DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

10-05-2016 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 10.05.2016 um 10.30 UTC



Am Wochenende Übergang zum GWL-Typus Nz bzw. NWz (Nord/Nordwest zyklonal) mit
merklicher Abkühlung und wechselhaftem Wettercharakter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 17.05.2016


Schaut man sich die großräumige Druck- und Potenzialverteilung zu Beginn der
Mittelfrist am kommenden Freitag an, so fühlt man sich ein Stück weit an die
letzte Dekade des Vormonats erinnert. Kurzer Rückblick: Mit nördlicher Strömung
gelangte ein Schwall arktischer Polarluft nach Deutschland, die uns mehrere Tage
eine spätwinterlich anmutende, besonders der Vegetation nicht besonders
zuträgliche Witterung bescherte. Nun, ganz so heftig wird es diesmal nicht
werden. Trotzdem, nach einer guten Woche satten und tagsüber meist auch warmen
Frühlings, gibt es pünktlich zum langen Pfingstwochenende sowie zum formellen
Abgesang der Eisheiligen (am Sonntag steht die kalte Sophie auf dem Programm)
ordentlich einen auf "die Nuss".
Die Details:
Bereits am Freitag haben wir es mit dem Anfang einer blockierenden
Omega-Konstellation mit Druck- respektive Potenzialmaximum über dem größten Teil
des Ostatlantiks zu tun. Auf der Ostflanke des Höhenrückens setzt über dem
Nordmeer eine Austrogung ein, die unseren Raum zunächst aber noch nicht
tangiert. Deutschland liegt zu diesem Zeitpunkt noch im Bereich eine zonal
exponierten, relativ breiten Tiefdruckrinne, in der es verbreitet zu konvektiven
Niederschlägen und Gewittern, im Süden teils auch andauernden Regenfällen kommt.
Besonders im Norden ist es dabei noch vielerorts über 20°C warm, während sich
nach Süden hin die dort eingeflossene modifizierte Meereskaltluft bemerkbar
macht.
Am Samstag macht die o.e. Austrogung weitere Fortschritte nach Süden, so dass
der resultierende Trog zum Tagesende ganz Deutschland erfasst hat. Eine
vorgeschaltete Kaltfront passiert unseren Raum von NW nach SO, wird dabei aber
durch eine leicht diffuse Zyklogenese (kein klarer Kern) über Norditalien und
Umgebung etwas gebremst. Gleichwohl, die Tiefdruckrinne wird nach Osten
abgedrängt, bekommt dabei eine zunehmend eine meridionale Ausrichtung, und die
rückseitig der Kaltfront auf direktem Wege einströmende Polarluft (T850 0°C oder
etwas darunter, T500 im Norden teils bei -30°C) erreicht in der Nacht zum
Pfingstsonntag die Alpen.
Im weiteren Verlauf der Pfingstfeiertage rückt der Höhentrog etwas weiter nach
Osten vor, wobei sich über Nordpolen/Baltikum eine Abtropfung abzeichnet. Vom
Atlantik stößt ein Bodenhochkeil bis nach Deutschland vor, der aber von der
zyklonal konturierten Höhenströmung auf der Trogrückseite überlagert wird.
Kurzum, die Zufuhr maritimer Polarluft mit T850-Werten meist etwas unter 0°C
dauert an und sorgt bis auf Weiteres für einen wechselhaften Wettercharakter.
Ob dann in der erweiterten Mittelfrist ab Mittwoch der atlantische Höhenrücken
vorübergehend auf den Vorhersageraum übergreift, bevor sich zum Ende hin
(Freitag) eine Zonalisierung einstellt, bleibt abzuwarten. Es stellt lediglich
die deterministische Einzellösung des ECMF-Modells dar.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Kernaussage ist unstrittig: Am Pfingstwochenende steht uns eine Umstellung
der Großwetterlage mit einem markanten Temperaturrückgang bevor. So gesehen kann
die Konsistenz des ECMF-Modells als gut bis sehr gut angesehen werden. Zwar soll
die Kaltluft am Samstag etwas eher einströmen als gestern noch angenommen, an
der eigentlichen Entwicklung ändert das aber nichts. Auch die nachfolgende
Verschiebung des Zentraltiefs von Südschweden zum Baltikum nach Nordpolen hat
keine einschneidenden Konsequenzen auf die bevorstehende kühle und wechselhafte
Witterung.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die geschilderte Umstellung der Wetterlage am kommenden Samstag ist bei allen
vom Verfasser beäugten Globalmodellen auf dem Zettel. Kleine Unterschiede
ergeben sich im Timing der Kaltfront sowie in der Stärke der nach Osten
abgedrängten Tiefdruckrinne. Vor allem ICON simuliert in der Rinne eine
eigenständiges, sich vorübergehend auf etwas unter 990 hPa intensivierendes
Tief, das von Polen zur nördlichen Ostsee zieht. Bei dieser Entwicklung würde
der rückseitig auf W bis NW drehende Wind stärker auffrischen als bei anderen
Modellen.
Unschärfen zeigen sich zudem hinsichtlich der genauen Positionierung des
nachfolgend abtropfenden Höhentiefs (bei GFS weiter westlich) und der Andauer
der Troglage. Gerade die nordamerikanischen Modelle GFS und GEM sehen zum
Dienstag bereits wieder eine einsetzende Milderung, die von ECMF erst mit
Verzögerung angeboten wird.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Nicht nur das Ensemble des "kleinen Mannes" (also die anderen Modelle), nein
auch das weit umfangreichere EPS des ECMF spiegelt ziemlich eindeutig den oben
geschilderten Ablauf wider. Bei enger Bündelung der Kurven zeigt sich am Samstag
einen deutlichen Absturz der 850-hPa-Temperatur auf leicht negative Werte. Erst
ab Dienstag geht es dann - bei allmählich zunehmender Streuung - wieder bergauf.
Beim Potenzial in 500 hPa hingegen setzen Streuung und Anstieg schon am Sonntag
ein, allerdings begleitet von tagtäglich wiederkehrenden, meist flachen
Niederschlagspeaks.
Für den Zeitraum T+120...168h (Sonntag bis Dienstag) zeigt ECMF-EPS drei Cluster
(19, 19 + HL und KL, 13 Fälle), die aber alle den Trog über Mitteleuropa im
Angebot haben (CL 3 stationär, sonst leicht progressiv). Von Mittwoch bis
Freitag (T+192...240h) wird es dann kunterbunt mit sechs Clustern (15, 8, 8, 8, 6,
6 Fälle), wobei von Rücken Mitteleuropa über Trog Mitteleuropa bis hin zu einer
glatten oder leicht mäandrierenden Zonalströmung alles dabei ist.
FAZIT: Die Abkühlung ab Samstag ist sicher, die Andauer nicht ganz.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Bevor am Wochenende die maritime Polarluft den Vorhersageraum flutet, kommt es
am Freitag zunächst noch zu einigen GEWITTERN, deren Intensität gegenüber den
Vortagen aber abnimmt. Darüber hinaus deutet sich für den äußersten Süden
gebietsweise DAUERREGEN an, dessen genaue räumliche Verteilung und
Quantifizierung - ähnlich wie gestern - noch immer nicht feststeht, der
besonders zu den Alpen hin aber bis in den Samstag hinein andauern kann. Bedingt
durch konvektive Einlagerungen könnte nicht nur das DAUERREGEN-, sondern
punktuell auch das STARKREGENKRITERIUM (6h) gerissen werden.
Ab Freitagnachmittag muss besonders an der Nordsee sowie im angrenzenden
Binnenland mit STURMBÖEN 8 Bft (vereinzelt 9 Bft) um Nordwest gerechnet werden.
Am Sonntag könnten die 8er-Böen auch auf Teile der Norddeutschen Tiefebene
ausgreifen. Darüber hinaus kann es in den Nächten (ab Sonntag) in
windgeschützten Lagen und bei längerem Aufklaren stellenweise leichten FROST in
Erdbodennähe geben.

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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit ECMF-EPS und ECMF
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann