DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

09-09-2017 11:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 09.09.2017 um 10.30 UTC



Wechselhaft, recht kühl und zunehmend stürmisch. Ab dem Wochenende
Hochdruckeinfluss bei ansteigenden Temperaturen möglich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 16.09.2017


Der meteorologische Herbst hat ja bereits am 1. September begonnen und seitdem
ist die Witterung auch weitgehend herbstlich. Wer nun darauf hofft, dass diese
wechselhafte und eher kühle Phase bald ein Ende findet und
"Altweibersommer"-Wetter einkehrt, wird auch in den nächsten Tagen enttäuscht
werden. Weitere Tiefdruckgebiete ziehen über Deutschland hinweg und spielen mit
viel Wind, einigem Regen und eher kühlen Temperaturen fleißig virtuos weiter auf
der Klaviatur des Herbstwetters.

So zeigt sich zu Beginn des Mittelfristzeitraums am kommenden Dienstag im
aktuellen EZMW-Lauf von 00 UTC ein umfangreicher Höhentrog über dem
Nordostatlantik, dessen Einflussbereich bis nach Schottland und Norwegen sowie
bis nach Mitteleuropa reicht. Randtröge, die um den Langwellentrog herum laufen,
regenerieren diesen immer wieder. Korrespondierend dazu befindet sich am Boden
ein Tiefdruckkomplex mit mehreren Kernen darunter. Auf der Südflanke dieses
Komplexes zieht ein Randtief, unterstützt von einem Randtrog, von den Britischen
Inseln bis zum Mittwoch rasch nach Mitteleuropa. Auf der Südseite des Tiefs ist
ein scharfer Gradient auszumachen, der eine Sturmlage impliziert. So deuten ICON
und EZMW bereits in den aktuellen Läufen am Mittwoch Sturmböen bis ins Flachland
und schwere Sturmböen oder orkanartige Böen auf exponierten Gipfeln an.

In den Folgetagen ab Donnerstag rückt der Langwellentrog unter Amplifizierung
nach Osten vor. Bis zum Samstag überdeckt er ein Gebiet von Nordwestrussland
über Skandinavien bis nach Frankreich. Am Boden wird aus dem Tiefdruckkomplex
ein Zentraltief, dessen Zentrum am Samstag über Finnland und Nordwestrussland
liegt und in dessen Einflussbereich wir bis zum Wochenende verbleiben. Damit
setzt sich die unbeständige Witterung fort. Der Wind weht am Donnerstag bei
weiterhin kräftigem Gradienten immer noch stark mit möglichen Sturmböen vor
allem in der Nordhälfte und schweren Sturmböen (oder orkanartigen Böen) an der
Ostsee, am Freitag ist noch die Nordosthälfte betroffen. In der Folge nimmt der
Wind mit Verlagerung des Schwerpunkts des Tiefs nach Nordosten hin allmählich
ab. Die 850 hPa-Temperaturen sinken von anfangs 3 bis 8 Grad bis zum Wochenende
bei Zufuhr maritim erwärmter Polarluft bei Drehung der Strömung auf nördliche
Richtungen auf der Rückseite des Tiefs auf für die Jahreszeit zu kühle 2 bis 5
Grad ab.

In der erweiterten Mittelfrist zeigt der Langwellentrog Abtropftendenzen in
Richtung Balkan bei gleichzeitiger Verlagerung nach Osten. Von der Nordsee her
kann dadurch ein Höhenrücken südostwärts nach Mitteleuropa vorrücken, der einen
Keil des Azorenhochs unterstützt. Allmählich steigende Temperaturen und
Beruhigung des Wetters wären die Folge. Ob damit der "Altweibersommer" einkehrt,
kann an dieser Stelle aber noch nicht endgültig beantwortet werden.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Von den groben Strukturen her sind der aktuelle EZMW-Lauf von 00 UTC und seine
beiden gestrigen Vorläufe auf guter Linie miteinander. Alle betonen den
wechselhaften, recht kühlen und teils sehr windigen bzw. stürmischen
Witterungsabschnitt. Unterschiede im Detail, die aber durchaus relevant sein
können, existieren dagegen schon. So wird das Randtief am Mittwoch mehr als
"Schnellläufer" inszeniert, welches jedoch im Kernbereich einen etwa 10 hPa
höheren Druck aufweist als gestern noch prognostiziert. Da die Zugbahn nun
jedoch südlicher verläuft, bleibt die mögliche Sturmlage erhalten, sodass sich
für die Vorhersage kaum Unterschiede ergeben.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Grunde folgen ICON und GFS dem EZMW bis in die erweiterte Mittelfrist. Beim
Tief am Mittwoch bieten beide Modelle jedoch eher die gestrige EZMW-Lösung an
(Tief nördlicher und um 10 hPa stärker). Möglicherweise fungiert EZMW aber mal
wieder als "Trendsetter". GEM und NAVGEM schließen sich bisher der ICON bzw.
GFS-Variante an, bei NAVGEM fehlt aber der Abtropfprozess in der erweiterten
Mittelfrist (somit früherer Hochdruckeinfluss). CMA ist beim Tief am Mittwoch
der Lösung des EZWM näher, in der erweiterten Mittelfrist zieht der Trog dafür
bei nur schwacher Amplifizierung schneller ab (ebenfalls früherer
Hochdruckeinfluss).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles für mehrere deutsche Städte stützen die
Hauptlaufvariante, wobei bis einschließlich dem kommenden Samstag die
Bündelungen sehr eng und Haupt- und Kontrolllauf gut darin eingebettet sind. Ab
Sonntag bewegt sich eine Schar von Mitgliedern des Ensembles hin zu höheren
Temperaturen und höheren Geopotenzial. Damit erscheint der Abzug des Troges
schneller als vom Hauptlauf angedacht möglich.

Bei der Clusteranalyse gibt es bereits bei t+72-96 (Dienstag, 00 UTC bis
Mittwoch, 00 UTC) 4 Cluster (21, 12, 11 und 7 Mitglieder, Hauptlauf in C4,
Kontrolllauf in C1). Die Unterschiede liegen vor allem in der Behandlung des
"Schnellläufers", der in C1 bis C3 noch gleich stark auf ähnlicher Zugbahn, in
C4 aber deutlich abgeschwächt vorhergesagt wird. Bei t+120-168 (Donnerstag, 00
UTC bis Samstag, 00 UTC) werden sogar 5 Cluster gebracht (14, 13, 11, 7 und 6
Mitglieder, Haupt- und Kontrolllauf in C3), die Unterschiede über Mitteleuropa
sind aber nur marginal. Bei t+192-240 (Sonntag, 00 UTC bis Dienstag, 00 UTC)
tauchen 6 Cluster auf (11, 10, 10, 8, 7 und 5 Mitglieder, Hauptlauf in C2,
Kontrolllauf in C1). Auch in diesem Zeitraum sind die Unterschiede für
Mitteleuropa nicht gravierend. So zeigt sich in allen Clustern der
Abtropfprozess des nach Osten abziehenden Langwellentrogs. In C6 wird er jedoch
nur angedeutet, womit diese Lösung der des CMA gleicht.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Entwicklung in den nächsten Tagen hin
zu einer Sturmlage am Mittwoch und Donnerstag ziemlich sicher ist (kaum andere
Lösungen), auch wenn die Details (Zugbahn und Stärke des Tiefs) noch festgezurrt
werden müssen. Nachfolgend gelangen wir aufgrund der ziemlich einheitlichen
Modell- und Ensembleergebnisse mit guter Sicherheit in den Einflussbereich des
Troges. In der erweiterten Mittelfrist deutet sich eine Umstellung der
Wetterlage hin zu höherem Druck und steigenden Temperaturen an
(Altweibersommer?), deren zeitliches Eintreffen aber noch Unsicherheiten
aufweist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Bezüglich des Windes liefert EFI vor allem am Mittwoch und Donnerstag, im
Nordosten auch noch am Freitag deutliche Signale bis 1.0. Diese werden von COSMO
LEPS und EZMW-EPS gestützt, die analog dazu verbreitet Hinweise für stürmische
Böen und mit geringer Wahrscheinlichkeit für Sturmböen geben. An der See und im
exponierten Bergland sind schwere Sturmböen oder orkanartige Böen denkbar.

Am Mittwoch und Donnerstag bringt EFI außerdem Werte bis 0.7 für
überdurchschnittlich viel Niederschlag. Schwerpunkte sind am Mittwoch die
Westhälfte und am Donnerstag die Küstenbereiche. Auch diese Signale finden in
COSMO LEPS und EZMW-EPS Niederschlag, wobei jeweils bis zu 30 %
Wahrscheinlichkeit für mehr als 30 mm Regen in 24 Stunden ausgegeben werden.
Schwerpunkte sind nach diesen beiden Ensembles am Mittwoch die westlichen
Mittelgebirge und die Nordsee, am Donnerstag vor allem die Nordsee.

Darüber hinaus zeigt EFI insbesondere am Freitag und Samstag klare Hinweise für
zu kalte Temperaturen. Aufgrund der nächtlich meist vorhandenen Bewölkung ist
aber noch nicht von Frost auszugehen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, EZMW-MOS, EZMW-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler