DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-11-2017 21:00
SXEU31 DWAV 221800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.11.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Nordwesten und in Mittelgebirgslagen Wind bis Sturmstärke, lokal sogar
darüber. Im Südosten leichter Frost.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich ein Höhenrücken von Italien in Richtung Ostsee und
Finnland. Um den Höhenrücken wird Warmluft geführt, die über der Nordsee und
auch im Nordosten Deutschlands für dichte Wolken sorgt. Die unterhalb des
Rückens verlaufende Warmfront hat den Nordosten Deutschlands schon in Richtung
Polen und Ostsee verlassen. Auf der Rückseite des Rückens liegt Deutschland
unter einer südwestlichen Höhenströmung und vorderseitig eines Langwellentroges,
der vom Nordatlantik über die Britischen Inseln nach Süden ausgreift. Mit dem
Langwellentrog korrespondiert ein Tiefdruckgebiet, welches bei - grob gesprochen
- elliptischer, von Südwest nach Nordost ausgerichteter Hauptachse von Irland
bis zur südlichen Norwegischen See reicht. Einer der Kerne liegt dabei über dem
Schottisch-Englischen Grenzgebiet sowie der angrenzenden Nordsee. Mit dem Tief
und seiner Struktur dominiert auch im Bodenfeld eine südwestliche Strömung, und
da der Gradient recht straff ist, ist mit entsprechend kräftigem Wind zu
rechnen. Im Laufe der Nacht schwenkt die Trogachse von der Biskaya nach
Zentralfrankreich. Damit wird die Rückseite des Höhenrückens deutlich abgebaut
und die Höhenströmung wird zyklonaler. Eine weitere Folge ist, dass die
Kaltfront des Britannien-Tiefs, das sich ein wenig auf die Nordsee verlagert, in
Richtung europäisches Festland gedrückt wird, wobei sie Benelux wahrscheinlich
noch nicht oder nur gerade so erreicht. An der Südostflanke des Tiefs nimmt der
Gradient weiter zu, was sich aufgrund der insgesamt stabilen Schichtung vor
allem im Bergland in der zweiten Nachthälfte in Form von starken oder
stürmischen Böen bemerkbar machen sollte. Exponiert sind dann Sturmböen oder
schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen, auf dem Brocken sogar orkanartige Böen.
Diese Bild zeichnet die deutsche Modellkette ziemlich geschlossen mit den
erwarteten Unterschieden in der regionalen Auflösung. Die höchsten
Windgeschwindigkeiten bietet dabei übrigens ICON6_Nest (über 50 kn
Donnerstagfrüh auf dem Brocken) an. Bezüglich des Windes zeichnet auch GFS
zeichnet ein vergleichbares Bild. Zu leichtem Frost kommt es nur im Südosten, wo
die Luft mit Taupunkten unter null Grad am trockensten ist. Ferner kann es in
geschützten Mittelgebirgslagen vom Erzgebirge bis zur Alp vereinzelt Frost oder
Frost in Bodennähe geben. Auch ist im Südosten das eine oder andere Nebelfeld
möglich, während in der Nordwesthälfte nicht nur der hohe Spread, sondern auch
der lebhafte Wind die Nebelbildung hemmen.

Donnerstag ... wird der Höhenrücken noch weiter nach Osten abgedrängt. Auf
seiner Rückseite wird der über Frankreich liegende Trog über den Norden
Deutschlands nach Osten geführt. Da der Trog dabei seine Amplitude etwas
verkleinert, ist er zum Abend nur noch als kurzwelliger Anteil über der
westlichen Ostsee zu erkennen. Gleichzeitig greift auf dem Atlantik westlich der
Britischen Inseln ein Langwellentrog weit nach Süden in Richtung der Azoren aus.
Damit ergibt sich in der Höhenströmung insgesamt ein Bild, bei dem eine
südwestliche Höhenströmung von den Britischen Inseln bis nach Spanien in eine
süd-südwestliche über der Ostsee und Mitteleuropa übergeht. Im Bodendruckfeld
wird das Tief bei den Britischen Inseln nach Norden in Richtung Südnorwegen und
dann nach Westen auf die südliche norwegische See geführt. Dabei sinkt der Druck
in der Region deutlich, zum Abend soll dort der Druck lauf GFS oder ICON unter
965 hPa liegen, nach ICON6_Nest sogar unter 960 hPa. Das französische LFPW
bietet mit knapp über 965 hPa den höchsten Druck in dieser Riege an. Von
zentraler Bedeutung ist der Kerndruck des Tiefs für unser Wetter ohnehin nicht.
Interessanter ist da schon die Entwicklung der zugehörigen, wenig
wetterwirksamen Kaltfront.
Sie greift im Laufe des Nachmittages auf den Nordwesten aus, erreicht bis zum
Abend Mecklenburg und den Mittelrhein, wobei sie im ihrem westlichsten Teil
zunehmend rücklaufend wird. Präfrontal erfolgt im Nordwesten und Westen eine
weitere Gradientzunahme, so dass verbreitet Wind- und in freien Lagen
Nordwestdeutschlands stürmische Böen zu erwarten sind. An der Nordseeküste und
in höheren Mittelgebirgslagen sind dann Sturmböen, in exponierten Berglagen
schwere Sturmböen (Brocken durchaus darüber, ICON6_Nest hier wieder als
Spitzenreiter mit 59kn) nicht auszuschließen. Auch in den mittleren Gebieten und
an der Ostsee frischt der Wind auf; über Windböen und einzelne stürmische Böen
sollte die Windentwicklung dort jedoch nicht hinausgehen. Mit dem Übergreifen
der Kaltfront fächert der Gradient alsbald auf, so dass ab dem Abend
warnrelevante Böen auf die Küste und Mittelgebirgslagen beschränkt bleiben, wo
allerdings nach wie vor auch stürmische Böen nicht auszuschließen sind. Der
Süden und Südosten bleiben von dieser Entwicklung verschont. Zwar zieht auch
dort etwas mittelhohe Bewölkung auf, aber es bleibt niederschlagsfrei. Die
Temperaturen erreichen 12 bis 17, bei leicht föhnigem Einfluss im Südwesten bis
19, im Südosten sowie im Bergland jedoch kaum mehr als 8 Grad.

In der Nacht zum Freitag wird die Kaltfront durch eine nachfolgende Welle
rückläufig, die über die französische Kanalküste nach Niedersachsen gesteuert
wird. Nach einer Phase der Abschwächung intensivieren sich die Niederschläge
über dem Nordwesten und Westen Deutschlands dadurch wieder, ohne jedoch
Warnschwellen zu erreichen. In ihren Niederschlagsmustern setzten die
ICON-Derivate auf Regen von Benelux bis nach Mecklenburg, wobei die
Küstenregionen trocken bleiben sollen. Bei GFS und EZMW (alter Lauf) dagegen
soll es auch an der Nordsee regnen, was der Tatsache geschuldet ist, dass diese
Modelle die Welle weiter nördlich rechnen. Klar scheint zu sein, dass an der
Südostflanke der sich nähernden Welle der Gradient erneut etwas zunimmt, so dass
im Westen (südlich einer Linie Eifel - Brocken) im Bergland Wind- und exponiert
vielleicht auch stürmische Böen vorstellbar sind. Die Windfelder von GFS und
EZMW greifen dagegen etwas weiter nach Norden aus. Abgesehen davon lässt sich
Erhaltungsneigung beschreiben, wobei die Gefahr von Nebel am ehesten in den
Flussniederungen Süd- und Südostdeutschlands gegeben ist, was auch, in etwas
schwächerer Ausprägung im Vergleich zur Vornacht, auch für den Frost gilt.

Freitag ... wird die Welle laut ICON ohne wesentliches Entwicklungspotential
über Norddeutschland ost- nordostwärts zur pommerschen Küste gesteuert. Die
Kaltfront dieser Welle dringt dann schleifend immerhin bis etwa zur Mainlinie
vor. Dies geht vor allem in den westlichen Mittelgebirgen mit einer weiteren
leichten Intensivierung der Niederschläge einher, wobei selbst in Staulagen
wahrscheinlich noch keine warnrelevanten Schwellenwerte erreicht werden
(ICON6_Nest kratzt zumindest an der Warnschwelle 30mm/12 Stunden). Somit ist die
Windentwicklung weiterhin das warntechnisch einzig zu beschreibende Element,
wobei in der Deutschen Modellkette die Entwicklung im Vergleich zu den Vorläufen
etwas zurückgenommen wurde. An der Südflanke der Welle treten in höheren Lagen
Windböen oder auch stürmische Böen, exponiert auch Sturmböen auf. Allerdings
fächert nach Passage der Welle der Gradient rasch auf, so dass ab dem Abend nur
noch in höheren Berglagen warnrelevante Böen auftreten. Dies ist zumindest die
ICON-Welt. Laut GFS wird die Welle weiter nördlich an die Südspitze Schwedens
geführt. Dabei soll sie sich etwas intensivieren, was auch höhere
Windgeschwindigkeiten, und zwar auch über der Norddeutschen Tiefebene, zur Folge
haben würde. Hier laufen die Modelle in ihren Prognosen doch deutlicher
auseinander.

In der Nacht zum Samstag wird eine weitere, aber relativ flache Welle über die
Mainregion hinweg ost- nordostwärts gesteuert. Laut der Deutschen Modellkette
soll sich an dieser auch ein flaches Tief mit Kerndruck unter 1010 hPa bilden,
eine nennenswerte Gradientzunahme ist dabei nicht erkennbar. Allerdings gelangen
die Staulagen dieser Mittelgebirge zusehends in den Schleifbereich der Front, so
dass dort längere Zeit Regen fallen dürfte und auch eine Überschreitung der
Warnschwellen für Dauerregen vorstellbar ist. Nach Südosten hin kann sich (falls
die Bewölkung noch einmal auflockert) noch einmal Nebel bilden.

Samstag ... schwenkt ein langwelliger Trog von den Britischen Inseln nach
Westdeutschland. Diagonal von Südwest nach Nordost liegt ein wellender
Tiefausläufer über Deutschland. Mit Abzug des Wellentiefs nach Nordosten
überquert er dann im Tagesverlauf als Kaltfront auch den Süden und sorgt
insgesamt vor allem in der Südhälfte für kräftige Niederschläge. Dabei besteht
im Schwarzwald die Gefahr von Dauerregen. Da auf der Rückseite der Kaltfront
deutlich kühlere Luft zu uns kommt, geht der Regen oberhalb von etwa 500 m in
Schnee über.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sehen die Entwicklung recht ähnlich, erst die Welle in der Nacht zu
Freitag offenbart ein auseinanderdriften der Modellrechnungen. Somit sind auch
für die warnrelevanten Parameter (speziell den Wind, aber auch den Frost und die
mögliche Glätte im Süden) bis in die Nacht zu Freitag sehr ähnliche Vorschläge
der Modelle auszumachen. Die Unterschiede wurden im Text thematisiert.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas