DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-05-2016 09:00
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.05.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW z, Übergang zu T M
Heute im späteren Tagesverlauf Gewitter, in der Mitte sowie im Osten und Süden
mit Unwettergefahr. Morgen im Nordosten und ganz im Osten erneut Gewitter, dabei
Unwetter möglich. Im Westen und Südwesten vor allem im Bergland Gefahr von
Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Sonntag... liegt Deutschland an der Vorderseite eines Troges, der sich über
Westeuropa mehr nach Süden ausweitet als dass er nach Osten vorankommt. Folglich
steilt die südwestliche Strömung weiter auf, dreht mehr auf Süd und nimmt etwas
an Stärke zu. Mit der einströmenden wärmeren Luft wird die Schichtung auch
deutlich labiler. Dies ist vor allem zwischen Ostsee und Alpen der Fall. CAPE
erreicht bis 500, an den Alpen bis 2000 J/kg, was auch für größeren Hagel
sprechen würde. Der Gehalt an niederschlagbarem Wasser liegt in diesen Gebieten
zwischen 20 und 25 mm. Allerdings liegt in diesen Gebieten die Auslösetemperatur
zwischen 29 und 33 Grad, was nur mit Mühe erreichbar ist. Zudem fehlen dynamisch
bedingte Antriebe.
Im Nordwesten und Westen setzt im Tagesverlauf leichte Kaltluftadvektion ein,
was dort die Labilisierung dämpft bzw. zu einer Stabilisierung führt. Dort ist
der Gehalt an niederschlagbarem Wasser höher und erreicht 35 mm; auch
niedertroposphärische Scherung ist vorhanden.
Betrachtet man die gegebenen Zutaten, sind konvektive Umlagerungen im
Grenzbereich zwischen beiden Regionen, also von Schleswig-Holstein bis etwa zum
Hochrhein und zum Allgäu, am wahrscheinlichsten.
Trogvorderseitig entwickelt sich ein flaches Tief über den Benelux-Staaten, das
nord- nordostwärts gesteuert wird. Ein weiteres flaches Tief entsteht sehr
wahrscheinlich an der Alpennordseite durch Auspumpen und infolge einer leichten
Überhitzung. Vor allem letzteres könnte den für hochreichende Konvektion
erforderlichen Hebungsantrieb liefern. Durch diesen kommt es im Tagesverlauf zu
teils heftigen Gewittern mit Unwettergefahr durch heftigen Starkregen, vor allem
im Süden durch größeren Hagel und mehr zum beschriebenen Grenzbereich hin auch
durch Sturmböen.
Die Kaltfront, die dem westeuropäischen Trog vorgelagert ist, erreicht gegen
Abend erst den Nordwesten und den äußersten Westen. Aber auch in den frontalen
Niederschlag können teils stärkere Gewitter eingelagert sein, wobei jedoch die
Unwettergefahr geringer ist als weiter nach Osten hin.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 25 bis 30, ganz im Westen 20 bis 25 und im
westlichen Bergland keine 20 Grad.
In der Nacht zum Montag tropft der westeuropäische Trog in Richtung Westalpen
aus, was der Strömung einen leichten Südosteinschlag verpasst. Deutschland
verbleibt somit an der Vorderseite des Troges. Im Bodendruckfeld zeichnet sich
über dem Osten Deutschlands eine Tiefdruckrinne ab, die einerseits aus dem Tief
resultiert, das zuvor über den Benelux-Staaten lag und zum anderen das Tief vom
Alpennordrand beinhaltet. Zwischen dieser Tiefrinne und dem von Frankreich
hereindrückenden Bodenkeil ergibt sich eine nordwestliche bodennahe Strömung,
d.h. es entwickelt sich eine großräumige Aufgleitsituation, welche vom
Nordwesten Deutschlands bis zum Schwarzwald zu länger andauernden Niederschlägen
führt. Diese können anfangs noch konvektiv durchsetzt sein; auch eingelagerte
Gewitter sind möglich. Nach Osten und Südosten hin sollte dagegen die
Gewittertätigkeit abklingen.

Montag... verlagert sich das Cut-Off-Tief in die Po-Ebene. Der verbleibende
Resttrog wird jedoch durch einen Höhenkeil, der sich von der Balkanhalbinsel bis
zum Weißen Meer erstreckt, blockiert, so dass sich erneut ein Austropfen
andeutet. Folglich bleibt die trogvorderseitige Lage bestehen, wobei die
Strömung weiter auf Südost dreht. Die oben beschriebene Tiefdruckrinne verlagert
sich weiter nach Osten und erstreckt sich gegen Abend etwa von Niederösterreich
bis etwa zum Oderhaff.
Durch diese Konstellation bleibt die Aufgleitsituation im Westen und Süden
bestehen, wobei sich das Niederschlagsmaximum dann eher zu den südwestlichen
Mittelgebirgen und zum westlichen Alpenrand (Allgäu) verlagert; dort können
bevorzugt in Staulagen die Schwellenwerte für Dauerregen überschritten werden.
Im Nordosten und ganz im Osten (etwa von Oberfranken bis in den Bayerischen Wald
hinein) hält sich dagegen feuchtlabile Luft. CAPE erreicht mehr als 1000 bis
etwa 1500 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser 30 bis 35 mm. Das
Kondensationsniveau liegt zwischen 800 und 850 hPa und die Auslösetemperatur,
die zwischen 22 und 27 Grad liegt, sollte erreichbar sein. Die Voraussetzungen
für hoch reichende Konvektion bis hin zum Unwetter sind somit eher gegeben als
heute.
Während von Schleswig-Holstein über den Westen bis nach Südwestdeutschland nur
noch 12 bis 17 und in den westlichen Mittelgebirgen Werte um 10 Grad erreicht
werden, steigt von der Ostsee bis zu den Berchtesgadener Alpen die Temperatur
nochmals auf 20 bis 25, von Vorpommern bis zur Oberlausitz bis 28 Grad.
In der Nacht zum Dienstag tropft auch der verbleibende Resttrog aus; das
Cut-Off-Tief ist dann über Nordfrankreich zu finden. Da sich an der
Bodendruckverteilung nicht allzu viel ändert, bleibt die Aufgleitsituation mit
länger andauernden Niederschlägen im Südwesten, Süden sowie in der Mitte
Deutschlands bestehen. Dabei können auch außerhalb von Staulagen die
Schwellenwerte für Dauerregen überschritten werden; auch unwetterartige
Niederschlagssummen sind nicht ganz auszuschließen.
Nach Nordosten hin sollte dann die Gewittertätigkeit sowohl tagesgangsbedingt
aber auch aufgrund fehlender dynamischer Antriebe zum Erliegen kommen.

Dienstag... ändert das über Nordfrankreich liegende Höhentief seine Lage kaum
und nimmt in Verbindung mit einem weiteren Höhentief über den Britischen Inseln
eine dipolartige Struktur an. Im Bodendruckfeld deutet sich bei der über dem
Nordosten Deutschlands liegenden Tiefdruckrinne in deren Nordteil eher eine
retrograde Verlagerung an, was durch die Verteilung der Luftmassen (Warmluft im
Nordosten, Kaltluft im Südwesten) und den hieraus resultierenden thermischen
Effekten bedingt ist. Diese Tiefdruckrinne erstreckt sich am Abend etwa von den
westlichen Beskiden über die obere Neiße hinweg zur Elbmündung. In deren Bereich
ist die Luft weiterhin feuchtlabil, wobei sich gegenüber den weiter oben
angegebenen Parametern nicht allzu viel ändert. Somit können sich im
Tagesverlauf im Bereich dieser Tiefdruckrinne erneut heftige Gewitter bis hin
zum Unwetter entwickeln.
Ansonsten bleibt im Westen und Süden die Aufgleitsituation, die aus der weiter
oben beschriebenen gegenläufigen Strömung resultiert, bestehen. Da aber im
Bodendruckfeld der Gradient etwas schwächer wird, sollte die Intensität der
Niederschläge tendenziell abnehmen, so dass die Warnschwellen für Dauerregen
dann wahrscheinlich nicht mehr überschritten werden.
Im weitaus größten Teil Deutschlands bewegen sich die Temperaturen nur zwischen
12 und 18 und in den Hochlagen der Mittelgebirge um 10 Grad. Nur im Nordosten
sind noch einmal 19 bis 25, in Oder- und Neissenähe bis 27 Grad möglich.
In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich das o.g. Cut-Off-Tief nach Belgien.
Kaltluftadvektion sorgt für eine weitgehende Auffüllung der o.g. Tiefdruckrinne,
so dass die Gewittertätigkeit alsbald zum Erliegen kommen sollte. Da sich,
abgesehen vielleicht vom Küstenstreifen, eine schwachgradientige Lage einstellt,
sollten die Niederschläge weitgehend nachlassen.
Dort, wo es zuvor viel geregnet hatte, kann sich bei Aufklaren Nebel bilden.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Auch die Luftmassenverteilung wird von den bisher vorhandenen
Vorhersagemodellen ähnlich gesehen.
Spannend ist nach wie vor, ob, wo und in welcher Intensität bereits heute
Konvektion ausgelöst wird. Nach COSMO soll dort, wo es am labilsten ist, heute
noch nichts passieren. Das wird von WRF nicht zu sehen; da werden bereits ab
heute Abend im Grenzbereich zwischen beiden Luftmassen Gewitter mit
Unwetterpotential gebracht. Dies wird von GFS gestützt. EU4 prägt diese Signale
nicht so aus, zeigt aber am Montag für den Nordosten Starkregensignale bis in
den Unwetterbereich hinein.
Ein weiteres spannendes Thema sind die Dauerniederschläge, die ab der kommenden
Nacht im Westen und im Süden Deutschlands auftreten sollen. Hier zeigt jedes
Modell bzw. jeder Modelllauf andere Niederschlagsmaxima, was deren Lage als auch
deren Intensität betrifft. Innerhalb von 24 Stunden, d.h. etwa von Montag bis
Mittwoch, jeweils 00 UTC, 40 bis 70, in Staulagen bis 100 mm Niederschlag
zusammenkommen. Am wahrscheinlichsten wäre dies im Schwarzwald und von der Alb
bis zum Allgäu, aber auch im Bereich der zentralen Mittelgebirge sind
Niederschläge bis in den Unwetterbereich hinein (vor allem nach den jüngsten
Modellläufen) vorstellbar. Für eine Ausgabe entsprechender Warnungen bzw.
Vorabinformationen sind die Ergebnisse der Modelle noch zu inkonsistent.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann