DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-11-2017 09:00
SXEU31 DWAV 120800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.11.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wz

Von Norden Zufuhr polarer Luftmassen; im Süden Dauerregen, später von Norden in
Schnee übergehend. Im Süden Sturmböen. Im Norden zunehmend Schnee- und
Graupelschauer, in der Nacht Frost mit Glättegefahr. Ab Montag allmähliche
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland im Bereich eines Trogkomplexes, der weite Teile
Skandinaviens überdeckt. Dabei zeigen sich zwei markante Trogachsen, wovon die
eine in Richtung Ukraine weist und sich im Tagesverlauf nach Westrussland
verlagert, während die zweite aktuell von der nördlichen Nordsee über England
zur Biskaya weist. Erste beeinflusst anfangs noch den Nordosten, die von ihrer
Höhenkaltluft erzeugte Labilität lässt auch wieder kurze Gewitter zu. Letztere
dagegen greift weiter nach Süden aus und erreicht zum Abend die Seealpen.
Zwischen den beiden Achsen liegt Deutschland anfangs fast komplett, zum Abend
nur noch der östliche Teil unter einer schwach antizyklonalen Höhenströmung.
Vorderseitig der zweiten Trogachse wird ein kleinräumiges Tief vom Ärmelkanal
über den Norden Frankreichs nach Osten gesteuert. Inzwischen sind sich die
Modelle, im Gegensatz zu gestern, auch weitgehend über die Zugbahn und die
Geschwindigkeit einig. So soll laut EZMW (Lauf gestern 12 UTC) sowie laut ICON
oder LFPW (Lauf heute 00 UTC) der Kern des kleinräumigen Tiefs um 12 UTC heute
Mitte mit einem Kerndruck um 995 hPa etwa im Bereich der Südpfalz/Neckarmündung
liegen. Die ICON-Derivate sowie COSMO-DE tendieren dabei mit einem Kerndruck
unter 995 hPa in Richtung EZMW. Etwas anders sieht GFS die Sache, hier ist die
Bahn zwar ähnlich, aber die Verlagerung wird etwas schneller angedeutet und der
Kerndruck etwas schwächer.

Bezüglich der simulierten Windfelder ergibt sich damit ein recht einheitliches
Bild. Wind bis zur Sturmstärke erwarten alle Modelle südlich einer Linie Pfalz -
Franken - Oberpfalz. Die MOSe gehen dabei in die gleiche Richtung. Laut
COSMO-LEPS liegt in diesen Bereichen die Wahrscheinlichkeit für Böen größer Bft
8 verbreitet über 60%. Und auf den Gipfeln sind Böen bis zur Orkanstärke
möglich. Entsprechende Warnungen laufen (Wind der Stärke 7, insbesondere an der
Ostseeküste, gibt im deterministischen Bereich nur noch EZMW her, allerding
liefert die Probabilistik dafür unterstützende Signale). Etwas weiter nördlich
als die im Süden beschriebenen Windfelder greifen an Tage die kräftigen
Regenfälle aus. Dabei simulieren alle Modelle als Schwerpunkt (in
unterschiedlicher Ausprägung) die bekannten und bewarnten Dauerregengebiete im
Süden, aber auch einen Streifen hohen Niederschlags von Nordbayern bis nach
Rheinland-Pfalz. Hier deuten GFS und ICON6_Nest, aber auch COSMO-DE mit
12-stündigen Mengen knapp über 30 mm eine schwache und lokal begrenzte
Dauerregensituation an, allerdings sind die Niederschlagsmuster und deren
räumliche Verteilung unterschiedlich, was die Spezifizierung der Warnung
erschwert. Somit bleiben die Dauerregenwarnungen vorerst unangetastet.

Die Verlagerung des kleinräumigen Tiefs bzw. das Tief selbst steuert auf seiner
Rückseite natürlich auch den Vorstoß der polaren Luft nach Süden. Zum Abend wird
das Tief von EZMW (alter Lauf) im Bereich Oberfranken, von ICON und EURO4 im
Bereich der Oberpfalz erwartet. Laut GFS soll es schon über Südböhmen angekommen
sein. Einheitlich ist für all diese Positionen, dass damit in weiten Teilen der
Mitte und des Nordens die Kaltluft schon angekommen ist. Am und nördlich des
Mains soll die Schneefallgrenze schon um die Mittagszeit zwischen 300 und 500
Meter liegen, weiter nach Süden steigt sie sehr rasch auf Werte um 1600 Meter
an. Da in der Kaltluft die Niederschläge mehr und mehr Schauercharakter annehmen
(einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen), kann es im Mittelgebirgsraum auch mal
bis in tiefe Lagen Schnee-, Schneeregen oder Graupelschauer geben. Am Abend ist
die Kaltluft dann auch bis in den Südwesten vorgedrungen. Vom Schwarzwald bis
ins Allgäu liegt die Schneefallgrenze dann bei 600 bis 1000 Meter, an den
Ostalpen, wo die Kaltluft etwas länger braucht, liegt die Schneefallgrenze dann
noch über 1500 Meter.

In der Nacht zu dringt der Trog über die Alpen bis nach Norditalien vor, wobei
er beginnt abzutropfen. Ganz Deutschland wird dann von Kaltluft geflutet. Da das
Ausgreifen des Trogs über die Alpen hinweg nach Süden für eine Leezyklogenese
sorgt und das entstehende Tief mit dem nunmehr über Böhmen und später über
Südpolen liegenden Tief eine Rinne bildet, wird die nördliche Strömung zwar
zusätzlich gestützt, trotzdem fächert der Gradient zusehends auf, was auch alle
Modelle einheitlich so sehen. Damit ziehen die Wind- und Sturmböen im Süden nach
Osten ab, danach sollten, vielleicht von den Ostfriesischen Inseln abgesehen,
keine warnwürdigen Böen mehr auftreten. Die Schneefallgrenze liegt zum Morgen
zwischen 300 und 700 Meter mit den höchsten Werten im Westen (z.B. Eifel). Die
Niederschläge lassen von Norden her nach, allerdings werden von allen Modellen
die ganze Nacht hindurch zumindest einzelne Schauer im den Mittelgebirgen
simuliert, was zum Morgen auch hier und da eine dünne Schneedecke erwarten
lässt. Anhaltender sin die Niederschläge in den Alpen. 12-stündig simulieren die
Modelle am Alpenrand zwischen etwa 25 mm (ICON, das auch im Schwarzwald ebenso
hohe Mengen vorhersagt) und 10 mm (EZWM). Damit eine beachtliche Bandbreite an
Neuschnee möglich, von 15 cm bei defensiver Sichtweise bis hin zu einem halben
Meter bei offensiver. Dies sind aber bei allen Modellen die Staulagenwerte. Als
Kompromiss könnte man 20 bis 30 cm Neuschnee in Staulagen anvisieren, in den
übrigen Lagen entsprechend weniger.

Erwähnt sei noch, dass im Norden die Bewölkung durchaus aufreißen kann. In
geschützten Lagen kann dies Frost oder Frost in Bodennähe bedeuten, wobei die
Modelle diesbezüglich aktuell Schleswig-Holstein bevorzugen, mit entsprechender
Glättegefahr, wenn diese nicht schon durch etwas Schnee gegeben ist. In höheren
Mittelgebirgslagen ist ohnehin mit leichtem Frost zu rechnen.

Montag... schreitet der Cut-Off-Prozess über Nord- und Mittelitalien weiter
voran. Damit gelangt der Südosten mehr und mehr in einen Bereich
kompensatorischen Absinkens. Während der Nordosten noch im Einflussbereich des
verbleibenden Trogresiduums liegt, macht sich im Nordwesten schon ein
Atlantischer Rücken bemerkbar, der sich allmählich nach West- und Mitteleuropa
hereinschiebt. Dieser stützt auch ein markantes Bodenhoch, das immer weiter nach
Osten und damit auch auf Deutschland ausgreift, den Gradienten auffächern lässt
und die Windsituation weiter entspannt. Seine Struktur lässt über Deutschland
eine nordwestliche Strömung erwarten, in der die Polarluft immer weiter
austrocknet. In der Folge lassen die Niederschläge weiter nach, was auch an der
von Westen in der Höhe einsickernden Warmluft liegt, die für eine deutliche
Stabilisierung sorgt. Dennoch deuten alle Modelle, zumindest anfangs, die
Möglichkeit leichter Schauer an, die dann wohl in der festen Phase fallen
sollten, allerdings zunehmend an konvektiver Stärke und damit
Niederschlagspotential verlieren. Im Gegensatz dazu soll es an den Alpen weiter
schneien, zwar mit nachlassender Intensität, aber doch recht kontinuierlich.
Peilt man als 12-stündige Summe etwa 10 mm an (was ICON, EZMW, GFS oder auch
EURO4 durchaus hergeben, sind etwa 15 bis 20 cm Neuschnee im Alpenstau (womit
nicht der vor dem Grenztunnel Füssen oder bei Kiefersfelden gemeint ist) im
Laufe des Tages möglich. Der Wettercharakter ist im Nordwesten recht freundlich,
da auch der Rücken auch für Absinken sorgt, im Südosten werden noch Wolken
eingesteuert, so dass Sonnenschein dort eher Mangelware bleibt.

In der Nacht zu Dienstag kommt der Abtropfprozess über Italien und dem zentralen
Mittelmeer weitgehend zum Abschluss. Der nördliche Trogrest wird in Richtung
Baltikum geführt. Damit setzt sich von Westen her zunehmend das Hoch sowie der
Höhenrücken durch. Der Gradient fächert weiter auf, die Höhenströmung auf der
Nordflanke des Rückens wird zunehmend zonal. Dabei wird dort ein neuer
Tiefausläufer herangeführt, der zu einem Tief gehört, das zwischen Island und
Grönland
zu finden ist. Die schon weitgehend okkludierte Front selbst erreicht uns in der
Nacht noch nicht, allerdings zeigt sich schon der Bewölkungsaufzug und auch zu
ersten Regenfällen kann es im Norden schon kommen. Immerhin: Nach aktuellem
Stand bleibt die Nacht zu Dienstag im Norden frostfrei, was uns dort eine
Glättesituation ausgangs der Nacht und in den Frühstunden des Dienstags erspart.
Im Süden dagegen tritt verbreitet Frost auf, über Schnee vielleicht auch im
mäßigen Bereich, und an den Alpen kann es auch weiter schneien, was die globalen
Modelle mit 5 bis 10 cm Neuschnee unisono so sehen.


Dienstag... schiebt sich von Westen der Höhenrücken weiter nach Osten.
Allerdings wird er zwischen dem weitgehend ortsstabilen Höhentief über Italien /
dem zentralen Mittelmeer und der sich von Norden her nähernden Frontalzone in
die Zange genommen und zusammengepresst. Dabei verliert er an Kraft, zum Abend
und in der Nacht weist er nur noch recht schwach in Richtung Süddeutschland, und
auch das Bodenhoch wird von Norden her abgebaut. Das ist vor allem im
Frontbereich er Fall, wo sich ein deutlicher Bodentrog erkennen lässt. Die
okkludierte Front erstreckt sich zum Abend von der Ostsee bis nach
Rheinland-Pfalz, die Kaltfront wird über Nordfrankreich rasch rückläufig und
geht in eine neue Welle über. Diese liegt laut ICON gegen 18 UTC über
Nordengland. Hier hat allerdings EZMW eine ganz andere Lösung parat mit einer
Welle, die zu diesem Zeitpunkt noch weit westlich von Irland liegt. Während die
Front im Norden mit etwas Regen einen gewisse Wetterwirksamkeit vorweisen kann,
bleiben die Mitte und der Süden meist trocken, wenngleich die Wolken dominieren,
längere freundlich Abschnitte sind vor allem im Rücken- und Hochbereich, also im
Südwesten und südlich der Donau möglich. Weil mit der Front auch deutlich
mildere Luft in 850 hPa eingesteuert wird, bleibt es in der Nordwesthälfte in
der Nacht zu Mittwoch frostfrei. Vom Erzgebirge bis nach Baden sowie südöstlich
davon muss dagegen mit leichtem, über Schnee auch mit mäßigem Frost gerechnet
werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle prognostizieren die Abläufe heute recht ähnlich, zumindest was
großräumigen synoptischen Felder und auch die Verlagerung des kleinräumigen
Tiefs angeht. Daraus leiten die Modelle aber, wie nicht anders zu erwarten,
teils deutlich unterschiedliche Lösungen z.B. bezüglich der Niederschlagsfelder
her. Da der Montag von Wetterberuhigung geprägt ist, führen kleinere
Unterschiede in den Modelsimulationen nicht zu gravierenden Wetterunterschieden.
Gleiches gilt für Dienstag. Details der Modellunterschiede (und
Übereinstimmungen) wurden im Text beschrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas