DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-10-2017 09:00
SXEU31 DWAV 150800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.10.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWa

Spätsommerlich, im Süden teils zäher Nebel.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland unter einem breiten Höhenrücken, der sich am Tage
vom westlichen, in der Nacht zu Montag mehr vom zentralen Mittelmeerraum über
die gesamten Alpen nach Norden erstreckt. Das eingelagerte 588-gpdm-Höhenhoch
ist weitgehend ortsfest und überdeckt bis weit in den Montag hinein große Teile
Italiens und des Balkans. Während die Achse des Rückens bei ostwärtiger
Verlagerung aktuell etwa von Österreich in Richtung Dänemark und weiter zum
Oslofjord verläuft, erreicht sie ausgangs der Nacht zu Montag schon das
Baltikum. Der Rücken selbst wird durch die massive WLA auf der Vorderseite von
Hurrikan ORPHELIA gestützt, welcher sich auf Nord-Nordwestlicher Zugbahn bis ins
Seegebiet südlich von Irland verlagert. Dies führt in der zweiten Tageshälfte
und in der Nacht zu Montag zur Ausbildung einer zweiten Achse des Rückens,
welche sich Montagfrüh von der Schweiz bis nach Schottland erstreckt. Damit
dreht die Höhenströmung über dem Norden Deutschlands mehr auf west-südwestliche
Richtungen. OPHELIA selbst soll in der Nacht zu Montag die Wandlung vom Hurrikan
zum Ex-Hurrikan durchlaufen, was allerdings weniger dem Kerndruck und den
Windgeschwindigkeiten geschuldet ist als mehr seiner physikalischen Struktur, in
die mehr und mehr Kaltluft eingebunden wird. Denn nunmehr entwicklungsgünstig
auf der Trogvorderseite gelegen, vertieft sich OPHELIA in der Nacht deutlich,
ausgangs der Nacht soll der Kerndruck laut ICON etwas unter 970 hPa liegen, GFS
schlägt etwas in die gleiche Kerbe. Dabei bildet sich schon heute durch
frontogenetische Prozesse immer deutlicher eine Kaltfront an der Südflanke des
Hurrikans aus, auch die schon gestern knapp nördlich des Wirbels verlaufende
Warmfront wird zunehmend in seine Zirkulation eingebunden. In Verbindung mit
einem Tief, das von Schottland in Richtung Lappland zieht und dessen Kaltfront
von OPHELIA als Warmfront wieder nach Norden gedrückt wird, liegt Deutschland in
einem breiten Warmsektor. Der Nordosten wird dabei laut EURO4 bis in den späten
Nachmittag noch von der Warmfront des besagten Schottland-Lappland-Tiefs
beeinflusst, was gebietsweise für dichtere Wolken sorgen kann. ICON oder EZMWF
sind diesbezüglich sonnenaffiner, bei diesen Modellen ziehen die Wolken
schneller ab bzw. lösen sich auf. In dem Warmsektor herrscht verbreitet Absinken
vor, was auch den nicht wirklich veränderungsfreudigen Bodendruckverhältnissen
geschuldet ist. Dabei muss aber konstatiert werden, dass der Schwerpunkt des
Bodenhochs sich allmählich nach Osten verlagert und ausgangs der Nacht über dem
Balkan liegt, was bei uns für eine mehr südliche, aber insgesamt immer noch
schwache Bodenströmung spricht. Innerhalb dieses Szenarios, dass die Modelle
recht einheitlich simulieren und bei dem die Modellunterschiede keinen Einfluss
auf die Warnstrategie haben, ist Nebel der einzige warnrelevante Parameter. Laut
ICON können sich im Süden bis in den Nachtmittag zähe Nebelfelder halten, was in
geschützten Lagen durchaus denkbar erscheint. Die übrigen Modelle lösen den
Nebel im Vormittagsverlauf auf, EURO4 hat dabei als einziges "Nebelloch" den
Bodensee im Programm. In der Nacht zu Montag ist dann wieder verbreitet mit
Nebel zu rechnen.

Montag... wird die zweite Rückenachse für uns zunehmend dominant, sie zieht am
Tage über den Norden hinweg und in der Nacht bis zur mittleren Ostsee.
EX-OPHELIA überquert Irland und Schottland und liegt Dienstagfrüh etwa über der
Ostküste Schottlands. Den niedrigsten Kerndruck erwartet ICON am Vormittag mit
Werten um 967 hPa. Das amerikanische GFS geht mit dem Kerndruck nicht unter 970
hPa, und es lässt EX-OPHELIA auch etwas schneller ziehen als ICON. Auf jeden
Fall ist der "Landfall" im Südwesten Irlands um die Mittagszeit zu erwarten,
danach beginnt EX-OPHELIA sich aufzufüllen. Die Auswirkungen für unser Wetter
sind zwar nicht zu vernachlässigen, aber auch nicht dramatisch. Mit der
"relativen Annäherung" von EX-OPHELIA an Mitteleuropa (Distanz Borkum-OPHELIA um
die Mittagszeit etwa 1200 km) frischt im Nordwesten der Wind etwas auf. Zwar
sind wir von warnwürdigen Böen noch, im wahrsten Sinne des Wortes, "meilenweit"
entfernt, allerdings könnte der zarte "Auflebenstendenzen" zeigende Wind dort am
Vormittag die Auflösung möglicher Nebelfelder unterstützen. Der Norden wird
zwar, zumindest von ICON, in der Nacht zu Montag nicht als Nebelschwerpunkt
angesehen (im Gegensatz zu den Flusstälern im Süden), diese Vorhersage ging aber
auch schon in der vergangenen Nacht "schief". In der Nacht zu Dienstag greift
dann die Kaltfront von EX-OPHELIA auf das Emsland über. Sie hat allerdings beim
Blick auf die Feuchtefelder genau über dem Nordwesten Deutschlands einen
"Durchhänger". Infolgedessen ist nur mit einer leichten Wolkenverdichtung durch
tiefe und mittelhohe Wolken in diesen Regionen zu rechnen. Allerdings ist die
Position von EX-OPHELIA vor der schottischen Ostküste jetzt deutliche näher an
der deutschen Nordseeküste (ca. 750 km). Zwar hat sich EX-OPHELIA bis dahin
etwas abgeschwächt, es könnte ausgangs der Nacht aber für die eine oder andere
steife Böen in exponierten Küstenlagen der Nordsee reichen. Im Süden sagen die
Modelle wieder unisono Nebel vorher, im Nordosten soll hohe Bewölkung
durchziehen. Ob diese, wie von den Modellen angedeutet, die Ausstrahlung und in
der Folge die Nebelbildung verhindern kann, darf bezweifelt werden. Bleibt noch
ein Blick auf die Temperaturen. Die Werte in 850 hPa werden von ICON im
Nordwesten bei bis zu 16 Grad gesehen, auch bei GFS steht die 16-Grad-Marke auf
der Agenda. Daraus werden im MOS am Ende bis zu 26 Grad Höchsttemperatur im
westlichen NRW. Vielleicht geht auch noch mehr, auf jeden Fall stehen die von
meinem Vorgänger angesprochenen Dekadenrekorde (z.B. Aachen mit 26,9 Grad) auf
der Kippe.

Dienstag... bleibt Deutschland im Einflussbereich des Höhenrückens, wenngleich
dieser einer gewissen Metamorphose unterworfen ist. Die östliche Achse des
Rückens wird nach Russland abgedrängt. Der Rücken selbst wird im Norden durch
KLA, die in Richtung mittlerer Ostsee vorstößt, abgebaut, was auf die stramme
nordwestliche Strömung auf der Rückseite von EX-ORPHELIA zurückzuführen ist, die
über Finnland hinweg nach Osten zieht. Auch über den Britischen Inseln sinkt das
Geopotential leicht. Da aber über dem nahen Ostatlantik ein Abtropfprozess
stattfindet, der zu einem abgeschlossenen Höhentief im Bereich der Biskaya
führt, ist die Geopotentialstruktur über Deutschland in der Nacht zu Mittwoch
weiterhin die eines Keils, der dann vom Böhmischen Becken bis nach Schottland
reicht. Unter diesen Absinkbedingungen bleibt die Front im Norden Deutschlands
wenig wetteraktiv. Sie überquert zwar den Nordosten Deutschlands rasch nach
Osten, kommt aber nicht nach Süden voran, da das mit dem Abtropfprozess
korrespondierende Tief südwestlich von Irland die Front als Kaltfront wieder
nach Norden führt oder zumindest ihre südwärtige Verlagerung unterbindet. So
liegt die, ohnehin nicht sehr stark ausgeprägte Luftmassengrenze, recht fest auf
einer Linie Emsland-Berlin. Im Süden herrschen in 850 hPa dabei weiterhin recht
hohe Temperaturen von bis zu 13 Grad vor, im Küstenumfeld liegen diese dagegen
nur um 10 Grad. Das reicht nicht für Spitzenwerte, um die 20 Gad sollten im
Süden und der Mitte aber nochmal drin sein, nur bei zähem Nebel steigen die
Werte nur auf 10 bis 15 Grad. Erwähnenswert noch, dass sich im Norden der
Gradient noch etwas verschärft. Zu den aus der Nacht heraus möglichen einzelnen
Böen Bft 7 kommen vor allem in Nordfriesland noch ein paar 8er-Böen dazu, bevor
der Wind in der Nacht zu Mittwoch wieder nachlässt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Prognose der Zugbahn, der Intensität und der Geschwindigkeit eines
Hurrikans/Ex-Hurrikans gestaltet sich erfahrungsgemäß schwierig. Da die "großen
Modellprobleme" aktuell aber auf einer Linie Azoren-Irland-Skandinavien liegen,
der Tiefdruckwirbel mithin einen großen Bogen um uns macht, ist die Prognose für
Deutschland recht eindeutig. Warnrelevant ist ohnehin für's erste nur der Nebel,
ab Dienstag kommt Wind im Norden hinzu. Dies sehen die Modelle auch alle
ähnlich, bezüglich der Spitzenböen im Norden am Dienstag ist EZMWF etwas
zurückhaltender als ICON, GFS lässt die Böen in den Frühstunden auch auf die
Ostfriesische Küste ausgreifen, was EZMWF und ICON nicht vorschlagen. Auf
weitere Modellunterschiede wurde im Text eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas