DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-11-2017 09:00
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 21.11.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

Sehr mild, dabei teilweise windig.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges in 500
hPa, dessen Achse von der Iberischen Halbinsel bis zu den Britischen Inseln
verläuft. Der Trog wird dabei von Warmluftadvektion überlaufen, im Westen
Deutschlands liegen die 500-hPa-Temperaturen schon in den Morgenstunden bei
knapp über -20 Grad. Der Trog selbst, dessen Wellenlänge im Tagesverlauf etwas
zunimmt, während sich seine Amplitude eher reduziert, verlagert sich ostwärts
und seine Achse erstreckt sich zum Abend von der spanischen Mittelmeerküste bis
in den Süden Norwegens. Da auf dem zentralen Atlantik ein Langwellentrog die
Höhenströmung dominiert, lässt sich im Bodendruckfeld auch eine Tiefdruckzone
mit zwei Tiefkernen ausmachen, die zum Morgen westlich der Britischen Inseln
liegt. Zum Abend wird der entwicklungsgünstig gelegene östliche Tiefkern auf die
Britischen Inseln übergegriffen haben, die Warmfront seines Frontensystems
erstreckt sich dann von Nordwest nach Südost quer über Deutschland. Damit
verbunden sind flächige Niederschläge, die von Südwesten her bis in die Mitte
ausgreifen, wobei nur die Gebiete nordöstlich einer Linie
Lausitz-Schleswig-Holstein weitgehend niederschlagsfrei bleiben. Warnwürdige
Mengen von mehr als 25 mm in 12 Stunden simulieren nur die regenaffinen Modelle
EURO4 und ICON6_Nest, und das auch nur in Österreich im Nordstau der Alpen im
Salzburger Land und in Oberösterreich. Punktuell bieten aber auch andere Modelle
(GFS, EZMW), durchaus Mengen bis an die 20 mm an, die damit aber an ihre
"Schmerzgrenze" gegangen sind und noch unter den Warnschwellen liegen.
Winterlich sind die Niederschläge in keinem der Modelle. Denn dort wo es
Niederschläge gibt steigen die 850er Temperaturen auf bis zu 8 Grad an, und im
Nordosten, wo die 850er-Werte noch unter null Grad liegen, bleibt es trocken.
Damit bleibt am Tage der Wind der einzige potentiell warnwürdige Parameter.
Allerdings ist von dieser Seite nicht viel Unheil zu erwarten. Im Süden fächert
der Gradient auf, so dass dort der lebhafte Wind insgesamt nachlässt. Allenfalls
auf den Bergen sind bis zum Abend stürmische Böen oder Sturmböen möglich, dies
deuten die hochauflösenden Modelle natürlich deutlicher an als die
Globalmodelle, gleichwohl sind die Signale allgemein vorhanden. Bezüglich der
Windsituation fällt aber GFS aus dem Rahmen. Die Amerikaner simulieren an der
Warmfront einen Streifen mit Böen bis Stärke 7, die die anderen Modelle so
ausgeprägt nicht im Programm haben.

In der Nacht zu Mittwoch verlagert sich der Rücken weiter nach Osten, seine
Achse erstreckt sich dann vom westlichen Mittelmeer bis nach Südschweden. Das
dem Trog folgende Bodentief zieht über die schottischen Highlands auf die
nördliche Nordsee, und in der Folge kommt auch die über Deutschland befindliche
Warmfront weiter nach Osteuropa bzw. zur Ostsee voran. Die Kaltfront des ersten
Tiefkerns wird über Norddeutschland und Dänemark rasch rückläufig um als
Warmfront in Richtung des zweiten Tiefkerns zu laufen, der sich bis zum Morgen
ins Seegebiet südwestlich von Irland verlagert haben wird. Mit dem Übergreifen
der Warm-/Kaltfront zieht im Nordwesten der Gradient an. Ausgangs der Nacht sind
an der Nordsee sowie im Nordwesten starke Böen, exponiert auch einzelne
stürmische Böen zu erwarten, eine Modelllösung, die nicht nur die deutschen
Modelle, sondern auch GFS so andeuten. EZMW ist bezüglich der Windentwicklung im
Nordwesten in der Nacht etwas defensiver. Einigkeit besteht aber darin, dass die
Warmfront im Nordosten die letzten Reste der Kaltluft ausräumt. Die 850er
Temperaturen liegen dort dann auch über null, so dass weiterhin nicht mit festem
Niederschlag zu rechnen ist. Im Süden dagegen steigt der Luftdruck. Die
eingeflossene milde Luft kommt zur Ruhe, und da diese recht feucht ist, muss
verbreitet mit Nebel, auch mit Sichtweiten unter 150 Meter, gerechnet werden.
Das sind grundsätzlich keine Idealbedingungen für Frost. Aber: Die südwestliche,
teils auch südliche Strömung an den Alpen sorgt in Alpennähe für ein Austrocknen
der Laufmasse. Das begünstigt Frost, und auch wenn alle MOSe (MIX, ICON, EZMW)
keine Temperaturen unter null Grad simulieren, könnte es, zumindest in
Bodennähe, hier und da für negative Vorzeichen bei der Temperatur reichen.

Mittwoch... verlagert sich der Rücken weiter nach Osten. Er greift vor allem in
seinem östlichen Teil weit(er) nach Norden aus, so dass seine Achse zum Abend
von den Alpen in Richtung Südfinnland weist. Somit dominiert in der Höhe über
Westeuropa eine südwestliche Strömung, die die Temperaturen in 850 hPa auch über
Südschweden und der mittleren Ostsee
auf über -20 Grad steigen lässt. Vorderseitig des Atlantiktroges ist der
Tiefkomplex einer gewissen Metamorphose unterworfen. Der östliche bzw.
inzwischen Nordöstliche Kern schwächt sich ab, er zieht bis zum Abend vor die
Südwestküste Norwegens. Damit übernimmt innerhalb des Tiefs der südwestliche
Kern die dominierende Rolle, der zum Abend an der schottisch-englischen Grenze
liegt. Das Tief selbst hat eine längliche Form, wobei die Hauptachse in
südwestlich-nordöstlicher Richtung verläuft Diese Form zeigen in ihren
00-UTC-Läufen sowohl ICON als auch GFS, der "alte" EZMW-Lauf deutet dies auch
an, allerdings in einer nördlicheren Variante. Die aktuelle, südliche Lösung der
Modelle sorgt auch bodennah auf der Südostseite des Tiefs für eine stramme
Südwestströmung, die schon unweit der Azoren beginnt und bis auf die Ostsee
reicht, womit auch ganz Deutschland unter dieser Strömung zu finden sein wird.
Da mit der Südwestströmung auch die o.e. Warm-Kaltfront-Kombi nach Nordosten
gedrückt wird, kommt es nur noch in der ersten Tageshälfte im Nordosten zu
Regenfällen, danach trocknet es laut aller Modelle weitgehend ab. Der Wind, auch
dies sehen alle Modelle ähnlich, bleibt vor allem in der ersten Tages-, und
dabei speziell in der Nordwesthälfte, lebhaft, Sturmböen sind dabei auf den
Bergen und in Nordfriesland vor allem bei den ICON-Derivaten ein Thema, der
Brocken könnte dabei mit orkanartigen Böen glänzen. Im Süden geht es dagegen
insgesamt ruhig zu, mit der Südwestströmung steigen die 850er Temperaturen lokal
auf über 10 Grad, was Höchstwerte bis zu 17 Grad im äußersten Südwesten bedeuten
könnte.

In der Nacht zu Donnerstag wird die Rückseite des Rückens durch einen
hineinlaufenden Trog abgebaut und das Britannien-Tief zieht rasch nach Nordosten
in Richtung norwegische Küste. Die zugehörige Kaltfront nähert sich dabei dem
äußersten Nordwesten Deutschlands, ohne nach aktueller Modellsicht auf
Deutschland überzugreifen. Somit bleibt es auch im ganzen Land trocken.
Allerdings bleibt der Gradient bzw. wird mit Annäherung der Kaltfront schärfer,
was den Wind erneut aufleben lässt. Von der Pfalz bis zur Nordsee soll es auch
in tieferen Lagen Windböen geben, was die Modelle nicht nur in ihrer
Deterministik, sondern auch in der Probabilistik anbieten. Dass schon
vorderseitig der Kaltfront die 850er Temperaturen zurückgehen und zum Morgen
zwischen 6 und 10 Grad liegen, tut der insgesamt milden Witterung keinen
Abbruch. In der Temperaturverteilung gibt es keine durchgreifende Änderung,
weiterhin ist es im Westen und Nordwesten mit Tiefstwerten um 10 Grad am
mildesten, und im Süden ist lokal Frost möglich.


Donnerstag... wandert der nunmehr durch eine deutlich geringere Wellenlänge
gekennzeichnete Rücken nach Osteuropa aus. Deutschland gelangt auf die
Vorderseite des Langwellentroges über Nordwesteuropa, womit die Höhenströmung
auf mehr west-südwestliche Richtungen dreht. Dies gilt umso mehr, als der Trog
zwei Achsen aufweist, und in der Nacht zu Freitag die eine Achse in Richtung
Baltikum, die andere in Richtung Azoren weist. Dazwischen stellt sich eine recht
gradlinige Strömung ein. Vor der norwegischen Küste vertieft sich das
Britannien-Tief rasch, es zieht weiter nach Norden und weist ausgangs der Nacht
schon einen Kerndruck von unter 960 hPa auf, wobei es dann zwischen Norwegen und
Island zu finden sein wird. Zwischen diesem Tief und einem weiteren bei den
Azoren bildet sich eine breite, aber flache Tiefdruckrinne aus, die auch den
Nordwesten Deutschlands beeinflusst. Die Rinne wird in ihrer Form und Lage von
den Modellen noch unterschiedlich simuliert. Allerdings gilt allgemein, dass in
der Rinne einzelne schwache Tiefs zu finden sind, die über Frontensysteme
miteinander verbunden sind. Die Kaltfront, die in der Nacht zu Donnerstag von
der Nordsee her in Richtung Nordwestdeutschland unterwegs war, greift am Tage
bis in die Mitte unseres Landes aus. Während sie in ihrem nördlichen Teil weiter
nach Osten geführt wird und ausgangs der Nacht das Baltikum erreicht, wird sie
in ihrem südwestlichen Teil rückläufig, was einem der schwachen "Rinnentiefs"
geschuldet ist. Die Gesamtsituation ist dabei so, dass der größte Teil
Deutschlands weiterhin unter einem halbwegs kräftigen Gradienten liegt, was in
exponierten Lagen Wind-und Sturmböen erwarten lässt. Ansonsten sind keine
durchgreifenden Änderungen zu verzeichnen. In den Nordwesten sickert wieder
kältere Luft (850 hPa) mit Werten unter null, ansonsten liegen die 850er
Temperaturen bei bis zu 8 Grad, was zwar mild ist, aber erneut vielleicht nicht
ganz ausreichen könnte, um lokal leichten Frost oder Frost in Bodennähe im Süden
zu verhindern, immerhin simulieren die Modelle unisono im Südosten allenfalls
hohe Bewölkung.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe recht ähnlich, deutlichere Unterschiede
zeigen sich erst zum Ende des beschriebenen Zeitraums. An warnrelevanten
Parametern steht eindeutig der Wind im Vordergrund (er steht sogar praktisch
alleine auf der Bühne). Diesbezüglich liegen die Modellunterschiede aber in
einem Rahmen, der keine Überarbeitung oder Änderung des Warnmanagements
erfordert. Details der Modellunterschiede wurden im Text dargestellt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas