DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-11-2017 09:00
SXEU31 DWAV 230800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.11.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von SWz (Südwest zyklonal) auf TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute im W, NW und in der Mitte sowie an der Küste und in Hochlagen windig,
teils stürmisch, mild. Zum Wochenende hin kälter, zuvor im Schwarzwald
wahrscheinlich markanter Dauerregen, später teils gewittrige Regen-, Graupel-
und Schneeschauer.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland zunächst noch im weitgehend antizyklonal
geprägten Übergangsbereich zwischen einem langsam ostwärts abwandernden
Höhenrücken und einem breitgelatschten Trog über dem nahen Ostatlantik. Dieser
Konstellation folgend liegt über dem Vorhersageraum eine südwestliche
Höhenströmung, die bis Freitag sukzessive zyklonalere Konturen annimmt.
Schaut man auf die Bodendruckverteilung, so fällt unweigerlich ein mehrkerniger,
von UK/Irland bis zum Nordmeer reichender Tiefkomplex ins Auge (es handelt sich
um mehrere REINHARDs). Andauernder Druckfall lässt aus diesem Komplex ein
stolzes Sturmtief erwachsen, das eindeutig den Hut auf hat und in die Rolle
eines steuernden Tiefs schlüpft. Dieses Tief findet sich zum Tagesende mit einem
Kerndruck von rund 960 hPa über der Norwegischen See wieder. Die zugehörige
Kaltfront befindet sich heute früh zwar noch recht weit westlich von uns (03 UTC
England, westliche Nordsee), zeigt aber eindeutige Annäherungstendenzen und wird
im Laufe des Nachmittags auf die nordwestlichen Landesteile übergreifen. Zuvor
liegen wir noch im breiten Warmsektor auf der Südostflanke des Tiefs in einer
süd-südwestlichen Grundströmung, mit der milde Luftmassen (T850 4 bis 10°C)
advehiert werden. Zwar hat sich durch die nächtliche Ausstrahlung eine
insbesondere im Süden, bedingt aber auch im Osten bodennahe Kaltluftschicht
gebildet, die aufgrund ihrer äußerst geringen vertikalen Mächtigkeit tagsüber
aber überall weggeräumt wird. Wie dünn diese Kaltluftschicht respektive -haut
ist, zeigt das Beispiel "Ostdeutschland", wo heute früh Temperaturen von 1 bis
3°C ganz dicht neben Werten zwischen 7 und 10°C zu finden waren. Und im
südhessischen Darmstadt stieg die Temperatur noch vor Sonnenaufgang binnen
kurzer Zeit von -0°C auf +8°C.
So wird sich der November heute und größtenteils auch morgen noch mal von seiner
milden Seite zeigen, wobei vor allem heute im gesamten Süden, aber auch in
großen Teilen Ostdeutschlands - abgesehen von hohen und auch ein paar
mittelhohen Wolken - häufig die Sonne scheint. Dabei steigt die Temperatur auf
11 bis 17°C, am Oberrhein lokal sogar bis auf 19°C. Nach Westen und Nordwesten
hin wird es zwar auch nicht kalt (dort sind die Startwerte ja schon vielerorts
zweistellig), dafür ist der Wolkenanteil ungleich höher. Dabei können schon am
Vormittag von Frankreich und Benelux her ein paar schlappe Schauer die Grenze
überschreiten, die einem aus dem Haupttrog nach Nordosten herauslaufenden
Sekundärtrog geschuldet sind. Am Nachmittag nimmt die Dichte und Intensität des
schauerartigen Regens mit Annäherung der Kaltfront zu, ohne dass dabei aber die
ganz großen Mengen zusammenkommen (meist unter 5 mm innert 6 h).
Bleibt für die Warnerei also nur der Wind übrig, wobei uns die Nachtdienste
schone die meiste Arbeit abgenommen haben. Am signifikantesten frischt der
S-SW-Wind im Westen und Nordwesten und an der Ostsee sowie mit Ausnahme des
Südostens in höheren Lagen auf. Dabei sind Böen 7-8 Bft, in einigen Kammlagen
sowie an der Nordsee (Helgoland, nordfriesische Küste) vereinzelt auch 9 Bft und
auf dem Brocken bis zu 12 Bft (also volle Orkanstärke) zu erwarten. Anfällig für
signifikante Böen sind bei dieser Anströmung und der stabilen Schichtung
allgemein auch die Leegebiete der Mittelgebirge, so dass besonders nach Osten
hin noch eine Anpassung der bereits herausgegebenen Windwarnungen erfolgen
musste. Am Nachmittag fächert der Gradient dann etwas auf, so dass der Wind
besonders im tiefen Binnenland beginnt, allmählich schwächer zu werden.

In der Nacht zum Freitag kommt die Kaltfront noch etwas landeinwärts voran, wird
aber die nordwestliche Mittelgebirgsschwelle nicht erreichen. Ausgebremst wird
die Front von einer flachen Welle, die in der zweiten Nachthälfte von Belgien
her auf NRW bzw. das südwestliche Niedersachsen übergreift (ICON, EURO4 und IFS;
GFS setzt weiter nördlich an). Südlich der Welle nimmt der Südwestwind im Westen
wieder etwas zu und es muss bis in tiefe Lagen mit einigen steifen Böen 7 Bft
gerechnet werden. Windig bleibt es grundsätzlich auch an der Nordsee sowie im
Bergland mit Böen 7-8 Bft, exponierte Kamm- und Gipfellagen vereinzelt 9 Bft,
Brocken 10 Bft.
Mit Annäherung der Welle verstärkt sich der Regen in den westlichen und
nordwestlichen Landesteilen, wobei er zunehmend skaligen (wie die Modellierer
sagen) oder stratiformen (wie die Praktiker sagen) Charakter annimmt.
Im Südosten bleibt man von der Geschichte rund um die Welle unbeeindruckt, was
vielerorts einen klaren oder nur gering bewölkten Himmel zur Folge hat.
Gebietsweise gibt es leichten Frost in Bodennähe, südlich der Donau stellenweise
auch noch mal leichten Luftfrost. Zudem bildet sich gebietsweise Nebel.


Freitag... zieht die Welle im Laufe des Vormittags nördlich der Mittelgebirge
nordostwärts über den Vorhersageraum hinweg. Dabei wird das Druckfeld an der
Front auseinandergezogen, so dass sich eine langgezogene Tiefdruckrinne ergibt
(sieht man nur bei feiner Auflösung der Isobaren), an der sich durchaus noch
eine weitere, extrem flache Welle entwickeln kann, wie es von ICON angedeutet
wird. Fakt ist, dass die Kaltfront nur sehr schleppend südostwärts vorankommt
und gegen Abend etwa eine Linie Eifel-Berliner Raum erreicht. Rückseitig gelangt
ein erster Schwall erwärmter Meereskaltluft polaren Ursprungs in den Norden und
Westen (T850 geht auf 0 bis -4°C zurück; angesichts der schwachen postfrontalen
Winde müsste man eigentlich von einsickernder Kaltluft sprechen), während sich
vorderseitig noch die milde Luft von heute hält. Dort steigt die Temperatur noch
mal 12 bis 17°C, vereinzelt vielleicht 18°C erreicht, während in der frischen
Meeresluft nur für 8 bis 11°C reicht, was freilich nicht kalt und für die letzte
Novemberdekade sogar überdurchschnittlich ist.
Wettermäßig zeigt sich im Süden und Südosten trotz allmählich zunehmender
Bewölkung noch zeitweise die Sonne, am längsten wohl in Oberbayern sowie
allgemein am Alpenrand. Ansonsten kommen die frontalen bzw. an die Welle(n)
gebundenen Regenfälle aus dem Norden und Westen langsam südostwärts voran, wobei
die deutsche Modellkette incl. COSMO-DE das Maximum zwischen Saarland und Rhön
sieht (10 bis 20 mm, punktuell um oder etwas über 25 mm binnen 12 h). Andere
Modelle, darunter auch EURO4, agieren zurückhaltender. Rückseitig der Front hört
es im Nordwesten auf zu regnen und von der Nordsee her lockert die Wolkendecke
sogar zeitweise auf. Dabei hält sich die Schauerentwicklung mangels ausreichend
Labilität (es mangelt zunächst noch an Höhenkaltluft) stark in Grenzen.
Thema Wind, der spielt morgen am ehesten knapp südlich der Welle bzw. der
Kaltfront eine prominente Rolle, sprich, in der Mitte und mit Abstrichen (nur
Bergland) noch im Südwesten. Dort sind besonders am Vormittag und am Mittag
einzelne Böen 7 Bft, in höheren Lagen je nach Exposition 7-9 Bft (Brocken 10
Bft) aus Südwesten anzutreffen, bevor der Wind am Nachmittag tendenziell wieder
nachlässt.
In der Nacht zum Samstag fächert der Gradient über Deutschland immer weiter auf,
was dem Wind die Grundlage nimmt, sich spürbar in Szene zu setzen. Oder mit
andern Worten, er schwächt sich immer weiter ab, so dass nur in einigen
Hochlagen anfangs noch Böen 7-8 Bft auftreten.
Darüber hinaus kommt die Kaltfront trotz Schleifens peu a peu südostwärts voran,
wodurch sich auch die frontalen Regenfälle Boden nach Südosten hin gutmachen.
Dabei rückt vor allem der Schwarzwald ins Fadenkreuz der Beobachtung, deuten
doch die beiden ICON-Fassungen zumindest punktuell (es dürfte sich um "günstige"
Staulagen handeln) das Überschreiten der neuralgischen 25mm-Schwelle (12 h) an.
Hier ist zwar das letzte Wort noch nicht gesprochen, die Wahrscheinlichkeit für
eine markante Dauerregenwarnung (etwa von Freitagabend bis Samstagmittag) ist
aber nicht zuletzt auch wegen der Signale von COSMO-LEPS relativ hoch. Weit
unsicherer dagegen ist die Prognose eines nur in der unteren Troposphäre
erkennbaren Höhentrogs im Westen des Landes, der dort postfrontale Hebung
generiert und in der zweiten Nachthälfte für schauerartige Niederschläge sorgt.
Käme dieses Szenario, das nicht alle Modelle auf der Karte haben, müsste in
höheren Lagen mit Schnee gerechnet werden. Noch weiter nord-nordwestlich reißt
die Wolkendecke zeitweise auch mal längere Zeit auf, was gebietsweise leichten
Frost in Bodennähe, wahrscheinlich aber keinen Luftfrost zur Folge hat. Örtlich
bildet sich Nebel und an der Nordsee sind vereinzelte Schauer nicht
ausgeschlossen.

Samstag... erreicht die Kaltfront endgültig den Süden und Südosten des Landes,
wobei sich an der Front wahrscheinlich noch eine weitere Welle bzw. ein
Wellentief bildet. Dessen Stärke und Position wird derzeit aber noch
unterschiedlich simuliert, was für Detailfragen einigen Raum zum Spekulieren
bietet. Der Generalkurs allerdings scheint zu stehen, und da stehen die Zeichen
eindeutig auf Zufuhr hochreichend polarer Meeresluft. Diese geht einher mit
einem deutlichen Potenzialverlust und dem Übergreifen eines veritablen
Höhentrogs von Westen her. In 500 hPa sinkt die Temperatur verbreitet auf -35°C
oder noch etwas darunter bei gleichzeitigen 850-hPa-Temperaturen zwischen -3 und
-6°C. Als Steuerungszentrum fungiert übrigens noch immer das aus der
REINHARD-Dynastie hervorgegangene Sturmtief über der Norwegischen See, das nun
aber Unterstützung durch ein kräftiges hoch über dem nahen Ostatlantik bekommt.
Zwischen diesen beiden Druckgebilden dreht der Wind auf West bis Nordwest, wobei
er an der Nordsee sukzessive zulegt (7 Bft, später teils 8 Bft), sonst wohl aber
nur in exponierten Hochlagen signifikant unterwegs ist (ebenfalls Böen 7 bis 8
Bft).
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich die stratiformen Regenfälle mehr
und mehr in den Südosten und Osten des Vorhersageraums zurückziehen (bei IFS und
GFS durch die etwas stärkere Wellenbildung leicht verzögert). Warnrelevante
Mengen zeichnen sich dabei nicht mehr ab. Rückseitig bilden sich Regen- oder
Graupelschauer, die Schneefallgrenze sinkt bis zum Abend auf etwa 800 m am
östlichen Alpenrand und bis zu 300 m im Westen. Allerdings wird derzeit noch
eine recht zurückhaltende Schaueraktivität simuliert, so dass sich die
Neuschneemengen in Grenzen halten dürften. Dafür sind an der Nordsee kurze
Gewitter möglich, die mit Böen 8 Bft einhergehen können. Temperaturmäßig landen
wir deutschlandweit nur noch bei maximal 4 bis 10°C.

In der Nacht zum Sonntag überquert die Trogachse unseren Raum langsam ostwärts.
Es kommt dabei zu weiteren Schauern, die bei 850-hPa-Temperatur von -4 bis -7°C
z.T. bis in tiefe Lagen als Schnee fallen oder zumindest mit Schnee vermischt
sein können. An der Küste sind bei auf Südwest rückdrehenden, in Böen steif bis
stürmisch wehenden Winden weiterhin kurze Gewitter möglich.
Luftfrost wird es gebietsweise im Süden sowie in höheren Lagen geben, während
sonst der Wind und auch wechselnde Bewölkungsverhältnisse ein nachhaltiges
Auskühlen verhindern (abzüglich vielleicht einiger windgeschützter Lagen).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Richtung stimmt, die Details noch nicht überall, was im Text aber weitgehend
erörtert wurde.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann