DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

18-12-2017 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 18.12.2017 um 10.30 UTC



Richtung Weihnachten Übergangs zu einer relativ milden und teilweise windigen
Westlage (Wz/Wa).
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 25.12.2017


Nur noch eine knappe Woche, dann ist es mal wieder soweit: Weihnachten steht auf
dem Kalender. Schaut man sich aktuell in den Bergen um, kann man sagen "jo,
Weihnachten kann kommen, das Ambiente passt". Keine schmalen, fast schon
unwirklich anmutenden Kunstschneebänder in grün-braun-grauer Landschaft wie so
häufig in den letzten Jahren, stattdessen Naturschnee satt. Quasi seit Wochen
haben wir es in Mitteleuropa nun schon mit einer sich immer wieder
regenerierenden Troglage zu tun, die den Bergen nahezu durchweg Schnee gebracht
hat, während im Flachland die nasskalte Variante mit allen Phasen gefahren
wurde. Doch wie geht es nun weiter? Bleibt die Strömungskonfiguration persistent
oder ändert sich die Großwetterlage grundlegend? Der Reihe nach:

Am kommenden Donnerstag, dem offiziellen Beginn der Mittelfrist (übrigens
kalendarischer Winteranfang) befindet sich Deutschland am Rande eines breiten
Höhenrückens über dem Ostatlantik, von dem aus sich anfangs noch ein Keil bis
zum Baltikum erstreckt. Dieser Keil wird aber zunehmend abgebaut, so dass die
Höhenströmung von Nordost auf Nordwest dreht. Im Bodendruckfeld sticht das
umfangreiche Hoch mit Schwerpunkt über der Biscaya (über 1040 hPa) ins Auge, von
dem aus ein Keil weit nach Osten bis zum Schwarzen Meer reicht. Zwischen dem
Hoch und tiefem Luftdruck über Nordeuropa gelangt mit ageostrophisch westlicher
Strömung relativ milde Atlantikluft nach Deutschland, wo die 850-hPa-Temperatur
auf 0 bis +5°C steigt. Ein eingelagertes Frontensystem sorgt für Niederschläge,
wobei die Schneefallgrenze bis in die höchsten Lagen der Mittelgebirge, meist
sogar darüber hinaus ansteigt. Lediglich am Alpenrand kann sie sich vielleicht
noch längere Zeit um 1000 m halten.

Am Freitag ändert sich relativ wenig an der Strömungskonfiguration. Ein über
Südskandinavien nach Südosten ablaufender Sekundärtrog regeneriert den über dem
nahen Osteuropa befindlichen Haupttrog, wodurch dieser leicht rückläufig wird.
Die Strömung dreht gesamttroposphärisch etwas nach rechts, wodurch vorübergehend
etwas kältere Luft in den Vorhersageraum gelangt. Am Tagesende liegt die
850-hPa-Temperatur bei -5°C ganz im Osten und rund +1°C im Grenzbereich zu
Benelux.

Am Wochenende schlägt das Temperaturpendel dann aber schon wieder in die andere
Richtung aus. Der Trog über Osteuropa zieht allmählich ostwärts ab, gleichzeitig
weitet sich der Rücken über Südeuropa unter merklichem Verlust seiner Amplitude
ebenfalls nach Osten aus. Die Folge sind ein Rückdrehen respektive eine
zunehmende Zonalisierung der Höhenströmung. Gleiches gilt für die Bodenströmung,
so dass die gesamte Druck- und Potenzialverteilung mehr und mehr das Aussehen
einer zyklonalen Westlage (Wz) annimmt, die nun nicht gerade als der Bringer
eines "Winter-Wonderland-Szenarios" bekannt ist. Oder mit anderen Worten, es
wird milder (T850 am Heiligen Abend bei rund +3°C im Norden und bis zu +7°C im
Südwesten) und windiger bei allerdings limitierter Niederschlagsneigung (meist
nur leichter Regen oder Nieselregen). Man braucht nicht allzu viel Fantasie um
sich vorzustellen, dass sich an dieser stark zonal orientierten Konstellation
auch am ersten Weihnachtsfeiertag (Montag) nicht allzu viel ändert - sieht man
vielleicht mal von der Tatsache ab, dass das Muster Wz leicht in Richtung Wa
(West antizyklonal oder nördliche Westlage) kippt.

Ja und dann wäre da noch die erweiterte Mittelfrist bis Donnerstag, die auf
Basis von IFS ein ganz imposantes, schon lange nicht mehr in Erscheinung
getretenes Bild zeigt (Achtung Spoileralarm, Winterfans bitte nicht weiterlesen,
sofern sie angesichts der zuvor schon nicht gerade erbaulichen Ausführungen
überhaupt so weit gekommen sind). Über dem gesamten Nordatlantik braut sich ein
Mordstrog zusammen, der mit einer Sturmzyklogenese einhergeht. Die resultierende
"Schallplatte" (so nennt man umgangssprachlich großräumige Tiefs mit enger
Isobarenführung) setzt sich mit einem Kerndruck von unter 950 hPa (Donnerstag,
00 UTC) knapp westlich von Irland fest, wo es die Funktion eines Zentraltiefs
übernimmt. Auftrag: Milde Luftmassen aus Südwest- nach Mitteleuropa und somit
auch nach Deutschland zu verfrachten. Bis Donnerstag steigt die Temperatur in
850 hPa auf satte +6/7 Grad im Norden und bis zu 11°C! im Süden und Südwesten.
Dazu deutet sich in den Alpen ein substanzieller Südföhn mit Sturm und Orkan an
- oha...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der heutige 00-UTC-Lauf zeigt zwar keine grundlegend andere Entwicklung als
seine Vorgänger, trotzdem gibt es ein paar Differenzen. Von daher kann die
Konsistenzgüte nur als mäßig beurteilt werden. Der Hauptunterschied liegt
eigentlich darin, dass der Höhenrücken über dem Ostatlantik in der neuesten
Modellversion um einiges flacher simuliert wird als zuvor. Demzufolge steilt
auch die Höhenströmung über dem Vorhersageraum nicht so stark auf, sie bleibt
maximal auf Nordwest, bevor sie Richtung Heiligabend sogar zunehmend
zonalisiert. Auch die Bodenströmung wird heute flacher simuliert, so dass die
advehierten maritimen Luftmassen allgemein aus höheren Breiten kommen.
Unter dem Strich resultiert aus dem Ganzen schon ab Donnerstag ein höheres
Temperaturniveau quasi in der gesamten Troposphäre, was bei zeitweilig
auftretenden Niederschlägen wiederum eine höhere Schneefallgrenze als gestern
noch apostrophiert zur Folge hätte. Zudem wird mit dem aktuellen Modellszenario
der kleine Funken Hoffnung in Sachen "Weiße Weihnacht" (im Flachland) - so er
denn überhaupt noch existent war - auf ein homöopathisches Maß von mindestens
D12 verdünnt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Protagonisten unter den zahlreich erscheinenden Globalmodellen sind sich in
der Grundausrichtung ziemlich einig, substanziell abweichende Szenarien sind
weder bei den "Nordamerikanern" (GFS und GEM) noch bei den "Europäern" (ICON und
UKMO) zu erkennen. GFS und ICON simulieren die Tage bis zum kommenden Wochenende
etwas kälter als IFS (etwa so wie dessen Vorläufe), während GEM und auch UKMO
auf IFS-Kurs liegen.
Interessant: Die Modelle mit erweiterter Mittelfrist (GFS und GEM) tendieren
ebenfalls in Richtung milde Süd-Südwestlage. GFS bringt zuvor aber noch ein
kurzes, etwas kälteres Gastspiel am Dienstag, das einer Trog- bzw.
Kaltfrontpassage geschuldet ist (Rückgang von T850 auf bis zu -5°C; bei IFS und
GEM erfolgt dieses kurze Intermezzo auf etwas höherem Temperaturniveau).
FAZIT: Die Basisvorhersage bis Anfang nächster Woche steht, einige wichtige
Details wie z.B. die Verteilung der Schneefallgrenze bei den anstehenden
Niederschlägen sind noch offen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zunächst zeigen die Rauchfahnen (ECMF-EPS) verschiedener deutscher Städte einen
homogenen Verlauf. Am Freitag und Samstag nimmt die Streuung - vorübergehend -
zu, wobei es mehr als eine Handvoll Lösungen gibt, die sowohl beim Potenzial 500
hPa als auch bei der Temperatur 850 hPa z.T. recht deutlich vom Mainstream nach
unten abweichen. Am Sonntag (Heiligabend) nimmt der Spread wieder ab, wobei T850
und Pot500 auf hohem Niveau verlaufen. Danach wird der Kurvenverlauf wieder
unübersichtlicher, allerdings lässt sich bis Dienstag ein Abkühlungstrend,
danach wieder eine Erwärmung herausarbeiten. Bei Pot500 ist der Trend
indifferent, Haupt- und Kontrolllauf liegen mitten drin in der divergierenden
Kurvenschar. Bei GFS-EPS ist die Streuung ab Freitag insgesamt etwas größer als
bei ECMF-EPS, die Erwärmung zum Heiligen Abend ist aber auch hier erkennbar.
Geht man zur Clusterdarstellung der ECMF-EPS-Lösungen über, lassen sich für den
Zeitraum T+72...96h (Freitag zu Samstag) zwar sechs verschiedene Cluster finden,
die sich aber nur wenig unterscheiden. Am Rande des Hochs über dem nahen
Ostatlantik bzw. der Biscaya wird bei uns eine west-nordwestliche
Bodenströmung erzeugt, die in den meisten Fällen recht flach (also ziemlich
mild), teils aber auch etwas steiler und somit kühler einströmt, was die o.e.
Streuung erklärt.
Im weiteren Verlauf T+120...168h (Samstag bis Montag) bleibt die Clusterzahl hoch,
die Varianz der Lösungen aber niedrig. Letztlich läuft alles auf ein positives
NAO-Szenario hinaus, bei dem sich im Vorhersageraum eine überwiegend
antizyklonale Westlage (Wa) einstellt.
Fünf Cluster repräsentieren auch den Zeitraum T+192...240h (Dienstag bis
Donnerstag), von denen die ersten drei auf eine eher zyklonale S-SW-Lage setzen.
CL 4 (8 Fälle) favorisiert ein antizyklonales S-SW-Muster, während CL 5 (nur 3
Fälle) eine Westlage in petto hat.

FAZIT: Trotz hoher Clusterzahl und kleiner Unschärfen steht der Generalkurs. In
der erweiterten Mittelfrist spricht Vieles für eine milde S-SW-Lage.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag und Freitag gibt es Hinweise der
Modelle, aber auch der probabilistischen Anschlussverfahren, dass in den Alpen
noch mal größere Schneemengen zusammenkommen. In etwas abgespeckter Form mit
geringerer Wahrscheinlichkeit trifft das auch auf das Erzgebirge und den
Bayerischen Wald zu. Noch nicht ganz klar ist die Schneefallgrenze, als
gemeinsamer Nenner lässt sich aber eine Höhenlage von 800 bis 1000 m annehmen.

Ansonsten rückt der westliche Wind von Tag zu Tag wieder mehr in den Blickpunkt.
So könnten bereits am Freitag an der See und in einigen Hochlagen Böen 8 Bft,
vereinzelt 9 Bft auftreten, bevor es im Laufe des Wochenendes zu einer
Windverschärfung kommt. Allerdings bleibt die Wahrscheinlichkeit für Böen 8-9
Bft in tiefen Lagen des Binnenlandes gering. Am ehesten sin d im norddeutschen
Flachland Böen 8 Bft möglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMF-EPS mit MOS-Mix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann