tagesverlauf bis ins
nordostdeutsche Binnenland vorankommt, weiter aber auch nicht. Auf der anderen
Seite schwenkt von der Biscaya her ein langgezogener Randtrog nach Frankreich,
wobei er in seinem Südteil über dem Ligurischen Meer oder Oberitalien abtropft
und somit der großräumigen Wetterkarte ein weiteres Höhentief hinzufügt - nun
ja, es geht schließlich ja auf Ostern zu.
Während das in der Frühe noch vor der Bretagne liegende Tief unter deutlichem
Auffüllen nur noch bis zum Seegebiet knapp westlich von Landsend vorankommt,
taucht westlich der Iberischen Halbinsel ein zweites Tief auf, was für uns
zunächst aber nur von peripherer Bedeutung ist. Wichtiger ist die Tatsache, dass
das Hoch über Skandinavien weiter an Substanz einbüßt. So wird im Laufe des
Tages die 1025-hPa-Isobare von der Bildfläche verschwinden mit der Folge, dass
der Gradient bei uns immer weiter auffächert. In freien Lagen W- und
NW-Deutschlands sowie der Mitte wird es aber noch für einzelne 7er-Böen
(Bergland vereinzelt 8 Bft) um Ost reichen, ebenso wie an der Nordsee (dort auch
8 Bft). An der Ostsee beschränken sich Böen 7 Bft wohl auf den Küstenabschnitt
zwischen Fehmarn und Flensburger Förde.
So ganz will der "Lake-Effekt" im äußersten Norden immer noch nicht weichen,
gemessen an den Vortagen dürften die Neuschneemengen nun aber nicht mehr allzu
üppig ausfallen (trotzdem weiterhin Gefahr von Verwehungen).
Dafür rückt der SW wieder mehr in den Blickpunkt möglichen
Niederschlagsgeschehens, wenn nämlich der nächste Versuch unternommen wird, die
blockierende Ostlage aufzudröseln bzw. in die Wetterchroniken zu verbannen.
Dieses Mal wirft eine Okklusion den Fehdehandschuh, die zum besagten Tief bei
Landsend gehört und sich über Frankreich hinweg in Richtung Benelux quält -
quält deswegen, weil sie gegen Ostströmung ankämpfen muss und auch der
Höhenrücken trotz Abschwächung noch dagegen hält. Immerhin sind sich die Modelle
dahingehend einig, dass im SW Niederschläge aufkommen, die sich langsam
nordostwärts vorarbeiten. Laut GFS, dem progressivsten Modell, soll dieser bis
zu einer Linie Selfkant-Chiemgau vorankommen, laut ICON nur zu einer Linie
Eifel-Werdenfelser Land (bis 18 UTC). Wichtig ist, dass die
niedertroposphärische Temperatur im SW wieder ins Negative abrutscht, was zum
einem dem Okklusionsprozess, zum anderen der Verdunstungsabkühlung durch in die
trockene Grundschicht fallende Niederschläge geschuldet ist. Von daher dürfte
der Niederschlag meist als Schnee fallen, die Wahrscheinlichkeit für die
(gefrierende) Regenphase ist zunächst sehr gering. Die Neuschneemengen bis
Freitagabend reichen von "nicht liegenbleiben" (bei positiven
Belagstemperaturen) bis 3 cm, lokal vielleicht bis 5 cm, im Südschwarzwald 5 bis
10 cm.
Während im N und O sowie in Teilen der Mitte weiterhin leichter bis mäßiger
Dauerfrost herrscht, steigt die Temperatur sonst auf -2 bis +3°C.

In der Nacht zum Samstag fusionieren die beiden westlichen Bodentiefs zwischen
Irland und der Biscaya. Die überwiegend leichten Schneefälle aus dem Süden und
Südwesten noch etwas nach Norden und Nordosten voran, wobei sie sich nach Lesart
der meisten Modelle abschwächen sollen. Das ist vor dem Hintergrund abnehmender
Hebungsintensität mit jedem Kilometer weiter nach Nordosten (Blockadewirkung)
sowie dem Entrainment von Osten nach wie vor einströmender trockener
Kontinentalluft synoptisch auch nachvollziehbar. Meist liegen die
apostrophierten Neuschneemengen unter 5 cm, nur lokal etwas darüber. Die Gefahr
von gefrierendem Regen mit Glatteis ist nach wie vor sehr gering, weisen doch
die Vertikalprofile einen nahezu durchweg negativen Temperaturverlauf bei
ausreichend Sättigung auf. Wie weit der Schneefall letztlich nach N bzw. NO
ausgreift, ist noch unsicher, hier müssen die Modelle noch einen Konsens
anstreben (IFS derzeit am progressivsten).
Weite Teile Norddeutschlands sollte aber eine klare Nacht erleben, außer ganz im
Norden, wo es noch ein paar leichte Schneeschauer gibt. Während im S und SW
meist leichter Nachtfrost auf der Karte steht, reicht es in den übrigen Regionen
- wenn auch nicht mehr so kalt wie in den Vornächten - für mäßigen bis strengen
Frost. Der Ostwind lässt immer mehr nach, vor allem an und auf der Nordsee sowie
in wenigen exponierten Kammlagen sind noch einiger7/8er-Böen drin.


Samstag... zieht das kleine Höhentief über die Nordhälfte langsam westwärts
(ICON). Möglicherweise interagiert es mit der über der Mitte nicht wirklich
vorankommenden Okklusion, was dort gebietsweise eine leichte Intensivierung der
Schneefälle zur Folge hätte. Hier ist aber noch viel Konjunktiv im Spiel, weil
nämlich die anderen Modelle jeweils unterschiedliche Zugbahnen des Tiefs
simulieren und den Schneefall eher verhungern lassen. Ansonsten greift von Süden
her eine schmale Tiefdruckrinne auf den äußersten Süden und Südwesten über, wo
es etwas schneien oder regnen kann. Ob dabei auch örtlich gefrierender Regen
auftritt, ist unsicher, insgesamt aber weiterhin nicht überbordend
wahrscheinlich.
Ansonsten bleibt es in Deutschland weitgehend niederschlagsfrei, auch im
Küstenumfeld treten kaum noch Schneeschauer auf. An der Nordsee weht noch ein
flotter Ostwind mit Böen 7 Bft, an der Ostsee sind diese seltener und eher am
Nachmittag anzutreffen. In der Nordosthälfte bleibt es bei leichtem Dauerfrost,
sonst steigt die Temperatur auf 0 bis 5°C, im S und SW mit allmählicher
Winddrehung auf SW und allmählicher Durchmischung von kontinentaler und
maritimer Luftmasse z.T. etwas darüber. Ob es dort aber tatsächlich für die von
MOS-Mix vorhergesagten +8°C reicht, ist mit gewisser Skepsis zu sehen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Der Versuch, die kalte Ostlage zu beenden oder zumindest abzumildern, ist den
Modellen nicht abzusprechen. Alle versuchen es von Süden und Südwesten her, tun
sich aber schwer, den Bock so mir nichts, dir nicht umzustoßen. Genau das
entspricht den langjährigen Erfahrungen, und vor allem im Norden und Osten wird
es trotz langsamen Temperaturanstiegs noch einige Zeit dauern, bis der
Dauerfrost getilgt ist und das Wort "frühlingshaft" seine Berechtigung erfährt.
Über die Unsicherheit bei den von SW aufkommenden Niederschlägen wurde im Text
bereits berichtet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann