DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-11-2017 21:00
SXEU31 DWAV 111800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.11.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden weiterhin Dauerregen, Schneefallgrenze erst ab morgen Nachmittag
sinkend. Zudem am Sonntag im Süden nochmals auffrischender, teils stürmischer
Wind.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befinden wir uns etwa seit acht Stunden in der fünften Jahreszeit,
die - so man denn dem närrischen Treiben zugetan ist - sicherlich wieder einige
Turbulenzen zu bieten haben wird (und vielleicht auch schon hatte). Nun besteht
die Aufgabe dieses Bulletins aber nicht darin, die Aktivitäten rund um Jecken,
Narren, Elferrat und Tanzmariechen zu beschreiben, sondern sich den Vorgängen in
der uns umgebenden Atmosphäre zu widmen. Und die sind an diesem Wochenende -
übrigens wie die beiden Wochenenden zuvor auch schon - einmal mehr
hochinteressant und spannend. Wie man überhaupt sagen muss, dass die dritte
Jahreszeit in diesem Jahr alles andere als langweilig ist, erinnert sei
exemplarisch an die drei Stürme SEBASTIAN, XAVIER und HERWART. Zwar haben wir es
aktuell nicht direkt mit einem Sturmtief zu tun, trotzdem sind die tonangebenden
Luftdruckgebilde alles andere als Langweiler.

Zur Lage, und da zunächst mal in die Höhe: aktuelle befindet sich Deutschland
unter einer lebhaften nordwestlichen Höhenströmung, die zum einen Bestandteil
der aus dem Raum Grönland bis nach Mitteleuropa reichenden Frontalzone ist, zum
anderen den rückseitigen Ast eines recht breiten Troges über dem östlichen
Mitteleuropa bzw. dem nahen Osteuropa darstellt. Auf der kalten Seite befindet
sich das hochreichende Tief MICHAEL, das eindeutig steuernden Charakter hat und
sich im Laufe der Nacht etwa von der Rigaer Bucht in den Süden Finnlands
verlagert.
So weit, so gut, die eigentliche Musik spielt aber an der Südwest- respektive
Südflanke des Tiefs ab, wo gerade eine aus dem ehemaligen Tropensturm RINA
hervorgegangene Welle dabei ist, Süddeutschland in Richtung Tschechien zu
passieren, nicht ohne eine ordentliche Portion Regen im Süden zurückzulassen.
Doch kaum ist die eine Welle weg, formiert sich auch schon die nächste, die von
der FU Berlin übrigens keinen Namen bekommen hat, warum auch immer. Wer sie
sehen will, richte seinen Blick auf den Wetterkarten stromauf, genauer Richtung
UK/Irland, wo diese Welle heute Abend anlandet. Sie wird überlagert von einem
mit der nordwestlichen Höhenströmung mitschwimmenden, anfangs sehr flachen
KW-Trog, der sich im Laufe der Nacht deutlich verschärft und am frühen Morgen
die Nordsee erreicht.
Bevor es soweit, kommt es in der Nacht im Süden zu weiteren skaligen
Niederschlägen mit Schwerpunkten im Schwarzwald und im Allgäu, also dort, wo
bereits die Unwetterwarnungen vor ergiebigem Dauerregen laufen. ICON bietet in
der neuesten Version von 12 UTC 12h-Spitzen von 50-60 mm im Südschwarzwald und
im Allgäu an, was kaum von den Vorläufen abweicht, trotzdem aber die obere
Grenze darstellen dürfte. Weiter nördlich beruhigt sich das konvektive Geschehen
in der einfließenden maritimen Polarluft mit Ausnahme der küstennahen Regionen
(dort am meisten Höhenkaltluft und diabatische Effekte), was zum einen dem
Tagesgang, zum anderen dem ganz leichten Aufwölben der Höhenströmung vor dem
neuen KW-Trog geschuldet ist. Gleichwohl können sich noch einzelne Schauer in
die Nacht hineinretten, die oberhalb etwa 600 m als Schnee fallen. Entsprechend
muss in höheren Lagen der Mittelgebirge mit Glätte durch etwas Schneefall oder
gefrierende Nässe gerechnet werden. Glätte ist an der Küste zwar kein Thema,
dafür können dort noch vereinzelte kurze Gewitter auftreten. Außerdem bleibt es
dort relativ windig, in Böen bringt es der SW-W-Wind auf Stärke 7-8 Bft. Im
Gegensatz dazu schwächt sich der Wind in weiten Teilen des Vorhersageraums ab,
einzig im äußersten Süden können weiterhin Böen 7-8 Bft, in höheren Lagen bis 9
Bft, exponiert (Alpen, Feldberg) sogar 10-11 Bft auftreten.

Sonntag ... greift der o.e. KW-Trog unter weiterer Amplifizierung von der
Nordsee, Benelux und Nordostfrankreich auf Deutschland über, wobei er zunehmend
in die Rolle des eigentlichen Troges rutscht bzw. diesen regeneriert. Zum
Tagesende reicht seine Achse von Finnland über die Ostsee bis hinunter nach
SO-Frankreich, wo die Potenzialstrukturen bereits auf eine bevorstehende
Abtropfung hindeuten. Fakt ist, dass mit Übergreifen des Potenzialtrogs auch
eine weitere Portion hochreichender Kaltluft polaren Ursprungs in den
Vorhersageraum eindringt, in der die 500-hPa-Temperatur bis zum Abend mit
Ausnahme des äußersten Südostens auf etwa -30 bis -34°C zurückgeht, während sie
in 850 hPa auf 0 bis -5°C abrutscht.
Im Bodendruckfeld rückt ab Mittag verstärkt die "No-name-Welle" in den
Blickpunkt des Geschehens, wenn sie von den Vogesen her auf den Nordschwarzwald
übergreift und von dort via Schwäbische Alp in etwa die Donau entlang ostwärts
zieht, um am Abend (19/20 UTC) das Dreiländereck D-A-CZ zu erreichen (wobei sich
möglicherweise vorderseitig vorher schon ein zweiter Kern bildet, so dass ein
Dipol entsteht). Laut ICON und GFS von heute 12 UTC sollen die Welle respektive
das Randtief (die Numerik bietet mittlerweile durchweg mehrere geschlossene
Isobaren im 1-1-Abstand an) gegen 15 UTC mit einem Kerndruck von rund 995 hPa
ihren Höhepunkt erreichen.
Mit Annäherung der Welle/Randtiefs bzw. des nachfolgenden Höhentrogs
(vorderseitige WLA plus PVA) intensivieren sich die stratiformen Niederschläge
im Süden und weiten sich vorübergehend etwas nach Norden bis knapp an die
Mainlinie aus. Dabei können nochmalig gebietsweise 10 bis 20, lokal bis zu 30,
im Stau von Schwarzwald und Allgäu in der Spitze sogar 30 bis 50 mm innert 12 h
zusammenkommen. Mit der KLA sinkt die Schneefallgrenze von NW her bis zum Abend
auf etwa 600 m im Schwarzwald und rund 1000 m an den Alpen (Richtung Allgäu eher
schon etwas tiefer, Richtung Chiemgau und Berchtesgaden eher noch etwas höher).
Im Nord- bzw. Nordostquadranten des Wellentiefs kann es durch starke Hebungs-
und Verdunstungsabkühlung bei gleichzeitiger Windabschwächung vorübergehend auch
mal bis in tiefere Lagen nass schneien (z.B. in Teilen Frankens), für eine
wirkliche Glättelage dürfte es aufgrund des Bodenwärmestroms, der noch nicht
ausreichend abgekühlten Luftmasse und anschließender Durchmischung wohl nicht
reichen.
Im großen Rest des Landes stellt sich in der einfließenden maritimen Polarluft
wechselnde, überwiegend aber starke Bewölkung ein, aus der sich teils gewittrige
Regen- oder Graupelschauer, oberhalb 400 bis 600 m Schneeschauer entwickeln.
Oberhalb 600 bis 800 m kann sich dabei vorübergehend mal eine dünne Schneedecke
bilden oder Glätte durch Schneematsch auftreten. Im Osten ist die Konvektion
mangels zunächst noch nicht vorhandener höhenkalter Luft (nicht ausreichend
labil) sowie der zunächst noch antizyklonal konturierten Höhenströmung erheblich
limitiert, z.T. bleibt es sogar ganztägig trocken.
Thema Wind, der vor allem im Süden, genau auf der Südflanke des Wellentiefs noch
mal nachhaltig auf sich aufmerksam macht. Aus SW kommend frischt er von West
nach Ost schon ab den Morgenstunden zwischen dem südlichen Oberrheingraben und
Niederbayern merklich auf mit Böen 7-8 Bft, Alpenvorland mit Leitplankeneffekt 9
Bft, Feldberg und Alpengipfel bis zu 10 oder 11 Bft. Mit Passage der Kaltfront
findet die Windentwicklung dann ihren Höhepunkt, wobei im äußersten Südwesten
sogar einzelne Gewitter mit Böen 9 bis 10 Bft nicht ganz ausgeschlossen sind
(präfrontale Warmluft, etwas CAPE, gute Scherung). Danach bringt die abrupte
Drehung auf N bis NW eine deutliche Windabnahme. Weiter nördlich spielt der Wind
nur noch eine untergeordnete Rolle, weil der Gradient mit Passage eines
Bodentroges immer mehr auffächert.
Die Temperatur erreicht in weiten Teilen des Landes Maxima von 4 bis 9°C, im
äußersten Süden und Südwesten im breiten Warmsektor trotz Regen 10°C oder etwas
mehr.

In der Nacht zum Montag tropft der Trog wie oben angedeutet über dem Ligurischen
Meer ab, was die bereits zuvor schon eingeleitete Zyklogenese über Oberitalien
forciert. Das Wellentief zieht nach Österreich ab, wobei es sich immer weiter
auffüllt. Die Kaltfront überquert die Alpen südwärts, so dass der Weg für die
Polarluft arktischen Ursprungs (man beachte die Isobarenführung in der
Vorhersagekarte T+36h) auf direktem Wege gen Alpen erfolgen kann.
Die Niederschläge im Süden ziehen sich mehr und mehr an den Alpenrand zurück,
wobei die Schneefallgrenze bis ganz unten sinkt. Oberhalb 1000 m können bis zum
Morgen 10 bis 20 cm Neuschnee zusammenkommen, darunter fällt die Neuschneedecke
dünner und z.T. auch nasser aus. Trotzdem reicht es wohl sogar im Alpenvorland
für etwas nassen Neuschnee oder Schneematsch und Glätte.
Glätte ist zumindest teilweise auch in den Mittelgebirgen ein Thema, wo die eher
konvektiven Niederschläge zwar schwächer werden, wohl aber nicht ganz zum
Erliegen kommen. Je nach Intensität liegt die Schneefallgrenze zwischen 400 und
700 m, so dass oberhalb rund 600 m eine Glättewarnung (auch vor gefrierender
Nässe) fällig werden sollte. In Lagen darunter besteht lokal Frostgefahr dort,
wo es längere Zeit aufreißt (z.B. Schleswig-Holstein), gebietsweise aber
zumindest Frost in Bodennähe. Je nach Vorgeschichte (Schauer ja/nein,
Abtrocknung) ist auch dort gefrierende Nässe oder Reif nicht ausgeschlossen.
Der Wind spielt auch warntechnischer Perspektive wahrscheinlich keine Rolle
mehr.

Montag ... setzt sich der Abtropfvorgang fort, wobei das resultierende Höhentief
in Richtung Thyrrhenisches Meer zieht. Dorthin tendiert über Mittelitalien
hinweg auch das korrespondierende Bodentief, was mit unter 995 hPa Kerndruck für
diese Breiten sehr ordentlich ausgestattet ist (=> schwere Sturmlage im
westlichen Mittelmeer). Weiter nördlich schwenkt der Resttrog des
Abtropfprozesses über Ostdeutschland in Richtung Polen, ohne dabei die ganz
großen Akzente zu setzen. Von Westen her steigt das Potenzial mit Annäherung
eines Rückens an, die nördliche Höhenströmung nimmt zunehmend antizyklonale
Konturen an. Auch am Boden steigt der Luftdruck, indem sich von dem
umfangreichen Hoch über dem Ostatlantik ein Keil bis nach Mitteleuropa
ausweitet. Allerdings ist das "Auskeilen", wenn man das an dieser Stelle mal so
sagen darf, ein recht schleppender Prozess, so dass die moderate Grundströmung
zunächst noch längere Zeit aus Nordwesten kommt und die Zufuhr maritimer
Polarluft (T850 -2 bis -5°C, T500 allmähliche Erwärmung) andauert.
Das hat zur Folge, dass es besonders im Stau der Mittelgebirge und der Alpen
weitere Niederschläge gibt, die je nach Intensität oberhalb rund 600 m als
Schnee fallen. Meist sind es nur wenige Zentimeter oder etwas Schneematsch, an
den Alpen können aber ohne Weiteres 5 bis 10, lokal bis 15 cm zusammenkommen.
Auf richtig gutes Wetter (im landläufigen Sinne) mit längerem Sonnenschein
dürfen sich die Schleswig-Holsteiner und ihre unmittelbaren Nachbarn machen, wo
die Luft durch die Überströmung der norwegischen Gebirge ausgetrocknet wird
(Skandinavienföhn). Allerdings wird es auch dort nicht wärmer als rund 8°C.
Sonst stehen 3 bis 8°C, im W und NW bis zu 9 oder 10°C auf der Karte.
Zwar kommt der NW-Wind durch die Tagesböigkeit mitunter etwas ruppig daher,
warnwürdige Böen sollte es nach heutigem Stand aber nur an der Nordsee (7 Bft)
sowie in einigen Hochlagen (7 Bft, Alpen 8 Bft) geben.

In der Nacht zum Dienstag weitet sich der Hochkeil endgültig bis nach
Mitteleuropa aus. Damit nimmt die Niederschlagsneigung vorübergehend ab, an den
Alpen schneit es staubedingt aber noch etwas. Sonst klart es gebietsweise auf,
hier und da bildet sich Nebel. Die Temperatur geht vielerorts in den leichten
Frostbereich zurück oder zumindest in die Nähe von 0°C mit der Gefahr von
Bodenfrost. Am geringsten scheint die Frostgefahr abgesehen vom unmittelbaren
Küstensaum im W und NW zu sein, weil sich dort schon wieder mehrschichtige
Bewölkung bemerkbar macht. Sie kündigt die Annäherung einer Warmfront an, die
Bestandteil eines okkludierenden Frontensystems einer Tiefdruckzone über der
Irminger See bzw. der Dänemarkstraße 15 ist. Ob die Warmfront in den Frühstunden
auch schon den ersten Regen oder Nieselregen bringt oder sich das noch für den
Tag aufhebt, ist derzeit noch offen.

Dienstag ... legt sich der Höhenrücken zonal über Süddeutschland, was nach
Norden hin einer Steilvorlage für übergreifende WLA gleichkommt. Und tatsächlich
dringt die o.e. Warmfront ins norddeutsche Tiefland ein, während die
nachfolgende Kaltfront durch eine Wellenbildung weiter westlich im
Nordseeküstenbereich zunächst noch aufgehalten wird. Auf alle Fälle wird man
sich im Norden auf leichten Regen oder Nieselregen einstellen müssen, wobei noch
nicht ganz klar ist, wie weit dieser bis in die mittleren Landesteile ausgreift.
Im Süden bleibt es sehr wahrscheinlich niederschlagsfrei (ein paar anfängliche
Restflocken am östlichen Alpenrand) bei gleichzeitig etwas auflockernder
Bewölkung. Mehr als 2 bis 7°C sind dort aber nicht drin, während es im Norden
und Westen mit Winddrehung auf Südwest auf 6 bis 10°C hochgeht. Apropos Wind,
der erreicht im äußersten Norden in Böen mitunter Stärke 7 Bft, an der Nordsee
vereinzelt 8 Bft, auf dem Blocksberg bis zu 9 Bft.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Während sich ICON und GFS hinsichtlich des morgigen Wellentiefs angepasst haben,
bleibt der soeben veröffentlichte IFS-Lauf von 12 UTC bei seiner etwas nach
Norden verschobenen, vor allem aber drucktechnisch knapp 5 hPa tieferen Lösung.
Die Folge wäre u.a. noch mehr Wind/Sturm im Süden, der zudem etwas über die
Donau hinaus nach Norden ausgreifen würde. Offensichtlich ist in dieser Version
die Interaktion mit dem Höhentrog intensiver. Synoptisch vorstellbar sind beide
Lösungen, so dass letzte Details erst morgen beantwortet werden können.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann