DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-05-2016 09:00
SXEU31 DWAV 240800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 24.05.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: indifferent

Heute im Osten und Nordosten teils kräftige Gewitter mit Starkregen und Hagel,
lokale UNWETTER möglich.
Am Mittwoch im N und NO einzelne, am Donnerstag mit Ausnahme des äußersten
Nordens Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zeigt der Blick auf das 300-hPa-Geopotenzial eine schmale,
rinnenartige Struktur, die - ausgehend von einem Trog über dem Nordmeer - über
England, die südwestliche Nordsee und Nordostfrankreich bis hinüber zum
nördlichen Balkan reicht. Dort befindet sich ein abgetropftes Höhentief, das im
Tagesverlauf weiter nach Osten zieht und somit seinen Einfluss auf unser
Wettergeschehen mehr und mehr verliert. Während es zum Abend hin über England zu
einem weiteren, für unseren Raum allerdings wenig bedeutsamen Cut-Off kommt,
verstärkt sich bei uns der von NW-Russland über die Ostsee südwestwärts
gerichtete Höhenkeil, so dass das gesamte Potenzialregime einen zunehmend
antizyklonalen Anstrich bekommt. Dabei kräftigt sich ein Bodenhochkeil, der sich
von einem Hoch über dem südlichen Nordmeer bis nach Frankreich erstreckt und
später einen "Ableger" bis nach Süddeutschland platziert. Auf der anderen Seite
findet man über dem O und NO des Vorhersageraums noch immer eine Tiefdruckrinne,
die aber mehr und mehr an Kontur verliert, gleichwohl heute aber noch mal
wirksam ist. Dabei spielt freilich auch der große Luftmassenunterschied eine
prominente Rolle, der durch eine nahezu stationäre Luftmassengrenze am Westrand
der Rinne markiert wird. Sie trennt kühle maritimpolare Luftmassen im größten
Teil Deutschlands von deutlich wärmerer und potenziell instabil geschichteter
Subtropikluft im Osten und Nordosten. So steigt die Temperatur etwa nordöstlich
der Elbe mit Sonnenunterstützung auf 18 bis 24°C, Richtung Oder und Neiße bis zu
28°C, während es sonst bei überwiegend stark bewölkten bis bedeckten
Verhältnissen lediglich zu 12 bis 16°C, im Bergland und an den Alpen rund 10°C
reicht.
Zum Wetter: Aktuell kommt es auf der kalten Seite der Rinne - begünstig durch
hebungsfördernde Scherungsbedingungen - noch zu teils schauerartig verstärkten
Regenfällen, die im Norden aber bereits deutliche Abschwächungstendenzen
aufweisen. In der Mitte und im Süden sind die Regenraten derzeit noch höher,
allerdings kommt es in den nächsten Stunden aus den o.e. Gründen zu einer
Intensitätsabnahme, so dass die Dauerregenwarnungen im äußersten Süden zumindest
nach Westen hin nicht verlängert werden müssen. Dagegen deuten sich im Osten
noch mal neue Regenfälle von Österreich her an, die bis zum Abend noch mal 5 bis
10, in Staulagen maximal 20 mm bringen können.
Das Hauptaugenmerk aus warntechnischer Perspektive liegt heute einmal mehr auf
dem Osten und Nordosten, genauer in einem Streifen, der etwa vom Osterzgebirge
bzw. dem Zittauer Gebirge über das östliche BB und den Berliner Raum bis nach
Vorpommern reicht. Dort weist die Luftmasse die höchste Feuchte (spez. F. in 200
m etwas über 10 g/kg,
PPW 25-30 mm), die geringsten Lapse-Raten und die höchsten CAPE-Werte (am
Nachmittag teils über 1000 J/kg) auf. Der "Treibstoff" für kräftige konvektive
Umlagerungen ist also vorhanden, stellt sich noch die Frage nach dem "Zünder".
Die Dynamik kommt im Zuge der geschilderten Antizyklonalisierung nicht in Frage,
dafür wird die Auslösetemperatur von 24 bis 28°C vielfach erreicht. Zum Teil
werden die Gewitter auch über dem nahen Polen bzw. Nordböhmen in der Hauptachse
der Rinne (Konvergenz) ausgelöst. Tatsache ist, dass aufgrund der
vergleichsweise geringen Scherung organisierte Strukturen nicht überbordend
wahrscheinlich sind, trotzdem sind starke Entwicklungen bis in den
Unwetterbereich denkbar. Dabei stehen aufgrund der langsamen Zuggeschwindigkeit
vor allem Starkregen, teils aber auch größerer Hagel auf der Agenda.
Der Wind spielt heute keine große Rolle, einzig in freien Lagen des
Alpenvorlands sind Böen bis 7 Bft um West, auf den Alpengipfeln bis 8 Bft um
Nordwest möglich.

In der Nacht zum Mittwoch fällt die Konvektion im O und NO wieder zusammen,
gebietsweise kann es aber bis in die frühen Morgenstunden schauerartig regnen.
Im großen Rest des Landes bleibt es häufig stark bewölkt. Dort, wo es doch mal
für längere Zeit aufklart, bildet sich teils dichter Nebel.

Mittwoch... stellt sich in der Höhe eine äußerst gradientschwache Situation mit
einem dürftigen Rücken über dem Vorhersageraum ein, der einen zonal orientierten
Trog über dem nahen Ostatlantik und Westeuropa von einem meridional exponierten
Trog bzw. Höhentiefkomplex über dem nahen Osteuropa trennt. Im Bodendruckfeld
steigt der Luftdruck noch etwas an, wodurch sich der o.e. Keil von
Süddeutschland her etwas nach Norden ausweitet. Ganz im Norden und im Nordosten
aber halten sich noch immer Reste der vormaligen Tiefdruckrinne. Dabei lässt
sich in den thermischen Prognosefeldern weiterhin eine Luftmassengrenze finden,
allerdings werden die thermischen Gegensätze allmählich geringer. Am wärmsten
wird es nach wie vor im Osten und Nordosten mit 21 bis 26°C, während sonst 15
bis 20°C, im SW bei längerer Einstrahlung bis zu 22°C auf der Karte stehen.
Wettertechnisch verläuft der Mittwoch gemessen an den Tagen zuvor eher
unspektakulär. Im Nordosten, wo die Luftmasse nach wie vor am feuchtesten und
labilsten ist (CAPE wird allerdings zunehmend gedeckelt), können sich einzelne
Gewitter entwickeln. Da die Auslösetemperatur von rund 27°C kaum erreicht wird
und dynamische Impulse fehlen, müssen die konfluenten Windstrukturen in der
untersten Troposphäre als Trigger herhalten. Unter dem Strich sollten aber nicht
mehr als ein paar Einzelzellen herauskommen, die maximal in den markanten
Bereich (Starkregen) gehen. Ansonsten bleibt es in weiten Teilen des
Vorhersageraums trocken, am ehesten entwickeln sich über dem zentralen und dem
westlichen Mittelgebirgsraum ein paar wenige Schauer.

In der Nacht zum Donnerstag schwächt sich der sich ohnehin nicht gerade als
Adonis entpuppende Höhenrücken bereits wieder ab und von Westen her "bohrt" sich
die Spitze des o.e. zonalen Troges bis nach Deutschland vor. Dabei werden im
Norden leichte Hebungsimpulse ausgelöst bzw. die dort liegende Luftmassengrenze
aktiviert, was dort gebietsweise schauerartigen Regen, vielleicht auch ein
Gewitter zur Folge hat. COSMO-EU wartet in Ostfriesland sogar mit einem
Starkregensignal auf, das man heuer aber noch nicht zu ernst nehmen sollte.
Ansonsten klart es teilweise und es bilden sich einige dichte Nebelfelder.

Donnerstag... weitet sich der Höhentrog noch etwas nach Osten aus, wobei die
Strömungsverhältnisse aber schwach sind, so dass keine nennenswerten
Advektionsprozesse stattfinden. Auch bodennah stellt sich eine äußerst flaue,
fast schon als amorph zu bezeichnende Situation ein. Die thermischen Gegensätze
nehmen weiter ab, weil sich die alternde polare Meeresluft durch Einstrahlung
weiter erwärmt, während sich die Subtropikluft abgekühlt hat bzw. verdrängt
wurde. Mit Ausnahme des äußersten Nordens, wo von NO her etwas kühlere und
stabilere Luft einsickert, steigt die Temperatur verbreitet auf 20 bis 25°C.
Dabei nimmt die Labilität allgemein zu, am Nachmittag reicht das ML-CAPE
vielerorts bis zu 500 J/kg, lokal etwas darüber, im Bereich Lausitz/Ostsachsen
sogar bis knapp 1000 J/kg. Mit Erreichen der Auslösetemperatur (liegt bei 20 bis
26°C), über dem Bergland z.T. schon vorher, kommt es zur Auslöse von Schauern
und Gewittern. Da die Scherung gering bleibt, stehen vornehmlich nicht
organisierte Zellen auf dem Zettel, die bis in den markanten Bereich gehen (vor
allem Starkregen, aber auch Hagel, weniger Sturm). Ob es auch schon wieder für
lokale Unwetter reicht, ist aus numerischer Perspektive nicht gerade
wahrscheinlich. Allerdings lehrt uns sie Praxis etwas anderes, gerade, wenn die
Gewitterzellen Stehversuche unternehmen und sich vor Ort ordentlich ausregnen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte Entwicklung wird von den Modellen in der Basis ähnlich gesehen.
Antworten hinsichtlich Qualität und Quantität konvektiver Prozesse können en
detail naturgemäß erst sehr kurzfristig gegeben werden. Die Modelle fungieren
dabei allenfalls als Signalgeber und das - wie gestern gezeigt - nicht in jedem
Fall gut.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann