DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-01-2018 09:00
SXEU31 DWAV 220800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 22.01.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu SWa (Südwest antizyklonal)

Heute von Südwesten zögernde Milderung, nach Osten hin leichter Schneefall, im
Westen Regen, im Übergangsbereich gefrierender Regen. Andauerndes Tauwetter im
süddeutschen Bergland.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... startet die neue Woche einmal mehr mit einer brisanten und diffizilen
Wetterlage, bei der man nicht ohne Weiteres die Füße auf den Schreibtisch legen
kann, um sich von möglichen wochenendlichen Anstrengungen zu erholen oder von
einem Urlaub in der Karibik zu träumen. Die Realität sieht anders aus und
fordert die Vorhersagemeteorologen, was heute Morgen schon beim flüchtigen Blick
auf die Warnkarte deutlich wurde. Diverse Parameter, teils bis in den roten
Bereich mussten oder müssen bewarnt werden, einzig Gewitter und Nebel (ist
mittlerweile dazugekommen) fehlten in der Palette möglicher Warnparameter.
Casus knacksus der ganzen Geschichte ist die bevorstehende Umstellung der
Großwetterlage von "winterlich-nasskalt" hin zu "weniger winterlich und mild",
die zwar definitiv kommen wird, andererseits aber nicht so einfach mir nichts,
dir nichts über die Bühne geht.
Ausgangspunkt der bevorstehenden Änderung der GWL ist ein umfangreiches
Tiefdrucksystem über dem mittleren Nordtalantik, das aus mehreren Zentren
besteht, von denen sich eins den Hut aufsetzt und die Rolle des steuernden
Zentraltiefs übernimmt. Es wird am morgigen Dienstag mit einem Kerndruck von
etwas unter 965 hPa süd-südwestliche von Island seinen Platz einnehmen und von
dort eine weitreichende - sowohl räumlich als auch zeitlich - Regentschaft
einleiten. Heute allerdings haben wir es noch mit einem Vorläufertief zu tun,
das vom Seegebiet südlich Islands gen Norwegen zieht. Sein okkludierendes
Frontensystem reicht bis nach Mitteleuropa, wobei die Warmfront den Westen
unseres Landes bereits erreicht hat, während die nachfolgende Kaltfront durch
eine vom Ärmelkanal ostwärts laufende Welle etwas gebremst wird. Gleichwohl
schreitet der Okklusionsprozess voran, wobei sich am Okklusionspunkt
möglicherweise ein kleines Teiltief bildet. Entscheidender für die weitere
Entwicklung ist aber die Tatsache, dass das Frontensystem nur äußerst schleppend
nach Nordosten vorankommt, was im Wesentlichen seiner höhenströmungsparallelen
Exposition geschuldet ist. Schließlich liegen wir unter einer relativ glatten
nordwestlichen Höhenströmung, in der allerdings ein paar kurzwellige
Sekundärtröge südostwärts durchgewunken werden, die immer mal einen zusätzlichen
Hebungsimpuls zur ansonsten wirksamen WLA leisten.
Der daraus Temperaturanstieg, also die anfangs zitierte Milderung greift dabei
zunächst nur so richtig im W und SW, wo die Temperatur heute auf Werte um +10°C
steigt respektive in der Nacht schon gestiegen ist (südlicher Oberrheingraben).
Präfrontal bleibt es im Osten und Nordosten mit Tageshöchstwerten von wenig über
dem Gefrierpunkt (T850 verbleibt bei rund -5°C oder sogar darunter) noch
ziemlich frisch. Dazwischen gibt es ein breites Areal mit Mischluft, in der der
Temperaturanstieg mangels ausreichend Durchmischung nur zögerlich
vonstattengeht. Oder mit anderen Worten, die Kaltluft aus der Nacht bzw. vom
Vortag lässt sich z.T. nur schwer wegräumen, was angesichts vielerorts
vorhandener negativer Temperaturen ein Problem ist. Die frontalen Niederschläge,
die mit Ausnahme des O und NO bereits weite Teile erfasst haben und noch etwas
nordostwärts vorankommen, fallen auf der kalten Seite als Schnee - meist mit
leichter Intensität (1-3 cm), im Südosten auch mäßig (in höheren Lagen noch mal
über 10 cm, bevor die Schneefallgrenze langsam steigt). Im W und SW hat sich im
Warmsektor bereits die flüssige Phase durchgesetzt, vielfach nieselt es nur. Die
Problemzone liegt im Übergangsbereich von Schnee in Regen, wo in der Mitte
(hauptsächlich im Bergland) und im Süden bei negativen Luft- und
Belagstemperaturen vielfach "rote Schlangen" (hat nichts mit dem Dschungelcamp
zu tun) gemeldet werden, also gefrierender Regen/Nieselregen. Während in der
Mitte die Niederschlagsraten relativ gering sind (bei zuvor gefallenem Schnee)
und deswegen markante Glättewarnungen berechtigt scheinen, musste im Süden
aufgrund höherer RR-Raten von 1-3 mm/h von den Nachtdiensten gebietsweise die
rote Karte (Unwetter) gezogen werden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass
auch dort zuvor Schnee gefallen ist, ist es nicht ganz einfach, die Lage vor Ort
vom warmen Büro aus richtig einzuschätzen, trotz zahlreicher Daten, die der
Computer uns zur Verfügung stellt. Fakt ist, dass uns das Phänomen des
gefrierenden Regens im SO sowie in der östlichen Mitte auch tagsüber noch
erhalten bleiben kann, weil die Erwärmung (vor allem auch die Belagstemperatur)
nur zögerlich steigen. In der Basis sollte man aber mit markanten
Glättewarnungen auskommen, die jeweils mit vergleichsweis kurzer Vorlaufzeit
gezogen werden müssen.
Was gibt es sonst noch zu berichten? - Ach ja, Thema TAUWETTER. Hier laufen
entsprechende Warnungen (Unwetter oder markant) für den Schwarzwald, die Alb
sowie Teile der Alpen nebst Vorland. Hier kommt heute tagsüber noch mal einiges
an Regen dazu, was der o.e. Welle sowie Staueffekten auf den Westseiten der
Gebirge geschuldet ist. Da sich die Mengen im Rahmen des in den Warnungen
aufgeführten Niederschlagsdargebots bewegen, besteht diesbezüglich erst mal kein
Handlungebedarf.
Bliebe nur noch ein bisschen Wind übrig, der präfrontal aus Südosten weht,
postfrontal dann aber auf westliche Richtungen dreht. An Nord- und Ostsee treten
dabei bis zum frühen Nachmittag einige 7er-Böen auf. Sonst stehen signifikante
Böen, z.T. bis in die kommende Nacht, nur in exponierten Hochlagen (8-10 Bft)
sowie im südlichen Alpenvorland (7 Bft) auf der Karte.

In der Nacht zum Dienstag nähert sich von Westen her ein Höhenrücken, dessen
Achse morgen früh von SW-Europa bis nach Mittelnorwegen reicht. Somit steilt die
nordwestliche Höhenströmung bei uns etwas auf, nachdem zuvor aber noch ein
kurzwelliger Trog über den N und O südostwärts abläuft. Er sorgt im Zusammenhang
mit der noch etwas nach NO vorankommenden Okklusion dafür, dass dort
gebietsweise leichter Niederschlag fällt. Bei Temperaturen um oder unter dem
Gefrierpunkt (leichter Frost vor allem im äußersten Osten und Nordosten), sind
alle Phasen von Schnee/Schneegriesel über gefrierenden Regen/Nieselregen
(Abtrocknung in der mittleren Troposphäre, damit unten leicht steigende
Wahrscheinlichkeit für unterkühlte Tröpfchen) bis hin zu "normalem"
Regen/Nieselregen möglich. Auch dort, wo kein oder kaum Niederschlag fällt, kann
es glatt werden durch gefrierende Nässe. Im östlichen Mittelgebirgsraum können 1
bis 5 cm, im Stau des Erzgebirges sogar bis zu 10 cm Neuschnee zusammenkommen.
Stellenweise bildet sich bei weiterer Feuchtezufuhr auch Nebel.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass in den W und S wieder etwas kältere Luft
gelangt (T850 etwas unter 0°C), was auch die Schneefallgrenze wieder auf etwa
1000 bis 700 m sinken lässt. Mit Ausnahme des unmittelbaren Alpenrands, wo es in
höheren Lagen durchaus 5 bis 10 cm Neuschnee geben kann, lassen die
Niederschläge aber mehr und mehr nach. Entsprechend können auch die
Tauwetterwarnungen auslaufen, ggf. sogar etwas vorher aufgehoben werden.
In einigen Hochlagen treten noch ein paar stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft
um West auf, das war´s dann aber auch schon mit dem Wind.


Dienstag... greift besagter Höhenrücken auf den Vorhersageraum über. Die
Okklusion bzw. das, was davon noch übrig ist, quält sich noch hinüber bis zu
unseren polnischen Nachbarn, so dass die anfangs im O gebietsweise noch
auftretenden leichten Niederschläge mehr und mehr nachlassen. Am längsten dürfte
es noch im und am Erzgebirge etwas schneien oder weiter unten auch nieseln.
Ansonsten steigt der Luftdruck etwas an, was eine leicht antizyklonale
Aufwölbung der Isobaren, aber keine eigenständige Zwischenhochparzelle zur Folge
hat. Gleichwohl beruhigt sich das Wetter vor allem aus niederschlagstechnischer
Perspektive. Im Süden steigen sogar die Chancen, dass die Wolkendecke mal
perforiert wird bzw. sich größere Lücken auftun und die Sonne ein paar Auftritte
bekommt. Der Westen und Norden hingegen tut gut daran, die Hoffnungen auf
Sonnenschein auf Sparflamme zu halten und stattdessen schon wieder Richtung
westliche Nachbarn zu richten. Von dort kommt das nächste Frontensystem auf uns
zugerollt, das im weitesten Sinne zum o.e. Zentraltief südlich Islands gehört.
An der Okklusion bildet sich zuvor ein Teiltief, das um 12 UTC südöstlich von
Island liegt. Wichtiger als das ist aber die Tatsache, dass dem Frontensystem
vorlaufende WLA die mehrschichtige Bewölkung immer kompakter werden lässt, bis
es schließlich am Nachmittag von Belgien und den Niederlanden her beginnt zu
regnen bzw. nieseln. Gleichzeitig lebt der auf S-SW rückdrehende Wind im W und
NW sowie im Mittelgebirgsraum etwas auf. Böen der Stärke 7 bis 8 Bft sollten
sich aufgrund der stabilen Schichtung aber auf exponierte Hoch- und Leelagen
sowie die Nordsee (Nordfriesen eher als Ostfriesen) beschränken.
Während es im NO sowie im östlichen Mittelgebirgsraum mit 0 bis +5°C zwar nicht
wirklich kalt, aber eben auch nicht mollig wird, stehen im übrigen Deutschland
Höchstwerte von 6 bis 10°C, am Rhein auch mal 11 oder 12°C auf der Karte.

In der Nacht zum Mittwoch überquert die Warmfront den Norden und die Mitte des
Landes und die nachfolgende Kaltfront erreicht den Nordwesten. Diese ist
allerdings so schwach auf der Brust, dass sie ihren Titel eigentlich nicht
verdient hat. Deutlich barokliner ist die Temperaturverteilung weiter
nordwestlich (naher Ostatlantik, UK/Irland), wo sich entsprechend eine zweite
Kaltfront mit Welle befindet, von der noch die Rede sein wird.
Zurück nach Deutschland, wo sich der Regen aus dem W und NW ost-südostwärts
verlagert. Es sind keine großen Mengen, die dabei runterkommen, allerdings
besteht nach Südosten hin (östlicher Mittelgebirgsraum, evtl. Teile Bayerns)
stellenweise Glatteisgefahr, weil die Temperatur zuvor in den leichten
Frostbereich zurückgeht. Eine überregionale gefährliche Glatteislage zeichnet
sich nach heutigem Stand aber nicht ab. In höheren Lagen reicht es für etwas
Schnee. Im äußersten Süden gibt es leichten Frost, ebenso wie im äußersten
Osten, wo die Temperatur später aber langsam ansteigt.
Der S-SW-Wind bleibt an und auf der See (Nordsee 7-8 Bft, Ostsee 7 Bft) sowie in
den Hochlagen (8-9 Bft, Brocken bis 10 oder 11 Bft) flott unterwegs, weiter
unten sollte es nur exponiert für 7er-Böen reichen.


Mittwoch... macht die Umstellung hin zu einer Südwestlage große Fortschritte.
Zum einen gelangen wir mehr und mehr auf die Vorderseite eines sich über dem
nahen Ostatlantik formierenden LW-Troges, so dass die Höhenströmung auf Südwest
rückdreht. Zum anderen löst sich die schwache Kaltfront auf, deren Platz die
o.e. zweite Kaltfront einnimmt, die aber zunächst noch längere Zeit über der
Nordsee und dem Ärmelkanal verweilt. Folgerichtig gelangen wir in einen breiten
Warmsektor, in dem der Gradient zwischen tiefem Luftdruck über NW-Europa und
einem Hoch im Raum Schwarzmeer/Balkan an Stärke zulegt. Mit dem auffrischenden
S-SW-Wind mit z.T. sehr milde Subtropikluft nach Deutschland gesteuert, in der
die 850-hPa-Temperatur auf +4 bis +8°C steigt. Mit Ausnahme einiger
mittelgebirgsnaher Regionen im Südosten (6-9°C) steigt die 2m-Temperatur in den
zweistelligen Bereich, lokal sogar auf 15°C, am Oberrhein lokal vielleicht sogar
auf 16°C. Im Süden und Südosten setzt sich bei leicht antizyklonalem Einfluss
häufiger die Sonne durch, während der Mittwoch zur Mitte und nach Westen hin,
besonders aber im Norden deutlich wolkenreicher abläuft. Nach trockenem Beginn
fängt es am Nachmittag zwischen SH und dem Emsland sogar an zu regnen, während
es im großen Rest der Republik weitgehend niederschlagsfrei bleibt.
In den Fokus des Warnmanagements rückt eindeutig der Wind respektive Sturm, der
am stärksten im W und NW sowie in Teilen der Mitte (dort vor allem Hoch- und
anfällige Leelagen) zulegt. Dort erreichen die Böen Stärke 7-8 Bft, wobei es an
der Ostsee nach wie vor weniger windig als an der Nordsee ist, wo sogar einzelne
Sturmböen 9 Bft auftreten können. Diese Größenordnung ist aus in einigen Kamm-
und Gipfellagen zu erwarten außer auf dem Brocken, wo es windstill bleibt -
Fake, dort stehen sogar orkanartige Böen oder Orkanböen 11 bis 12 Bft auf der
Tagesordnung. Im Süden gestaltet sich der Gradient aufgefächerter, entsprechend
bleibt es mit Ausnahme einiger Berge windschwächer.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Grundausrichtung der Modelle steht, die Umstellung der GWL ist unstrittig.
Ganz oben auf der Monitoring-Agenda bleibt die heutige Niederschlagsentwicklung
mit den unterschiedlichen Phasen, was von Modellseite nur bedingt gelöst wird.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann