DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-10-2017 09:00
SXEU31 DWAV 040800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.10.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NW z

Am Donnerstag Sturmlage. In Norddeutschland Sturmböen und schwere Sturmböen,
exponiert orkanartige Böen, vor allem an der Kaltront. An der Kaltfront auch im
Süden schwere Sturmböen möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verstärkt sich die zunächst recht glatte westnordwestliche
Höhenströmung, zwischen dem großen Trog über Nordeuropa und hohem Geopotential
über SW Europa, über Mitteleuropa noch etwas, was auf die Annäherung eines
Troges über die Nordsee zurückzuführen ist. Im Süden ist dabei zunächst
schwacher Zwischenhocheinfluss wirksam, wobei am Oberrhein, am Neckar und
südlich der Donau nach Auflösung örtlicher Nebel längere Zeit die Sonne
Durch hohe und mittelhohe Bewölkung hindurchscheint.

Mit dem in der strammen zonalen Strömung über die Nordsee und Jütland laufenden
Randtrog verschärft sich im Tagesverlauf der Bodendruckgradient im Norden. Der
Wind legt insgesamt wieder zu, wobei Böen Bft 7 bis zur Mitte ausgreifen können,
an der Küste und im nördlichen Bergland werden verbreitet stürmische Böen und
Sturmböen Bft 8/9
erreicht, an der Nordsee nachmittags und abends auch schwere Sturmböen Bft
10(ICON, MOS-MIX).

In die Strömung sind auch kompakte Wolkenformationen eingelagert, die auf
Deutschland übergegriffen haben. Bedingt durch frontogenetische Effekte
verstärken sich die Hebungsvorgänge im Tagesverlauf über dem Norden, so dass
Regen aufkommt, der sich zum Tagesende etwas ins norddeutsche Binnenland
ausweitet.

In der Nacht zu Donnerstag entwickelt sich aus einem Schnellläufer bei Irland
ein kleinräumiges Sturmtief, das am Donnerstag früh über der südlichen Nordsee
angekommen sein sollte.
Dabei kann der auf Südwest rückdrehende Wind im Nordwesten, Westen und im
Bergland stürmisch auffrischen, auf exponierten Bergen sind schwere Sturmböen
möglich, auf dem Brocken Bft 12. Dagegen flaut der Wind im Norden, vor allem im
Küstenbereich deutlich ab mit Böen teilweise unterhalb der Warnschwellen.
Zudem greift infolge kräftiger dynamischer Hebung, vor allem durch
Warmluftadvektion teils kräftiger Regen von der Küstenregion weiter südwärts,
bis zum nördlichen und östlichen Mittelgebirgsraum aus. ICON-NEST liefert an der
Nordsee und in Schleswig-Holstein 12 h Summen von 20 bis 30 mm, weiter südlich
bis zum Nordrand der Mittelgebirge meist 10 bis 15 mm.


Donnerstag... zieht das Sturmtief ost- bis südostwärts von der Nordsee über
Niedersachsen Richtung Berlin, Brandenburg und erreicht abends das westliche
Polen. Die zugehörige Kaltfront kommt bis zum Abend nach Südbaden und bis ins
Alpenvorland voran. Im Norden bzw. auch im Bereich der nördlichen Mittelgebirge
muss anfangs, gestützt durch die hereinschwenkende diffluente Trogvorderseite,
noch mit STARKREGEN gerechnet werden, an der Küste mit kurzen Gewittern. Durch
die starke Scherung und die sehr dynamische Entwicklung kann sich an der
Kaltfront auch eine markante Schauerlinie bilden, die mit einzelnen Gewittern
durchsetzt ist und die dann Deutschland von NW her überquert.

Nach Süden hin läuft die Front aber vermutlich aus dem stärksten dynamischen
Antrieb heraus, so dass sich dort die Intensität der Niederschläge etwas
abschwächt. Im Süden bleibt es nach Nebelauflösung erst einmal freundlich, wobei
südlich der Donau die Temperaturen im Zustrom subtropischer Luft örtlich bis
25°C ansteigen können. Im Norden ist es bei Zufuhr postfrontaler Polarluft mit
max. 11-14°C deutlich kälter.

Großes Thema wird der "STURM" sein. An der Südflanke des Tiefs sind zunächst vor
allem mit Kaltfrontpassage (Schauer/Gewitterlinie!), dann nach vorübergehendem
Nachlassen aber nochmal mit dem Bodentrog auch im Binnenland schwere Sturmböen
wahrscheinlich, die bis zur Mitte ausgreifen können. Dies betrifft zunächst vor
allem Niedersachsen und das nördliche NRW, später Sachsen Anhalt, das nördliche
Thüringen, Brandenburg/Berlin und Sachsen, wobei auch im Flachland örtlich
orkanartige Böen Bft 11 prognostiziert werden, im höheren Bergland sind
Orkanböen Bft 12 wahrscheinlich. Vor allem der direkte Modelloutput von ICON hat
entsprechende Böen im Programm, MOS-MIX bringt nur wenig niedrigere Böen. Auch
die anderen Modelle simulieren in diese Richtung, haben aber etwas andere
Zugbahnen und Windmaxima im Programm.
PEPS setzt mit 70-100% Wahrscheinlichkeit für Bft 10 in o.a. Bereichen
beachtliche Signale! Cosmo Leps zeigt an der Südflanke des Sturmtiefs von
Niedersachsen bis ins südliche Brandenburg Wahrscheinlichkeiten über 50% für
schwere Sturmböen und 20 bis 30% für orkanartige Böen!
Auf der Zugbahn des Sturmtiefs und weiter nördlich bleibt es zunächst
windschwach, erst nach Passage des Tiefkerns frischt der Wind von
Schleswig-Holstein bis nach Vorpommern wieder auf aus NW mit Bft 8 bis 10!
Die Windgeschwindigkeiten in 850 hPa liegen bei 60 bis 70 kt, die bei Passage
der Kaltfront zumindest ansatzweise heruntergemischt werden können, so dass auch
im Süden dann schwere Sturmböen, vereinzelt orkanartige Böen zumindest nicht
ganz ausgeschlossen sind.

Was den Regen angeht, so fallen in einem Zeitraum von etwa heute Nachmittag bis
Donnerstagabend in einem Streifen von der Nordsee ins nördliche Vorpommern 30
bis 50 mm Regen in etwa 24h. Die deterministischen Modelle simulieren teilweise
bis in den Unwetterbereich, die Ensembleverfahren sind zurückhaltender und haben
diesbezüglich nur geringe Signale zu bieten.
Rückseitig des Bodentroges lässt der West bis Nordwestwind dann nach, weht aber
immer noch stark mit stürmischen Böen an der Nordsee und im Bergland. Mit der
dann südwärts vorstoßenden Höhenkaltluft sind im Norden, vor allem an der Küste
kurze Kaltluftgewitter mit Sturmböen zu erwarten.

In der Nacht zum Freitag zieht das Tief rasch nach Osten ab und der Gradient
fächert auf. An den Küsten und im höheren Bergland bleibt es sehr windig mit
stürmischen Böen oder Sturmböen, im Flachland dürfte im Laufe der Nacht häufig
die Bft 7 nicht mehr erreicht werden. Mit dem südwärts ausbreitenden Trog
gelangt höhenkalte Luft über Deutschland nach Süden. In ihr kommt es zu
Schauern, an der See zu kurzen Gewittern. Auch in der unteren Troposphäre kühlt
es deutlich ab mit Temperaturen von 0 Grad in 850 hPa, die Schneefallgrenze
liegt aber oberhalb von 1000m.
Ganz im Süden regnet es zunächst frontalbedingt noch, später stellt sich Stau
ein, kurz: es regnet schauerartig weiter. In einigen Staulagen ist ein
Überschreiten der Warnschwellen vor Dauerregen nicht ausgeschlossen. Signale
dafür sind in ICON und Cosmo LEPS zu finden.


Freitag... liegt ganz Deutschland postfrontal an der Südwestflanke des
Tiefkomplexes über Skandinavien und Nordosteuropa im Zustrom maritimer,
hochreichend instabiler Polarluft im Bereich eines Langwellentroges. Bei noch
recht passablen Druckgegensätzen zum hohen Druck mit Schwerpunkt westlich der
Biskaya weht frischer, in Böen starker, an der Nordsee und im höheren Bergland
zeitweise stürmischer West-bis Nordwestwind Böen Bft 8.

An der zyklonal geprägten Westflanke des ostwärts abwandernden Langwellentroges
treten verbreitet Schauer auf, insbesondere im Norden bei prognostizierten CAPE
bis 500 J/Kg auch kurze Gewitter.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es gibt weiter leichte Unterschiede was Zugbahn und Timing des Sturmtiefs sowie
die Intensität des Sturms angeht. Im Großen und Ganzen ist die Entwicklung aber
recht sicher, weshalb heute eine Vorabinformation vor schweren Sturmböen,
exponiert Bft 11 rausgeht. Die Unsicherheiten sollten durch etwas großzügigeres
Ausdehnen des Sturmbereichs nach Norden und Süden abgefangen werden. An der
Kaltfront sind auch im Süden einzelne Bft 10 bis 11 nicht ausgeschlossen (siehe
Text), aber noch unsicher. Der Dauerregen ganz im Norden und an den Alpen bleibt
markant.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner