DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-11-2017 09:00
SXEU31 DWAV 170800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.11.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu NWz (Nordwest zyklonal)

Heute noch vergleichsweise beschaulich. Am Wochenende deutlich wechselhafter mit
Wind, besonders an der See und in höheren Lagen Sturm, dazu schauerartige
Niederschläge in verschiedenen Facetten (Regen, Schnee, Graupel, teils mit Blitz
und Donner).

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befindet sich Deutschland aktuell auf der diffluenten Vorderseite der
zur Zeit nur mäßig ausgeprägten Frontalzone, die von Grönland bis zur Nordsee
reicht. Im Laufe des Wochenendes wird sich das deutlich ändern, wenn sich die
Frontalzone nicht nur signifikant verstärkt sondern auch direkt auf den
Vorhersageraum zusteuert. Oder mit anderen Worten, die in den letzten Tagen und
ein Stück weit auch heute noch aktive Grenzschichtmeteorologie geht, dynamische
Prozesse und hochreichende maritime Kaltluft kommen - sicher.
Bevor es aber soweit ist, zeigt sich die Höhenströmung heute bei uns noch
äußerst zahm. Zwar nimmt bei leichter Austrogung die Zyklonalität in der Höhe
zu, nennenswerte Hebungsmechanismen lassen sich daraus aber nicht ableiten. So
übernimmt eine heute früh diagonal über der Mitte des Landes positionierte
Kaltfront die Rolle der ersten Geige, ohne dabei aber mit allzu lauten Tönen auf
sich aufmerksam zu machen. Sie gehört zu dem wenig mobilen Sturmtief über der
Norwegischen See PETER dem ERSTEN, das aufgrund seiner Trägheit in der Nacht das
Teiltief PETER den ZWEITEN über Nordskandinavien hat entstehen lassen, damit der
"gute Peter" auch über dem Festland einen Abgesandten zu bieten hat. Wie auch
immer, die Kaltfront steuert in den nächsten Stunden auf Süddeutschland zu, wo
derzeit noch ein leicht schwächelnder, sich im Tagesverlauf aber wieder etwas
kräftigender Keil eines Hochs bei UK/Irland liegt. Bereits jetzt ist auch
präfrontal leichter Druckanstieg erkennbar, so dass die Front zunehmend in ein
ungünstiges oder eben auch frontolytisches Umfeld gelangt. Die Folge wird sein,
dass zunächst ihre Verbindung zu weiteren, weit draußen auf dem Atlantik
liegenden Tiefs gekappt wird und dann von Westen her sukzessive abgebaut wird.
Nichtsdestotrotz, auch wenn Kaltfront nicht gerade als Herkules ihrer Zunft
daherkommt, ein bisschen Wirkung in Form schwacher Hebung zeigt sie schon. Und
das nicht nur an der Front selbst, sondern auch im Vorfeld, wo geringfügig WLA
wirksam ist. Entsprechend kommt es zu leichten Niederschlägen in Form von Regen
oder Nieselregen (teils aus gehobenem Hochnebel), der eigentlich keiner weiteren
Erwähnung bedürfte, wenn, ja wenn nicht Luft- und Bodentemperatur in Teilen
Süddeutschlands in den negativen Bereich abgesackt wären. So muss insbesondere
in den Morgenstunden dort gebietsweise noch mit gefrierendem Nieselregen und
Glätte gerechnet werden, auch wenn die Stundensummen gering sind. Im Laufe des
Vormittags sollte sich die Lage dann allerdings entspannen, wenn diffuse
Strahlung und ein allmähliches Durchgreifen des Bodenwärmestroms (Böden sind ja
noch nicht tief gefroren) eine langsame Erwärmung bedingen. Dafür kann es in den
Hochlagen von Thüringer Wald und Erzgebirge sowie später auch in den
ostbayerischen Mittelgebirgen etwas Schnee fallen, ohne dass dabei nennenswerte
Neuschneemengen zusammenkämen.
Ansonsten lässt sich noch festhalten, dass die postfrontal einfließende
subpolare Meeresluft (T850 im Norden bis zu -5°C, im Süden nur um 0°C) relativ
trocken und auch nicht besonders höhenkalt ist, was den Norddeutschen und später
auch Teilen der Mitte eine weitgehend trockene Mischung aus nicht
schauerträchtigen Quellungen (mangels vertikaler Mächtigkeit => zu warmer Wolke)
und Sonnenschein bringt. Einzig an der Nordsee können sich mal ein paar schlappe
Schauer zeigen. Dort legt zudem der Südwestwind am Nachmittag und Abend etwas
zu, so dass es auf Sylt und Helgoland vielleicht für die ersten 7er-Böen reicht.
Ansonsten spielt der Wind heute noch keine tragende Rolle. Temperaturmäßig geht
dieser Freitag mit etwa 1 bis 5°C im Südosten und 6 bis 11°C in den übrigen
Regionen in die meteorologischen Geschichtsbücher ein.

In der Nacht zum Samstag rückt die sich über dem nahen Ostatlantik und der
Nordsee intensivierende Frontalzone dichter an Deutschland heran. Dabei schwenkt
ein erster KW-Trog von NW her zur Nordsee, der über eine gut ausgeprägte
diffluente Vorderseite verfügt. Folgerichtig verstärken sich dynamische
Hebungsprozesse im äußersten Norden, außerdem kommt eine erste zaghafte Portion
höhenkalter Luft ins Spiel, was die Schaueraktivität im gesamten Küstenraum
erhöht. Mit Hilfe noch immer recht wirksamer diabatischer Effekte (Höhenkaltluft
über relativ warmes, freilich nicht mehr badetaugliches Meerwasser) ist gegen
Morgen vielleicht sogar ein kurzes Gewitter drin.
Weniger "vielleicht", mehr "bestimmt" gibt es von der Windentwicklung zu
berichten. Auf der Südflanke der Peter-Dynastie nimmt der Gradient im
unmittelbaren Küstenbereich soweit zu, dass der SW-Wind weiter zulegt und an der
Nordsee Böen 7-8 Bft, gegen Morgen exponiert 9 Bft, an der Ostsee 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft induziert. Auch auf dem Brocken sind dann die ersten
stürmischen Böen 8 Bft am Start.
Wesentlich ruhiger bleibt es im Süden, wo zunächst noch der Hochkeil greift.
Trotzdem sorgen Reste der scheidenden Kaltfront noch für etwas Niederschlag,
meist als Nieselregen, in höheren Lagen etwas Schnee. Zudem wird es stellenweise
neblig. In der Mitte (bei längerem Aufklaren) sowie in höheren Lagen gibt es
leichten Frost.

Samstag... erfasst der o.e. KW-Trog unter Intensivierung zunächst den Norden,
später auch den Osten des Landes. Damit gelangt ein Schwall hochreichend kalter
Polarluft in die genannten Gebiete, in der die 500-hPa-Temperatur bis zu -35°C
zurückgeht, während in 850 hPa rund -4°C gemessen werden. Damit ist ausreichend
Labilität gewährleistet, die für verstärke Konvektion sorgen. Die breitet sich
im Laufe des Tages von den Küsten über Norddeutschland hinweg bis zur Mitte aus,
wobei sich auf der Trogvorderseite ein definiertes Band mit schauerartigem Regen
etabliert, das allmählich süd-südostwärts schwenkt. In erster Näherung könnte
man meinen, es handele sich um eine Kaltfront, was allein für die mittlere
Troposphäre sicherlich auch zutreffen ist. In unteren Schichten allerdings
mangelt es an ausreichend Baroklinität, weshalb in der Bodenvorhersagekarte T+36
h (Samstagmittag) eine an einen Bodentrog gebundene Konvergenz abgebildet wurde.

Apropos Bodentrog, dieser gehört übrigens zu einem weiteren Tief (es müsste
PETER der DRITTE sein und nicht - wie in der offiziellen Karte der FU-Berlin -
PETER II, der Samstagmittag über dem Weißen Meer liegt), das sich in der Nacht
leebedingt hinter den südnorwegischen Bergen bildet und von dort nach
Südschweden zieht. Wie auch immer, Namen sind nur Schall und Rauch, und so
interessiert den geneigten Wetterverbraucher eher das, was die Großwetterlage
für Auswirkungen hat. Wie gesagt, der schauerartige Niederschlag verlagert sich
bis in die mittleren Landesteile. Dabei pendelt sich die Schneefallgrenze je
nach Intensität zwischen 400 und 600 m ein. Akkumuliert über 12 h bleiben die
Niederschlagsraten meist unter der 10mm-Schwelle, nur lokal mal etwas darüber.
Das Salz in der schaurigen Suppe könnten einzelne Gewitter werden, die
zusätzlich noch auftreten, besonders nach NO hin. Zwar wird kaum CAPE generiert
(die Luftmasse ist nicht überbordend feucht), mit Einströmen der Höhenkaltluft,
guten Scherungsbedingungen und der Exposition zu der sich bis nach
Westdeutschland ausweitenden Frontalzone (linker vorderer Bereich) sind
zumindest einige Voraussetzungen für einzelne kurze Graupelgewitter gar nicht
mal so schlecht.
Der südwestliche bis westliche Wind frischt im Norden und in der Mitte merklich
auf und erreicht in Böen Stärke 7 Bft, in kräftigen Schauer oder kurzen
Gewittern vereinzelt auch mal 8 Bft (niedertroposphärisches Windmaximum an der
Konvergenz). An der Küste und im Bergland stehen Böen 8-9 Bft auf der Karte,
exponiert an der Nordsee sowie auf dem Brocken sind sogar schwere Sturmböen 10
Bft drin (Brocken 11 Bft nicht ausgeschlossen). Nach Passage des Bodentroges
respektive der eingelagerten Konvergenz erfolgt im norddeutschen Binnenland ab
dem Nachmittag eine Windabnahme.
Und was passiert im Süden? - Nun, nicht viel möchte man antworten, hält sich
doch noch schwacher Hochdruckeinfluss in Form des bereits erwähnten Keils.
Entsprechend bleibt es weitgehend trocken (anfangs noch etwas Nieseln oder ein
paar Flocken im Südosten) und relativ windschwach (aber nicht windstill), wenn
man mal von exponierten Hochlagen (7-8 Bft) absieht.
Die Höchsttemperatur liegt landesweit zwischen 4 und 9°C, in höheren Lagen etwas
darunter.

In der Nacht zum Sonntag verliert die Konvergenz zwar zunehmend an Kontur,
gleichwohl weiten sich die schauerartigen Niederschläge von der Mitte bis in die
südlichen Landesteile aus. Oberhalb etwa 400 bis 600 m fällt Schnee mit
entsprechender Glätte, wenn z.T. auch nur durch Schneematsch.
Im Norden konzentrieren sich Schauer und kurze Graupelgewitter auf die
küstennahen Gebiete, wo auch der West- bis Nordwestwind weiterhin flott, um
nicht zu sagen stürmisch unterwegs ist (Böen 8-9 Bft, Nordsee ganz vereinzelt 10
Bft). Im Binnenland bleibt der Wind abgesehen von höheren Lagen meist unter der
Warnschwelle.

Sonntag... kommt noch etwas mehr Schmackes in die Wetterlage. Zum einen wird der
mittlerweile zum Haupttrog mutierte erste KW-Trog durch rückseitig einlaufende
Sekundärtröge regeneriert, so dass am Ende des Tages ein veritabler LW-Trog zu
Buche steht, dessen Achse dann aber schon deutlich östlich von uns liegt.
Entsprechend verläuft die inzwischen sehr gut ausgeprägte Frontalzone den
hinteren Ast des Troges entlang von NW nach SO mitten über Deutschland hinweg.
Darüber hinaus greift ein weiterer, sehr gut akzentuierter Bodentrog mit
neuerlicher Konvergenz von Norden her auf den Norden und Osten des
Vorhersageraums über. Zwischen dem Trog und dem sich nach Westfrankreich
verlagernden Bodenhoch baut sich ein substanzieller Gradient auf, der den auf
West bis Nordwest drehenden Wind landesweit in Wallung bringt. Der Schwerpunkt
wird sehr wahrscheinlich einmal mehr im Norden und in der Mitte liegen mit Böen
7-8 Bft, Küste und Bergland 8 bis 9 Bft, Nordsee (vereinzelt), Brocken und
Fichtelberg 10 Bft (Brocken 11 Bft). Aber auch im Süden wird der Wind spürbarer
sein als am Samstag mit Böen 7 Bft, in Schauern ganz vereinzelt 8 Bft, auf den
Bergen 8-9 Bft.

Im Süden breiten sich die restlichen Schnee-, Schneeregen- und Regenfälle aus
der Nacht allmählich zu den Alpen zurück, wo sich allmählich eine Staulage
einstellt mit häufigen Schneeschauern respektive länger andauerndem Schneefall
(10 bis 20 cm, in exponierten Staulagen bis zu 25 cm bis Montagfrüh).
Gleichzeitig breiten sich Schauer von Norden her südwärts aus. Dabei ist nicht
ausgeschlossen, dass sich erneut linienartige Strukturen organisieren, auch wenn
die Signale der Numerik nicht ganz so evident sind wie für Samstag. Tatsache
ist, dass im Norden und in der Mitte einzelne kurze Graupelgewitter dabei sein
können, dass die Schneefallgrenze zwar bei 400 bis 600 m liegt, es bei kräftigen
Schauern aber auch mal bis ganz runter schneien kann, kurzzeitige Glätte
inclusive.
In der überwiegend gut durchmischten Luftmasse steigt die Temperatur auf etwas
über 0°C am Alpenrand und bis zu 9°C im äußersten W und NW.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Umstellung der Großwetterlage ist unstrittig, kleinere Details freilich noch
nicht. Dazu gehört u.a. die Frage, wo genau die berühmten Kaltluftgewitter
auftreten, die uns in der Vergangenheit immer wieder mal mehr, mal weniger
verarscht haben (sorry für die harte Wortwahl, aber es ist Fakt). Auch die
genaue Positionierung des Bodentrogs am Sonntag ist noch nicht ganz in trockenen
Tüchern, was vor allem für die Ostsee von Bedeutung ist (mehr oder weniger Wind
als oben beschrieben?).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann