DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-12-2017 21:00
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.12.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden und Südosten gebietsweise leichter Schneefall, auch gefrierender
Regen/Nieselregen möglich. Morgen im Süden weitere Niederschläge bei steigender
Schneefallgrenze.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... ist ein schmaler Höhenrücken dabei, von Nordwesten her unter Abnahme
seiner Amplitude südostwärts über Deutschland hinweg zu wandern. Entsprechend
beginnt die Höhenströmung von Nordost auf Nordwest zu drehen, ein Prozess, der
aber erst am Donnerstag vollständig abgeschlossen sein wird. Die aktuell
wirksame WLA intensiviert sich in der Nacht noch etwas bei gleichzeitiger
Verlagerung in die Südhälfte. Dies geht einher mit der Verlagerung der diagonal
von SW nach NO über Deutschland positionierten Warmfront, die zu einem Sturmtief
bei Spitzbergen gehört. Zu diesem Tief gibt es natürlich auch eine Kaltfront,
die im Laufe der Nacht von Norden her auf den Vorhersageraum übergreift und
einen frischen Schwall merklich erwärmter Meereskaltluft heranführt. Merklich
erwärmt deswegen, weil die Luftmasse nicht nur aus relativ weit südlich
gelegenen subpolaren Breiten kommt, sondern auch, weil die 850-hPa-Temperatur
zunächst noch im leicht positiven Bereich bleibt.
Apropos 850-hPa-Temperatur, mit Verlagerung der Warmfront nach Südosten gewinnt
auch die niedertroposphärisch milde Luft mit Werten über dem Gefrierpunkt an
Raum nach Südosten. Am frühen Morgen erreicht die 0°C-Isotherme etwa die Donau,
nur südlich davon bleibt die Luft noch negativ temperiert (-1 bis -4°C).
Wettertechnisch liegt der Fokus auf zwei Niederschlagsgebieten, von denen das
eine unkritisch, das andere hinsichtlich der Phase recht diffizil ist. Zuerst
das Unkritische: Vor der Kaltfront zieht in der zweiten Nachthälfte leichter
Regen oder Nieselregen aus den küstennahen Gebieten über die Norddeutsche
Tiefebene hinweg in Richtung nördliche Mitte, wobei die 12h-Mengen unter der
5mm-Schwelle bleiben.
Kritischer ist das zweite, an die Warmfront gebundene Niederschlagsgebiet, das
sich unter leichter Intensivierung von den mittleren Landesteilen mehr und mehr
in den Süden respektive Südosten verlagert. Dabei fällt auf der kalten Seite
Schnee bis in tiefe Lagen, wobei die Neuschneemengen bis zum Morgen eher
verhalten bleiben (1-5 cm im Bayerischen Wald, sonst eher marginal). Ansonsten
steht überwiegend die flüssige Phase in Form von leichtem Regen oder Nieselregen
auf der Karte.
Der casus knacksus liegt im Übergangsbereich von (niedertroposphärisch) kalt zu
mild, was daran liegt, dass sich die bodennahe Kaltluft bei lauen
Windverhältnissen aus Senken, Mulden und Tälern nur äußerst zögerlich wegräumen
lässt, während etwas weiter nach oben abgesetzt die mildere Luft vergleichsweise
ungehindert darüber streichen kann. Dort, wo unten noch leichter Frost herrscht
und/oder der Boden noch gefroren ist, besteht die Gefahr von gefrierendem
Regen/Nieselregen mit Glatteis. Betroffen davon sind die Mittelgebirge von der
Rhön über den Thüringer Wald bis hinüber zum Erzgebirge, dazu die nord- und
ostbayerischen Mittelgebirge, das Donauumfeld sowie der äußerste Süden BWs. Mit
sehr geringer Wahrscheinlichkeit ist auch noch der äußerste Osten Richtung Oder
und Neiße dabei.
Um Missverständnissen vorzubeugen, der gefrierende Regen wird sicherlich nicht
so großflächig auftreten, wie die o.e. Regionsbeschreibung suggeriert, zumal
auch der 12-UTC-Lauf einen kleinen Rückzieher gemacht hat. Es werden lediglich
die Gebiete erwähnt, wo das Potenzial für dieses meteorologische Phänomen
gegeben ist. Ob wir letztlich mit einer markanten Glättewarnung auskommen werden
(wovon der Verfasser derzeit ausgeht) oder doch irgendwo mal die rote Karte
ziehen müssen (z.B. wenn der gefrierende Regen etwas großflächiger und auch
intensiver würde), kann nur in situ entschieden werden.
Bliebe nur noch der Hinweis auf einen im Norden und Nordosten etwas auflebenden,
auf W bis NW drehenden Wind, der aber noch unterhalb der im DWD gültigen
Warnschwellen bleibt. Lediglich die üblichen Verdächtigen unter den
windanfälligen Ecken - der Brocken und der Fichtelberg - reagieren einmal mehr
hochgradig sensibel auf die Gradientverschärfung mit Böen bis Stärke 8 Bft.

Donnerstag ... Wie bereits angedeutet wandert der Höhenrücken endgültig nach
Südosten ab, bevor er in seinem Ostteil nahezu ganz von den Wetterkarten
verschwindet. Rückseitig dreht die Höhenströmung auf NW, wobei kurzwellige
Anteile über dem Norden und Osten südostwärts ablaufen, ohne nennenswerten
Einfluss auf das Wettergeschehen auszuüben.
Am Rande des sich auf über 1040 hPa kräftigenden Hochs mit Zentrum über der
Biscaya wird die Kaltfront relativ zügig nach Süden gesteuert, wo sie im Laufe
der Abendstunden die Alpen bzw. das Vorland und damit ein frontolytisches Umfeld
erreicht (dort liegt die Divergenzachse des sich vom Biscayahoch nach Osten
erstreckenden Hochkeils). Nach Westen hin geht die Kaltfront in die Warmfront
eines von Westen Richtung Schottland ziehenden Randtiefs über.
Tatsache ist, dass sich die frontgebundenen, anfangs noch voneinander getrennt
auftretenden Niederschlagsgebiete im Tagesverlauf unter fortlaufender
Südverlagerung zusammenwachsen. Während es um die Mittagszeit noch in der Mitte
und im Süden regnet, nieselt oder schneit, sind am Abend nur noch Teile Bayerns
und BWs betroffen. Die Schneefallgrenze steigt von Norden her weiter an, sie
wird am Nachmittag im Bayerischen Wald und an den Alpen bei 800 bis 1000 m
liegen. Darüber können aber bis zum Abend noch mal 5 bis 10 cm, in exponierten
Staulagen bis zu 15 cm Neuschnee zusammenkommen. Zudem kann es in den
Kältelöchern im äußersten Süden und Südosten sowie den südöstlichen
Mittelgebirgen bis in den Vormittag hinein noch stellenweise zu gefrierendem
Regen/Nieselregen mit Glatteis kommen, bevor sich das Thema dann
tagesgangbedingt erledigen sollte.
Weitgehen trocken bleibt der Donnerstag in weiten Teilen Norddeutschlands, was
u.a. auch daran liegt, dass die postfrontal einfließende subpolare Meeresluft
kaum Labilität aufweist und somit auch keine Schauer auf der Tagesordnung
stehen. Im Küstenumfeld kann man sich sogar über Auflockerungen und einige
Sonnenstrahlen freuen.
Der auf West bis Nordwest drehende Wind lebt insbesondere im N und O etwas auf,
ohne dabei aber die ganz große Nummer zu fahren. Ein paar 7er-Böen an der
östlichen Ostsee (Rügen), dazu Böen 8-9 Bft auf dem Brocken sowie exponierten
Kammlagen der östlichen und südöstlichen Mittelgebirge - das war´s warntechnisch
gesehen.
Die Temperatur steigt in der Nord-und Westhälfte auf 4 bis 9°C, sonst auf 1 bis
5°C.

In der Nacht zum Freitag ziehen sich die Niederschläge im Süden unter
Abschwächung zu den Alpen zurück, wo die Schneefallgrenze auf über 1000 m
steigt. Dafür setzt in den westlichen Landesteilen an der rückläufigen bzw. in
eine Warmfront übergehenden Front gebietsweise leichter Regen oder Nieselregen
ein.
Ansonsten lockert die Wolkendecke von N und NO teilweise auf, örtlich bildet
sich Nebel. Leichten Luftfrost gibt es am ehesten noch in den östlichen und
südöstlichen Mittelgebirgen, sonst reicht es wohl nur stellenweise für leichten
Bodenfrost (im S und SO mit der Gefahr gefrierender Nässe).
Der Wind lässt tendenziell wieder nach.

Freitag ... verbleiben wir unter einer nordwestlichen Höhenströmung, die von
einem vom nahen Ostatlantik bis zum Nordmeer reichenden Rücken und einem Trog
über dem nahen Osteuropa generiert wird. Darin eingelagert ist ein KW-Trog, der
rasch südostwärts über den Vorhersageraum hinwegläuft und nur kurzzeitig einen
Hebungsimpuls durch vorderseitige PVA liefert.
Bodennah verbleiben wir am Rande des sich etwas nach Westen zurückziehenden
Bodenhochs in einer schwachen bis mäßigen west-nordwestlichen Bodenströmung, mit
der sich die milde und feuchte Nordseeluft nun auch peu a peu im S und SO
durchsetzt und dort die letzten Kaltluftreste tilgt. Zwar lässt sich die zuvor
im Westen noch in Erscheinung tretende Warmfront in den Prognosefeldern nicht
mehr wirklich finden (siehe Vorhersagekarte T+48h von heute 12 UTC), gleichwohl
kommt es im W und S zu weiteren Regenfällen oder Nieselregen. An den Alpen liegt
die Schneefallgrenze über 1000 m, wobei GFS seiner Linie mit mäßigen bis starken
Stauniederschlägen (10 bis 20, lokal um 25 mm innert 12 h) treu bleibt, während
ICON und IFS (00 UTC) nicht über 10 mm kommen.
Bei tageshöchstwerten von 6 bis 10°C, in den Mittelgebirgen und an den Alpen
etwas darunter, spielt der W-NW-Wind keine große Rolle. Auf dem Fichtelberg
anfangs noch ein paar 8er-, auf Rügen ein paar 7er-Böen, ansonsten herrscht
zumindest warntechnisch Ruhe im Karton.

In der Nacht zum Samstag nimmt die Niederschlagsneigung ab, im Süden und in der
Mitte fällt aber noch etwas Regen, im Stau der Alpen auch etwas mehr, wobei dort
die Schneefallgrenze wieder leicht sinkt. Frost tritt wahrscheinlich nur im
Bergland auf (außer W und SW).

Samstag ... schiebt sich die Frontalzone dichter an den Vorhersageraum heran,
auch wenn die Höhenströmung zunächst noch auf NW gestellt bleibt. Kräftiger
Druckfall über Nordeuropa, wo ein Tief von der Norwegischen See unter
Intensivierung landeinwärts zieht, sorgt bei uns für eine Gradientverschärfung,
weil der nach wie vor über Süddeutschland verlaufende Hochkeil kaum
Abschwächungstendenzen zeigt. Damit legt der Wind besonders im N und O merklich
zu, wobei er auf Südwest rückdreht. An der Küste muss mit Böen 8 Bft, exponiert
vereinzelt 9 Bft, im küstennahen Binnenland häufig 7 Bft gerechnet werden. Aber
auch in der Norddeutschen Tiefebene sowie im ostdeutschen Tiefland sind einige
7er-Böen am Start. Im höheren Bergland stehen mit Ausnahme des Westens und
Südwestens je nach Exposition Böen 7-9 Bft, auf dem Brocken und dem Fichtelberg
schwere Sturmböen 10 Bft auf der Karte.
Ansonsten wird von Westen her ziemlich milde Atlantikluft advehiert, bei der die
850-hPa-Temperatur im Norden auf rund +5°C steigt, während sie sich im Süden
zunächst noch bei rund 0°C hält. Bei weitgehend geschlossener Bewölkung - ein
paar Lücken sind am ehesten an den Alpen sowie im Lee der Mittelgebirge zu
erwarten - kann es hier und da etwas regnen oder nieseln, am östlichen Alpenrand
sowie im Bayerischen Wald auch mal etwas mehr. Die Temperatur steigt auf 5 bis
10°C, tief im Westen lokal vielleicht auf 11°C. Wird ja auch Zeit, schließlich
ist es nicht mehr weit bis Weihnachten...


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die anstehende Umstellung der Großwetterlage mit der zunehmenden Tilgung der
Kaltluftreste im Süden und Südosten sowie der Windzunahme am Wochenende
(ebenfalls mit Zufuhr milder Luftmassen) steht außer Frage. Unschärfen gibt es
vor allem noch hinsichtlich der Niederschläge, sowohl was Phase als auch
räumliche Verteilung und Intensität angeht. Das meiste davon wurde im Text
angesprochen. Eines aber noch nicht: mit steigender Schneefallgrenze an den
Alpen und damit einhergehenden Schmelzprozessen besteht dort beginnend ab dem
morgigen Donnerstag bis Samstag andauernd die Möglichkeit von markantem
Tauwetter mit einem Niederschlagsdargebot von etwas mehr als 40 mm innert 48 h.
Ob deswegen tatsächlich eine Warnung nötig ist, sollte in der morgigen
Frühkonferenz erörtert werden.

Der Verfasser verabschiedet sich hiermit in einen kurzen Weihnachtsurlaub und
wünscht allen geneigten LeserInnen ruhige und gesegnete Feiertage - auch wenn es
mit weißer Weihnacht für die meisten von uns wieder mal nix wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann