DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-05-2016 09:00
SXEU31 DWAV 230800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.05.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TM

Viele Wolken mit Regen. Nach Osten zu zunehmend gewittrig.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, dessen
Achse in einem weiten Bogen vom Nordmeer über die Britischen Inseln bis ins
westliche Oberitalien bzw. zu den Seealpen reicht. In seinem südlichsten Bereich
ist ein abgeschlossenes Höhentief zu erkennen, welches sich im Tagesverlauf
leicht nach Osten verlagert und am Abend etwa über der Poebene zu liegen kommt.
Vorderseitig des Troges liegt vor allem der Nordosten unseres Landes noch im
Zustrom warmer, feuchter und labil geschichteter Luft aus dem Bereich des
Mittelmeers. Diese deutlichen Unterschiede lassen sich auch in den 850er
Temperaturen erkennen, wo in der Eifel nur Werte von knapp über 1 Grad erreicht
werden, während die entsprechenden Werte in Vorpommern zum Abend hin bei etwa 13
Grad liegen. Den angedeuteten Unterschieden in der Labilität folgend, liegen
dort die Werte des KO-Index bei bis zu -8, während man im Westen, vom Emsland
bis zur Eifel, Werte um 7 vorfindet. Auch bezüglich anderer Labilitätsindizes,
etwa der Lapse-Rates, liegt der (Nord-)Osten deutlich vor dem (Süd-)Westen. Die
von den Modellen in der Folge simulierten Hebungsprozesse sind auch der
vorderseitig des Höhentroges liegenden Tiefdruckrinne geschuldet, die zum Abend
etwa von Südschweden über die Oder und Neiße bis ins Böhmische Becken verläuft.
Vor allem an dieser Achse der Rinne bzw. westlich davon kommt es zu kräftigen
Hebungsprozessen, die, von höherer Scherung begünstigt, auch intensivere
Gewitterentwicklungen zulassen, was sich auch an den CAPE-Werte ablesen lässt.
Letztere liegen nach COSMO-EU bei bis zu 1600 J/kg, ICON-NEST geht diesbezüglich
mit Werten von bis zu 700 J/kg deutlich defensiver zu Werke. Insgesamt ergibt
sich östlich einer Linie Schleswig-Holstein - Ostbayern ein hohes
Gewitterrisiko, wobei unwetterartige Entwicklungen lokal wahrscheinlich
erscheinen, worauf auch die hohen ppw-Werte von um 33 L/m2 bei COSMO-EU und -DE
hindeuten, was auch von GFS gestützt wird, so dass die Unwetterkriterien vor
allen bezüglich Starkregen, eventuell auch bezüglich Hagel gerissen werden
können. Zwar werden die Oberwinde in den potentiellen Gewittergebieten von den
Modellen nicht sehr hoch angesetzt, allerdings zeigt sich in den Temps unterhalb
von 800 bis 850 hPa verbreitet eine deutlich ausgeprägte inverse V-struktur, die
für das Auftreten kräftiger Fallböen bis hin zur Sturmstärke spricht.

Gewitter stehen in den übrigen Landesteilen nicht so sehr im Vordergrund, sind
aber in schwächerer Ausprägung vor allem im Nordwesten durchaus denkbar. Da
durch diese konvektive Durchsetzung des dortigen stratiformen Regens die Mengen
lokal in die Höhe getrieben werden, was auch hier wieder durch höhere
Scherungswerte begünstigt ist, sind auch dort Stark- und/oder
Dauerregenereignisse (mehr als 20 mm in 6 Stunden oder mehr als 25 mm in 12
Stunden) denkbar, allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Dennoch muss dort mit
kräftigen und lang anhaltenden Regenfällen gerechnet werden, was einerseits
durch die dynamische Hebung mit der zyklonalen Höhenströmung auf der Rückseite
des Troges ausgelöst, durch ppw-Werte von knapp unter 30 L/m2 (COSMO-EU) bzw.
knapp über 30 (COSMO-DE) dann ermöglicht wird. Weiters auf der Warnkarte stehen
Dauerregen im Süden, an der Westflanke der Tiefdruckrinne durch Stau an den
Alpen hervorgerufen wird. Der durch die Anströmung entstehende Staukeil auf der
Alpennordseite erhöht den Gradienten im Südosten, so dass dort starke Böen
wahrscheinlich sind.

In der Nacht zu Dienstag wird der Langwellentrog über der Nordsee abgeschnürt
und sein südlicher Schwerpunkt tropft in Richtung nördliche Adria ab. Im
Bodendruckfeld wandert das in der Rinne eingebettete Tief nach Norden, verlässt
das Böhmische Becken und liegt zum Morgen etwa über Vorpommern, wobei insgesamt
eine Abschwächung desselben zu beobachten ist und ausgangs der Nacht innerhalb
der Rinne schon ein Tief an der Grenze von Tschechien zur Slowakei dominiert.
Die Rinne selbst bewegt sich leicht retrograd nach Westen, so dass sie zum
Morgen etwa vom Zittauer Gebirge bis nach Rügen ausgerichtet ist. Im Bereich der
Rinne kommt es auch in der Nacht zu kräftigen Niederschlägen, die immer noch
gewittrig durchsetzt sind, wobei Unwetter tagesgangbedingt unwahrscheinlicher
werden, aber vor allem in der ersten Nachthälfte nicht ausgeschlossen sind.
Immerhin liegend die ppw-Werte dort weiterhin um 25 L/m2 und die Scherung bleibt
hoch, so dass sich insgesamt ein Gebiet zwischen Hofer Land, Erzgebirge,
Südniedersachsen und der Altmark als das am stärksten vom Niederschlag
betroffene herauskristallisieren sollte. Ferner bleibt der Stau an den Alpen
erhalten, so dass auch dort weiter kräftiger Regen fällt. In den übrigen
Gebieten bleibt es zwar auch überwiegend regnerisch, dort werden aber keine
entsprechenden Warnschwellen erreicht. Der Wind lebt in der Nacht in der Mitte
etwas auf, was dem sich durch die retrograde Trogverlagerung verschärfenden
Gradienten geschuldet ist. Im Süden und in höheren Mittelgebirgslagen kommt es
entsprechend zu steifen, auf Alpengipfeln zu Sturmböen.


Dienstag... verlagert sich das Höhentief von der Adria bis in den Süden
Rumäniens. In der Folge kann sich von Norden her ein regionales
Geopotentialmaximum nach Deutschland schieben. Die Tiefdruckrinne wird in ihrem
nördlichen Teil abgebaut, so dass zum Abend hin noch ein Keil im Bodendruckfeld
übrigbleibt, der sich von Polen in Richtung Lübecker Bucht erstreckt. Da
unterhalb dieses Höhenrückens absinken herrscht und die Konvektion gedämpft
wird, breiten sich die im Tagesverlauf vor allem nördlich des Erzgebirges wieder
auflebenden Gewitter (dort weiter hohe Laps-Rates, Scherung, hohe Cape-Werte)
noch bis in den Berliner Raum und bis zur Mecklenburger Seenplatte aus. Auch in
der Mitte sind weiterhin kräftige Niederschläge, wenngleich wohl stratiformer
Natur, auszumachen. Die Gründe hierfür sind etwas diffiziler auszumachen.
Einerseits bildet sich an dem von Polen hereinreichenden Bodentrog ein
"Fortsatz", der nach Frankreich hineinragt und somit über der Mitte Deutschlands
für Hebung sorgt, andererseits hat der Langwellentrog über dem Atlantik ein
kleinräumiges Anhängsel über dem Ärmelkanal, auf dessen Vorderseite es zu einer
Hebungsintensivierung kommt. Vor allem die in der Mitte Deutschlands erkennbare
Hebung im Bereich der sekundären Rinne findet sich auch mit höheren
Niederschlagswahrscheinlichkeiten bei COSMO-LEPS wieder. Die Luftdruckgegensätze
sich allgemein gering, so dass Wind nur vereinzelt im Süden ein Thema sein
sollte.

In der Nacht zu Mittwoch bleibt sowohl in der Höhe wie auch im Bodenfeld die
Grundkonstellation erhalten. Von Norden steigt das Geopotential etwas an,
gleichzeitig sinkt es von Westen her ab. Im Bodendruckfeld weitet sich der von
Osten hereinreichende Trog etwas nach Westen über die Niederlande bis zum
Ärmelkanal aus, was allerding nicht zu einer nennenswerten Verlagerung der
dominierenden Luftmassen führ. Mit anderen Worten: Über dem Nordosten bleibt es
warm und feucht, im Südwesten deutlich kühler. Die anfangs im Nordosten noch
gewittrigen Regenfälle lassen im Laufe der Nacht nach, von Südwesten klart es
teilweise auf, was dann auch die Bildung von Nebel nach sich ziehen kann.

Mittwoch... und in der Nacht zu Donnerstag wird über dem Norden Deutschlands das
relative Geopotentialmaximum abgebaut, es bildet sich eine Geopotentialrinne,
die vom Schwarzen Meer über den Norden Deutschlands bis zum Atlantik reicht.
Unter dieser sind im Bodenfeld noch die Reste der Tiefdruckrinne auszumachen,
einerseits als schwaches Tief über dem Hamburger Raum, andererseits im
Theta-Feld oder der 850er Temperatur als warme Schliere. Die Feuchte nimmt
allgemein etwas ab, und auch klar strukturierte und kräftige Hebungsgebiete sind
nicht mehr auszumachen. Trotzdem kann es am Tage im Nordosten (Cape laut
COSMO-EU über 1000 J/kg, ppw bis knapp unter 30 L/m2, hohe Laps-Rates) noch zu
Gewittern kommen, Unwetterpotential besitzen diese voraussichtlich aber nicht
mehr oder nur noch sehr lokal, was auch daran liegt, dass die
unwetterträchtigste Luft dann über Polen zu finden sein wird. Insgesamt ist der
Wettercharakter wechselhaft bis wolkig, und in den Nächten ist lokal wieder
Nebel ein Thema.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren zumindest die Gewittergebiete und deren mögliches
Potential im Nordosten recht ähnlich. Über die Gewitterindizes wurde schon im
Text berichtet. Etwas größer sind die Unterschiede bei den
Niederschlagsschwerpunkten in der kommenden Nacht über der Mitte Deutschlands,
die die Deutschen Modelle vor allem über dem nördlichen Baden-Württemberg sehen,
GFS dagegen weiter östlich sieht und EZMW gar nicht anbietet, da dessen Maximum
an den Alpen liegt, wo aber auch die übrigen Modelle kräftige Stauniederschläge
sehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas